LAG Hessen, 26.01.2015 – 16 Sa 731/13

April 28, 2019

LAG Hessen, 26.01.2015 – 16 Sa 731/13

Ein Scheingeschäft liegt vor, wenn die Beteiligten ein Ziel durch den bloßen Schein des simulierten Rechtsgeschäfts erreichen, die damit verbundenen Rechtswirkungen jedoch nicht eintreten lassen wollen.

Die Parteien hatten einen schriftlichen Arbeitsvertrag vereinbart. Vom Beginn des Beschäftigungsverhältnisses im November 2002 bis März 2011 wurde weder Arbeitsentgelt gezahlt, noch solches vom Kläger angemahnt. Der Kläger verrichtete zwar gelegentlich Tätigkeiten. Dies kann jedoch auch im Hinblick darauf geschehen sein, dass er faktisch und ohne Erbringung einer (finanziellen) Gegenleistung in einem Gebäude seines Vertragspartners wohnen durfte.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 14. Mai 2013 – 9 Ca 530/12 3 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand

Der am xxxxxxxx geborene, geschiedene, schwerbehinderte Kläger begehrt die Feststellung der Echtheit eines zwischen ihm und dem verstorbenen Vater der Beklagten am 4. November 2002 geschlossenen Arbeitsvertrages, das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses, des Austauschs von Leistung und Gegenleistung seit dem 4. November 2002 sowie die Zahlung von Arbeitsentgelt für die Zeit seit 1. Januar 2011 bis 28. Februar 2014. Die Beklagte ist die Alleinerbin des am 1. Juni 2011 verstorbenen M.

Der Kläger stützt seine Klage auf einen von ihm vorgelegten Beschäftigungsvertrag vom 4. November 2002 (Bl. 17 d.A.) sowie auf einen Mietvertrag vom 9. März 2011 (Bl. 18-21R d.A.) über eine Wohnung in der Hafenstraße in G. Nach dessen § 2 ist Mietzeit die Lebenszeit des Mieters. Das Mietverhältnis beginnt am 1. Januar 2008 und endet mit dem Tod des Mieters gem. § 544 S. 2 BGB. § 4 lautet: Die Miete beträgt einmalig 324.000 € einschließlich aller Betriebskosten. Auf Kaution wird unwiderruflich verzichtet. § 27 bestimmt u.a.: Der Einmalbetrag der Miete in Höhe von 324.000 € ist mit Vertragsschluss fällig und mit Zahlung dieses Betrages erlischt der Anspruch auf Zahlung der Miete insgesamt. Als Entgelt für die Jahre 2003-2010 aus dem Beschäftigungsverhältnis vom 4. November 2002 – ungekündigt und arbeitnehmerseitig erfüllt- zahlt deklaratorisch 324.000 € – unter Verzicht auf die Einrede der Verjährung – der Arbeitgeber M an den Angestellten R. Daheraus hat der Mieter R den Einmalbetrag der Miete in Höhe von 324.000 € an den Vermieter M deklaratorisch gezahlt und somit auch geleistet.

Der Kläger bewohnte zumindest seit 2009 die Wohnung in der Hafenstraße und zahlte an Herrn M keine Miete.

Der Kläger erwirkte am 6. Juni 2003 beim Amtsgericht Wiesbaden ein Versäumnisurteil gegen Herrn M in Höhe von 4959,53 € sowie einen Kostenfestsetzungbeschluss in Höhe von 189,94 €. Er verkaufte den Titel am 10. Dezember 2010 an A, der daraus die Zwangsvollstreckung betrieb. Herr M erwirkte am 13. Juni 1997 beim Amtsgericht Schönfeld einen Vollstreckungsbescheid gegen den Kläger in Höhe von 70.400 DM. Gegen die von Herrn A betriebene Zwangsvollstreckung wehrte sich die Beklagte mit einer beim Amtsgericht Wiesbaden eingereichte Vollstreckungsgegenklage. Darin erklärte sie die Aufrechnung gegen die titulierten Forderungen aus dem Versäumnisurteil mit Mietzinsansprüchen gegen den Kläger für die Zeit von Januar bis November 2010 sowie mit der Forderung aus dem Vollstreckungsbescheid. Das Amtsgericht Wiesbaden hat mit stattgebenden Urteil vom 14. September 2012 die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil vom 6. Juni 2003 sowie aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss für unzulässig erklärt. In den Entscheidungsgründen hat es dazu ausgeführt, dass die Klägerin mit Erfolg mit Mietzinsforderungen gegen den hiesigen Kläger aufrechnen kann. Der Aufrechnung mit der dem Grunde nach unstreitigen Mietzinsforderung stehe weder § 27 des Mietvertrags noch eine Verrechnung mit Arbeitsentgelt für die Jahre 2003-2010 entgegen. Zu Letzterem wurde ausgeführt, dass es sich bei dem Beschäftigungsvertrag um einen Scheinvertrag handele, der kein wirksames Beschäftigungsverhältnis mit einer Entgeltverpflichtung begründet habe. Wegen der Einzelheiten der Begründung des Amtsgerichts wird auf die Ausführungen im Urteil vom 14.9.2012 (Bl. 64-70 der Akten) Bezug genommen. Die dagegen vom dortigen Beklagten eingelegte Berufung hat das Landgericht nach Gewährung rechtlichen Gehörs vom 31. Januar 2013 (Bl. 102-107 d.A.) mit Beschluss vom 1. März 2013 (Bl. 185-187 der Akten) zurückgewiesen.

Der Kläger hat behauptet, die Unterschrift von Herrn M unter dem Beschäftigungsvertrag sei echt und der Vertrag sei auch so gewollt worden. Er sei von Herrn M damit beauftragt worden, Angelegenheiten des Anwesens “Hafenstraße” mit den dortigen Mietern zu verhandeln und zu regeln. Ferner sei er auch zur Bibliotheksrecherche verpflichtet gewesen. Die Einzelheiten seien durch arbeitgeberseitige Weisung konkretisiert worden.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, bei dem Beschäftigungsvertrag und dem Mietvertrag handele es sich um nichtige Scheinverträge. Der Kläger habe keine Arbeitsleistung erbracht, die auch nur ansatzweise eine monatliche Vergütung von 3375 € habe rechtfertigen können. Die Steuerberaterin, die Herrn M bis zu seinem Tod in allen steuerlichen Angelegenheiten umfassend vertreten habe, habe aus den Lohnkonten und der Buchhaltung der Firma M Medizintechnik keinerlei Hinweis auf den Kläger als Arbeitnehmer erhalten. Dasselbe gelte hinsichtlich der Firma M-Bewachung.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts, des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der Entscheidung des Arbeitsgerichts (Bl. 191-196 d.A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 196R bis 199R der Akten) verwiesen. Dieses Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 31. Mai 2013 zugestellt. Er hat dagegen mit einem am 22. Mai 2013 (Bl. 203 d.A.) und am 17. Juni 2013 (Bl. 207 der Akten) eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 2. September 2013 am 2. September 2013 (Bl. 265 d.A.) begründet.

Der Kläger ist der Auffassung, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht von einer Verwirkung ausgegangen. Hierauf habe sich auch die Beklagte nicht berufen. Das erforderliche Umstandsmoment sei nicht gegeben. Der Feststellungsantrag sei zu Unrecht abgewiesen worden. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass nach § 256 Abs. 1 ZPO auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit geklagt werden könne. Der Kläger habe ein rechtliches Interesse daran, dass die Echtheit der beiden Urkunden durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Die Beklagte als Gesamtrechtsnachfolgerin von Herrn M verhalte sich nach § 242 BGB widersprüchlich. Indem sie ihren eigenen Vertrag anfechte, setzte sie sich in Widerspruch zu den eingegangenen Verpflichtungen. Das erforderliche Feststellungsinteresse ergebe sich daraus, dass die Beklagte die Auffassung vertrete, der Einmalmietzins in Höhe von 324.000 € sei nicht mit dem aus dem Beschäftigungsvertrag vom 4.11.2002 resultierenden Entgelt für die Jahre 2003-2010 beglichen. Die Unterschriften von Herrn M unter dem Beschäftigungsvertrag und dem Mietvertrag seien echt. Für die Echtheit der Unterschriften sei Beweis angetreten. Der Kläger beantragt insoweit die Einholung eines handschriftenvergleichenden Sachverständigengutachtens. Der Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts sei fehlerhaft und lückenhaft. Herr M habe dem Kläger die Zahlung der Arbeitslohnansprüche für die Zeit vom 1.1.2011 bis heute noch am 9. März 2011 -und zwar diesmal in bar- zugesagt. Die Leistungsinhalte der arbeitsvertraglichen Pflichten des Klägers seien durch Ausübung des Weisungsrechts gemäß § 106 GewO festgelegt worden. Diese hätten u.a. darin bestanden, legale Möglichkeiten der Geldwäsche zu sondieren. Herr M habe den Kläger mit der Fertigung von Dossiers zu meist auslandsökonomischen und juristischen Fragestellungen beauftragt. Diese Aufzeichnungen seien sehr umfangreich gewesen und hätten über 1580 Aktenordner gefüllt. Ferner habe Herr M ihn damit beauftragt, unter dem Decknamen P in dem Anwesen Hafenstraße für Ordnung zu sorgen. Der Kläger habe von Herrn M eine Metro-Karte erhalten, um für diesen regelmäßig Büromaterial einzukaufen. Ferner seien von Herrn M für den Kläger diverse Mobilfunkverträge abgeschlossen sowie bei der Postbank 4 Girokonten und 7 Sparkonten als Arbeitsmittel eingerichtet worden. Der Kläger ist der Ansicht, der Beschäftigungsvertrag sei kein Scheingeschäft. In § 27 des Mietvertrages werde eindeutig festgestellt, dass der Kläger seine Pflichten aus dem Beschäftigungsvertrag arbeitnehmerseitig erfüllt habe. Die Leistungsbestimmung sei durch die Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts erfolgt. Ferner sei zu berücksichtigen, dass § 27 Mietvertrag ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis bezüglich des Entgeltanspruchs aus dem Beschäftigungsverhältnis enthalte. Die Vertragsparteien seien während der ausführlichen Gespräche im Vorfeld der Mietvertragsanbahnung übereingekommen, dass bezüglich des Beschäftigungsvertrags vom 4.11.2002 eine anerkenntnisgleiche Klarstellung bezüglich Erfüllung, Ungekündigtheit, Nichtverjährung und der Entgeltsumme notwendig ist, um auch den Mietvertrag selbst im Kern unangreifbar zu machen. Für den Abschluss eines Scheingeschäfts habe keine Motivation der Parteien bestanden. Der Kläger habe seit 1981 mit Unterbrechungen mehrfach in Herrn M Bewachungsfirma sozialversicherungspflichtig gearbeitet. Nachdem diese zum 31.7.2007 aufgegeben worden sei, habe Herr M gegenüber dem Kläger erklärt, dass der Kläger nunmehr ab 1.9.2006 (also rückwirkend) -wie früher auch schon- für die Firma Bewachung/Sicherheitsdienst M arbeite.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 14. Mai 2013 -9 Ca 530/12 – abzuändern und

1.

festzustellen, dass der Beschäftigungsvertrag vom 4.11.2002 und die Quittung in § 27 des Mietvertrages vom 9.3.2011 vom Arbeitgeber, dem M, eigenhändig unterschrieben wurde und echt ist,
2.

festzustellen, dass der zwischen dem Arbeitgeber Diplomingenieur M und dem Arbeitnehmer R geschlossene Beschäftigungsvertrag vom 4.11.2002 die für einen Beschäftigungsvertrag notwendigen essentialia negotii enthält und kein Scheinvertrag ist,
3.

festzustellen, dass der zwischen dem Arbeitgeber Diplom-Ingenieur M und dem Arbeitnehmer R geschlossene Beschäftigungsvertrag vom 4.11.2002 für die Beschäftigungszeit vom 25.11.2002 bis heute ungekündigt fortbesteht,
4.

festzustellen, dass der Kläger bei dem Arbeitgeber und Erblasser M aufgrund des Beschäftigungsvertrages vom 4.11.2002 ununterbrochen vom 25.11.2002 bis heute als Angestellter abhängig beschäftigt ist,
5.

festzustellen, dass der Kläger für den Arbeitgeber und Erblasser M aufgrund des Beschäftigungsvertrages vom 4.11.2002 ununterbrochen vom 25.11.2002 bis 1.6.2011 nach dessen Direktionen gearbeitet und tatsächliche Arbeit geleistet hat,
6.

festzustellen, dass der Kläger vom Arbeitgeber und Erblasser M aufgrund des Beschäftigungsvertrages vom 4.11.2002 für die Beschäftigungszeit vom 1.1.2003 bis 31.12.2010 ausweislich des § 27 des Mietvertrages vom 9.3.2011 als Entgelt 324.000 € erhielt,
7.

die Beklagte zu verurteilen an den Kläger aufgrund des Beschäftigungsvertrages vom 25.11.2002 für die Zeit vom 1.1.2011 bis 1.6.2011 ein Entgelt in Höhe von monatlich 3375 €, also fünfmal 3375 Euro gleich 16.875 € zu zahlen zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszins seit dem 1.1.2013,
8.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger aufgrund des Beschäftigungsvertrages vom 4.11.2002 für die Zeit vom 1.6.2011 bis 31.5.2013 ein Entgelt in Höhe von monatlich 3375 €, also 24 mal 3375 € gleich 81.000 € zu zahlen zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszins seit dem 1.6.2013,
9.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger aufgrund des Beschäftigungsvertrages vom 4.11.2002 für die Zeit vom 1.6.2013 bis 31.10.2013 ein Entgelt in Höhe von monatlich 3375 €, also fünfmal 3375 € gleich 16.875 € zu zahlen zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszins seit dem 1.10.2013,
10

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger aufgrund des Beschäftigungsvertrages vom 4.11.2002 für die Zeit vom 1.11.2013 bis 28.2.2014 ein Entgelt in Höhe von monatlich 3375 €, also viermal 3375 € gleich 13.500 € zu zahlen zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszins seit dem 1.2.2014.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts als zutreffend. Das Arbeitsgericht habe völlig zu Recht entschieden, dass die Feststellungsanträge unzulässig sein. Mit den Feststellungsanträgen zu 3 und 4 führe der Kläger einen gänzlich neuen Streitgegenstand ein. Dies sei unzulässig. Auch der Zahlungsantrag zu 9 sei neu. Der Erblasser M habe weder den Vertrag über ein Beschäftigungsverhältnis noch den Mietvertrag über Wohnräume unterzeichnet. Das Amtsgericht Wiesbaden habe mit Urteil vom 14.9.2012 zu Recht festgestellt, dass das angebliche Beschäftigungsverhältnis als unwirksamer Scheinvertrag anzusehen sei, da weder ersichtlich sei, dass der Kläger irgendwelche Arbeitsleistung für den Erblasser erbracht noch umgekehrt der Erblasser Zahlungen an den Kläger geleistet habe. Aus dem Vertrag sei im Übrigen noch nicht einmal erkennbar, welche Arbeitsleistung überhaupt erbracht werden sollte. Es fehle daher bereits an den essentialia negotii eines Beschäftigungsverhältnisses. Jedenfalls aber sei die Vereinbarung eines monatlichen Gehaltes von 3375 € brutto lediglich zum Schein i.S.d. § 117 BGB erfolgt. Für den Scheincharakter des Vertrages spreche ferner, dass der Erblasser und der Kläger nach dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses niemals wechselseitige Leistungen ausgetauscht hätten. Insbesondere sei über einen Zeitraum von mehr als 8 Jahren nach Vertragsabschluss keinerlei Arbeitsentgelt gezahlt worden. Die Vergütung sei noch nicht einmal von Seiten des Klägers geltend gemacht worden, der über keine weiteren Einkünfte in Deutschland verfügt habe, sondern lediglich aus eigenen Reserven gelebt habe. Auch dies spreche dafür, dass eine Zahlungsverpflichtung tatsächlich nicht begründet werden sollte. Dies gelte umso mehr, als bei Vertragsabschluss die Möglichkeit einer späteren Einmalzahlung nicht erwogen worden sei. Das Landgericht Wiesbaden habe die hiergegen eingelegte Berufung als offensichtlich aussichtslos erachtet. Soweit das Arbeitsgericht auf Seite 16 seines Urteils Zweifel daran äußere, dass ein nichtiges Scheingeschäft vorliege, weil dies nicht der Fall sei, wenn ein Anstellungsvertrag nur geschlossen werde, um der einen Partei insbesondere den gesetzlichen Krankenversicherungsschutz zu ermöglichen, merkt die Beklagte an, dass diesbezüglicher Vortrag weder von Seiten des Klägers noch der Beklagten gehalten worden sei. Es werde ausdrücklich bestritten, dass es die Absicht der Parteien war, dem Kläger den gesetzlichen Krankenversicherungsschutz zu ermöglichen. Der Kläger sei nicht in der Lage auch nur ein einziges Schriftstück vorzulegen, mit dem er den Erblasser angemahnt hätte, die offen stehenden Zahlungen zu erbringen. Ebenso unbestritten sei, dass sich in der Lohnbuchhaltung des Erblassers keinerlei Lohnabrechnungen für den Kläger auffinden lassen. Bei den Bilanz- und Abschlussbesprechungen im Büro der Steuerberaterin sei der Kläger vom Erblasser niemals erwähnt worden. Es widerspreche jeglicher Lebenserfahrung, dass ein Mitarbeiter, der angeblich keine weiteren Einnahmen erzielt und auch keine anderweitigen Leistungen des Staates in Anspruch nimmt, nahezu 10 Jahre lang auf die Auszahlung eines monatlich zu zahlenden Gehaltes verzichtet, ohne diese Zahlung auch nur ein einziges Mal anzumahnen. Der Kläger liefere hierfür keine plausible Begründung. Hierfür reiche es auch nicht aus, dass er 2007 eine Erbschaft über 25.000 € gemacht haben will. Denn dies erkläre nicht, weshalb er in der Zeit zwischen 2002 und 2007 über einen Zeitraum von 5 Jahren hinweg nicht auf der monatlichen Auszahlung seines Gehalts bestand, obwohl er keine anderen Einkünfte generiert habe. Auch seine Behauptung, dass er im Übrigen seinen Lebensunterhalt aus Rücklagen bestritten habe, sei nicht glaubhaft. Der Beschäftigungsvertrag lasse in keiner Weise erkennen, was eigentlich Gegenstand der Tätigkeit des Klägers sei. Die Tätigkeitsbeschreibung sei völlig nichtssagend und könne das sehr hohe monatliche Gehalt von 3375 € brutto nicht erklären. Die Darstellung des Klägers zu den von ihm verrichteten Tätigkeiten sei in keiner Weise schlüssig und plausibel. Die Beklagte bestreitet, dass der Kläger jemals für die Firma Medizintechnik oder für die Bewachungsfirma seit 2007 tätig geworden ist. Ferner bestreitet die Beklagte, dass eine Sozialversicherungsmeldung im November 2002 abgegeben worden sei und dass diese zurückgewiesen wurde. Hierzu lägen der Beklagten keine Unterlagen vor. Wenn der Kläger für die Firma Medizintechnik im Jahr 2002 hätte tätig werden sollen, hätte es nahe gelegen, dies in den Beschäftigungsvertrag vom 4.11.2002 aufzunehmen, was jedoch nicht erfolgt sei. Der Kläger benenne keinerlei Tätigkeiten, die das Unternehmen M Medizintechnik betreffen. Im Unternehmen des Herrn M habe es nicht die geringsten Möglichkeiten gegeben, über Geldwäsche nachzudenken. Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass der Kläger jemals irgendwelche Recherchetätigkeiten für den Erblasser vorgenommen hat. Dessen Steuerberaterin sei sich sicher, dass der Erblasser mit ihr über steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten gesprochen hätte, wenn ihm dieses Thema tatsächlich am Herzen gelegen hätte. Dies sei jedoch niemals geschehen. Ein möglicherweise punktuell erteilter Rat könne niemals eine dauerhafte Zahlung einer monatlichen Vergütung von 3375 € brutto rechtfertigen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Klägers als Partei. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 26. Januar 2015 Bezug genommen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle verwiesen.
Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung ist statthaft, § 8 Abs. 2 ArbGG, § 511 Abs. 1 ZPO, § 64 Abs. 2b ArbGG. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Abs. 1 ArbGG, § 519, § 520 ZPO und damit insgesamt zulässig.

II.

Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen nicht deshalb, weil der Kläger keine ladungsfähige Anschrift, sondern eine “c/o Adresse” angibt. Zwar setzt die Zulässigkeit der Klage regelmäßig die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift voraus. Im Hinblick auf den aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz fließenden Anspruch auf effektiven Rechtsschutz kann diese Angabe ausnahmsweise entfallen, wenn besondere dem Gericht mitgeteilte Gründe dies rechtfertigen, etwa fehlender Wohnort wegen Obdachlosigkeit oder ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse (BVerwG 14. Februar 2012 – 9 B 79/11 – NJW 2012, 1527 [BVerwG 14.02.2012 – BVerwG 9 B 79/11; 9 PKH 7/11; 9 VR 1.12; 9 PKH 1.12]). Dies trifft auf den Kläger zu, denn er hat dargelegt (Bl. 485 d.A.), dass er mindestens seit 2002 ohne festen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland ist.

Der Feststellungsantrag zu 1 ist unzulässig. Zwar kann nach § 256 Abs. 1 ZPO die Feststellung der Echtheit oder Unechtheit eine Urkunde zum Gegenstand einer Feststellungsklage gemacht werden. Dies setzt jedoch voraus, dass hierfür ein Feststellungsinteresse besteht (Zöller-Greger, ZPO, 30. Aufl., § 256 Rn. 6). Daran fehlt es hier, weil das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses bereits Gegenstand der weiteren Feststellungsanträge und Vorfrage der Zahlungsanträge ist. Im Übrigen fehlt das Feststellungsinteresse jedenfalls deshalb, weil aus dem Arbeitsvertrag deshalb keine Rechtswirkungen hergeleitet werden können, weil dieser ein nach § 117 BGB nichtiger Scheinvertrag ist. Kommt es damit auf die Frage der Echtheit der Urkunde nicht an, besteht für eine hierauf bezogene Feststellungsklage kein Feststellungsinteresse.

Die Feststellungsanträge zu 2-4 sind dahin auszulegen, dass die Feststellung eines zwischen den Parteien bestehenden, wirksamen Arbeitsverhältnisses begehrt wird. Gegen die Zulässigkeit dieses Antrags bestehen keine Bedenken.

Die Anträge zu 5 und 6 sind unzulässig, weil sie nicht auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO, sondern auf die Feststellung von Tatsachen gerichtet sind.

Die Zahlungsanträge sind zulässig.

Soweit die Klage zulässig ist, ist sie unbegründet. Zwischen den Parteien besteht kein wirksamer Arbeitsvertrag, so dass der hierauf bezogene Feststellungsantrag unbegründet ist und dem Kläger keine Vergütungsansprüche gegen die Beklagte zustehen.

Gemäß § 117 Abs. 1 BGB ist eine Willenserklärung, die gegenüber einem anderen nur zum Schein abgegeben wird, nichtig, wenn dies mit dessen Einverständnis geschieht. Ein Scheingeschäft liegt vor, wenn die Beteiligten ein Ziel durch den bloßen Schein des simulierten Rechtsgeschäfts erreichen, die damit verbundenen Rechtswirkungen jedoch nicht eintreten lassen wollen (Bundesarbeitsgericht 21. April 2005 -2 AZR 145/04- AP Nr. 134 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Rn. 21; 22. September 1992 -9 AZR 385/91- AP Nr. 2 zu § 117 BGB, Rn. 13). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben, wie sowohl das Amtsgericht Wiesbaden im Urteil vom 14. September 2012 (Bl. 64-70 d.A.), als auch das Landgericht Wiesbaden mit Beschluss vom 31.1.2013 (Bl. 102-107 der Akten) und Beschluss vom 1. März 2013 (Bl. 185-187 der Akten) zutreffend erkannt haben. Die Kammer schließt sich diesen Entscheidungen ausdrücklich an und nimmt zur Begründung hierauf Bezug. Auch für die Kammer des Landesarbeitsgerichts ist entscheidend, dass für die Zeit vom Beginn des Beschäftigungsverhältnisses im November 2002 bis zum Abschluss des Mietvertrages im März 2011, d.h. über einen Zeitraum von mehr als 8 Jahren nach Vertragsschluss keinerlei Arbeitsentgelt gezahlt worden ist. Der Kläger hat die ausstehende Arbeitsvergütung auch nicht angemahnt. Soweit der Kläger -insbesondere im Berufungsrechtszug- näher zu den von ihm verrichteten Arbeitsleistungen vorträgt, lässt dies lediglich punktuell erbrachte Tätigkeiten, aber keine regelmäßige Vollzeittätigkeit, die die Zusage einer Bruttomonatsvergütung von 3375 € nachvollziehbar erscheinen lassen könnte, erkennen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die vom Kläger im Termin vom 26. Januar 2015 überreichten Unterlagen. Soweit der Kläger gelegentlich für Herrn M Tätigkeiten verrichtete, mag dies auch im Hinblick darauf geschehen sein, dass er über Jahre hinweg sich ohne Erbringung einer sonstigen (finanziellen) Gegenleistung in dessen Räumen in der Hafenstraße aufhalten konnte. Der Kläger hat im Termin vom 26. Januar 2015 erklärt, dass er faktisch während dieser Zeit im Objekt Hafenstraße gewohnt habe.

Soweit das Arbeitsgericht gemeint hat, ein Scheingeschäft liege nicht vor (Seite 16 des Urteils), überzeugt dies nicht. Die vom Arbeitsgericht herangezogenen Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Hamm und des Bundesarbeitsgerichts sind nicht einschlägig. Keine der Parteien behauptet, dass der Arbeitsvertrag vom 4. November 2002 geschlossen wurde, um dem Kläger gesetzlichen Krankenversicherungsschutz zu ermöglichen. Es geht hier auch nicht darum, ob das Arbeitsverhältnis durch die Nichtausübung der arbeitgeberseitigen Weisungsrechte zu einem freien Dienstverhältnis wurde, sondern darum ob die Vertragsparteien nur den äußeren Schein einer Willenserklärung hervorgerufen haben, die damit verbundenen Rechtswirkungen aber nicht eintreten lassen wollten. Letzteres ist hier der Fall.

Die Zahlungsklage ist auch nicht für die Zeit ab 1.1.2011 aufgrund eines deklaratorischen Anerkenntnisses im Gespräch vom 9. März 2011 begründet. Zwar hat der Kläger bei seiner Parteivernehmung ausgesagt, Herr M habe auf die Frage des Klägers “wie läuft es in Zukunft?” geantwortet “sie kriegen ihr Geld”. Die Kammer hält die Aussage insoweit jedoch nicht für glaubhaft. Maßgeblich für diese Bewertung ist, dass die Aussage, die ansonsten durchaus detailreich ist, in diesem Punkt sehr inhaltsleer und knapp ist. Im Übrigen ist es aus Sicht der Kammer mit der Lebenserfahrung gänzlich unvereinbar, dass ein erfahrener Geschäftsmann ohne dass objektive Gründe hierfür bestehen (insbesondere wirtschaftliche Vorteile für ihn) ohne näheres Nachfragen derart weitreichende Erklärungen abgibt.

III.

Der Kläger hat gemäß § 97 Absatz 1 ZPO die Kosten seines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, § 72 Absatz 2 ArbGG.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

a very tall building with a moon in the sky

Ist Mobbing strafbar?

März 13, 2024
Von RA und Notar Krau:Mobbing kann je nach den Umständen strafbar sein, aber nicht immer.Es gibt kein spezifisches Gesetz, das Mobbing al…
filling cans with freshly brewed beers

Tarifliche Nachtarbeitszuschläge – Gleichheitssatz – BAG 10 AZR 473/21

Februar 4, 2024
Tarifliche Nachtarbeitszuschläge – Gleichheitssatz – BAG 10 AZR 473/21 – Urteil vom 15.11.2023 – Nachtarbeit im Rahmen von Wechselschichtarbeit…
man holding orange electric grass cutter on lawn

Annahmeverzug – Anderweitiger Verdienst aus einer Geschäftsführertätigkeit – BAG 5 AZR 331/22

Februar 4, 2024
Annahmeverzug – Anderweitiger Verdienst aus einer Geschäftsführertätigkeit – BAG 5 AZR 331/22 – Böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienstes …