LAG Hessen, 22.08.2014 – 1 Ta 457/14 Voraussetzungen, unter den ein Vergleichsmehrwert für ein zu erteilendes qualifiziertes Arbeitszeugnis und eine vereinbarte Freistellung festgesetzt werden kann.

April 30, 2019

LAG Hessen, 22.08.2014 – 1 Ta 457/14

Voraussetzungen, unter den ein Vergleichsmehrwert für ein zu erteilendes qualifiziertes Arbeitszeugnis und eine vereinbarte Freistellung festgesetzt werden kann.
Tenor:

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 25. Juli 2014 – 3 Ca 4011/14 – teilweise aufgehoben.

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit gemäß § 33 RVG wird für den Vergleich auf € 4.976,22 festgesetzt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die hälftige Beschwerdegebühr zu tragen.
Gründe
1

I.

Die Beschwerde der Klägerin hat nur zum Teil Erfolg.
2

Mit der Klage hat sich die Klägerin gegen die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 22. Mai 2014 gewandt. Die Beklagte hat die Klägerin mit Schreiben vom 22. Mai 2014 bis 31. Dezember 2014 widerruflich von der Pflicht zur Erbringung ihrer Arbeitsleistung freigestellt. Mit Beschluss vom 8. Juli 2014 stellte das Gericht das Zustandekommen eines Vergleichs gemäß § 278 Abs. 6 ZPO fest, wobei für den Inhalt des Vergleichs auf Bl. 20 d.A. Bezug genommen wird.
3

Auf Antrag der Klägervertreter setzte das Arbeitsgericht – nach vorheriger Anhörung der Klägerin und ihrer Prozessbevollmächtigten – den Gegenstandswert für das Verfahren und den Vergleich durch Beschluss vom 25. Juli 2014 fest (Bl. 25 d.A.). Gegen diesen, ihr am 31. Juli 2014 zugestellten Beschluss hat die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 5. August 2014, am folgenden Tag beim Arbeitsgericht eingegangen (Bl.29 f. d.A.) Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 6. August 2014 (Leseabschrift Bl. 31 d.A.) nicht abgeholfen hat. Wegen der Beschwerdebegründung wird auf die Ausführungen in der Beschwerdeschrift und im Schriftsatz vom 20. August 2014 (Bl. 35 d.A.) verwiesen.
4

II.

Die zulässige Beschwerde der Klägerin ist nur teilweise begründet.
5

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für den Vergleich – auf den sich die Beschwerde allein bezieht – ist auf € 4.976,22 festzusetzen.
6

Hierbei ist für die angegriffene Kündigung die Vergütung für ein Vierteljahr in Ansatz zu bringen (§ 42 Abs. 2 GKG). Entsprechend erfolgte die Festsetzung des Verfahrenswerts durch das Arbeitsgericht.
7

Der Vergleichsmehrwert beläuft sich darüber hinaus auf einen Betrag von € 1.421,79. Dieser Betrag errechnet sich wie folgt:
8

Durch die in Ziffer 3 des Vergleichs geregelte Freistellung erfolgt eine Erhöhung des Vergleichsmehrwerts. Die Freistellungsregelung wirkt werterhöhend, da sich – was aus dem Schreiben der Beklagten vom 22. Mai 2014 folgt – die Beklagte eines Rechts zur Freistellung der Klägerin berühmt hat. Sie hat die Klägerin einseitig von der Erbringung ihrer Pflicht zur Arbeitsleistung freigestellt. Insoweit ist nach Auffassung der Beschwerdekammer die Voraussetzung des Streitwertkatalogs 2014 (dort I. Nr. 22.1), unter der die Freistellungsregelung im Vergleich werterhöhend wirkt, erfüllt (der Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit in der überarbeiteten Fassung vom 9. Juli 2014 ist veröffentlicht auf der Internetseite des Hessischen Landesarbeitsgerichts unter Service/Wertfestsetzung und abgedruckt in NZA 2014, 745 ff.).
9

Die Beschwerdekammer orientiert sich im Interesse einer möglichst einheitlichen Wertrechtsprechung in arbeitsgerichtlichen Verfahren nunmehr an dem von der Streitwertkommission der Arbeitsgerichtsbarkeit erarbeiteten Streitwertkatalog. Dabei verkennt sie nicht, dass der von der Streitwertkommission erarbeitete Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichte nicht bindend ist. Sie orientiert ihre Rechtsprechung jedoch im Interesse einer möglichst einheitlichen Gestaltung der Streitwertbemessung für bestimmte, typische Fallkonstellationen an diesem Katalog (vgl. auch LAG Nürnberg vom 12. Dezember 2013 – 4 Ta 133/13, BeckRS 2014, 03679 und vom 21. Juni 2013 – 7 Ta 41/13, BeckRS 2013, 7121; LAG Sachsen vom 28. Oktober 2013 – 4 Ta 172/13, BeckRS 2014, 67070).
10

Infolge der Verpflichtung der Beklagten aus Ziffer 7 des Vergleichs, der Klägerin ein qualifiziertes Arbeitszeugnis mit einer im Vergleich festgelegten Note und weiteren inhaltlichen Festlegungen zu erteilen, erhöht sich der Vergleichswert um 20% eines Gehalts der Klägerin.
11

Nach der von der Beschwerdekammer vertretenen Auffassung, gestützt auf den von der Streitwertkommission der Arbeitsgerichtsbarkeit erarbeiteten Streitwertkatalog 2014, wird ein Vergleichsmehrwert bei unstreitigen und gewissen Ansprüchen, deren Durchsetzung jedoch ungewiss ist, für das Titulierungsinteresse mit 20% des Wertes des Anspruchs angenommen (siehe Streitwertkatalog 2014 I. Nr. 22.2). Anderes gilt, wenn durch den Vergleichsschluss ein weiterer Rechtsstreit und/oder außergerichtlicher Streit erledigt und/oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird. Dann ist der Vergleichsmehrwert mit dem Wert des Hauptsacheanspruchs zu bewerten (vgl. Streitwertkatalog I. Nr. 22.1). Dies ist beispielshaft gegeben, wenn im Rahmen einer verhaltensbedingten Kündigung eine Regelung zum Arbeitszeugnis mit inhaltlichen Festlegungen in dem Vergleich aufgenommen wird.
12

Das Vorliegen dieser letztgenannten Voraussetzung ist im Streitfall nicht erkennbar. Es geht aus dem Akteninhalt nicht hervor, dass es sich um eine verhaltensbedingte Kündigung gehandelt hat. Entsprechendes wurde auch auf einen gerichtlichen Hinweis hin nicht behauptet. Somit ist nicht davon auszugehen, dass die Parteien mit der Regelung in Ziffer 7 des Vergleichs einen weiteren Rechtsstreit (über den Inhalt des der Klägerin zu erteilenden Zeugnisses aufgrund ihres Arbeitsverhaltens) vermieden haben (siehe Streitwertkatalog 2014 I. Nr. 22.1). Deshalb kann vorliegend allenfalls von einem Titulierungsinteresse für einen an sich unstreitigen Anspruch, dessen Durchsetzung jedoch ungewiss ist, ausgegangen werden, den die Parteien in ihrem Vergleich jedoch vollstreckungsfähig geregelt haben.
13

Da die Beschwerde nur zum Teil Erfolg hatte, hat die Klägerin als Beschwerdeführerin die hälftige Beschwerdegebühr zu tragen (Nr. 8614 des Kostenverzeichnisses zum GKG). Eine weitergehende Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da Kosten nicht erstattet werden (§ 33 Abs. 9 Satz 2 RVG).
14

Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht möglich.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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