LAG Hessen, 29.10.2014 – 14 Sa 1328/13 Hat eine Partei der Nebenintervention zulässig widersprochen, ist über die Zulassung der Nebenintervention aufgrund mündlicher Verhandlung durch die Kammer zu entscheiden.

April 30, 2019

LAG Hessen, 29.10.2014 – 14 Sa 1328/13
Hat eine Partei der Nebenintervention zulässig widersprochen, ist über die Zulassung der Nebenintervention aufgrund mündlicher Verhandlung durch die Kammer zu entscheiden.

Erscheint der Nebenintervenient zu diesem Termin trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht, ist aufgrund des Vortrags der Gegenpartei und der Beitrittsschrift des Nebenintervenienten zu entscheiden.

Dass der Nebenintervenient sich aus den im Verfahren zu entscheidenden Rechtsfragen und des dort verhandelten Sachverhalts Entscheidungshilfe hinsichtlich seines Abstimmungsverhaltens als Aktionär der Beklagten erhofft, stellt kein Interesse im Sinne des § 66 ZPO dar.
Tenor:

Die Nebenintervention wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Nebenintervention trägt der Nebenintervenient.
Tatbestand:
1

Die Parteien streiten um den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses nach Ausspruch einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung der Beklagten sowie um Annahmeverzugslohn, Weiterbeschäftigung und Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Arbeitgeberantrag hin.
2

Mit Schriftsatz vom 17. März 2014 hat der Nebenintervenient erklärt, dem Rechtsstreit auf Seiten des Klägers beizutreten.
3

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 16. Mai 2014 die Nebenintervention als unzulässig gerügt. Sie ist der Auffassung, dass ein rechtliches Interesse des Nebenintervenienten iSd. § 66 Abs. 1 ZPO nicht besteht. Das Interesse des Nebenintervenienten müsse sich auf den Streitgegenstand beziehen, das Interesse an der Beantwortung bestimmter rechtlicher oder tatsächlicher Vorfragen genüge nicht. Erforderlich sei, dass der Streithelfer das gleiche Rechtschutzziel verfolge, wie die Partei, der er beitreten wolle. Der Nebenintervenient habe hier aber kein rechtliches Interesse daran, dass der Kläger im Kündigungsschutzprozess obsiege. Zudem sei die Nebenintervention unzulässig, weil ein Interventionsgrund nicht glaubhaft gemacht sei.
4

Die Beklagte rügt die Nebenintervention und beantragt,

diese zurückzuweisen.

5

Der Kläger hat sich zu diesem Streitpunkt nicht geäußert und

stellt zur Nebenintervention keinen Antrag.

6

Der Nebenintervenient ist zum Termin zur Verhandlung über die Nebenintervention trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen.
7

Er ist der Auffassung, seine Nebenintervention auf Seiten des Klägers sei zulässig, weil aus seiner Aktionärsstellung bei der Beklagten ein rechtliches Interesse iSd. § 66 Abs. 1 ZPO resultiere. Dieses ergebe sich daraus, dass der Kläger, folge man der Argumentation des Arbeitsgerichts, nur dann obsiegen könne, wenn der Beklagten im Zusammenhang mit der ihm vorgeworfenen Manipulation von Referenzzinssätzen ein Organisationsverschulden angelastet werden könne, das dazu geführt habe, dass diese Strafzahlungen in Höhe von 725 Millionen Euro akzeptiert habe. Nur bei Kenntnis möglicher Versäumnisse und deren Auswirkungen auf die Werthaltigkeit der Aktie der Beklagten könne er beurteilen, ob etwa bei der Abstimmung über die Entlastung des Vorstands auf der nächsten Hauptversammlung Vorbehalte zu machen seien oder nicht. § 66 ZPO sei extensiv dahingehend auszulegen, dass der Begriff des „rechtlichen Interesses“ als „berechtigtes Interesse“ auszulegen sei. Dieses liege vor, weil die Auskunftsrechte des Aktienrechts nicht ausreichten, um zu überprüfen, ob die Leitungsorgane der Beklagten ihren Pflichten aus dem Aktiengesetz nachkämen. Nur wenn er umfassend informiert sei, könne er als Aktionär der Beklagten wirksame und überlegte Entscheidungen treffen und den Klägern hinsichtlich der Frage eines Organisationsverschuldens beistehen. Persönlichkeitsbezogene Interessen der Parteien stünden seinem Beitritt nicht entgegen.
Entscheidungsgründe
8

I.

Die Rüge der Zulassung der Nebenintervention durch die Beklagte ist begründet.
9

1.

Hierüber ist durch Zwischenurteil aufgrund mündlicher Verhandlung durch die Kammer zu entscheiden, nachdem die Beklagte der Nebenintervention zulässig widersprochen hat, § 71 Abs. 1 ZPO. Dabei hat trotz des Nichterscheinens des Nebenintervenienten im Termin bei ordnungsgemäßer Ladung kein Versäumnisurteil zu ergehen: Erscheint im Termin zur mündlichen Verhandlung über die Nebenintervention der Nebenintervenient nicht, dann ist über den Antrag, die Nebenintervention zurückzuweisen, aufgrund des Vortrags der Gegenpartei und der Beitrittsschrift des Nebenintervenienten zu entscheiden (BAG 05.07.1967 – 4 AZR 338/66 –, BAGE 19, 366).
10

2.

Der Nebenintervenient hat kein rechtliches Interesse gem.§ 66 ZPO an der Beteiligung an dem vorliegenden Verfahren vorgetragen. Der Begriff des rechtlichen Interesses – im Gegensatz zu einem bloß wirtschaftlichen oder sonstigen tatsächlichen Interesse – verlangt, dass der Nebenintervenient zu der unterstützten Partei oder dem Gegenstand des Rechtsstreits in einem Rechtsverhältnis steht, auf das die Entscheidung des Rechtsstreits durch ihren Inhalt oder ihre Vollstreckung unmittelbar oder auch nur mittelbar rechtlich einwirkt (BGH 10.02.2011 – I ZB 63/09 –, juris; BGH 24.04.2006 – II ZB 16/05– ZIP 2006/1218).
a) Eine auch nur mittelbare rechtliche Einwirkung der Entscheidung des Rechtsstreits auf ein Rechtsverhältnis des Nebenintervenienten zum Kläger oder zum Gegenstand des Rechtstreits ist nicht ersichtlich. Zwischen dem Kläger und dem Nebenintervenienten besteht keinerlei rechtliches Verhältnis. Zum Gegenstand des Rechtsstreits – der Frage des Bestandes des Arbeitsverhältnisses des Klägers, einer möglichen Verurteilung der Beklagten zu Annahmeverzugslohn und/oder zu Abfindungszahlungen – steht der Nebenintervenient ebenfalls in keinem rechtlichen Verhältnis, insoweit können allein wirtschaftliche Interessen des Nebenintervenienten als Aktionär der Beklagten berührt sein. Wirtschaftliche Interessen am Ausgang des Verfahrens genügen jedoch nicht (BGHZ 166, 18).
b) Soweit der Nebenintervenient hier geltend macht, durch einen Beitritt im vorliegenden Verfahren Informationen zu erhalten, die für ihn eine Entscheidungshilfe hinsichtlich solcher Entscheidungen bilden können, die er in seiner Stellung als Aktionär der Beklagten zu treffen hat, ergibt sich nichts Abweichendes. Das Interesse, als Aktionär der Beklagten in einem ihn nicht betreffenden Rechtsstreit Informationen zu erhalten, auf die er nach den aktienrechtlichen Vorschriften keinen Anspruch hat oder betreffend derer es ihm nicht gelingt, seinen Anspruch durchzusetzen, vermag kein rechtliches Interesse iSd. § 66 ZPO an dem Beitritt zu dem hiesigen Rechtsstreit zu begründen.
c) Gleiches gilt, soweit der Nebenintervenient ein Interesse daran geltend macht, ob bzw. dass in einer Entscheidung des vorliegenden Rechtstreits ein Organisationsverschulden der Beklagten im Hinblick auf die Kündigungsvorwürfe festgestellt wird. Insoweit liegt lediglich ein tatsächliches Interesse an der Entscheidung einer Rechts- oder Tatfrage in einem bestimmten Sinn vor, das ebenfalls kein rechtliches Interesse i.S.d. § 66 ZPO begründet. Selbst die Möglichkeit, dass ein Urteil in einem ersten Prozess für nachfolgende Prozesse eine faktische Präzedenzwirkung entfaltet und zu erwarten ist, dass sich die Gerichte in den nachfolgenden Verfahren an der im ersten Prozess ergangenen Entscheidung orientieren werden, vermag nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein rechtliches Interesse im Sinne von § 66 Abs. 1 ZPO nicht zu begründen (BGH, 10.02.2011 – I ZB 63/09 –, juris). Der Nebenintervenient hat jedoch nicht einmal behauptet, selbst gegen die Beklagte einen Rechtstreit führen zu wollen, in dem im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Umstände streitentscheidend sind.
11

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. § 101 ZPO regelt nicht die Kosten eines Zwischenstreits über die Zulassung einer Nebenintervention. Geht der Zwischenstreit über die Zulassung zuungunsten des Nebenintervenienten aus, so hat dieser die Kosten des Zwischenstreits in entsprechender Anwendung des § 91 ZPO zu tragen (OLG Frankfurt 11.03.2008 – 5 U 29/06 –, juris; BAG 05.07. 1967 – 4 AZR 338/66 –, BAGE 19, 366).
12

III.

Das Zwischenurteil, das das Rechtsmittelgericht im Zwischenstreit über die Nebenintervention erlässt, ist nicht anfechtbar (BGH 05.12. 2012 – I ZB 7/12 – juris). Weder die sofortige Beschwerde noch Revision oder Rechtsbeschwerde sind statthaft. Zwar findet gegen das Zwischenurteil, mit dem über den Antrag auf Zurückweisung einer Nebenintervention entschieden wird, gemäß § 71 Abs. 2 ZPO die sofortige Beschwerde statt. Die sofortige Beschwerde ist aber nach § 78 ArbGG i.V.m. § 567 Abs. 1 ZPO nur gegen im ersten Rechtszug ergangene Entscheidungen statthaft. Die Revision findet gem. § 72 ArbGG nur gegen Endurteile statt. Die Rechtsbeschwerde kann gem. § 78 ArbGG iVm. § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nur in Beschlüssen zugelassen werden – vorliegend handelt es sich jedoch um ein Zwischenurteil.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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