LAG Hessen, 25.01.2016 – 16 TaBV 139/15 Die Abgrenzung zwischen § 40 Absatz 1 BetrVG und § 80 Absatz 3 BetrVG richtet sich nach der Art der Tätigkeit des Rechtsanwalts: Kosten, die im Zusammenhang mit der gerichtlichen Inanspruchnahme von Rechten des Betriebsrats anfallen, sind nach § 40 Absatz 1 BetrVG erstattungsfähig. Wird der Rechtsanwalt dagegen vom Betriebsrat zur Beratung hinzugezogen, sind die Kosten nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 80 Absatz 3 BetrVG erstattungsfähig.

März 27, 2019

LAG Hessen, 25.01.2016 – 16 TaBV 139/15
Die Abgrenzung zwischen § 40 Absatz 1 BetrVG und § 80 Absatz 3 BetrVG richtet sich nach der Art der Tätigkeit des Rechtsanwalts: Kosten, die im Zusammenhang mit der gerichtlichen Inanspruchnahme von Rechten des Betriebsrats anfallen, sind nach § 40 Absatz 1 BetrVG erstattungsfähig. Wird der Rechtsanwalt dagegen vom Betriebsrat zur Beratung hinzugezogen, sind die Kosten nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 80 Absatz 3 BetrVG erstattungsfähig.
Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 17. Juni 2015 – 6 BV 591/14 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Freistellung des Betriebsrats von einer Kostenrechnung seiner Rechtsanwältin.

Der Arbeitgeber (Beteiligter zu 2) befasst sich mit dem Bau und der Erhaltung von Rolltreppen und Aufzügen. Sein Unternehmen ist an 30 Standorten in Deutschland tätig, die in 12 Betrieben im Sinne des BetrVG zusammengefasst sind. Insgesamt werden mehr als 300 Arbeitnehmer beschäftigt. Ein Gesamtbetriebsrat ist gebildet. Antragsteller ist der im Betrieb Frankfurt am Main gewählte, aus 7 Mitgliedern bestehende, Betriebsrat.

Der Arbeitgeber plante die Reorganisation seines Innendienstes und sandte dem Betriebsrat unter dem 17. März 2014 ein Schreiben, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 44-57 der Akten Bezug genommen wird. Dort heißt es:

“Wir gehen davon aus, dass auch auf ihrer Seite die Auffassung besteht, dass die Verhandlungen zentral mit dem Gesamtbetriebsrat geführt werden sollen, da es sich ohne jeden Zweifel um eine unternehmensweite, betriebsübergreifende Maßnahmen handelt. Für den Fall, dass sie gleichwohl sich mit dem Arbeitgeber gemäß § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG beraten wollen, stehen wir Ihnen jederzeit hierfür gerne zur Verfügung. Für diesen Fall bitten wir um eine kurze Nachricht und um die Unterbreitung von Terminvorschlägen”.

In seiner Sitzung vom 17. März 2014, an der alle Betriebsratsmitglieder teilnahmen, fasste der Betriebsrat nach Erweiterung der Tagesordnung folgenden Beschluss: “Beschlussfassung gem. § 80 Abs. 1 BetrVG für die Beauftragung eines Rechtsanwalts, aufgrund fehlender Sachkenntnis über die bevorstehende Zentralisierung des kompletten Innendienstes (Informationsveranstaltung der Regionsleitung vom 17. März 2014-11:00 Uhr)

Der Betriebsrat hat beschlossen, das Rechtsanwaltsbüro A in Frankfurt am Main zur rechtlichen Beratung bezüglich der Reorganisation Innendienst zu beauftragen.” Der Beschluss wurde mit 7 Ja-Stimmen einstimmig angenommen.

Mit Schreiben vom 15. April 2014 (Bl. 4, 5 der Akte) wandte sich die vom Betriebsrat beauftragte Rechtsanwältin an den Arbeitgeber. Dort heißt es wie folgt: “Um die Vor- und Nachteile der Übertragung des Verhandlungsmandats auf den Gesamtbetriebsrat einschätzen und abwägen zu können, bedarf der Frankfurter Betriebsrat eines rechtlichen Beistands. Er sieht sich nicht in der Lage, diese Fragen, die doch erhebliche Komplexität aufweisen, allein sachkundig zu beantworten. Ich darf Sie deshalb bitten, dieses Schreiben nochmals mit ihren rechtlichen Beratern zu erörtern und dem Betriebsrat einen eigenen rechtlichen Beistand zu bewilligen.”

Eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über die Hinzuziehung der Rechtsanwältin als Sachverständige kam nicht zu Stande.

Der Betriebsrat entschloss sich, die Verhandlungen über die Reorganisation des Innendienstes dem Gesamtbetriebsrat zu überlassen.

Mit Schreiben vom 13. Mai 2015 (Bl. 6 d.A.) stellte die Rechtsanwältin dem Betriebsrat 2611,93 € in Rechnung. Der Arbeitgeber lehnte eine Freistellung des Betriebsrats hiervon ab.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss unter I (Bl. 133-138 d.A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Anträge des Betriebsrats zurückgewiesen. Ein Anspruch aus § 80 Abs. 3 BetrVG scheitere daran, dass zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber keine Vereinbarung über die Hinzuziehung eines Sachverständigen getroffen wurde. Die Kosten für die rechtliche Beratung fielen auch nicht in den Anwendungsbereich des § 40 BetrVG. Ein konkreter Konflikt zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber sei im Zeitpunkt der Mandatierung nicht gegeben gewesen.

Dieser Beschluss wurde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats am 23. Juli 2015 zugestellt. Sie hat dagegen mit einem am 4. August 2015 eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese am 8. September 2015 begründet.

Der Betriebsrat behauptet, die Beauftragung des Rechtsanwaltsbüros sei erfolgt, um das Recht des Betriebsrats zur Verhandlung über den Sozialplan klarzustellen. Der Konflikt zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber bezüglich der Zuständigkeit für die Verhandlungen über den Sozialplan sei vergleichbar mit einem Konflikt über Mitbestimmungsrechte. Es sei um die Durchsetzung von Rechten des Betriebsrats gegangen.

Der Betriebsrat beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 17. Juni 2015 – 6 BV 591/14 – abzuändern,

dem Arbeitgeber aufzugeben, den Betriebsrat in Höhe von 1029,35 € aus der Kostenrechnung Nr. 2014-0283 vom 13. Mai 2014 des Anwaltsbüros A, 60311 Frankfurt am Main freizustellen.

Der Arbeitgeber beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der geltend gemachte Anspruch sei nach Grund und Höhe unberechtigt. Der vorliegende Fall sei mit dem der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25. Juni 2014 – 7 ABR 70/12 – nicht vergleichbar. Dort sei es um § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG gegangen. Vorliegend habe der Betriebsrat den Arbeitgeber nicht einmal um die Hinzuziehung eines Sachverständigen gebeten. Der Beschluss des Betriebsrats vom 17. März 2014 sei offenkundig unter dem Eindruck des Schreibens des Arbeitgebers vom selben Tag gefasst worden. Dort werde das Konzept des Arbeitgebers zur Reorganisation des Innendienstes vorgestellt. Der Arbeitgeber habe dem Betriebsrat Beratungen nach § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG angeboten. Der Beschluss des Betriebsrats beziehe sich ausdrücklich auf die rechtliche Beratung bezüglich der Reorganisation des Innendienstes. Auch der Höhe nach bestehe der Anspruch nicht. Eine Geschäftsgebühr setze die außergerichtliche Vertretung des Mandanten voraus. Andernfalls entstehe nur die Beratungsgebühr nach § 34 RVG.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

1. Die Beschwerde ist statthaft, § 87 Abs. 1 ArbGG, und zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet wurde, § 87 Abs. 2 S. 1, § 66 Abs. 1 S. 1, § 89 Abs. 1 und 2 ArbGG, § 594 ZPO.

2. Die Beschwerde des Betriebsrats ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat den Freistellungsanspruch zu Recht abgelehnt.

Ein Anspruch nach § 80 Abs. 3 BetrVG scheidet aus, da eine Vereinbarung über die Hinzuziehung der Rechtsanwältin als Sachverständige zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber nicht geschlossen wurde.

Der Freistellungsanspruch ergibt sich auch nicht aus § 40 Abs. 1 BetrVG.

Danach ist der Arbeitgeber verpflichtet, die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten zu tragen. Dazu gehören auch diejenigen Kosten, die im Zusammenhang mit der gerichtlichen Inanspruchnahme von Rechten des Betriebsrats anfallen. Dagegen wird ein Rechtsanwalt, der vom Betriebsrat zur Beratung hinzugezogen wird, als Sachverständiger i.S.d. § 80 Abs. 3 BetrVG tätig. Die dabei entstehenden Kosten sind nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 BetrVG erstattungsfähig. Ob ein Rechtsanwalt zur Wahrnehmung der Interessen des Betriebsrats nach § 40 Abs. 1 BetrVG oder als Sachverständiger nach § 80 Abs. 3 BetrVG beauftragt wird, hängt von der Art seiner Tätigkeit ab. Entscheidend ist, ob der Anwalt vom Betriebsrat zumindest auch zur Vorbereitung eines Rechtsstreits, zur Wahrung und Verteidigung von Rechten des Betriebsrats oder allein deshalb beauftragt wird, um ihm notwendige Rechtskenntnisse zu vermitteln, die er -unabhängig von einer gerichtlichen oder außergerichtlichen Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber für seine Betriebsratsarbeit benötigt oder die für ihn zur Bewältigung seiner Aufgaben erforderlich sind (Hess. LAG vom 17. Juni 2004 19/4/2 TaBV 4/041 Rn. 19, Bundesarbeitsgericht vom 15. November 2000 – 7 ABR 24/00 – Rn.25).

Ausweislich des Beschlusses des Betriebsrats vom 17. März 2014 wurde die Rechtsanwaltskanzlei aufgrund fehlender Sachkenntnis des Betriebsrats zu dessen rechtlicher Beratung hinzugezogen. Dem Beschluss des Betriebsrats lässt sich dagegen nicht hinnehmen, dass es ihm darum ging, seinen Verhandlungsanspruch in Bezug auf den Sozialplan oder sonstige dem örtlichen Betriebsrat zustehende Rechte gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen. Wie der Inhalt des Beschlusses zeigt, ging es dem Betriebsrat vielmehr darum, ihm die fehlenden Fachkenntnisse zu vermitteln, damit er seine Betriebsratsaufgaben sachgerecht wahrnehmen kann, insbesondere in die Lage versetzt wird zu beurteilen, ob er als örtlicher Betriebsrat die vom Arbeitgeber geplanten Maßnahmen nach § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG beraten möchte. Hierfür spricht auch das Schreiben der vom Betriebsrat beauftragten Rechtsanwältin vom 15. April 2014, in dem der Arbeitgeber um Bewilligung eines eigenen rechtlichen Beistands für den Betriebsrat gebeten wird, damit dieser die Vor- und Nachteile der Übertragung des Verhandlungsmandats auf den Gesamtbetriebsrat einschätzen und abwägen kann, da er sich nicht in der Lage sehe, diese Fragen allein sachkundig zu beantworten. Auch hieraus ergibt sich, dass ein Anspruch auf Hinzuziehung der Anwaltskanzlei als Sachverständige nach § 80 Abs. 3 BetrVG begehrt wurde und nicht betriebsverfassungsrechtliche Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht wurden.

III.

Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, liegen nicht vor, §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG.

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