LAG Hessen, 29.07.2015 – 6 Sa 1421/14

April 22, 2019

LAG Hessen, 29.07.2015 – 6 Sa 1421/14

kein Anspruch auf Witwenrente nach der vorliegenden Versorgungsordnung bei Auszahlung des Versorgungsguthabens an den Arbeitnehmer noch zu dessen Lebzeiten.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Frankfurt am Main vom 26. August 2014 – 18 Ca 9141/13 – abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin wird verurteilt, an die Beklagte 8.562,98 EUR (in Worten: Achttausendfünfhundertzweiundsechzig und 98/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 % – Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 01. April 2015 zu zahlen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung in Form einer Hinterbliebenenversorgung.

Die am xx. xx 1951 geborene Klägerin ist die Witwe des am 27. Juli 2013 verstorbenen A. Die Klägerin war bis zum Tod ihres Ehemannes dessen Betreuerin.

Der verstorbene Ehemann der Klägerin trat am 11. Mai 1981 bei der B AG ein. B teilte dem Kläger mit Schreiben vom 06. Juni 1991 (vgl. Anlage K12 zum Schriftsatz der Klägerin vom 22. Juli 2014 Bl. 89, 90 d. A.) mit, dass er am 11. Mai 1991 eine Dienstzeit von 10 Jahren erreicht habe und damit die Wartezeit für die Gewährung einer laufenden DB-Rente nach der Versorgungsordnung der B AG und der B Unterstützungskasse GmbH vom 16. Februar 1987 erworben habe. Aus einem von der Klägerin als Anlage K6 zum Schriftsatz vom 22. Juli 2014 überreichten Auszug dieser Versorgungsordnung ergibt sich folgendes:

Ҥ 13 DB-Witwenrente

(1) Nach dem Tod eines Mitarbeiters oder ehemaligen Mitarbeiters erhält die Witwe eine Rente, wenn der verstorbene einen Anspruch auf DB-Rente gehabt hätte oder bereits eine DB-Rente bezog…

§ 14 Berechnung der DB-Witwenrente

…(2) Die Witwenrente beträgt im Einzelnen:

b) für die Gesamtbezugsdauer 60 % der Ehegattenrente, wenn die Witwe zum Zeitpunkt des Todes ihres Mannes das 45. Lebensjahr vollendet hat.

Das Arbeitsverhältnis des verstorbenen Ehemanns der Klägerin ging in Folge auf die C GmbH, ein Unternehmen des D-Konzerns, über. Die C GmbH übernahm zum 01. Juli 1997 die Verpflichtungen aus der vom verstorbenen Ehemann der Klägerin bei der B AG erworbenen Anwartschaften auf Betriebsrente in Höhe von 413,00 DM (vgl. die Anlage K13 zum Schriftsatz der Klägerin vom 22. Juli 2014 Bl 90 d. A.). In der Folge richtete sich der Betriebsrentenanspruch des verstorbenen Ehemanns nach der D-Versorgungsordnung, was zwischen den Parteien unstreitig ist. Bei der D-Versorgungsordnung handelt es sich um eine Konzernbetriebsvereinbarung.

Das Arbeitsverhältnis des Klägers ging dann auf die Beklagte zum 01. Januar 2002 über. Die Beklagte firmierte zu diesem Zeitpunkt als C GmbH. Mit Konzernbetriebsvereinbarung vom 13. August 2002 (vgl. die Anlage B7 zur Klageerwiderung der Beklagten vom 13. August 2014 Bl. 131 – 148 d. A.) wurde die Überleitung des D-Versorgungswerks auf den Kapitalkontenplan (KBV Überleitung D-VO95) zwischen der E-Gruppe und dem Konzernbetriebsrat der E-Gruppe vereinbart. Gemäß Anlage 2 zu dieser Konzernbetriebsvereinbarung (Bl. 48) gehörte zur E-Gruppe die C GmbH. Die Anlage 1 zur Konzernbetriebsvereinbarung zur Überleitung der D-VO 95 (vgl. Anlage B8 zur Klageerwiderung der Beklagten vom 13. August 2014 Bl. 136 – 137 d. A.) beinhaltet die neue Versorgungsordnung. Diese beinhaltet auszugsweise folgende Regelungen:

A) Allgemeine Versorgungsbestimmungen

1) Bereitstellung, Beitrag

1.1 Der Arbeitgeber stellt an jedem 30. September (Bereitstellungsstichtag) in der Beitragszeit (Ziffer 7.1.) für jeden Arbeitnehmer, der in den Geltungsbereich nach § 1 Abs. 1 dieser Konzernbetriebsvereinbarung einbezogen ist, einen Betrag bereit in Höhe von

– 2,5 % der anzurechnenden Bezüge (Ziffer 1.2.) zzgl.

– 5,5 % des Teils der anzurechnenden Bezüge, der die für Beiträge im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigende Beitragsbemessungsgrundlage übersteigt.

2) Versorgungskonto, Versicherungssumme

2.1 Der Arbeitgeber richtet für den Arbeitnehmer mit Bereitstellung des ersten Beitrags ein persönliches Versorgungskonto ein. Das Versorgungskonto wird vom Arbeitgeber geführt. Der Arbeitnehmer erhält jährlich einen Kontoauszug über die Entwicklung und den aktuellen Stand seines Versorgungskontos.

2.2 Jeder Beitrag wird in eine Versicherungssumme umgerechnet und dem Versorgungskonto zum Zeitpunkt der Bereitstellung des Beitrages gutgeschrieben. Die Versicherungssumme ergibt sich durch Multiplikation des Beitrages mit dem für das Kalenderjahr der Bereitstellung des Beitrages maßgeblichen Altersfaktors und kaufmännische Rundung auf volle Euro.

3) Versorgungsguthaben, Versorgungsfall

3.1. Das Versorgungsguthaben ist der bei Erwerb des Anspruchs nach Ziffern 3.2.1. bis 3.2.3 (Versorgungsfall) erreichte Stand des Versorgungskontos.

3.2.1 Der Arbeitnehmer erwirbt im Erlebensfall Anspruch auf das Versorgungsguthaben.

– Als Altersleistung, wenn das Arbeitsverhältnis mit oder nach Vollendung des 65. Lebensjahres (feste Altersgrenze) endet oder

– Als vorzeitige Altersleistung, wenn das Arbeitsverhältnis vor Erreichen der festen Altersgrenze endet und von da an Rente wegen Alters in voller Höhe (Vollrente) aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch genommen wird oder

– als Invalidenleistung, wenn das Arbeitsverhältnis vor Erreichen der festen Altersgrenze endet und von da an volle Erwerbsminderung im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung besteht.

4) Einmalkapital, Raten, Verrentung

4.1.1 Der Arbeitgeber kann das Versorgungsguthaben als Einmalkapital oder in Raten auszahlen oder das Versorgungsguthaben ganz oder teilweise mit oder ohne Hinterbliebenenversorgung, verrenten.

4.1.2 Bei der Entscheidung nach Ziffer 4.1.1 wird der Arbeitgeber auch die Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigen. Die Verrentung des Versorgungsguthabens ist gegen den Widerspruch des Arbeitnehmers oder seiner Hinterbliebenen nur zulässig, wenn das Interesse des Arbeitgebers durch Ratenzahlung nicht ausreichend gewahrt ist.

4.4.1 Bei einer Verrentung wird die Rente, auf Antrag des Arbeitnehmers einschließlich einer Anwartschaft auf Todesfallsumme als Witwen- bzw. Witwerrente gemäß gesonderter Festlegung des Arbeitgebers, so festgesetzt, dass ihr Barwert im Zeitpunkt des Versorgungsfalls unter Berücksichtigung der Dynamisierung nach Ziffer 4.4.2. dem Versorgungsguthaben bzw. dem zu verrentenden Teil des Versorgungsguthabens entspricht. Bei der Berechnung sind der für die steuerliche Bewertung vorgeschriebene Rechnungszinsfuß, sowie die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik anzuwenden.

Protokollnotiz zu Ziffer 4.4.1. der Anlage 1 zur KBV Überleitung D-VO 95:

Die Todesfallsumme als Witwen- bzw. Witwerleistung beträgt 60 % des Restbarwerts der an den verstorbenen Arbeitnehmer als Versorgungsempfänger gezahlten Rente…

Für die Auszahlung der Witwen- bzw. Witwerleistung gelten die Bestimmungen über die Auszahlung des Versorgungsguthabens entsprechend, wobei eine weitere Verrentung ausgeschlossen ist.

B) Zusätzliche Übergangsbestimmungen

Zur Überleitung der für den Arbeitnehmer bestehenden Anwartschaften nach der D-VO 95 auf dem Kapitalkontenplan wird dem Versorgungskonto des Arbeitnehmers einmalig zum 30. September 2002 eine Auffüll- Initialgutschrift (Ziffer 9) gutgeschrieben.

Mit Schreiben im Jahre 2002 wurde der verstorbene Ehemann der Klägerin über die Änderung hinsichtlich seiner Altersversorgung informiert (vgl. Anlage B1 zur Klageerwiderung der Beklagten vom 13. August 2014 Bl. 111, 112, 122 u. 123 d. A.). Beigefügt war diesem Informationsschreiben eine Übersicht über die Anwartschaften des verstorbenen Ehemanns nach der D-Versorgungsordnung (Stand 31. Dezember 2001) sowie Informationen über die Berechnung der Initialgutschrift und des Mindestkapitals für den Kapitalkontenplan (Bl. 123 d. A.).

Dem verstorbenen Ehemann der Klägerin wurde mit Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Hessen vom 01. Juni 2010 mit Wirkung ab dem 01. Februar 2010 unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt (vgl. die Anlage 1 zur Berufungsbegründungsschrift vom 10. Dezember 2014 Bl. 214, 215 d. A.). Gemäß tarifvertraglicher Regelung (§ 25 Abs. 10 Manteltarifvertrag TSI) endete damit das Arbeitsverhältnis. Demgemäß trat der Versorgungsfall “Invalidenleistung” gemäß der Anlage 1 zu der Konzernbetriebsvereinbarung zur Überleitung des debis-Versorgungswerkes auf den Kapitalkontenplan (Ziffer 3.2.1.) ein. Mit Schreiben vom 18. Juni 2010 (vgl. Anlage K4 zum Schriftsatz der Klägerin vom 22. Juli 2014 Bl. 80 d. A.) wurde der verstorbene Ehemann der Klägerin informiert, dass das Versorgungsguthaben, das als Einmalzahlung am 16. Januar 2011 fällig werde und sich bis zu der Fälligkeit auf 68.579,10 € erhöhe als Einmalkapital ausgezahlt werde. Mit weiterem Schreiben vom 05. und 14. Juli 2014 (Bl. 9, 10, 78 u. 79 d. A.) informierte die Beklagte den verstorbenen Ehemann der Klägerin dahingehend, dass das Versorgungsguthaben verrentet werde und unter Ausschluss einer Anwartschaft auf Hinterbliebenenleistung die Monatsrente bei Rentenbeginn 01. Juli 2010 349, 46 € bzw. unter Einfluss einer Todesfallsumme in Höhe von 60 % des Restbarwerts der Rente (Todesfallsumme zurzeit 39.839,00 €), die Rente ab dem 01. Juli 2010 359,88 € betrage. Mit Schreiben, gerichtet an eine anwaltliche Vertreterin des verstorbenen Ehemanns der Klägerin, vom 24. August 2010 (vgl. Anlage K10 zum Schriftsatz der Klägerin vom 22. Juli 2014 Bl. 86, 87 d. A.) wurde dem verstorbenen Ehemann der Klägerin unter anderem mitgeteilt:

“Wir möchten Herrn A bitten, sich für eine der zugesandten Auszahlungsvarianten zu entscheiden. Den entsprechenden Auszahlungsplan möchte er bitte ausgefüllt und unterschrieben an die bekannte Adresse senden. Dann erfolgt mit dem nächsten Zahllauf (bei Entscheidung für monatliche Rente) die Zahlungsaufnahme.”

Unter dem Datum des 19. Mai 2011 unterschrieb die Klägerin einen Auszahlungsplan über die Auszahlung des Versorgungsguthabens per 30. Juni 2010, fällig am 16. Januar 2011 als Einmalkapital in Höhe von 68.579,10 €. Hier heißt es unter anderem:

“Ich bitte um Auszahlung auf folgendes Bankkonto…”

Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Schriftstücks wird auf die Anlage B5 zur Klageerwiderung vom 13. August 2014 (Bl. 120 d. A.) verwiesen. Der Betrag wurde dem in diesem Schriftstück genannten Konto gutgeschrieben.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Zahlung einer monatlichen Hinterbliebenenrente in Höhe von 450,00 €. Sie hat behauptet, ihr verstorbener Ehemann hätte einen Anspruch auf eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 750,00 € brutto gehabt.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie eine Rente in Höhe von 450,00 € brutto seit dem 27. Juli 2013 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 450,00 € seit dem 27.07.2013 zu zahlen,

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen,

an sie Zug-um-Zug unter Verrechnung gegen den Betrag von 68.579,10 € eine Rente in Höhe von 450,00 € brutto seit dem 27. Juli 2013 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 450,00 € seit dem 27. Juli 2013 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise widerklagend die Klägerin zu verurteilen,

an sie 68.579,10 € zzgl. einer finanzmathematischen Verzinsung ab dem 16. Juni 2011 zu zahlen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens und der Erwägungen des Arbeitsgerichtes wird auf die angegriffene Entscheidung Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte innerhalb der zu Protokoll der Berufungsverhandlung vom 29. Juli 2015 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.

Die Beklagte vertritt die Ansicht, dass mit Auszahlung des Versorgungsguthabens Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung in vollem Umfang und abschließend erfüllt sind. Entscheide sich der Versorgungsberechtigte, wie im Streitfall, für die Leistung des Versorgungsguthabens in Gestalt einer einmaligen Kapitalauszahlung, seien damit alle in Betracht kommenden Ansprüche erfüllt. Der verstorbene Ehemann der Klägerin habe sein Versorgungsguthaben in vollem Umfang als Einmalleistung in Anspruch genommen. Für weitere Leistungen gebe es daher weder rechtlich, noch tatsächlich eine Grundlage. Nachdem die Klägerin im Wege der Zwangsvollstreckung eine Vollstreckungssumme von 8.562,98 € einschließlich Zinsen und Kosten erhalten hat, beantragte die Beklagte zuletzt:

Das Urteil des Arbeitsgerichtes Frankfurt am Main vom 26. August 2014 – 18 Ca 9141/13 – abzuändern und die Klage abzuweisen,

hilfsweise, der Widerklage der Beklagten nach deren Schlussanträgen erster Instanz stattzugeben und die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 8.562,98 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01. April 2015 zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, dass mit Auszahlung des Versorgungsguthabens Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung nicht in vollem Umfang und abschließend erfüllt seien. Sie meint im Weiteren, ihrem verstorbenen Ehemann seien auch nicht irgendwelche Leistungsalternativen im Hinblick auf Einmalkapitalauszahlung bzw. einem rentierlichen Anspruch vorgestellt worden, vielmehr sei die Auszahlung und Kapitalisierung des Anspruchs einfach vorgenommen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Frankfurt am Main vom 26. August 2014 – 18 Ca 9141/13 – ist statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 u. 2 lit b ArbGG), außerdem form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG, § 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 517, 519, 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.

Auch in der Sache ist die Berufung begründet. Anspruchsgrundlage für die betriebliche Altersversorgung des verstorbenen Ehemanns der Klägerin und als Hinterbliebenenversorgung für die Klägerin ist die Anlage 1 der Konzernbetriebsvereinbarung zur Überleitung des D-Versorgungswerkes auf den Kapitalkontenplan vom 13. August 2002. Regeln mehrere zeitlich aufeinanderfolgende Betriebsvereinbarungen denselben Gegenstand, löst eine neue Betriebsvereinbarung eine ältere grundsätzlich auch dann ab, wenn die Neuregelung für den Arbeitnehmer ungünstiger ist (ständige Rechtsprechung vgl. u. a. BAG Urteil vom 29. Oktober 2002 – 1 AZR 573/01 unter II 2 a der Gründe mit weiteren Nachweisen). Da es sich auch bei der D-Versorgungsordnung um eine Konzernbetriebsvereinbarung gehandelt hat, gilt vorliegend das Ablösungsprinzip. Dieses ermöglicht allerdings nicht jede Änderung, soweit in bestehende Besitzstände eingegriffen wird, sind die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl. BAG-Urteil vom 10. Februar 2009 – 3 AZR 653/07 – Rd.-Nr.: 18). Deshalb unterliegen Betriebsvereinbarungen, die Versorgungsansprüche aus einer früheren Betriebsvereinbarung einschränken, einer Rechtskontrolle (vgl. BAG-Urteil vom 15. Mai 2012 – 3 AZR 11/10 – Rd.-Nr.: 24). Die bei Einschnitten in Versorgungsrechte zu beachtenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit hat das Bundesarbeitsgericht in einem drei-stufiges Prüfungsschema präzisiert (ständige Rechtsprechung seit dem Urteil vom 17. April 1985 – 3 AZR 72/83 – unter B II 3 c der Gründe).

Den abgestuften Besitzständen der Arbeitnehmer sind entsprechend abgestufte und unterschiedlich gewichtige Eingriffsgründe des Arbeitgebers gegenüberzustellen. Der unter der Geltung der bisherigen Ordnung und in dem Vertrauen auf deren Inhalt bereits erdiente und entsprechend § 2 Abs 1, Abs. 5 S. 1 BetrAVG ermittelte Teilbetrag kann hiernach nur in seltenen Ausnahmefällen entzogen werden. Das setzt zwingende Gründe voraus. Zuwächse, die sich – wie etwa bei endgehaltsbezogenen Zusagen – dienstzeitunabhängig aus variablen Berechnungsfaktoren ergeben (erdiente Dynamik) können nur aus triftigen Gründen geschmälert werden. Für Eingriffe in dienstzeitabhängige, also noch nicht erdiente Zuwachsraten, genügen sachlich proportionale Gründe.

Im Streitfall ist davon auszugehen, dass gemäß den Regelungen in der Versorgungsordnung über eine Auffüllinitialgutschrift (Ziffer 9 der Versorgungsordnung), der Mindestinitialgutschrift (Ziffer 10 der Versorgungsordnung) und des Mindestkapitals (Ziffer 11 der Versorgungsordnung) kein Eingriff in die erdiente Anwartschaft des verstorbenen Ehemanns der Klägerin erfolgt ist. Auch die Umstellung auf eine Kapitalleistung ist im Streitfall nicht zu beanstanden, da die Beklagte dem verstorbenen Ehemann der Klägerin ein Wahlrecht zwischen monatlichem Rentenbezug und Einmalzahlung eingeräumt hat. Die Klägerin hat sich als Betreuerin ihres Ehemannes – entgegen ihrer Annahme – für die Einmalzahlung entschieden. Dies belegt der von ihr unterschriebene Auszahlungsplan (Anlage B5 zur Klageerwiderung der Beklagten vom 13. August 2014). Darüber hinaus hätte die Klägerin auch bei einer Verrentung keinen Anspruch auf eine monatliche Rente gehabt. Die nach Ansicht des Berufungsgerichtes hier maßgebliche Versorgungsordnung gemäß Anlage 1 zur Konzernbetriebsvereinbarung vom 13. August 2002 schließt ausdrücklich eine Verrentung aus (vgl. die Protokollnotiz zu Ziffer 4.4.1.). Darüber hinaus ist auch die Höhe des Rentenanspruches durch die Klägerin nicht dargelegt. Aus den Mitteilungen der Beklagten ergibt sich eine Ausgangsrente des verstorbenen Ehemanns von 349,96 € bzw. 359,88 €.

Der Anspruch der Beklagten auf Erstattung der Vollstreckungssumme ergibt sich aus § 717 Abs. 2 ZPO.

Die Klägerin hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Eine gesetzlich begründete Veranlassung zur Zulassung der Revision besteht nicht.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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