LAG Hessen, 24.06.2015 – 18 Sa 1576/14 Einstufung eines Rettungsassistenten bei unstreitiger Eingruppierung der Tätigkeit in eine Entgeltgruppe des Rahmentarifvertrags DRK.

April 28, 2019

LAG Hessen, 24.06.2015 – 18 Sa 1576/14
Einstufung eines Rettungsassistenten bei unstreitiger Eingruppierung der Tätigkeit in eine Entgeltgruppe des Rahmentarifvertrags DRK.

Die Arbeitgeberin ist erst zum 01.03.2013 der Tarifgemeinschaft beigetreten, das neue Tarifwerk existiert seit 01.01.2007. Streitpunkt ist, in welchem Umfang Beschäftigungszeit (alle Kläger wurden vor dem 01.01.2007 eingestellt) oder zumindest Zeiten einer Tätigkeit, die der – zum 01.01.2007 neu gebildeten – Entgeltgruppe entsprechen, für die Einstufung innerhalb der Entgeltgruppe zählen.

Lösung über Anwendung der Überleitungsregelungen, insb. § 4 TVÜ-DRK, die auch bei nach dem 01.01.2007 erstmals hergestellter Tarifbindung gelten.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 28. August 2014 – 9 Ca 181/14 – wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand

Die Parteien streiten über die zutreffende tarifliche Stufenzuordnung des Klägers, seitdem die beklagte Arbeitgeberin durch Verbandsbeitritt tarifgebunden ist. Über die für den Kläger aufgrund seiner Tätigkeit maßgebliche Entgeltgruppe besteht kein Streit.

Der Kläger ist bei der Beklagten, einem als gemeinnützige GmbH organisierten Rettungsdienst, welcher dem Deutschen Roten Kreuz zugehört, seit 01. März 1998 als Rettungsassistent beschäftigt. Er ist nicht gewerkschaftlich organisiert.

Die Beklagte war in der Vergangenheit nicht tarifDie Mitarbeiter erhielten eine an den Tarifwerken des BAT orientierte Vergütung. Änderungen in der Vergütungsstruktur durch den TVöD wurden nicht übernommen. Seit dem 01. März 2013 ist die Beklagte durch Verbandsmitgliedschaft an die zwischen der Bundestarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes und ver.di geschlossenen Tarifverträge gebunden.

Der “DRK-Reformtarifvertrag (Teil A) über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende” (derzeit in der Fassung des 41. Änderungstarifvertrages vom 16. Juni 2014, folgend: DRK-RTV), welcher im Wesentlichen zum 01. Januar 2007 in Kraft trat, bestimmt zur Vergütung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter u.a. folgendes:

“(…)

§ 19 Tabellenentgelt

(1) Der Mitarbeiter erhält monatlich ein Tabellenentgelt. Die Höhe bestimmt sich nach der Entgeltgruppe, in die er eingruppiert ist, und nach der für ihn geltenden Stufe

(…)

§ 20 Stufen der Entgelttabelle

(1) Die Entgeltgruppen 9 bis 15 umfassen fünf Stufen und die Entgeltgruppen 2 bis 8 sechs Stufen. Die Abweichungen von Satz 1 sind im Anhang zu § 20 geregelt.

(2) Bei Einstellung in eine der Entgeltgruppen 2 bis 15 werden die Mitarbeiter der Stufe 1 zugeordnet. Bei Einstellung von Mitarbeitern in unmittelbarem Anschluss an ein Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber, der Mitglied der Bundestarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes oder einer Landestarifgemeinschaft ist, die der Bundestarifgemeinschaft angehört, ist mindestens die in dem vorherigen Arbeitsverhältnis erworbene Stufe und Stufenlaufzeit bei der Stufenzuordnung zu berücksichtigen. Hiervon ausgenommen sind die in dem vorherigen Arbeitsverhältnis vorweg gewährten Stufen gemäß Absatz 5.

Protokollerklärung zu § 20 Abs. 2 Satz 2 Satz 2:

Wird bei dem neuen Arbeitgeber nicht die gleiche Tätigkeit ausgeübt und demzufolge eine Eingruppierung in eine andere Entgeltgruppe vorgenommen, erfolgt die Stufenzuordnung analog § 21 Abs. 4.

(3) Die Mitarbeiter erreichen die jeweils nächste Stufe – von Stufe 3 an in Abhängigkeit von ihrer Leistung gemäß § 21 Abs. 2 – nach folgenden Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe bei ihrem Arbeitgeber (Stufenlaufzeit):

– Stufe 2 nach einem Jahr in Stufe 1,

– Stufe 3 nach zwei Jahren in Stufe 2,

– Stufe 4 nach drei Jahre in Stufe 3,

– Stufe 5 nach vier Jahren in Stufe 4,

– Stufe 6 nach fünf Jahren in Stufe 5.

(…)

Protokollerklärung zu § 20 Abs. 3 Satz 1:

Die Verweildauer für den Aufstieg von Stufe 3 nach Stufe 4 wird für Mitarbeiter, die bis zum 31.12.2021 eingestellt werden, um zwei Jahre verlängert.

§ 21 Allgemeine Regelungen zu den Stufen

(…)

(4) Bei Eingruppierung in eine höhere Entgeltgruppe werden die Mitarbeiter derjenigen Stufen zugeordnet, in der sie mindestens ihr bisheriges Tabellenentgelt erhalten, mindestens jedoch der Stufe 2. Beträgt der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Tabellenentgelt und dem Tabellenentgelt nach Satz 1 (…) so erhält der Mitarbeiter während der betreffenden Stufenlaufzeit anstelle des Unterschiedsbetrages einen Garantiebetrag (…).”

Vor dem 01. Januar 2007 vereinbarten die Tarifvertragsparteien zur Überleitung von Arbeitsverhältnissen in das neue Tarifrecht außerdem den “Tarifvertrag zur Überleitung der Mitarbeiter des DRK in die Entgeltgruppen des DRK-Reformtarifvertrages und zur Regelung des Übergangsrechts, Teil B (derzeit in der Fassung des 41. Änderungstarifvertrages vom 16. Juni 2014 sowie des 7. Änderungstarifvertrages zum vom 10. April 2013, folgend: TVÜ-DRK). Der TVÜ-DRK enthält auszugsweise folgende Regelungen:

“(…)

Abschnitt I

Allgemeine Regelungen

§ 1 Geltungsbereich

(1) Dieser Tarifvertrag gilt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (im folgenden Mitarbeiter genannt) des Deutschen Roten Kreuzes, seiner Verbände (einschließlich deren Untergliederungen), Einrichtungen und Gesellschaften aller Art (im folgenden DRK genannt), die Mitglieder der Bundestarifgemeinschaft, einer Landestarifgemeinschaft, die der Bundestarifgemeinschaft angehört bzw. der vertragsschließenden Gewerkschaft sind, deren Arbeitsverhältnis über den 31.12.2006 hinaus fortbesteht, und die am 01.01.2007 unter den Geltungsbereich des DRK-Tarifvertrages i. d. F. des 27. ÄnderungsTV Teil A (im folgenden DRK-Reformtarifvertrag) fallen, für die Dauer des ununterbrochen fortbestehenden Arbeitsverhältnisses (…)

Protokollerklärung zu Absatz 1:

Tritt ein Arbeitgeber erst nach dem 31.12.2006 einer der Bundestarifgemeinschaft angehörenden Landestarifgemeinschaft als ordentliches Mitglied bei, so ist Absatz 1 mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des 31.12.2006 das Datum tritt, welches dem Tag der Begründung der Verbandsmitgliedschaft vorausgeht, während das Datum des Wirksamwerdens der Verbandsmitgliedschaft den 01.01.2007 ersetzt.

(2) Nur soweit nachfolgend ausdrücklich bestimmt, gelten die Vorschriften dieses Tarifvertrages auch für Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber im Sinne des Absatzes 1 nach dem 31.12.2006 beginnt und die unter den Geltungsbereich des DRK-Reformtarifvertrages fallen.

(…)

§ 2 Überleitung in die Entgeltgruppen

Die von § 1 Abs. 1 erfassten Mitarbeiter werden am 01.01.2007 gemäß den nachfolgenden Regelungen in die Entgeltgruppen übergeleitet.

§ 3 Zuordnung der Vergütungs- und Lohngruppen

(1) Für die Überleitung der Mitarbeiter wird ihre Vergütungs- bzw. Lohn gruppe gemäß §§ 22 bzw. 33 (so im Original: gemeint ist § 23) DRK-TV i. d. F. des 36. ÄnderungsTV (im Folgenden “DRK-TV a.F.”) (…) zugeordnet (…).

(…)

§ 4 Stufenzuordnung der Mitarbeiter

(1) Die Mitarbeiter werden entsprechend ihrer Beschäftigungszeit nach Absatz 5 der Stufe der gemäß § 3 bestimmten Entgeltgruppe zugeordnet, die der Stufe vorhergeht, die sie erreicht hätten, wenn die Entgelttabelle bereits seit Beginn ihrer Beschäftigungszeit gegolten hätte.

Protokollerklärung zu § 4 Absatz 1:

Ausschlaggebend ist nicht das Kalenderjahr, sondern die Beschäftigungsdauer (…) Stichtag für die Berechnung der Beschäftigungszeit ist der 31.12.2006. (…)

(2) Die Verweildauer in der zugeordneten Stufe wird einmalig im Rahmen der Überleitung um zwei Jahre verlängert. Werden Mitarbeiter gemäß Abs. 1 der Stufe 1 oder der Stufe 2 zugeordnet, verlängert sich die Verweildauer erst beim Aufstieg von Stufe 3 nach Stufe 4. Der weitere Stufenaufstieg erfolgt nach den Regelungen des DRK-Reformtarifvertrages.

(…)

(4 ) Beschäftigungszeit ist die bei demselben Arbeitgeber in einem Arbeitsverhältnis ununterbrochen zurückgelegte Zeit.

(…)

§ 12 Eingruppierung (gilt bis 31.12.2012)

(1) Bis zum In-Kraft-Treten der Eingruppierungsvorschriften des DRK-Tarifvertrages (mit Entgeltordnung) gelten die §§ 22, 23 DRK-TV a. F. (…) über den 31. Dezember 2006 hinaus fort. (…) Diese Regelungen finden auf übergeleitete und ab dem 1. Januar 2007 neu eingestellte Mitarbeiter im jeweiligen bisherigen Geltungsbereich nach Maßgabe dieses Tarifvertrages Anwendung. An die Stelle der Begriffe Vergütung und Lohn tritt der Begriff Entgelt.

(…)

Abschnitt II

Überleitung in die neue Entgeltordnung zum DRK-Reformtarifvertrag

§ 14 Überleitung in die Entgeltordnung zum 01.01.2013

(1) Für alle vom Geltungsbereich des § 1 Abs. 1 erfassten Mitarbeiter, die in den DRK-Reformtarifvertrag übergeleitet wurden sowie für alle Mitarbeiter, die zwischen dem 01.01.2007 und 31.12.2012 neu eingestellt wurden, gelten ab dem 01.01.2013 die Eingruppierungsregelungen der §§ 17 und 18 des DRK-Reformtarifvertrages (…).

(…)

Anhang

Niederschriftserklärungen

(…)

II) Niederschriftserklärung zu § 4 Abs. 2 TVÜ-DRK:

Der weitere Stufenaufstieg richtet sich nach den Regelungen des DRK-TV. Die bisherige Beschäftigungszeit zählt für die Stufenzuordnung nur einmalig bei Überleitung. Nach der Zuordnung zu der regulären Stufe der neuen Entgeltgruppe ist die bisher erreichte Beschäftigungszeit nicht mehr relevant. Es ist allein die jeweilige Stufenlaufzeit (§ 20 DRK-TV) maßgeblich, die am 1.1.2007 beginnt. (…)

(…)”

Zum Eintritt der Tarifbindung vereinbarten die Beklagte und der für ihren Betrieb gebildete Betriebsrat am 01. März 2013 die Betriebsvereinbarung “Betriebliche Lohngestaltung”, die auszugsweise wie folgt lautet (vgl. Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 17. November 2014 in dem Parallelrechtsstreit mit dem Az. Hess. LAG -18 Sa 1756/14, ArbG Kassel – 3 Ca 297/14, dort Bl. 73-80 d.A.):

“(…)

§ 1 Geltungsbereich

(1) Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle derzeit in der DRK Rettungsdienst A gGmbH beschäftigten Mitarbeiter

(2) Diese Betriebsvereinbarung regelt die Grundsätze der Lohngestaltung der im Rettungsdienst beschäftigten Mitarbeiter.

(…)

§ 2 Grundsätze der Lohngestaltung

(1) Die Parteien halten fest, dass der Betriebsrat durch diese Betriebsvereinbarung zu den Grundsätzen der Lohngestaltung sein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ausübt.

(2) Für die Eingruppierung der zum 01.03.2013 beim Arbeitgeber beschäftigten Mitarbeiter im Rettungsdienst, in die Entgelttabelle und jeweilige Stufe des DRK-Reformtarifvertrages, in seiner derzeit gültigen Fassung, gilt die Tabelle in Anhang 1 dieser Betriebsvereinbarung.

(…)”

Nach der Anlage 1 zu dieser Betriebsvereinbarung wird jeder Mitarbeiter u.a. der Stufe seiner Entgeltgruppe zugeordnet, die der Stufe vorhergeht, welche er bei Berücksichtigung der vollen Zeitspanne seiner Beschäftigung als Rettungsassistent bei der Beklagten erreichen würde.

Ebenfalls mit Datum vom 01. März 2013 schloss die Beklagte mit dem Kläger – wie mit fast allen anderen Klägern der Parallelrechtsstreite um die zutreffende Einstufung -einen neuen Arbeitsvertrag. In diesem wurde u.a. bestimmt (vgl. Inhaltswiedergabe im Schriftsatz des Klägers vom 05. August 2014, Bl. 29 d.A.):

“(…)

§ 1 Auf das Arbeitsverhältnis findet der “DRK-Reformtarifvertrag”, abgeschlossen mit der Gewerkschaft ver.di, in seiner jeweils gültigen Fassung Anwendung, sowie diesen ersetzende Tarifverträge. Dieser Arbeitsvertrag ersetzt alle vorangegangenen zwischen dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Vereinbarungen.

§ 2

Der Arbeitnehmer wird eingestellt als Rettungsassistent.

§ 3

Der Arbeitnehmer wird eingruppiert gemäß der Betriebsvereinbarung zur betrieblichen Lohngestaltung vom 01.03.2013 in die Entgeltgruppe 8 Stufe 5.

§ 4

Als Eintrittsdatum gilt der 01.03.1998.

(…)”

Seit März 2013 vergütet die Beklagte den Kläger nach der Entgeltgruppe 8 Stufe 5 DRK-RTV.

Unter dem 14. Mai 2014 (Anlage K 2 zur Klageschrift, Bl. 9 d.A.) machte der Kläger gegenüber der Beklagten Ansprüche auf Vergütung nach der Entgeltgruppe 8 Stufe 6 mit Wirkung ab Dezember 2013 geltend. Mit Schreiben vom 26. Mai 2014 (Anlage K 3 zur Klageschrift, Bl. 10 d.A.) wies die Beklagte die geltend gemachten Ansprüche zurück.

Der Kläger erhob folgend mit Schriftsatz vom 03. Juni 2014, welcher am selben Tage bei dem Arbeitsgericht Kassel einging, Klage auf die Differenz zwischen der Stufe 6 und der Stufe 5 seiner Entgeltgruppe 8 – bezogen auf die Monate Dezember 2013 bis Mai 2014 – sowie auf Feststellung, dass er entsprechend eingruppiert sei. Die Klage wurde der Beklagten am 11. Juni 2014 zugestellt.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, er habe Anspruch auf Einstufung in die Stufe 6 der Entgeltgruppe 8. Dies ergebe sich aus der auf sein Arbeitsverhältnis anzuwendenden Regelung in § 20 Abs. 3 DRK-RTV. Die Stufenlaufzeit des DRK-RTV sei an die ununterbrochene Tätigkeit des Mitarbeiters geknüpft. Aufgrund seiner Betriebszugehörigkeit sei er daher der Stufe 6 der Entgeltgruppe 8 zuzuordnen. Die Regelung in § 20 Abs. 2 DRK-RTV – nach der er ohnehin nur der Entgeltstufe 1 zuzuordnen wäre – finde keine Anwendung, da er nicht zum 01. März 2013 neu eingestellt worden sei. Bei der vertraglichen Abrede vom 01. März 2013 handele es sich lediglich um einen Änderungsvertrag, der auf seine Beschäftigungszeit keinen Einfluss habe. Auch die nachträglich eingetretene Geltung des DRK-RTV sei nicht als Einstellung zu qualifizieren. Schließlich scheide eine Anwendung des § 20 Abs. 2 Satz 2 DRK-RTV aus, da kein Arbeitgeberwechsel stattgefunden habe, sondern während des bestehenden Arbeitsverhältnisses eine Geltung des DRK-RTV eingetreten sei. Der Kläger hat weiter geltend gemacht, dass die Beklagte sich wegen der vorgenommen Stufenzuordnung auch nicht auf § 4 Abs. 1 TVÜ-DRK stützen könne. Diese Überleitungsregelung gelte nur für Arbeitgeber, die schon vor Inkrafttreten des DRK-RTV tarifgebunden gewesen seien und die Arbeitsverhältnisse mit ihren Arbeitnehmern nach altem DRK-Tarifrecht in das neue Tarifrecht übergeleitet hätten. Seinen Ansprüchen stehe auch die Betriebsvereinbarung “Betriebliche Lohngestaltung” vom 01. März 2013 nicht entgegen. Die Betriebsvereinbarung sei aufgrund Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam.

Schließlich werde sein Anspruch auf Vergütung nach der Stufe 6 seiner Entgeltgruppe auch nicht durch § 2 des Arbeitsvertrags vom 01. März 2013 ausgeschlossen. Wie sich aus § 1 des Arbeitsvertrages ergebe, solle sich das Arbeitsverhältnis insgesamt nach dem Inhalt des DRK-RTV richten, unabhängig von einer etwaigen Gewerkschaftsmitgliedschaft des Arbeitnehmers. Es handele sich daher um eine Gleichstellungsabrede. Die Regelung in § 3 des Arbeitsvertrages enthaltene vor diesem Hintergrund lediglich eine Mitteilung der Beklagten im Hinblick auf das von ihr für zutreffend gehaltene Ergebnis in Bezug auf die Eingruppierung und die Zuordnung zu einer Entgeltstufe. Dies belege auch der Hinweis auf die Betriebsvereinbarung vom 01. März 2013. Daher liege keine Individualvereinbarung vor, welche die umfassende Bezugnahme auf den DRK-RTV gemäß § 1 des Arbeitsvertrages zum Teil außer Kraft setze. Jedenfalls sei die Regelung in § 3 des Arbeitsvertrages intransparent bzw. unklar wegen der umfassenden Bezugnahmeklausel in § 1 des Arbeitsvertrags.

Der Kläger hat beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 432,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen;
2.

es wird festgestellt, dass er in die Entgeltgruppe 8 Stufe 6 des DRK-Reformtarifvertrages eingruppiert ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Zuordnung des Klägers zur Stufe 5 der Entgeltgruppe 8 sei zutreffend erfolgt. Es bestehe kein Anspruch des Klägers auf Vergütung nach der Stufe 6, da der Kläger iSd. § 20 Abs. 2 DRK-RTV am 01. März 2013 eingestellt worden sei.

Aus § 20 Abs. 2 DRK-RTV folge vielmehr, dass die erste Einstufung eines Arbeitnehmers – außerhalb der Entgeltgruppe 1 – in die Stufe 1 zu erfolgen habe. Bei dem Arbeitsvertrag vom 01. März 2013 handele es sich nicht nur um eine Vertragsänderung, sondern um die Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses. Der Kläger sei mit seiner (erneuten) Einstellung und der Zuordnung in die Stufe 5 einverstanden gewesen. Ein Anspruch des Klägers auf eine höhere Stufe folge daher auch nicht aus dem in § 4 des Arbeitsvertrages festgelegten Eintrittsdatum, dem 01. März 1998.

Eine andere Stufenzuordnung des Klägers habe selbst dann nicht zu erfolgen, soweit man die Regelungen des TVÜ-DRK zugrunde legen wolle. Faktisch habe sie die Regelung in § 4 Abs. 1 des TVÜ-DRK umgesetzt. Das Begehren des Klägers würde vor diesem Hintergrund zu einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Besserstellung gegenüber einem Arbeitnehmer führen, für den über die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses DRK-Tarifrecht gegolten habe.

Das Arbeitsgericht Kassel hat die Klage durch am 28. August 2014 verkündetes Urteil abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat verneint, dass die Einstufung des Klägers – bei unstreitiger Eingruppierung in eine tarifliche Entgeltgruppe – nach § 20 Abs. 3 DRK-RTV vorzunehmen sei. Die tarifliche Regelung könne nach Wortlaut und Systematik nicht so ausgelegt werden, dass von ihr auch die erste Einstufung eines schon länger beschäftigten Arbeitnehmers erfasst werde, wenn der Arbeitgeber zuvor nicht tarifgebunden gewesen sei. Es dürfe offenbleiben, ob eine “Einstellung” eines Arbeitnehmers iSd. § 20 Abs. 2 DRK-RTV anzunehmen sei, wenn sich die Frage der Einstufung in einem schon bestehenden Arbeitsverhältnis wegen des Verbandsbeitritts des Arbeitgebers stelle. Denn wann man zu Gunsten des Klägers § 20 Abs. 2 DRK-RTV für nicht anwendbar halte, scheide eine ergänzende Tarifauslegung aus, um die sich dann ergebende (unbewusste) Tariflücke zu füllen. Aus der Zusammenschau von DRK-RTV und TVÜ-DRK lasse sich nicht auf einen Willen der Tarifpartner schließen, dass Arbeitnehmer, deren Arbeitgeber bisher nicht tarifgebunden war, innerhalb einer Entgeltgruppe höher eingestuft werden sollten, als solche, bei denen eine Tarifbindung auf Arbeitgeberseite schon bei der Überleitung bestand. Schließlich dürfe dahinstehen, ob die Regelung im Arbeitsvertrag der Parteien über die Stufenzuordnung des Klägers unwirksam sei. Der Kläger könne sich bei Unwirksamkeit der Vereinbarung nur auf einen tariflichen Anspruch stützen. § 20 Abs. 3 DRK-RTV sei jedoch, wie angeführt, nicht anwendbar.

Zur vollständigen Wiedergabe der Entscheidungsgründe sowie des weiteren Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug wird auf das Urteil (Bl. 39-55 d.A.) Bezug genommen.

Gegen das Urteil, welches dem Kläger am 13. November 2014 zugestellt wurde, hat dieser mit am 24. November 2014 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese durch am 10. Dezember 2014 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Der Kläger wiederholt und vertieft zunächst seine Rechtsauffassung, dass er Anspruch auf eine tarifliche Vergütung habe. Die Regelung in § 1 des Arbeitsvertrages der Parteien lasse erkennen, dass die Beklagte eine umfassende Gleichstellung tarifgebundener und nicht tarifgebundener Arbeitnehmer erreichen wollte. § 3 des Arbeitsvertrages bezwecke keine von den tariflichen Voraussetzungen abweichende Eingruppierung und Einstufung, sondern solle nur deklaratorisch die als zutreffend angesehene Tarifanwendung wiedergeben. Zumindest sei § 3 des Arbeitsvertrages intrasparent und verstoße daher gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der Kläger rügt, das Arbeitsgericht habe § 20 Abs. 3 DRK-RTV falsch ausgelegt. Zutreffend sei das Arbeitsgericht noch davon ausgegangen, dass er nicht erst zum 01. März 2013 eingestellt wurde. Es bestehe aber keine Tariflücke für die Fälle, dass ein Arbeitgeber erst nach der Begründung vom Arbeitsverhältnissen durch Verbandsbeitritt tarifgebunden werde. Die Bestimmung in § 20 Abs. 3 DRK-RTV über die “ununterbrochene(n) Tätigkeit in derselben Entgeltgruppe” sei bei einer erst nachträglich hergestellten Tarifbindung als “innerhalb desselben Tätigkeitsbereichsoder “mit denselben Tarifmerkmalen” zu lesen. Die Notwendigkeit, die Regelung in § 20 Abs. 3 DRK-RTV bei nachträglicher Tarifbindung anzupassen, bestehe im Übrigen auch, wenn ein Arbeitnehmer durch Gewerkschaftsbeitritt erstmalig eine beidseitige Tarifbindung herstelle. Diese Konstellation müsse genauso gelöst werden. Hilfsweise ist der Kläger der Ansicht, dass § 20 Abs. 3 DRK-RTV auch bei einer angenommenen Tariflücke entsprechend anzuwenden sei. Das Arbeitsgericht habe fehlerhaft § 4 Abs. 1 TVÜ-DRK herangezogen. Der TVÜ-DRK sei jedoch nur auf übergeleitete Arbeitsverhältnisse anwendbar, nicht auf solche mit nachträglich herbeigeführter Tarifbindung. Die Protokollerklärung zu § 1 Abs. 1 TVÜ-DRK sei zu weit formuliert, sie solle nur diejenigen Arbeitgeber erfassen, welche früher die für das Deutsche Rote Kreuz maßgeblichen Tarifwerke angewandt hatten, ohne jedoch tarifgebunden gewesen zu sein. Andernfalls müssten Arbeitnehmern wie dem Kläger auch Ansprüche nach §§ 7, 8 TVÜ-DRK als Ausgleichsleistungen zustehen. Der TVÜ-DRK könne nicht lediglich auszugsweise und zum Nachteil der Arbeitnehmer angewandt werden. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass in § 1 des Arbeitsvertrages nur auf den DRK-RTV verwiesen worden sei, aber nicht auf den TVÜ-DRK. Schließlich sei die Prüfung einer Gleichbehandlung unter Arbeitnehmern verschiedener Arbeitgeber verfehlt, da den Arbeitgebern die Entscheidung vorbehalten sei, ob sie Tarifbindung zu den Tarifverträgen des DRK, des TVöD (VKA) oder gar nicht herstellten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 28. August 2014 – 9 Ca 181/14 -abzuändern und

1.)

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 432,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen;
2.)

festzustellen, dass der Kläger in die Entgeltgruppe 8 Stufe 6 des DRK-Reformtarifvertrages eingruppiert ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung und wiederholt und ergänzt ihren Vortrag aus erster Instanz. Die Parteien hätten arbeitsvertraglich eine Neueinstellung vereinbart, eine Einstufung in die Stufe 6 sei im Arbeitsvertrag nicht vereinbart worden. Die Beklagte meint, dass § 20 Abs. 3 DRK-RTV fordere, dass die vorhergehenden Stufen durchlaufen werden müssten, die tarifliche Bestimmung sei auf erstmalige Einstufungen nicht anzuwenden. Dieses Auslegungsergebnis werde durch die Regelungen in § 21 Abs. 4 DRK-RTV und § 4 Abs. 1 TVÜ-DRK bestätigt. Der TVÜ-DRK seit nach der Protokollerklärung zu § 1 Abs. 1 TVÜ-DRK auch anwendbar, wenn die Tarifbindung durch einen Verbandsbeitritt des Arbeitgebers nach dem 31. Dezember 2006 hergestellt wurde. Deshalb sei § 4 Abs. 1 TVÜ-DRK anzuwenden, eine entsprechende Heranziehung des § 20 Abs. 3 DRK-RTV sei ausgeschlossen.

Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten und vorgetragenen Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 24. Juni 2015 (Bl. 124 d.A.) verwiesen. Die Kammer hat an diesem Tag wegen insgesamt 15 klageweise verfolgten Begehren wegen der Einstufung des Klägers und seiner Kollegen verhandelt.
Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung des Klägers gegen das am 28. August 2014 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Kassel ist zulässig. Das Rechtsmittel ist gem. §§ 64 Abs. 2 b), 8 Abs. 2 ArbGG statthaft. Die Beschwer liegt über 600,00 €. Wegen des als Antrag zu 2. gestellten Feststellungsantrags ist der 36-fache Unterschiedsbetrag von 72,05 € zwischen der begehrten Vergütung der Stufe 6 und der gezahlten der Stufe 5 maßgeblich (§ 42 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1, 2. Halbs. GKG).

II.

Die Berufung ist erfolglos. Der Kläger hat derzeit keinen Anspruch auf eine Vergütung nach der Stufe 6 der Entgeltgruppe 8. Daher sind seine Zahlungsklage und der Feststellungsantrag unbegründet.

Zur Zulässigkeit und Auslegung der Feststellungklage wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die zutreffenden Ausführungen im Urteil des Arbeitsgerichts unter I.1. verwiesen.

1.

Die Regelung in § 1 des Arbeitsvertrages, wonach der DRK-RTV Anwendung findet, begründet keinen Anspruch des Klägers auf die verlangte Einstufung. § 20 Abs. 3 DRK-RTV ist wegen der Einstufung des Klägers seit 01. März 2013 nicht anwendbar. Dies folgt aus dem Wortlaut der tariflichen Regelung und ihrer systematischen Stellung innerhalb des DRK-RTV sowie des TVÜ-DRK.

Nach § 20 Abs. 3 DRK-TRV ist eine “ununterbrochene(n) Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe” erforderlich. Eine solche Tätigkeit kann bei der gebotenen wortgenauen Auslegung erst nach der Zuordnung zu einer Entgeltgruppe stattfinden. Die Tätigkeit innerhalb der Entgeltgruppe kann nicht mit der Beschäftigungszeit bei demselben Arbeitgeber gleichgesetzt werden. Ebenso ist es ausgeschlossen, sie als “Beschäftigungszeit bei demselben Arbeitgeber mit solchen Tätigkeiten, welche die Voraussetzungen der Entgeltgruppe erfüllt hätten, wenn diese schon existiert hätte und/oder der Arbeitgeber tarifgebunden gewesen wäre” zu verstehen.

a)

Gegen eine Gleichsetzung von “Beschäftigungszeit” mit der Zeit der “unterbrochenen Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe” ist zunächst der Wortlaut anzuführen. Eine Tätigkeit “innerhalb derselben Entgeltgruppe (bei ihrem Arbeitgeber)” meint die Tätigkeit innerhalb einer bestimmten Entgeltgruppe, nicht irgendeiner Entgeltgruppe. Diese Voraussetzung ist enger zu verstehen als der Begriff “Beschäftigungszeit” und erfasst auch nicht Tätigkeiten in unterschiedlichen Entgeltgruppen (vgl. BAG Urteil vom 27. Januar 2011 – 6 AZR 578/09 – AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Versorgungsbetriebe, Rz. 23 f.).

b)

Diese Auslegung wird systematisch durch die Regelungen in § 20 Abs. 2 Satz 2 DRK-RTV und § 21 Abs. 4 DRK-RTV bestätigt. Die von § 20 Abs. 2 Satz 2 DRK-RTV vorgesehen Anrechnung der Stufenlaufzeit aus einem vorhergehenden Arbeitsverhältnis mit einem anderen tarifgebundenen Arbeitgeber erfolgt nach der Protokollnotiz zu § 20 Abs. 2 Satz 2 DRK-RTV nur bei einer Tätigkeit in derselben Entgeltgruppe. Weiter hätte die in § 21 Abs. 4 DRK-RTV bestimmte Rückstufung bei Höhergruppierung nicht geregelt werden müssen, wenn für eine Einstufung nach Höhergruppierung lediglich auf die Beschäftigungszeit abzustellen wäre. Außerdem widerspricht die in der Protokollerklärung zu § 20 Abs. 3 Satz 1 DRK-RTV in der Gegenwartsform geregelte zusätzliche “Verweildauer” in der Stufe 3, welche der Kläger in seine Berechnungen seines Stufenaufstiegs nicht einbezogen hat, dagegen, dass diese Zeit bereits in der Vergangenheit absolviert werden konnte.

c)

Dieser Regelungswille wird außerhalb des DRK-RTV durch die Überleitungsvorschriften des TVÜ-DRK bestätigt.

aa)

Dabei ist zunächst feststellen, dass entgegen der Rechtsaufassung des Klägers bei beidseitiger Tarifbindung auch der TVÜ-DRK anzuwenden ist. Dieser gilt nicht nur für Arbeitsverhältnisse, welche zum 01. Januar 2007 übergeleitet wurden, sondern gem. § 1 Abs. 2 TVÜ-DRK auch für ab dem 01. Januar 2007 neu begründete Arbeitsverhältnisse sowie insbesondere ausweislich der Protokollnotiz zu § 1 Abs. 1 TVÜ-DRK auch in den Fällen, in welchen der Arbeitgeber erst nach dem 31. Dezember 2006 durch Mitgliedschaft in der Tarifgemeinschaft tarifgebunden wurde. Für die Auslegung des Klägers, dass damit nur solche Arbeitgeber erfasst werden sollten, die vor ihrem Beitritt zur Tarifgemeinschaft schon durch Bezugnahmeklauseln oder faktisch die Tarifwerke des Deutschen Roten Kreuzes anwandten, ist dem Wortlaut nach kein Anhaltspunkt erkennbar.

bb)

Die Überleitungsregeln des TVÜ-DRK differenzieren zwischen “Beschäftigungszeit” einerseits und “Tätigkeiten innerhalb einer Entgeltgruppe” andererseits. § 4 Abs. 1 und Abs. 4 TVÜ-DRK knüpft für die erstmalige Einstufung an die Beschäftigungszeit bei demselben Arbeitgeber an, d.h. diese ist maßgeblich. Für den Aufstieg aus der so bestimmten Stufe stellt § 4 Abs. 2 TVÜ-DRK klar, dass anschließend nur noch der DRK-RTV anzuwenden ist. Die Niederschriftserklärung zu § 4 Abs. 2 TVÜ-DRK hebt deutlich hervor, dass die Beschäftigungszeit nur einmalig für die Stufenordnung zählt und danach auf die am 01. Januar 2007 begonnene Stufenlaufzeit abzustellen ist.

Weiter ist die in § 14 Abs. 5 TVÜ-DRK getroffene Sonderregelung hervorzuheben, in welcher als Ausnahme die Tätigkeitszeit in einer anderen Entgeltgruppe der Zeit der Tätigkeit innerhalb einer – später gebildeten – Entgeltgruppe gleichgestellt wird. § 14 Abs. 5 TVÜ-DRK lautet auszugsweise:

“§ 14 Überleitung in die Entgeltordnung zum 01.01.2013

(…)

(5) Soweit Mitarbeiter aus der Entgeltgruppe 9 in die Entgeltgruppe 9a oder 9b eingruppiert werden, erfolgt die Stufenordnung wie folgt:

Zum 01.01.2007 in den DRK-ReformTV übergeleitete Mitarbeiter werden entsprechend ihrer Beschäftigungszeit seit der Überleitung am 01.01.2007 derjenigen Stufe nach § 20 DRK-RTV zugeordnet, die sie erreicht hätten, wenn sie um Zeitpunkt der Überleitung bereits der Entgeltgruppe 9a oder 9b zugeordnet gewesen wären.

(…)”

Wäre der Auslegung des Klägers zu folgen, dass die Bestimmung in § 20 Abs. 3 DRK-RTV über die “ununterbrochene(n) Tätigkeit in derselben Entgeltgruppe” als “innerhalb desselben Tätigkeitsbereichs” oder “mit denselben Tarifmerkmalen” zu lesen ist, wäre die Sonderregelung zu den Entgeltgruppen 9a und 9b überflüssig.

d)

Eine Bestimmung, dass für das Erreichen der nächsthöheren Stufe innerhalb derselben Entgeltgruppe die Zeit nicht vor einer Eingruppierung in dieser Entgeltgruppe zu laufen beginnt, ist nicht untypisch und entspricht einer aus dem Bereich des TVöD verwendeten Regelungstechnik (BAG Urteil vom 27. Januar 2011 – 6 AZR 578/09 – AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Versorgungsbetriebe, Rz. 23 f.; BAG Urteil vom 13. August 2009 – 6 AZR 177/08 – AP Nr. 2 zu § 5 TVöD, Rz. 15; für die Einstufung von Oberärzten nach TV6Ärzte/VKA: BAG Urteil vom 12. März 2015 – 6 AZR 879/13 – veröffentlicht in , Rz. 16).

Es kann angenommen werden, dass die Tarifpartner die Bestimmung in § 20 Abs. 3 DRK-RTV in Kenntnis der entsprechenden Regelungen in den Tarifwerken des öffentlichen Dienstes formuliert haben. Schließlich müssten auch die nach § 21 Abs. 2 DRK-RTV zugelassenen leistungsabhängigen Verkürzungen und Verlängerungen der Stufenlaufzeit rückwirkend geprüft werden, wenn – der Rechtsauffassung des Klägers folgend – in § 20 Abs. 3 DRK-RTV die gesamte Beschäftigungszeit bei der erstmaligen Eingruppierung im entsprechenden Tätigkeitsbereich zu berücksichtigen wäre. Das Fehlen einer Regelung dazu spricht ebenfalls gegen eine weite Auslegung ds § 20 Abs. 3 DRK-RTV.

2.

§ 20 Abs. 3 DRK-RTV ist danach eine vollständige und nicht lückenhafte Tarifbestimmung, deren Regelungsgehalt sich darauf beschränkt, die Voraussetzungen für das Erreichen der nächsthöheren Stufe innerhalb derselben Entgeltgruppe zeitlich nach einer erstmaligen Eingruppierung in diese Stufe (originär oder durch Überleitung) festzulegen. Die Vorschrift ist wegen der vereinbarten Geltung des DRK-RTV auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar. Nach dem Wortlaut der Tarifnorm kann der Kläger noch nicht die notwendige ununterbrochene Tätigkeit in der Entgeltgruppe 8 aufweisen, die für die von ihm begehrte Stufe 6 erforderlich wäre. Diese Zeiten rechnen erst seit dem 01. März 2013.

Es kann deshalb dahinstehen, dass die Betriebspartner mit der Betriebsvereinbarung “Betriebliche Lohngestaltung” gegen § 87 Abs. 1 Eingangssatz iVm. § 3 Abs. 2 TVG verstoßen haben, da die tarifgebundenen Kollegen des Klägers die begehrte Einstufung nicht aus § 20 Abs. 3 DRK-RTV herleiten können.

3.

Es besteht weiter keine Tariflücke, die eine Prüfung einer entsprechenden Anwendung des § 20 Abs. 3 DRK-RTV oder seine Anpassung, dann auch für Arbeitsverhältnisse, in denen der DRK-TRV nur kraft Bezugnahme gilt, erforderlich macht.

Aus der Protokollnotiz zu § 1 Abs. 1 TVÜ-DRK folgt, dass auf das Arbeitsverhältnis des Klägers zu der Beklagten der TVÜ-DRK bei beidseitiger Tarifbindung Anwendung finden würde. Dabei ergibt sich der Anwendungsbereich aus § 2 TVÜ-DRK. Da der Kläger (wie seine ebenfalls klagenden Kollegen) nach der Protokollnotiz von § 1 Abs. 1 TVÜ-DRK erfasst würde, wäre sein Arbeitsverhältnis ebenfalls “überzuleiten”, wonach bei weitem Wortverständnis davon auch alle erstmaligen Eingruppierungen und Einstufungen nach dem DRK-RTV verstanden werden. Dabei wäre eine angepasste “Überleitung” durchzuführen, welche die erst nach dem 31. Dezember 2006 hergestellte Tarifbindung des Arbeitgebers berücksichtigt.

§ 4 TVÜ-DRK wäre mit der Maßgabe anzuwenden, dass an Stelle des 31. Dezember 2006 der 28. Februar 2013 tritt. Die in § 4 Abs. 2 TVÜ-DRK festgelegte Verlängerung der Verweildauer in der durch “Überleitung” zugeordneten Stufe korrespondiert mit der Regelung der Protokollerklärung zu § 20 Abs. 3 Satz 1 DRK-RTV.

a)

Einzuräumen ist allerdings, dass eine Zuordnung zu einer Entgeltgruppe, wie in § 4 Abs. 1 TVÜ-DRK durch den Verweis auf § 3 Abs. 1 TVÜ-DRK geregelt, bei dem Kläger und seinen Kollegen – eine Tarifbindung aller unterstellt – nicht mehr stattfinden musste. Seit 01. Januar 2013 erfolgt eine Eingruppierung nicht mehr über den “Umweg” der alten Vergütungs- bzw. Lohngruppen des DRK-RTV a.F. iVm. § 12 TVÜ-DRK, sondern unmittelbar nach § 14 TVÜ-DRK in die neuen Entgeltgruppen. § 4 TVÜ-DRK ist daher so anzuwenden, dass statt “der gemäß § 3 bestimmten Entgeltgruppe” “der zugeordneten Entgeltgruppe” zu lesen ist.

b)

Ein Wille der Tarifpartner, die Geltung des § 4 TVÜ-DRK zeitlich zu beschränken, ist aus dem Überleitungstarifvertrag nicht ersichtlich. Die Protokollnotiz zu § 1 Abs. 1 TVÜ-DRK ist nicht befristet. Danach sind auch solche Arbeitnehmer “überzuleiten” in das Tarifvertragssystem, deren Arbeitgeber erst ab dem 01. Januar 2013 der Tarifgemeinschaft beigetreten sind. Nach der oben dargelegten Auslegung des § 20 Abs. 3 DRK-RTV ist dies zum Vorteil der Arbeitnehmer, da ihre Beschäftigungszeit auf diese Weise in eine (kürzere) Tätigkeitszeit innerhalb der Entgeltgruppe “umgerechnet” und damit teilweise anerkannt wird. Die Regelung in § 20 Abs. 3 DRK-RTV knüpft dann an Tätigkeitszeiten innerhalb der Stufe an, für den Kläger berechnet ab dem 01. März 2013.

c)

Der Auslegung des Klägers, nach der § 4 Abs. 1 TVÜ-DRK grundsätzlich nicht anwendbar sein dürfe, da die Ablösung des früheren Systems der Lebensaltersstufen durch Entwicklungsstufen ebenfalls im TVÜ-DRK geregelte Ausgleichsleistungen notwendig mache, kann nicht gefolgt werden. Zum Einen enthält die Protokollerklärung zu § 1 Abs. 1 TVÜ-DRK keine inhaltliche oder zeitliche Einschränkung, wie schon ausgeführt. Zum Anderen muss der Kläger einräumen, dass der Fall der erst nach dem 01. Januar 2007 hergestellten Tarifbindung des Arbeitgebers in Bezug auf die Einstufung innerhalb einer Entgeltgruppe nur über eine Auslegung des § 20 Abs. 3 DRK-RTV “eingefangen” werden könnte. Dies würde es notwendig machen, § 20 Abs. 3 DRK-RTV im Regelfall eng und am Wortlaut orientiert auszulegen, im Ausnahmefall (später herbeigeführte Tarifbindung des Arbeitgebers) aber weit, indem eine “Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe” einer “Tätigkeit, die der zugeordneten Entgeltgruppe entsprochen hätte” gleichgesetzt würde.

Es kann aber nicht festgestellt werden, dass dies dem Regelungswillen der Tarifpartner entspricht. Dabei kann als Kontrollüberlegung der Fall gebildet werden, dass der Arbeitgeber eines Rettungsassistenten zum 01. Januar 2008 der Tarifgemeinschaft beigetreten wäre, also ein Jahr nach dem Regelüberleitungszeitpunkt. Nach der Auslegung des Klägers, dass § 4 Abs. 1 TVÜ-DRK nicht anwendbar ist, sondern § 20 Abs. 3 DRK-RTV, wäre dann die Zeit der Tätigkeit als Rettungsassistent vollständig bei der Einstufung zu berücksichtigen, z.B. bei mehr als 15-jähriger Tätigkeit durch eine Einstufung in die Stufe 6. Es ist schwer vorstellbar, dass die Tarifvertragsparteien, die ausweislich der Protokollerklärung zu § 1 Abs. 1 TVÜ-DRK den Regelungsbedarf für einen späteren Tarifbeitritt eines Arbeitgebers gesehen haben, auch unter Berücksichtigung der Ausgleichsleistungen des TVÜ-DRK wollten, dass Rettungsassistenten mit langjähriger Erfahrung in dieser Tätigkeit abhängig vom Zeitpunkt der Tarifbindung des Arbeitgebers unterschiedlich behandelt würden: Der Rettungsassistent, dessen Arbeitgeber schon vor dem 01. Januar 2007 tarifgebunden war, konnte die Stufe 6 erst in sieben Jahren (gerechnet ab dem 01. Januar 2007, d.h. am 01. Januar 2014) erreichen, denn es ist neben § 20 Abs. 3 DRK-RTV auch § 4 Abs. 2 TVÜ-DRK anwendbar. Der Rettungsassistent, dessen Arbeitgeber erst zum 01. Januar 2008 der Tarifgemeinschaft beitrat, würde nach der vom Kläger vorgeschlagenen Auslegung des § 20 Abs. 3 DRK-RTV für Beitritte nach dem 01. Januar 2007 sofort Anspruch auf die Vergütung der Stufe 6 seiner Entgeltgruppe erworben haben. Eine solche Regelungsabsicht kann ausgeschlossen werden, zumal damit Arbeitgeber von einem nachträglichen Beitritt zu der Tarifgemeinschaft wegen der höheren Lohnkosten abgehalten würden.

Das vom Kläger angeführte Ziel der Honorierung von Berufserfahrung in der übertragenen Tätigkeit durch die Entwicklungsstufen (vgl. BAG Urteil vom 27. Januar 2011 – 6 AZR 578/09 – AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Versorgungsbetriebe, Rz. 26 f.) wird – bei Tarifbindung – auch durch § 4 Abs. 1 und Abs. 4 TVÜ-DRK erreicht, allerdings mit einem “Umrechnungsverlust” bei der Berücksichtigung der Beschäftigungszeit. Das für den Kläger und seine Kollegen als nicht akzeptabel erscheinende Ergebnis, dass ein Arbeitnehmer mit langjähriger Berufserfahrung nicht in die Endstufe seiner Entgeltgruppe eingestuft wird und auch keine Möglichkeit hat, diese Endstufe noch zu erreichen, wenn sein Renteneintritt innerhalb der nächsten sieben Jahre ab der Überleitung seines Arbeitsverhältnisses erfolgen wird, traf auch solche Arbeitnehmer, welche am 01. Januar 2007 von einem tarifgebundenen Arbeitgeber beschäftigt wurden. Dies scheint dem Willen der Verhandlungspartner entsprochen zu haben.

Es ist nicht erheblich, dass in § 1 des Arbeitsvertrages nur der DRK-RTV und nicht der TVÜ-DRK angeführt worden ist, da sich kein Vergütungsanspruch des Klägers aus der Verweisung in § 1 des Arbeitsvertrages auf den DRK-RTV ergibt, welcher über die Vergütungsregelung in § 3 des Arbeitsvertrages hinausgeht.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revision ist nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen der Auslegung der §§ 1, 4 TVÜ-DRK und des § 20 Abs. 3 DRK-RTV zuzulassen.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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