LAG Hessen, 29.01.2015 – 5 Sa 925/14

April 28, 2019

LAG Hessen, 29.01.2015 – 5 Sa 925/14
Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche wegen der Belastung mit einer Verbindlichkeit und unter dem Gesichtspunkt der Drittschadensliquidation.
Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 15.05.2014 – 1 Ca 39/14 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche.

Die Klägerin ist ein Unternehmen, welches sich mit der bankenunabhängigen Vermögensberatung von Kunden mit großen Familienvermögen befasst. Außer an ihrem Standort in A unterhält sie in B sowie C Büros und beschäftigt insgesamt ca. 60 Arbeitnehmer.

Der Beklagte war ab dem 01. September 2001 auf der Grundlage des am 29./30.3.2001 geschlossenen Arbeitsvertrages zunächst als Berater und später im Bereich Beteiligungsadministration und -selektion mit einem Bruttojahreseinkommen von zuletzt 210.000 Euro tätig. In den Jahren 2005 bis 2006 betreute er den Aufbau des Geschäftsbereichs der Klägerin in der Schweiz und unterstützte des Weiteren die Kooperation mit der E im Vertrieb. In der Zeit vom 19. Januar 2009 bis 26. Oktober 2009 war er Geschäftsführer der Klägerin und im Anschluss daran bis November 2010 bei einer Schwestergesellschaft in der Schweiz auf der Grundlage des am 27.10.2009 geschlossenen Arbeitsvertrages als Direktor beschäftigt. Wegen der Vereinbarungen im Einzelnen wird auf die Kopie des Vertrages Bl 33 – Bl 37 d.A. ergänzend verwiesen.

Am 26. Juli 2011 bzw. 01. August 2011 unterzeichnete die Klägerin und die Kunden F und G ein Schriftstück, in dem unter anderem Folgende Erklärungen abgegeben wurden:

“Zustimmungserklärung und Abtretungsvereinbarung

(…)

Präambel

(…)

Als eine Kundin der H im Verlauf des Jahres 2010 Rückfragen zu einer Überweisung gestellt hatte, welche von Herrn I veranlasst worden war, und eine Prüfung von Dokumentationen ergeben hatte, dass auch weitere Zahlungen unter Beteiligung des Herrn I offensichtlich rechtsgrundlos erfolgt waren, beauftragte H die Durchführung einer Sonderuntersuchung. Im Rahmen dieser wurden mehrere Fälle aufgedeckt, in denen Herr I Geldmittel entweder an sich oder an ihm nahestehende Personen überwiesen hat, ohne dass ein Rechtsgrund hierfür ersichtlich war. Der Mandant ist unmittelbar in sieben Fällen betroffen. Dem Mandanten stehen gegen Herrn I aus der Pflichtverletzung des zwischen der H und Herrn I vormals bestehenden Arbeitsverhältnisses Ansprüche auf Zahlung zu, und zwar konkret wie folgt:
Datum (Schadensfall) Schaden
(in €) Zahlungsempfänger
(a) 20. Januar 2006 6.199,00 J (Ehefrau des Herrn I)
(b) 15. Dezember 2006 42.500,00 K
(c) 22. Mai 2009 9.520,00 L (Landschaftsgärtner des Herrn I)
(d) 22. Mai 2009 13.476,56 M
(e) 30. November 2009 1.220,00 N (Sohn des Herrn I)
(f) 30. November 2009 3.660,00 N (Sohn des Herrn I)
(g) 30. November 2009 21.420,00 M
Schaden gesamt: 97.995,56

– die Ansprüche lit. a bis g gemeinsam nachstehend “TH-Forderungen” genannt.

H beabsichtigt, die TH-Forderungen gegenüber Herrn I gerichtlich geltend zu machen. Zwar geht H dabei gegenwärtig davon aus, dass sie berechtigt ist, den entstandenen Schaden (die TH-Forderungen) nach den Grundsätzen der sogenannten Drittschadensliquidation im eigenen Namen gegen Herrn I geltend zu machen. Um die Angelegenheit freilich zweifelsfrei weiter voranzubringen, wird der Mandant mit der vorliegenden Vereinbarung (a) zu dem vom H angestrebten Prozedere seine Zustimmung erteilen und (b) seine Schadensersatzansprüche gegen Herrn I an die H höchst vorsorglich abtreten.

Dieses vorausgeschickt, vereinbaren die Parteien Folgendes:

§ 1 Zustimmungserklärung

Der Mandant stimmt hiermit der gerichtlichen Geltendmachung der ihn betreffenden Schadensersatzansprüche gegen Herrn I (die TH-Forderungen) durch die H zu.

§ 2 Abtretung

(1) Der Mandant tritt hiermit nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen, die TH-Forderungen in Höhe von insgesamt 97.995,56 € an die H ab.

(2) …”

Wegen des weiteren Inhalts des Schriftstücks wird ergänzend auf die Kopie Blatt 38 bis Blatt 41 der Akten Bezug genommen.

Am 15. August 2011 bzw. 11. August 2011 unterzeichneten die Klägerin und die O (Schweiz) ein Schriftstück, in dem unter anderem Folgende Erklärungen abgegeben wurden:

“Zustimmungserklärung und Abtretungsvereinbarung

(…)

Präambel

(…)

In dem Zeitraum als Herr I Direktor bei der O Schweiz war, wurden vier Schadensfälle aufgedeckt. O Schweiz stehen gegen Herrn I aus der Pflichtverletzung des vormals bestehenden Arbeitsverhältnisses Ansprüche auf Zahlung zu, und zwar konkret wie folgt:
Datum Schaden (in €) Zahlungsempfänger
(a) 30. November 2009 21.420,00 Überweisung zulasten des Kundenkontos G sowie F an die M
(b) 30. November 2009 1.220,00 Überweisung zulasten des Kundenkontos G sowie F an Herrn N (Sohn des Herrn I)
(c) 30. November 2009 3.660,00 Überweisung zulasten des Kundenkontos G sowie F an Herrn N (Sohn des Herrn I)
(d) 27. Januar 2010 21.200,00 Überweisung zulasten des Kundenkontos P an die M
Schaden insgesamt: 47.500,00

– die Ansprüche lit. a bis d gemeinsam nachstehend “TH-Forderungen” genannt.

Q beabsichtigt, die TH-Forderungen gegen Herrn I gerichtlich geltend zu machen. Zwar geht Q dabei gegenwärtig davon aus, dass sie berechtigt ist, den entstandenen Schaden (die TH-Forderungen) nach den Grundsätzen der sogenannten Drittschadensliquidation im eigenen Namen gegen Herrn I geltend zu machen. Um die Angelegenheit freilich zweifelsfrei weiter voranzubringen, wird O Schweiz mit der vorliegenden Vereinbarung (a) zu dem von Q angestrebten Prozedere ihre Zustimmung erteilen und (b) ihre Schadensersatzansprüche gegen Herrn I an Q höchst vorsorglich abgetreten.

Dieses vorausgeschickt, vereinbaren die Parteien Folgendes:

§ 1

Zustimmungserklärung

O Schweiz stimmt hiermit der gerichtlichen Geltendmachung der ihn betreffenden Schadensersatzansprüche gegen Herrn I (die TH-Forderungen) Q zu.

§ 2

Abtretung

(1) O Schweiz tritt hiermit nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen die TH-Forderungen in Höhe von insgesamt 47.500,00 Euro an Q ab.

(…)

§ 4

Schlussbestimmung

(…)

(3) Dieser Vertrag unterliegt den Bestimmungen des Rechts der Bundesrepublik Deutschland.

Wegen des weiteren Inhalts des Schriftstücks wird ergänzend auf die Kopie Blatt 42 bis Blatt 45 der Akten Bezug genommen.

Mit ihrer am 18. August 2011 eingegangenen und am 25. August 2011 zugestellten Klage nimmt die Klägerin den Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch. Wegen des Weiteren unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug sowie der dort gestellten Anträge wird im Übrigen gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils – Blatt 154 bis Blatt 159 der Akten – ergänzend Bezug genommen.

Mit dem am 15. Mai 2014 verkündeten Urteil hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main den Beklagten zur Zahlung von 97.995,56 Euro nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat es – kurz zusammengefasst – Folgendes ausgeführt: Die Klägerin könne nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation Schadensersatz verlangen, da der Beklagte zumindest grob fahrlässig die vertragliche Pflicht, die Vermögensinteressen der von ihm betreuten Kunden und auch der Klägerin zu wahren, verletzt habe. Wegen der weiteren Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils – Blatt 160 bis Blatt 164 der Akten – verwiesen. Gegen das am 10. Juni 2014 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 10. Juli 2014 Berufung eingelegt und diese mit dem beim Hessischen Landesarbeitsgericht am Montag, den 11. August 2014 eingegangenen Schriftsatz begründet. Die Berufungsbegründung ist der Klägerin am 21. August 2014 zugestellt worden und die Berufungserwiderung – nach Verlängerung der Berufungsbeantwortungsfrist bis 06. Oktober 2014 auf rechtzeitigen Antrag hin – am 06. Oktober 2014 beim Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen.

Der Beklagte verfolgt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens sein Klageabweisungsbegehren weiter. Er meint nach wie vor, dass er seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht verletzt habe und die Grundsätze der Drittschadensliquidation nicht einschlägig seien. Er habe – so die Behauptungen des Beklagten – weder die Kundin noch die Klägerin im Zusammenhang mit der Überweisung der Geldmittel getäuscht und er habe auch keine Unterschriften gefälscht. Im Übrigen bestreitet der Beklagte mit Nichtwissen, dass die angesprochenen Überweisungen getätigt, Zahlungen geleistet und an den angegebenen Daten die Kontenbelastungen erfolgt seien.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angegriffenen Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 15.05.2014 – 1 Ca 39/14 – die Klage kostenpflichtig abzuweisen

und – hilfsweise – das Verfahren an das Arbeitsgericht Frankfurt am Main zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 15.05.2014 dahingehend abzuändern, dass der Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin wegen unerlaubter vorsätzlicher Handlung einen Betrag von 97.995,56 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.08.2011 zu zahlen.

Sie verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Beklagte – so die Behauptungen der Klägerin – habe zu Lasten der Kundin durch verschiedenste Täuschungshandlungen Überweisungen an sich oder an ihm nahestehende Personen veranlasst, die von keinem Rechtsgrund getragen seien. Unter dem Gesichtspunkt der Drittschadensliquidation – so die Rechtsansicht der Klägerin – sei sie berechtigt, die Zahlung der Schadensersatzbeträge an sich zu verlangen. Ferner stehe ihr ein Schadensersatzanspruch aus eigenem Recht zu, da der Beklagte die an ihn herangetragenen Ansprüche dem Grunde nach zurückgewiesen habe. Der bislang bestehende Befreiungsanspruch nach § 257 BGB habe sich infolge der Ablehnung gemäß §§ 280 Abs. 1, 281 Abs. 1 BGB in einen Schadensersatzanspruch umgewandelt, wobei eine vorherige Aufforderung und Fristsetzung aufgrund der Ablehnung des Beklagten gemäß § 281 Abs. 2 BGB entbehrlich sei. Ferner sei zu berücksichtigen, dass sie von ihren Kunden wegen der streitgegenständlichen Vorgänge direkt in Anspruch genommen worden sei und sie für Verfehlungen des Beklagten, dessen sie sich gegenüber ihren Kunden im Rahmen der ihr obliegenden Verpflichtung zur Durchführung einer ordnungsgemäßen Vermögensverwaltung bedient habe, gegebenenfalls gemäß § 278 BGB einstehen müsse. Außerdem seien Schadensersatzansprüche aus abgetretenem Recht gegeben.

Im Übrigen werde – klageerweiternd – die Feststellung begehrt, dass der Beklagte gegenüber der Klägerin den streitgegenständlichen Schadensersatzbetrag aus dem Rechtsgrund der vorsätzlichen unerlaubten Handlung schulde. Die in der Berufungsbeantwortungsschrift vorgenommene Klageerweiterung sei sachdienlich, weil hierdurch ein weiterer Rechtsstreit zwischen den Parteien vermieden werde. Das Feststellungsinteresse sei zu bejahen, da gemäß § 850 f Abs. 2 ZPO auf verfügbares Vermögen des Beklagten in einem größeren Umfang zugegriffen werden könne als dies bei einer Forderung der Fall wäre, die nicht ihren Ursprung in einer vorsätzlichen deliktischen Handlung habe. Überdies könne sichergestellt werden, dass eine Restschuldbefreiung des Beklagten an § 302 Nr. 1 InsO scheitern würde. Eine unerlaubte Handlung liege vor, da der Beklagte vorsätzlich die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten verletzt und den der Klägerin entstandenen Schaden vorsätzlich zugefügt habe.

Der Beklagte hat der Klageerweiterung nicht zugestimmt. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung am 18.12.2014 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe

A.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig. Insbesondere ist sie nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes gemäß §§ 64 Abs. 1, Abs. 2, 8 Abs. 2 ArbGG statthaft sowie nach §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 Abs. 3 ZPO form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden. Der Schriftsatz des Beklagten zur Berufungsbegründung ist am letzten Tag der mit der Zustellung des Urteils am 10.06.2014 in Lauf gesetzten und zwei Monate betragenden Frist bei Gericht eingegangen. Fristende war gemäß § 222 Abs. 2 ZPO Montag, der 11.08.2014, da es sich hierbei um den nächsten Werktag handelt, der dem auf einen Sonntag fallenden Fristende folgt.

B.

In der Sache hat die Berufung Erfolg. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist abzuändern, da der Klägerin im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ein Zahlungsanspruch nicht zusteht. Sie kann mangels Anspruchsgrundlage den geforderten Betrag weder aus eigenem noch aus abgetretenem Recht verlangen.

I.

Der Zahlungsantrag bedarf der Auslegung. Er ist dahingehend zu verstehen, dass er einen Hauptantrag enthält, der auf Ansprüche aus eigenem Recht gestützt wird und Hilfsanträge, mit denen Ansprüche aus abgetretenem Recht geltend gemacht werden. Ansprüche aus eigenem und aus abgetretenem Recht sind nämlich verschiedene Streitgegenstände (vgl. BAG, 13.01.2003 – 5 AS 7/02 – Rn. 13, zitiert nach ). Aus dem Klagebegehren und der Begründung ergibt sich, dass es sich um eine eventuelle Klagehäufung handelt. Die Klägerin begehrt von dem Beklagten eine Schadensersatzleistung, die sie in erster Linie auf Ansprüche aus eigenem Recht und im Eventualverhältnis dazu auf Ansprüche aus abgetretenem Recht stützt. Die Ansprüche wurden den Erläuterungen im Schriftstück vom 26.07.2011 bzw. 01.08.2011 zufolge “höchst vorsorglich abgetreten” “um die Angelegenheit zweifelsfrei weiter voran zu bringen”.

II.

Der Hauptantrag ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Zahlungsanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 263, 266 StGB bzw. § 43 Abs. 1 GmbhG.

1.

Ein Anspruch auf Ersatz der Schäden, die der Kunden F, G aufgrund der im Schreiben vom 26.7./01.08.2011 aufgelisteten Vorfälle und der O (Schweiz) aufgrund der im Schreiben vom 11./15.8.2011 aufgelisteten Vorfälle entstanden sein sollen, kommt nicht in Betracht. Die Grundsätze der Drittschadensliquidation finden entgegen der Rechtsansicht der Klägerin im Streitfall keine Anwendung. Sie kann grundsätzlich nur die Schäden ersetzt verlangen, die ihr rechtlich selbst zur Last fallen.

a) Die Liquidation des Drittschadens setzt eine Sachlage voraus, die bewirkt, dass das schädigende Verhalten des Verpflichteten einen Schaden nicht in der Person des Anspruchsberechtigten, sondern nur in der eines Dritten hervorrufen kann. Es darf nur ein Schaden entstanden sein, der, wenn der Anspruchsberechtigte auch Träger des geschützten Rechtsguts wäre, in dessen Person erwachsen wäre. Der Dritte tritt als Geschädigter statt des Anspruchsberechtigten auf. Es genügt zur Liquidation des Drittschadens mithin nicht, dass neben dem Anspruchsberechtigten auch ein Dritter einen Schaden erlitten hat (vgl. BGH, 10.07.1963 – VIII ZR 204/61 – Rn. 30, zitiert nach ; BGH, 21.05.1996 – XI ZR 199/95 – Rn. 23, zitiert nach ).

b) Danach bleibt es bei der Notwendigkeit eines eigenen Schadens der Klägerin.

aa) Bezüglich der Kunden F, G fehlt es an der erforderlichen typischen Schadensverlagerung.

(1) Die Klägerin hätte – soweit die sonstigen anspruchsbegründenden Voraussetzungen vorlägen – selbst einen Schaden erlitten, denn die Belastung mit einer Verbindlichkeit stellt bereits einen Schaden im Sinne des § 249 BGB dar (vgl. z. B. BGH, 11.06.1986 – VIII ZR 153/85 – Rn. 29, zitiert nach ). Die Forderung würde sich aus der Vertragsbeziehung zwischen der Klägerin und den Kunden F, G ergeben, da ihr aus dem Vertrag auf Vermögensanlageberatung und Vermögensverwaltung ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 278 BGB zustehen würde. Grundsätzlich muss sich die Klägerin ein etwaiges schuldhaftes Verhalten des Beklagten gemäß § 278 BGB zurechnen lassen.

(2) Auch sonst spricht die Interessenlage der Beteiligten gegen eine Drittschadensliquidation. Der Beklagte wird nicht von einer Ersatzpflicht befreit und es ist ferner kein Wertungsgesichtspunkt ersichtlich, warum es der geschädigten Kundin unzumutbar sein soll, wenn sie im Verhältnis zum Beklagten auf deliktische Schadensersatzansprüche verwiesen wird. Das damit verbundene Realisierungsrisiko muss sie nicht eingehen, da sie im Verhältnis zur solventen Klägerin einen vollwertigen vertraglichen Ersatzanspruch hat.

bb) Bezüglich der O (Schweiz) kann die Klägerin etwaige Schäden unter dem Gesichtspunkt der Drittschadensliquidation schon deshalb nicht geltend machen, da ihr dem Grunde nach keine Schadensersatzansprüche zustehen. Der Beklagte war in der Zeit nach dem 26. Oktober 2009 nicht mehr Arbeitnehmer der Klägerin, sodass im Zeitpunkt der Vorfälle am 30.11.2009 und am 27.10.2010 ein Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten ausscheidet. Deliktische Ansprüche kommen ebenfalls nicht in Betracht, da es keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Beklagte nach dem 26.10.2009 unerlaubte Handlungen gemäß §§ 823 ff BGB zu Lasten der Klägerin begangen hat.

2.

Ein Schadensersatzanspruch, der auf Geldzahlung zum Ausgleich eines eigenen Schadens gerichtet ist, steht der Klägerin bezüglich der Kunden F, G nicht zu.

a) Ein Schaden wegen der Belastung mit einer Verbindlichkeit ist nach § 249 Abs. 1 BGB im Wege der Naturalrestitution zu ersetzen, das heißt, der Geschädigte kann von dem Schädiger die Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen. Ein solcher Anspruch wandelt sich in einen Zahlungsanspruch um, wenn der Geschädigte die ihn belastende Verbindlichkeit tilgt oder der Schuldner die Freistellung ernsthaft und endgültig ablehnt und der Geschädigte Geldersatz fordert (BGH, 26.02.1991 – XI ZR 331/89 – Rn. 9, zitiert nach ; BGH, 10.12.1992 – IX ZR 54/92 – Rn. 23, zitiert nach ). Das setzt allerdings voraus, dass der Anspruchsteller tatsächlich mit einer Verbindlichkeit beschwert ist, die Forderung also erfüllen muss (vgl. BGH; 11.06.1986 – VIII ZR 153/85 – Rn. 29, zitiert nach ; BGH, 10.12.1992 – IX ZR 54/92 – Rn. 23, zitiert nach ).

b) Nach diesen Maßstäben hat sich im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ein etwaiger Freistellungsanspruch entgegen der Auffassung der Klägerin nicht in einen Zahlungsanspruch umgewandelt.

aa) Eine ernsthafte und endgültige Ablehnung der Schadensersatzforderung liegt vor, da sich der Beklagte während des Rechtsstreits beharrlich auf den Standpunkt gestellt hat, seine Haftung bestehe schon dem Grunde nach nicht (vgl. BGH, 02.04.1987 – IX ZR 68/86 – Rn. 17, zitiert nach ).

bb) Von einer Tilgung der Verbindlichkeit kann nicht ausgegangen werden. Die Erfüllung der Schadensersatzforderung der Kunden und die geltend gemachte Drittschadensliquidation schließen sich aus und der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat im Termin zur mündlichen Verhandlung keine konkreten Angaben zur Frage des finanziellen Ausgleichs der Forderung zu machen vermocht. Der neue Sachvortrag zur Erfüllung der Schadensersatzforderung im Schriftsatz vom 20.1.2015 kann gemäß § 296 a ZPO keine Berücksichtigung finden, da er erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung gebracht wurde.

cc) Es kann auch nicht angenommen werden, dass die Klägerin gegen sie gerichtete Schadensersatzansprüche der Kunden F, G derzeit tatsächlich erfüllen muss. Vielmehr ergibt sich aus den Erklärungen und Absprachen im Schriftstück vom 10.08.2011 bzw. 11.08.2011, dass – nach der Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung – eine Inanspruchnahme der Klägerin nicht feststeht (vgl. in diesem Zusammenhang: MK1Krüger, § 257 ZPO Rn 5; RGZ 78, 26 (34)). Indem die Kunden F, G etwaige Forderungen gegen den Beklagten an die Klägerin abgetreten und mit ihr abgesprochen hat, dass sie – die Klägerin – Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten gerichtlich geltend machen solle (vgl. § 1 des zitierten Schriftstücks), haben sie übereinstimmend zum Ausdruck gebracht, dass Schadensersatzforderungen der Kunden F, G gegen die Klägerin derzeit nicht verfolgt werden, also nicht unmittelbar bevorstehen. Diese Sachlage ist im Laufe der mittlerweile verstrichenen Zeit unverändert geblieben und hat sich verfestigt. Solange die Klägerin auf diese Weise die Interessen der Kunden F, G wahrnimmt, hat sie ihrerseits kein berechtigtes Interesse daran (zu dem Kriterium: BGH, 10.12.1992 – IX ZR 54/92 – Rn. 23, zitiert nach ), von dem beklagten Arbeitnehmer bereits Zahlung an sich selbst zu verlangen. Um dem bestehenden Risiko einer Inanspruchnahme durch die Kundin adäquat Rechnung zu tragen, reicht es aus, wenn sie eine Klage auf Befreiung von der Verbindlichkeit oder eine Klage auf Feststellung der Ersatzpflicht erhebt.

3.

Der Klägerin kann auch nicht ein Befreiungsanspruch zugesprochen werden, da sie dies nicht beantragt hat.

a) Nach § 308 Abs. 1 ZPO ist das Gericht an die Parteianträge gebunden. Das Gericht darf nicht mehr (kein “Plus”) und nichts anderes (kein “Aliud”) zusprechen als beantragt, sondern nur ein Weniger (“Minus”) (vgl. z. B. Zöllner1Vollkommer, ZPO, § 308 Rn. 2). Ein Zahlungsanspruch stellt kein “Mehr” im Verhältnis zu einem Befreiungsanspruch dar. Zahlung ist nicht mehr oder weniger, sondern “etwas anderes” (vgl. BGH; 19.06.1957 – IV ZR 214/56 – in: NJW 1957, 1514 [BGH 19.06.1957 – IV ZR 214/56] f). Der Befreiungsschuldner ist weder verpflichtet noch ohne Zustimmung des Befreiungsgläubigers berechtigt, an diesen zu zahlen (vgl. BGH, a. a. O.). Der Befreiungsantrag ist mithin nicht als ein “Weniger” in dem gestellten Zahlungsantrag enthalten.

b) In dem Antrag auf Verurteilung des Beklagten zu einer Leistung ist als Weniger auch nicht der Antrag auf Feststellung des Rechtsverhältnisses enthalten, welches die Voraussetzung für die begehrte Leistung bildet.

aa) Soweit eine Zahlungsklage als Feststellungsklage aufrechterhalten wird, verstößt dies zwar nicht gegen § 308 ZPO. Eine Feststellung ist im Vergleich zu einem Leistungsgebot ein Weniger. In dem weitergehenden Zahlungsantrag ist deshalb grundsätzlich sinngemäß ein Feststellungsantrag inbegriffen. Erweist sich die erhobene Leistungsklage als unbegründet, entspricht aber der Erlass eines Feststellungsurteils dem Interesse der klagenden Partei, so kann das Gericht dem in dem Leistungsbegehren enthaltenen Antrag auf Feststellung des Rechtsverhältnisses auch dann stattgeben, wenn der Antrag nicht ausdrücklich hilfsweise gestellt ist (vgl. BGH, 09.04.1992 – IX ZR 304/90 – Rn. 37, zitiert nach ).

bb) Das Klagebegehren der Klägerin wird im Streitfall durch ein Feststellungsurteil indessen nicht befriedigt. Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse daran, sich vor Nachteilen zu schützen, die aus einer Inanspruchnahme ihrer Kundin resultieren. In einem solchen Fall ist grundsätzlich die Klage auf Befreiung von einer Ersatzpflicht der geeignete Weg. Ein Feststellungsurteil ist demgegenüber unzureichend.

III.

Die Hilfsanträge haben keinen Erfolg.

1.

Der Antrag ist auslegungsbedürftig.

a) Soweit die Klägerin Ansprüche der Kunden F, G aus abgetretenem Recht geltend macht, sind dem Schriftstück vom 10.08.2011 bzw. 11.08.2011 zufolge Forderungen gemeint, die dem “Mandanten” gegen “Herrn I aus der Pflichtverletzung des zwischen der H und Herrn I vormals bestehenden Arbeitsverhältnisses” zustehen. Diese Forderungen werden in der Präambel als “TH-Forderungen” bezeichnet und als solche ausdrücklich von den §§ 1, 2 des Schriftstücks erfasst. Demgegenüber werden Forderungen der Mandanten gegen den Beklagten aus §§ 823 ff. BGB nicht angesprochen, da sie weder in der Präambel noch in den §§ 1, 2 des Schriftstücks erwähnt werden. Im Übrigen wäre für diese Ansprüche die Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen auch nicht gegeben. Schädigt der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis einen Dritten, ist für diesen Rechtsstreit gegen den Arbeitnehmer der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten, nicht zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben (vgl. BAG, 07.07.2009 – 5 AZB 8/09 -). Eine Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 d ArbGG liegt nicht vor. Etwas anderes folgt auch nicht aus § 3 ArbGG, da die Mandantin weder Rechtsnachfolger der Arbeitgeberin noch an deren Stelle zur Prozessführung befugt sind.

b) Nach § 2 der Abtretungsvereinbarung zwischen der Klägerin und der O (Schweiz) vom 11./15.08.2011 sind ebenfalls arbeitsvertragliche Ansprüche abgetreten worden. Denn bei den sogenannten TH-Forderungen im Sinne dieser Vereinbarung handelt es sich nach den Erklärungen in der Präambel um Zahlungsansprüche, die aus Pflichtverletzungen des seinerzeit zwischen dem Beklagten und der O (Schweiz) bestehenden Arbeitsverhältnisses resultieren.

2.

Nach diesem Verständnis sind die Hilfsanträge zulässig. Insbesondere ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben.

a) Im Verfahren 5 Ta 31/12 ist nur die Frage für die Rechtswegzuständigkeit für die mit dem Hauptantrag verfolgten Ansprüche angefallen. Werden mehrere prozessuale Ansprüche als Haupt- und Hilfsanträge rechtshängig gemacht, bestimmt sich der Rechtsweg zunächst nach dem Hauptantrag (vgl. BGH, 05.03.1980 – IV ARZ 5/80 – Rn. 6, zitiert nach ). Wegen des Eventualverhältnisses darf auf den Hilfsantrag erst eingegangen werden, wenn eine abweisende Entscheidung über den Hauptantrag erfolgt ist (BGH, 05.03.1980 – IV ARZ 5/80 – Rn. 6, zitiert nach ).

b) Der Rechtsweg ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG i. V. m. § 3 ArbGG gegeben. § 3 gilt auch bei der Verfolgung von Ansprüchen aus Verträgen zu Gunsten Dritter oder mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter (vgl. BAG, 15.03.2000 – 5 AZB 70/99 1). Die Vorschrift will verhindern, dass über Inhalt und Umfang arbeitsrechtlicher Pflichten verschiedene Gerichtsbarkeiten entscheiden müssen. Durch die übereinstimmenden Zuständigkeiten einer einheitlichen Verfahrensordnung sollen übereinstimmende Ergebnisse gewährleistet werden (vgl. BAG a. a. O.). Nach diesem Zweck des § 3 ArbGG genügt es, wenn ein Dritter aus der Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten Ansprüche herleitet.

c) Die im Verhältnis zur Schweiz seit dem 01. Januar 2011 geltende Fassung des Lugano-Übereinkommens vom 30.Oktober 2007 (LugÜ II) ist für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit maßgeblich. Gemäß Artikel 1 Ziffer 1 i.V.m. Artikel 18 des Lugano-Übereinkommens richtet sich die Zuständigkeit bei Ansprüchen aus einem individuellen Arbeitsvertrag nach Abschnitt 5 des Übereinkommens. Nach dem dort geregelten Artikel 20 Ziffer 1 kann die Klage des Arbeitgebers nur vor den Gerichten des durch das Übereinkommen gebundenen Staates erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz hat. Dies ist im Streitfall die Bundesrepublik Deutschland, da sich der Wohnsitz des Beklagten in R befindet und die Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag mit der O (Schweiz) hergeleitet werden. Die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen wiederum folgt aus § 2 Abs. 1 Ziff. 3 ArbGG i.V.m. § 3 ArbGG. Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin im Sinne des § 3 ArbGG, da die Vorschrift die Rechtsnachfolge kraft Rechtsgeschäft erfasst.

3.

In der Sache sind die Hilfsanträge unbegründet.

a) Die Abtretung der Kunden F, G gemäß § 398 BGB geht ins Leere, da ihr aus dem Vertragsverhältnis der Parteien keine Forderungen zustehen. Bei dem am 29.3.2001 bzw. 30.3.2001 geschlossenen Arbeitsvertrag der Parteien handelt es sich weder um einen Vertrag zu Gunsten noch um einen Vertrag mit Schutzwirkung für die Kunden F, G.

aa) Ein Vertrag zu Gunsten Dritter gemäß § 328 BGB ist nicht anzunehmen. Dessen Reglungsgegenstand ist dadurch gekennzeichnet, dass nach dem Willen der Vertragschließenden ein unbeteiligter Dritter aus dem Vertrag unmittelbar ein eigenes, selbständiges Forderungsrecht erwirkt (§ 328 Abs. 1 BGB). Anhaltspunkte, die in diese Richtung weisen, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der im März 2001 geschlossene Anstellungsvertrag sieht keine Ansprüche der Kunden der Klägerin auf eine vereinbarte Leistung vor (vgl. BGH, 18.02.2014 – VI ZR 383/12 – Rn. 9, zitiert nach ).

bb) Ein eigener vertraglicher Schadensersatzanspruch der Kunden F, G lässt sich aus dem Arbeitsvertrag ebenfalls nicht herleiten.

(1) Ein Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter ist dadurch gekennzeichnet, dass der Anspruch auf die geschuldete Hauptleistung allein dem Vertragspartner zusteht, der Dritte jedoch in der Weise in die vertraglichen Sorgfalts- und Obhutspflichten einbezogen ist, dass er bei deren Verletzung vertragliche Schadensersatzansprüche geltend machen kann. Die Einbeziehung eines Dritten in die Schutzwirkung eines Vertrages setzt voraus, dass Sinn und Zweck des Vertrages und die erkennbaren Auswirkungen der vertragsgemäßen Leistung auf den Dritten seine Einbeziehung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben erfordern und eine Vertragspartei, für den Vertragspartner erkennbar, redlicherweise damit rechnen kann, dass die ihr geschuldete Obhut und Fürsorge in gleichem Maße auch dem Dritten entgegengebracht wird. Danach wird ein Dritter nur dann in die aus einem Vertrag folgenden Sorgfalts- und Schutzpflichten einbezogen, wenn er mit der Hauptleistung nach dem Inhalt des Vertrages bestimmungsgemäß in Berührung kommen soll, ein besonderes Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten besteht, den Interessen des Schuldners durch Erkennbarkeit und Zumutbarkeit der Haftungserweiterung Rechnung getragen wird und der Dritte schutzbedürftig ist (vgl. zum Vorstehenden BGH, 18.02.2014 – VI ZR 383/12 – Rn. 9, zitiert nach ). Diese Anforderungen sind im Streitfall nicht erfüllt, denn es fehlt jedenfalls an der erforderlichen Schutzbedürftigkeit.

(2) Damit die Haftung des Schuldners nicht unkalkulierbar ausgedehnt wird, sind an die Einbeziehung von Dritten in den vertraglichen Schutz strenge Anforderungen zu stellen. An der Ausdehnung des Vertragsschutzes muss nach Treu und Glauben ein Bedürfnis bestehen, weil der Dritte anderenfalls nicht ausreichend geschützt wäre. Eine Einbeziehung des Dritten ist deshalb regelmäßig zu verneinen, wenn ihm eigene vertragliche Ansprüche zustehen, die denselben oder zumindest einen gleichwertigen Inhalt haben wie diejenigen Ansprüche, die er auf dem Weg über die Einbeziehung in den Schutzbereich eines zwischen anderen geschlossenen Vertrages durchsetzen will (vgl. BGH, 18.02.2014 – VI ZR 383/12 – Rn. 11, zitiert nach ).

(3) Danach sind die Kunden F, G nicht schutzbedürftig. Denn ihnen steht gegen die Klägerin ein Schadensersatzanspruch aus dem Vertrag auf Vermögensanlageberatung und auf Vermögensverwaltung zu, durch den ihr Schadensersatzinteresse in vollem Umfang abgedeckt wird. Zudem haftet ihnen aus diesem Vertragsverhältnis die – im Verhältnis zum Beklagten – wesentlich zahlungskräftigere Schuldnerin.

b) Die Abtretungsvereinbarung (§ 398 BGB) zwischen der Klägerin und der O geht ebenfalls ins Leere, da der O (Schweiz) gegen den Beklagten keine vertraglichen Schadensersatzansprüche in der geltend gemachten Höhe zustehen.

aa) Maßgeblich für die Beurteilung ist das Schweizer Recht. Dies haben der Beklagte und die O (Schweiz) in Ziffer 20.2 des Arbeitsvertrages ausdrücklich vereinbart, was rechtlich nicht zu beanstanden ist. Die Arbeitgeberin ist ein Schweizer Unternehmen und die Arbeitsleistung, um die es in diesem Zusammenhang geht, wurde vollständig in der Schweiz erbracht.

bb) Die Anforderungen eines Schadensersatzanspruches sind nach dem Recht der Schweiz im Streitfall nicht erfüllt.

(1) Beim Arbeitsvertrag haftet grundsätzlich jede Partei der anderen für Schäden, welche sie durch Vertragsverletzungen verursacht. Dies ergibt sich aus der Bestimmung von Art 97 ff OR, soweit nicht im Arbeitsvertragsrecht selbst eine Einschränkung des Grundsatzes festgelegt ist. Ein vertraglicher Schadensersatzanspruch ist nur gegeben, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Pflichten verletzt und dadurch dem Arbeitgeber adäquat kausal einen Schaden zugefügt hat. Fehlt es einer dieser Voraussetzungen, kommt ein Schadensersatz von vornherein nicht in Betracht. Zusätzlich muss den Arbeitnehmer ein Verschulden treffen, das vermutet wird, wenn sich der Arbeitnehmer nicht zu exkulpieren vermag. Nach Artikel 321 e OR ist der Arbeitnehmer für den Schaden verantwortlich, den er absichtlich oder fahrlässig dem Arbeitgeber zufügt (Abs. 1). Das Maß der Sorgfalt, für die der Arbeitnehmer einzustehen hat, bestimmt sich nach dem einzelnen Arbeitsverhältnis, unter Berücksichtigung des Berufsrisikos, des Bildungsgrades oder der Fachkenntnisse, die zu der Arbeit verlangt werden, sowie der Fähigkeit und Eigenschaften des Arbeitnehmers, die der Arbeitgeber gekannt hat oder hätte kennen sollen (Abs. 2). Ein Mitverschulden des Arbeitgebers kann zur Reduktion zur Haftung des Arbeitnehmers führen (Art. 99 Abs. 3 und Art. 44 Abs. 1 OR). Ein derartiges Mitverschulden des Arbeitgebers kann in schlechter Organisation des Arbeitsablaufs, mangelhafter Instruktion oder ungenügender Kontrolle begründet sein (zum Vorstehenden: Schweizer Bundesgericht 01.06.2005 – 4 C 103/2005/bie – zitiert nach: Webseite des Bundesgerichts: www.bger.ch).

(2) Eine Schadensersatzforderung, die sich auf Schäden stützt, die den Kunden F, G aufgrund der Vorfälle am 30.11.2009 und 27.01.2010 entstanden sein sollen, scheidet aus. Im Recht der Schweiz ist eine Drittschadensliquidation bislang nicht anerkannt. Das Schweizer Bundesgericht hat die Frage offen gelassen und in der Literatur wird die Drittschadensliquidation im Wesentlichen nur für die indirekte Stellvertretung bejaht (vgl Bundesgericht 21. Oktober 2010 – 4 A. 422/2010 – zu 2.6. der Gründe, zitiert nach Webseite des Bundesgerichts: www.bger.ch).

(3) Ein eigener Schaden der O (Schweiz) ergibt sich aus dem Sachvortrag der Klägerin nicht.

(a) Der Schaden im Sinne dem Recht der Schweiz entspricht der ungewollten Verminderung des Reinvermögens. Er kann in einer Vermehrung der passiven, einer Verminderung der aktiven oder in entgangenem Gewinn bestehen und entspricht der Differenz zwischen dem gegenwärtigen Vermögensstand und dem Stand, dem das Vermögen ohne das schädigende Ereignis hätte. Der entgangene Gewinn entspricht der Differenz zwischen den Einkünften, die nach dem schädigenden Ereignis tatsächlich erzielt worden sind und denjenigen, die ohne dieses Ereignis zugeflossen wären (Schweizer Bundesgericht 01. September 2006 – 4 C. 221/2006/ruo – unter 1.3 der Gründe, zitiert nach: Webseite des Bundesgerichts: www.bger.ch). Der Eintritt des geltend gemachten Schadens darf nicht bloß im Bereich des Möglichen liegen, sondern muss als annähernd sicher erscheinen (vgl Schweizer Bundesgericht 23. August 2007 – 4 A 166/2007/len – zitiert nach Webseite des Bundesgerichts: www.bger.ch). Auch die Existenz einer Forderung belastet das Vermögen (Schweizer Bundesgericht 22.2.2012 – 4 A 443/2011 -zitiert nach Webseite des Bundesgerichts: www.bger.ch).

(b) Nach diesen Maßstäben ist auch nach dem Recht der Schweiz ein durch Zahlung auszugleichender Schaden nicht eingetreten, da es im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an einer Vermögensminderung fehlt. Die Klägerin behauptet selbst nicht, dass die O (Schweiz) ihrerseits an die Kunden F, G Schadensersatz geleistet hat. Ferner ist auch nicht ersichtlich, dass die Gesellschaft von den Kunden tatsächlich in Anspruch genommen wird. Auch in dieser Hinsicht fehlt jeglicher Sachvortrag. Inwieweit ein Befreiungsanspruch der O (Schweiz) gegeben ist, bedarf keiner Entscheidung, da er nicht abgetreten wurde.

C.

Die Anschlussberufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

I.

Im Streitfall hat die Klägerin eine Anschlussberufung eingelegt, obwohl sie dies in ihrer Berufungserwiderungsschrift nicht gemäß § 524 Abs. 3 i. V. m. § 519 Abs. 2 ZPO ausdrücklich erklärt hat. Ein Anschlussrechtsmittel braucht nicht als solches bezeichnet zu sein. Wenn der Berufungsbeklagte vorträgt, dass er seine Klage erweitert, und dieses Ziel nur im Wege der Anschlussberufung erreicht werden kann, ist dies als Anschlussberufung auszulegen, weil bei der Auslegung von Prozesserklärungen davon ausgegangen werden muss, dass die Partei das erreichen will, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und ihrer rechtverstandenen Interessenlage entspricht (vgl. BGH, 07.12.2007 – V ZR 210/06 – Rn. 16, zitiert nach ). Eine derartige Konstellation ist im Streitfall gegeben. Die Klägerin hat im Berufungsverfahren ihre Klage erweitert und begehrt neben der Zahlung zusätzlich die Feststellung, dass die Forderung auch aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung begründet ist. Hierbei handelt es sich um eine qualitative Antragsänderung zur Klage, die nur im Rahmen einer Anschlussberufung vorgenommen werden kann.

II.

Die Anschlussberufung ist zulässig, da sie innerhalb der Anschlussberufungsfrist gemäß § 524 Abs. 2 ZPO eingelegt und nach § 524 Abs. 3 in der Anschlussschrift begründet wurde. Mit ihr kann eine Abänderung des erstinstanzlichen Urteils auch dann erreicht werden, wenn keine Beschwer der Partei vorliegt.

III.

In der Sache ist die Anschlussberufung unbegründet, da die Feststellungsklage bereits unzulässig ist.

1.

Die Klageerweiterung genügt den Anforderungen des § 533 ZPO. Zwar hat der Beklagte nicht eingewilligt. Eine Klageänderung im Sinne des § 263 ZPO liegt aber nicht vor, da der Privilegierungstatbestand des § 264 Nr. 2 ZPO eingreift. Die Klägerin hat ihre Klage ohne Änderung des Klagegrundes erweitert, da lediglich derselbe Lebenssachverhalt, der der Zahlungsklage zugrunde liegt, rechtlich abweichend qualifiziert werden soll. Unabhängig davon ist die Erweiterung auch sachdienlich und kann auf Tatsachen gestützt werden, die der Verhandlung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen sind.

2.

Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse liegt indessen nicht vor. Auf die Vorbereitung eines Antrags nach § 850 f. Abs. 2 ZPO kann sich die Klägerin nicht berufen. Einen Zahlungstitel, aus dem sie die Zwangsvollstreckung wegen einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung betreiben kann, kann die Klägerin nicht vorweisen. Auch der Hinweis auf § 302 Nr. 1 InsO verfängt nicht, da der Beklagte einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw. auf Restschuldbefreiung bislang nicht gestellt hat.

D.

In Anbetracht des Vorbringens der Klägerin im Schriftsatz vom 20.1.2015 ist eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO nicht geboten. Ein zwingender Grund im Sinne des Absatzes 2 der zitierten Vorschrift liegt nicht vor. Aus dem Sachvortrag ergibt sich nicht, dass der Gesichtspunkt der Erfüllung der Forderung der Kunden aufgrund eines nicht prozessordnungsmäßigen Verhaltens der Berufungskammer nicht rechtzeitig in den Rechtsstreit eingeführt worden ist. Im Übrigen führt die nach § 156 Abs. 1 ZPO zu treffende Ermessensentscheidung ebenfalls nicht zum Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung. Aufgrund des nachträglichen, nicht nachgelassenen Schriftsatzes hat die Klägerin bereits keine unvollständige Tatsachenfeststellung aufgezeigt. Die Klägerin behauptet selbst nicht, dass sie die Zahlung – für die sie selbst allein verantwortlich ist – bereits vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung vorgenommen hat. Erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung entstandene Einwendungen geltend machen zu können, ist nicht Sinn und Zweck des § 156 Abs. 1 ZPO.

E.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin gemäß § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen, da sie in vollem Umfang unterlegen ist.

F.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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