LAG Hessen, 30.12.2014 – 1 Ta 589/14 Bei der Ermittlung des erzielten Monatseinkommens muss regelmäßig anfallende Überstundenvergütung mit berücksichtigt werden.

April 30, 2019

LAG Hessen, 30.12.2014 – 1 Ta 589/14
Bei der Ermittlung des erzielten Monatseinkommens muss regelmäßig anfallende Überstundenvergütung mit berücksichtigt werden.
Tenor:

Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 21. Juli 2014 – 10 Ca 2962/14 – aufgehoben.

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit gemäß § 33 RVG wird

für das Verfahren auf € 10.162,32

für den Vergleich auf € 12.056,99

festgesetzt.
Gründe
1

I.

Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten gegen den Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts vom 21. Juli 2014, der das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 8. August 2014 (Bl. 57 d.A.) nicht abgeholfen hat, hat Erfolg.
2

Mit seiner Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigung der Beklagten vom 1. April 2014 gewandt, verbunden mit einem bedingten Weiterbeschäftigungsantrag und einem bedingt gestellten Antrag auf Zahlung von € 2.583,64 Urlaubsabgeltung. Klageerweiternd hat der Kläger einen Auflösungsantrag gestellt sowie die Zahlung von € 1.894,67 als Lohn für den Monat April 2014 verlangt. Im Jahr 2013 hatte der Kläger insgesamt € 22.736,00 Vergütung bezogen.
3

Im Termin vom 26. Juni 2014 haben die Parteien einen Vergleich geschlossen, dessen Inhalt sich aus Bl. 42 d.A. ergibt. Auf Antrag setzte das Arbeitsgericht – nach vorheriger Anhörung der Beklagtenvertreter und der Beklagten – den Gegenstandswert für das Verfahren auf € 9.230,31 und für den Vergleich auf € 10.8144,31 durch Beschluss vom 21. Juli 2014 fest (Bl. 51 d.A.). Dabei ist das Arbeitsgericht von einem monatlichen Gehalt des Klägers von € 1.584,00 bei seiner Berechnung ausgegangen. Gegen diesen, ihnen am 1. August 2014 zugestellten Beschluss haben die Beklagtenvertreter mit einem am 7. August 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz (Bl. 55 f. d.A.) Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 8. August 2014 (Bl. 57 d.A.) nicht abgeholfen hat. Wegen der Beschwerdebegründung wird auf die Ausführungen in der Beschwerdeschrift verwiesen.
4

II.

Die Beschwerde hat Erfolg. Sie richtet sich allein gegen den Ansatz des Arbeitsgerichts, dass monatliche Bruttogehalt des Klägers nur mit dem Betrag von € 1.584,00 in Ansatz zu bringen. Hierbei ist das Arbeitsgericht von der tariflichen Arbeitszeit des Klägers in seiner Berechnung ausgegangen, obwohl der Kläger unstreitig offensichtlich regelmäßig Mehrarbeit geleistet hat und so im Kalenderjahr 2013 ein Jahresbruttogehalt von mehr als € 22.736,00 und auch im Monat Januar 2014 ein Gehalt von € 1.791,58 brutto erzielt hat.
5

Die der Berechnung gemäß § 42 Abs. 2 S. 1 GKG zu Grunde zu legenden Vergütung umfasst alle Einkommensbestandteile (vgl. Hess. Landesarbeitsgericht vom 5. Juni 2013 – 1 Ta 121/13 n.v.). Deshalb gehört zum Arbeitsentgelt im Sinne der vorgenannten Vorschrift auch eine von der Erreichung bestimmter Ziele abhängige variable Monats-, Quartals- oder Jahresvergütung sowie monatliche, vierteljährliche oder jährliche Bonuszahlungen mit fortgeschriebenen Zielvorgaben und variierenden Höhen (vgl. Tschöpe/Ziemann/Altenburg, Streitwerte und Kosten im Arbeitsrecht, Rn A 306 m.w.H.). Ebenso müssen bei der Ermittlung des Arbeitseinkommens neben dem Grundgehalt auch andere Einkommensbestandteile mit berücksichtigt werden. Für die Berechnung des Gegenstandswerts nach § 42 Abs. 2 GKG ist maßgeblich das Arbeitsentgelt, welches der Arbeitnehmer im Bezugszeitraum bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses beanspruchen könnte. Zum Arbeitsentgelt in diesem Sinne gehören daher alle Beträge, die der Arbeitgeber im Falle des Annahmeverzugs schulden würde.
6

Das im Annahmeverzug fortzuzahlende Entgelt ist nach dem Lohnausfallprinzip zu bemessen. Zu zahlen ist die Vergütung, die der Beschäftigte bei Weiterarbeit erzielt hätte. Mangelt es bei schwankender Vergütung an Vereinbarungen oder anderen festen Anhaltspunkten für die Frage des mutmaßlich erzielten Entgeltes, ist dieses gemäß § 287 Abs. 2 ZPO zu schätzen. Dabei kann die vom Arbeitnehmer bis zum Eintritt des Annahmeverzugs erzielte Vergütung einen Anhaltspunkt liefern (vgl. BAG vom 18. September 2001 – 9 AZR 307/00, AP Nr. 37 zu § 611 BGB Mehrarbeitsvergütung m.w.H.). Hätte der Arbeitnehmer bei Weiterarbeit auch Überstunden geleistet, so zählt auch die Überstundenvergütung zur fortzuzahlenden vertraglichen Vergütung (vgl. BAG vom 18. September 2001 a.a.O.).
7

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist als Monatseinkommen nicht nur das Gehalt in Ansatz zu bringen, dass sich unter Berücksichtigung der tariflichen monatlichen Arbeitszeit errechnet, sondern ein Betrag von € 1,894,67. Ausweislich der vorgelegten Lohnabrechnungen hat der Kläger in der Vergangenheit regelmäßig Mehrarbeit geleistet, so dass diese auch bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis zu erwarten gewesen wäre. Mangels vorliegender Anhaltspunkte dafür, dass die in der Vergangenheit schwankend angefallen Arbeitszeit sich geändert hätte, ist auf den Durchschnittsverdienst abzustellen, den der Kläger bei der Beklagten in dem letzten Jahr vor Ausspruch der Kündigung erzielt hat, da in den letzten Monaten vor Ausspruch der Kündigung der Entgeltfortzahlungszeitraum bereits abgelaufen war.
8

Entsprechend errechnet sich der Verfahrenswert von € 10.162,32 und der Vergleichswert von € 12.056,99. Weil im Verfahren nach § 33 RVG das Verschlechterungsverbot (Verbot der „reformatio in peius“) gilt (vgl. Hess. LAG vom 21. Januar 1999 – 15/6 Ta 630/98, NZA-RR 1999, 156; Tschöpe/Ziemann/Altenburg a.a.O. Rn A 688) und eine Wertminderung damit ausscheidet, hat es im Übrigen bei dem vom Arbeitsgericht festgesetzten Gegenstandswerten zu verbleiben.
9

Eine weitergehende Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da Kosten nicht erstattet werden (§ 33 Abs. 9 Satz 2 RVG).
10

Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht möglich.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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