LAG Köln, Beschluss vom 29.06.2017 – 4 Ta 125/17

März 30, 2021

LAG Köln, Beschluss vom 29.06.2017 – 4 Ta 125/17

Da die Geschäftsfähigkeit einer natürlichen Person den gesetzlichen Regelfall bildet und Mängel der Geschäftsfähigkeit demgegenüber eine besondere Ausnahme darstellen, hat derjenige, der such auf das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Ausnahme berufen will, die hierfür maßgeblichen Tatsachen dazulegen und zu beweisen (Anschluss an BGH, Urteil vom 20. Juni 1984 – IVa ZR 206/82 -, Rn. 16, juris; BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 28. November 2007 – 1 BvR 68/07 -, Rn. 18, juris).

Substantiiert dargelegt ist ein Ausschluss der freien Willensbestimmung nach allgemeinen Grundsätzen, wenn das Gericht auf der Grundlage des Klägervorbringens zu dem Ergebnis kommen muss, die Voraussetzungen des § 104 Nr. 2 BGB lägen vor (Anschluss an BGH, Beschluss vom 14. März 2017 – VI ZR 225/16 -, Rn. 13, juris).

Die Beweislast für das Vorliegen von Arglist trägt der Anfechtende; dass es sich hierbei um eine innere Tatsache handelt, steht dem nicht entgegen (Anschluss an BAG, Urteil vom 11. Juli 2012 – 2 AZR 42/11 -, Rn. 22, juris).

Denn die Voraussetzungen des § 121 Abs. 1 Satz 2 BGB sind nur erfüllt, wenn die Anfechtungserklärung zum Zweck und mit der Bestimmung des unverzüglichen Transports an den Anfechtungsgegner weggegeben wird, nicht dagegen, wenn die Anfechtung in einer Klageschrift erklärt wird, die erst durch das Gericht dem Anfechtungsgegner zugestellt werden muss (Anschluss an BVerwG, Urteil vom 10. März 2010 – 6 C 15/09 -, Rn. 23, juris).

Eine analoge Anwendung des § 167 ZPO, der die Wirkungen der Zustellung auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klage zurückbezieht, kommt für die Anfechtungsfrist des § 121 Abs. 1 BGB nicht in Betracht (Anschluss an BGH, Urteil vom 11. Oktober 1974 – V ZR 25/73 -, Rn. 15, juris, insoweit nicht aufgegeben durch BGH, Urteil vom 17. Juli 2008 – I ZR 109/05 -, juris, siehe dort Rn. 26 aE).
Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 27. März 2017 – 5 Ca 8812/16 – wird zurückgewiesen.
Gründe

I.

Die Parteien streiten in der Hauptsache über die Wirksamkeit eines zwischen ihnen abgeschlossenen und später vom Kläger angefochtenen Aufhebungsvertrags und daraus resultierend über den Lohnanspruch des Klägers für den Monat Dezember 2016 sowie über einen von den Beklagten vorgenommenen Lohnabzug für den Monat Oktober 2016.

Der Kläger war auf der Grundlage eines für die Zeit vom 01.10. bis zum 31.12.2016 befristeten Arbeitsvertrags als „Aushilfe in der Postversandstraße“ bei den Beklagten eingestellt worden. In diesem Vertrag wurde zudem eine Kündigungsfrist von einem Tag vereinbart.

Am 25.10.2016 wurde der Kläger zunächst voraussichtlich bis zum 30.11.2016 krankgeschrieben. Am 18.11.2016 meldete sich Herr B , Mitarbeiter der Personalabteilung der Beklagten, telefonisch beim Kläger. Im Rahmen dieses Gespräches bat Herr B den Kläger, in den Betrieb zu kommen. Dieser Bitte kam der Kläger nach. Als Ergebnis des im Betrieb erfolgten Gespräches unterzeichnete der Kläger einen Aufhebungsvertrag vom 18.11.2016 (Anlage K 2, Bl. 8 f. GA). Dieser lautet auszugsweise wie folgt:

„§ 1 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis aus gesundheitlichen Gründen mit Ablauf des 30.11.2016 auf Veranlassung des Arbeitgebers einvernehmlich enden wird.

[…]

§ 5 sozialversicherungsrechtliche Hinweise

Der Arbeitnehmer wird darauf hingewiesen, dass der Abschluss des Aufhebungsvertrags sozialversicherungsrechtliche Folgen haben kann, insbesondere beim Bezug von Arbeitslosengeld (Sperrzeit/Ruhen des Anspruchs). Abschließende rechtsverbindliche Auskünfte sind den jeweiligen Sozialversicherungsträgern vorbehalten (Bundesagentur für Arbeit u. a.).

[…]”.

Am 07.12.2016 suchte der Kläger seinen nunmehrigen Prozessbevollmächtigten zu einer Erstberatung auf. Dieser verfasste am 08.12.2016 die später eingereichte Klageschrift.

Mit seiner am 12.12.2016 bei dem Arbeitsgericht Köln eingegangenen Klage, die den Beklagten am 30.12.2016 zugestellt worden ist, erklärte der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten die Anfechtung seiner „Zustimmung zum Aufhebungsvertrag jedenfalls wegen Irrtums, wenn nicht sogar auf Grund arglistiger Täuschung“.

Mit Schreiben vom 13.12.2016 (Anlage K6, Bl. 47 GA) erklärte das Jobcenter K gegenüber dem Kläger unter anderem Folgendes:

„Nach meiner Kenntnis haben Sie Ihre Hilfebedürftigkeit möglicherweise vorsätzlich oder grob fahrlässig sowie ohne wichtigen Grund herbeigeführt.

Nach den mir vorliegenden Unterlagen haben Sie durch Ihr Verhalten die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit nach den Vorschriften des 3. Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) erfüllt, so dass Ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht oder erloschen ist und dadurch Hilfebedürftigkeit eingetreten ist.

Soweit Sie die Hilfebedürftigkeit ganz oder teilweise sowie vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt haben, ohne dass Sie für Ihr Verhalten einen wichtigen Grund hatten, sind Sie zum Ersatz der deswegen gezahlten Leistungen nach dem SGB II verpflichtet (§ 430 Abs. 1 SGB II). Dies schließt geleistete Beiträge zur Sozialversicherung ein.

Eine Ersatzpflicht tritt nicht ein, sofern Sie für Ihr Verhalten einen wichtigen Grund hatten.

Von einer Geltendmachung des Ersatzanspruches wird abgesehen, wenn dieser eine Härte für Sie bedeuten würde. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn bereits eine geringe Ratenzahlung Ihre künftige Existenz, unabhängig von Leistungen der Grundsicherung, ernsthaft gefährden würde.”

Unter dem 05.12.2016 erteilte Herr M P. A , Facharzt für Allgemeinmedizin dem Kläger ein fachärztliches Attest. In diesem Attest, auf das Bezug genommen wird, Anlage K3, Bl. 10 GA, wird u.a. ausgeführt, dass der Kläger seit dem 18.05.2009 immer wieder mit depressiven Episoden in Behandlung sei, dass sich unterschiedlich stabile Episoden mit extrem schlechten Phasen abwechselten, bei denen auch eine stationäre Behandlung in Erwägung habe gezogen werden müssen und dass der Kläger zeitweise unter Panikattacken gelitten habe und seit dem 25.09.2016 bis zum Vorstellungstag durchgängig krankgeschrieben sei. Schließlich heißt es in dem Attest in Bezug auf den Kläger:

„Laut seiner Darstellung wurde ihm innerhalb der Krankheitsperiode ein Aufhebungsvertrag angeraten, was möglicherweise einer Ausnutzung seiner Unkenntnis zu zu schreiben ist.

Eine Kündigung im Krankheitszeitraum wäre sonst nicht möglich gewesen.“

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis sei durch den Aufhebungsvertrag nicht beendet worden. Er gehe von einer wirksamen Anfechtung aus. Der Anfechtungsgrund ergebe sich daraus, dass Herr B erklärt habe, dass er den Vertrag mit eintägiger Frist kündigen könne, der Kläger jedoch beim Jobcenter auf der sicheren Seite sei, wenn er den Aufhebungsvertrag unterzeichne. Der Kläger hat zudem behauptet, dass er „am Tag des Vertragsschlusses krankheitsbedingt höchstwahrscheinlich nicht als voll geschäftsfähig angesehen werden“ könne. Insofern verweise er auf das beigefügte Attest. Ferner hat der Kläger gemeint, da ihm Herr B zugesagt habe, dass er bis Ende November 2016 entlohnt werde, was unstreitig ist, stehe ihm dieser Anspruch zu.

Der Kläger wendet sich zum einen gegen die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrages; zum anderen fordert er von den Beklagten auch den Lohn für den Monat Dezember 2016 sowie einen Lohnabzug in Höhe von 316,67 € brutto aus dem Monat Oktober 2016.

Durch Beschluss vom 27.03.2017, der dem Kläger am 03.04.2017 zugestellt worden ist, hat das Arbeitsgericht Köln den zeitgleich mit Einreichung der Klage gestellten Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen und ausgeführt, es liege weder ein Anfechtungsgrund vor, der den Kläger zur Anfechtung seiner auf Abschluss des Aufhebungsvertrags gerichteten Willenserklärung berechtige, da ein Anfechtungsgrund nicht vorliege und eine Irrtumsanfechtung zudem nicht unverzüglich erfolgt sei, noch sei die auf Abschluss des Aufhebungsvertrags gerichtete Willenserklärung wegen Geschäftsunfähigkeit nichtig. Zu einer Geschäftsunfähigkeit habe der Kläger keinen Sachvortrag gehalten; sein Beweisangebot „Attest, sachverständiges Zeugnis, Sachverständigengutachten“ stelle einen unzulässigen Ausforschungsbeweis dar. Selbst wenn man unterstelle, die Regelungen des Aufhebungsvertrags seien Allgemeine Geschäftsbedingungen, werde der Kläger durch diese nicht unangemessen benachteiligt. Gegen diesen Beschluss hat der Kläger am 02.05.2017 sofortige Beschwerde eingelegt. Das Arbeitsgericht Köln hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht Köln zur Entscheidung vorgelegt.

Zur Begründung seiner sofortigen Beschwerde vertritt der Kläger die Ansicht, er habe eine bestimmte Tatsachenbehauptung, nämlich seine zumindest eingeschränkte Geschäftsfähigkeit, behauptet und diese unter Beweis gestellt; diesem Beweisangebot habe das Arbeitsgericht nachgehen müssen.

II.

Die gemäß §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 3 ZPO, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, 78 Satz 1 ArbGG zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat in dem angefochtenen Beschluss mit zutreffender Begründung die für die Gewährung von Prozesskostenhilfe erforderliche Erfolgsaussicht (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO i. V. m. § 11 a Abs. 1 ArbGG) verneint. Neuen Tatsachenvortrag, der eine andere Entscheidung rechtfertigen könnte, hat der Kläger nicht gehalten. Die Klage hat weder im Hinblick auf die begehrte Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch den Aufhebungsvertrag vom 18.11.2016 nicht aufgelöst worden ist, noch im Hinblick auf den Zahlungsantrag des Klägers hinreichende Aussicht auf Erfolg.

1. Der Aufhebungsvertrag der Parteien vom 18.11.2016 hat das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und den Beklagten zum 30.11.2016 aufgelöst.

a. Die auf Abschluss des Aufhebungsvertrags vom 18.11.2016 gerichtete Willenserklärung des Klägers ist nicht gem. § 105 Abs. 1 BGB nichtig.

aa. Der Kläger hat keine Tatsachen dargelegt, die den Schluss zulassen, dass er im Zeitpunkt der Abgabe dieser Willenserklärung geschäftsunfähig gewesen ist. Dies würde gem. § 104 Nr. 2 BGB voraussetzen, dass er sich im Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden hat.

bb. Es ist schon fraglich, ob der Kläger dies überhaupt behauptet, wenn er ausführt, dass er „am Tag des Vertragsschlusses krankheitsbedingt höchstwahrscheinlich nicht als voll geschäftsfähig angesehen werden“ könne. Jedenfalls aber hat der Kläger keinerlei tatsächliche Umstände vorgetragen, die den Rückschluss darauf zulassen könnten, er habe sich im Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrags in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden.

(1) Da die Geschäftsfähigkeit einer natürlichen Person den gesetzlichen Regelfall bildet und Mängel der Geschäftsfähigkeit demgegenüber eine besondere Ausnahme darstellen (vgl. Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, 42. Edition, Stand: 01.02.2017, § 104 Rn. 13), hat derjenige, der sich auf das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Ausnahme berufen will, die hierfür maßgeblichen Tatsachen dazulegen und zu beweisen (vgl. grundlegend BGH, Urteil vom 20. Juni 1984 – IVa ZR 206/82 –, Rn. 16, juris; BAG, Urteil vom 17. Februar 1994 – 8 AZR 275/92 –, Rn. 22, juris; BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 28. November 2007 – 1 BvR 68/07 –, Rn. 18, juris; Staudinger/Klumpp, BGB, Neubearbeitung 2017, § 104 Rn. 30).

(2) Ein Ausschluss der freien Willensbestimmung gemäß § 104 Nr. 2 BGB liegt vor, wenn jemand nicht imstande ist, seinen Willen frei und unbeeinflusst von der vorliegenden Geistesstörung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln. Abzustellen ist dabei darauf, ob eine freie Entscheidung nach Abwägung des Für und Wider bei sachlicher Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte möglich ist oder ob umgekehrt von einer freien Willensbildung nicht mehr gesprochen werden kann, etwa weil infolge der Geistesstörung Einflüsse dritter Personen den Willen übermäßig beherrschen. Substantiiert dargelegt ist ein solcher Ausschluss nach allgemeinen Grundsätzen, wenn das Gericht auf der Grundlage des Klägervorbringens zu dem Ergebnis kommen muss, die Voraussetzungen des § 104 Nr. 2 BGB lägen vor. Auf die Wahrscheinlichkeit des Vortrags kommt es demgegenüber nicht an (BGH, Beschluss vom 14. März 2017 – VI ZR 225/16 –, Rn. 13, juris).

(3) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger nicht dargelegt, dass bei ihm im Zeitpunkt der Abgabe der auf den Abschluss des Aufhebungsvertrags vom 18.11.2016 gerichteten Willenserklärung ein Ausschluss der freien Willensbildung vorgelegen hat. Auf der Grundlage seines Vorbringens, das sich auf die Angabe beschränkt, er habe im maßgeblichen Zeitpunkt „höchstwahrscheinlich nicht als voll geschäftsfähig angesehen werden“ können, konnte das Gericht nicht zu dem Ergebnis gelangen, die Voraussetzungen des § 104 Nr. 2 BGB lägen vor. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des vom Kläger vorgelegten fachärztlichen Attests vom 05.12.2016. Darin wird lediglich ausgeführt, der Kläger sei seit dem 18.05.2009 immer wieder wegen depressiver Episoden bei einem Facharzt für Allgemeinmedizin in ärztlicher Behandlung. Zudem führt der Arzt aus, beim Kläger wechselten sich unterschiedlich stabile Episoden mit extrem schlechten Phasen ab, bei denen eine stationäre Behandlung in Erwägung habe gezogen werden müssen. Schließlich heißt es noch, der Kläger habe zeitweise auch unter Panikattacken gelitten. Ausführungen dazu, wie sich die beim Kläger vorliegende Erkrankung auf seine Willensbildung auswirken enthält das Attest nicht. Auch finden sich im Hinblick auf den maßgeblichen Zeitpunkt, also den 18.11.2016, – außer dem Hinweis, dass der Kläger seit dem 25.10.2016 „krankgeschrieben“ war – keine Ausführungen in dem Attest vom 05.12.2016. Dies besagt indes nichts über die Fähigkeit des Klägers zur freien Willensbildung.

Ohne dass es hierauf noch ankäme: Betrachtet man das Attest vom 05.12.2016 genau, spricht dieses sogar deutlich gegen das Vorliegen eines Ausschlusses der freien Willensbildung des Klägers. Der Arzt führt in dem Attest den Abschluss des Aufhebungsvertrags nämlich auf die (gemeint sein dürfte rechtliche) Unkenntnis des Klägers und nicht etwa darauf zurück, dass bei diesem infolge einer Geistesstörung Einflüsse dritter Personen den Willen übermäßig beherrschen oder er jedenfalls wegen einer Einschränkung seiner freien Willensbildung den Aufhebungsvertrag abgeschlossen haben könnte.

b. Die auf Abschluss des Aufhebungsvertrags vom 18.11.2016 gerichtete Willenserklärung des Klägers ist auch nicht gem. § 142 Abs. 1 BGB nichtig. Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 Abs. 1, 1. Alt. BGB) scheitert daran, dass kein Anfechtungsgrund vorliegt. Eine Anfechtung gemäß § 119 Abs. 1 BGB wäre jedenfalls nicht unverzüglich und damit gem. § 121 Abs. 1 BGB nicht fristgerecht erfolgt.

aa. Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gem. § 123 Abs. 1, 1. Alt. BGB kommt im Streitfall nicht in Betracht. Die Beklagten haben den Kläger nicht arglistig getäuscht.

(1) Eine Täuschung über die Rechtsfolge des Aufhebungsvertrages in Gestalt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird vom Kläger nicht behauptet.

(2) Selbst wenn vor Abschluss des Aufhebungsvertrags seitens des Vertreters der Beklagten gegenüber dem Kläger ausgeführt worden sein sollte, mit Abschluss eines Aufhebungsvertrags stehe der Kläger gegenüber dem Jobcenter besser da als im Fall einer Kündigung, läge hierin keine zur Anfechtung berechtigende arglistige Täuschung. Denn der Aufhebungsvertrag enthält in § 5 den Hinweis, dass der Abschluss des Aufhebungsvertrags sozialversicherungsrechtliche Folgen haben kann. In diesem Zusammenhang konnte der Kläger nicht darauf vertrauen, dass dies im Hinblick auf das Jobcenter als Sozialleistungsträger nicht gelten würde. Denn auch wenn es sich beim Jobcenter nicht um einen Sozialversicherungsträger handelt, liegt es doch auf der Hand, dass auch hier nachteilige Folgen im Falle der freiwilligen Aufhabe eines Arbeitsverhältnisses entstehen können.

(3) Unabhängig davon fehlte es jedenfalls an einem arglistigen Verhalten der Beklagten. Das subjektive Merkmal „Arglist“ im Sinne von § 123 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn der Täuschende weiß oder billigend in Kauf nimmt, dass seine Behauptungen nicht der Wahrheit entsprechen oder mangels Offenbarung bestimmter Tatsachen irrige Vorstellungen beim Erklärungsgegner entstehen oder aufrechterhalten werden; Fahrlässigkeit – auch grobe Fahrlässigkeit – genügt insoweit nicht. Die Beweislast für das Vorliegen von Arglist trägt der Anfechtende; dass es sich hierbei um eine innere Tatsache handelt, steht dem nicht entgegen (BAG, Urteil vom 11. Juli 2012 – 2 AZR 42/11 –, Rn. 22, juris; Erman/Arnold, BGB, 14. Aufl., § 123 Rn. 27). Der Kläger hat keinerlei Umstände vorgetragen aus denen sich ergeben könnte, dass der Beklagten etwaige Nachteile bekannt gewesen sind, die ihm durch den Abschluss des Aufhebungsvertrags gegenüber dem Jobcenter entstehen können. Derartiges kann der Kläger allenfalls in prozessual unbeachtlicher Art und Weise ins Blaue hinein behaupten. Anders als die Verhängung einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld I gem. § 159 Abs. 1 SGB III können etwaige Nachteile für den Bezug von Arbeitslosengeld II, die dadurch entstehen, dass ein Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz freiwillig aufgibt, nicht als allgemein bekannt unterstellt werden.

bb. Eine Irrtumsanfechtung (§ 119 Abs. 1 BGB) scheitert – unabhängig vom Vorliegen eines Anfechtungsgrundes – jedenfalls daran, dass der Kläger diese nicht unverzüglich im Sinne von § 121 Abs. 1 BGB erklärt hat.

(1) Der Kläger hat, ausgehend von seinem eigenen Vorbringen, am 07.12.2016 im Rahmen einer Erstberatung durch seinen nunmehrigen Prozessbevollmächtigten Kenntnis von einem etwa bestehenden Anfechtungsgrund erlangt. Denn er führt aus, sein nunmehriger Prozessbevollmächtigter habe am 08.12.2016 die spätere Klageschrift verfasst. In dieser hat der Kläger die Irrtumsanfechtung erklärt. Die Klageschrift, die am 12.12.2016 bei dem Arbeitsgericht Köln eingegangen ist, ist den Beklagten indes erst am 30.12.2016 zugestellt worden.

(2) Gem. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB muss die Anfechtung unverzüglich – das heißt ohne schuldhaftes Zögern – vorgenommen werden, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Sie ist innerhalb einer den Umständen des Einzelfalls angepassten Prüfungs- und Überlegungsfrist zu erklären (BGH, Beschluss vom 10. Juni 2015– IV ZB 39/14 –, Rn. 6, juris; BVerwG, Urteil vom 10. März 2010 – 6 C 15/09 –, Rn. 21, juris). Da der Kläger am 07.12.2016 Kenntnis von einem etwaigen Anfechtungsgrund erlangt hätte, ist die den Beklagten am 30.12.2016 – und damit mehr als drei Wochen nach Kenntniserlangung durch den Kläger – zugegangene Anfechtung nicht mehr unverzüglich erfolgt.

(3) Daran ändert auch die Regelung des § 121 Abs. 1 Satz 2 BGB nichts, derzufolge die einem Abwesenden gegenüber erklärte Anfechtung als rechtzeitig erfolgt gilt, wenn die Anfechtungserklärung unverzüglich abgesendet worden ist. Denn die Voraussetzungen des § 121 Abs. 1 Satz 2 BGB sind nur erfüllt, wenn die Anfechtungserklärung zum Zweck und mit der Bestimmung des unverzüglichen Transports an den Anfechtungsgegner weggegeben wird, nicht dagegen, wenn die Anfechtung in einer Klageschrift erklärt wird, die erst durch das Gericht dem Anfechtungsgegner zugestellt werden muss (BVerwG, Urteil vom 10. März 2010 – 6 C 15/09 –, Rn. 23, juris; BGH, Urteil vom 11. Oktober 1974 – V ZR 25/73 –, Rn. 15, juris; Staudinger/Singer, BGB, Neubearbeitung 2017, § 121 Rn. 11).

(4) Auch eine analoge Anwendung des § 167 ZPO, der die Wirkungen der Zustellung auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klage zurückbezieht, kommt insoweit nicht in Betracht. Der Zweck des § 167 ZPO besteht darin, denjenigen, der für die Wahrung einer Frist auf die Mitwirkung des Gerichts angewiesen ist (wie etwa bei der Verjährungsunterbrechung), vor Verzögerungen durch das Tätigwerden der staatlichen Organe zu schützen. Dieses Schutzbedürfnis entfällt, wenn es um die Frist des § 121 BGB geht, da diese durch einfachen Brief gewahrt werden kann (Staudinger/Singer, BGB, Neubearbeitung 2017, § 121 Rn. 11). Denn jedenfalls im Fall des § 121 BGB kommt das Interesse des Empfängers, rasch Klarheit darüber zu gewinnen, ob der Anfechtungsberechtigte von seinem Gestaltungsrecht Gebrauch macht, in dem Erfordernis der Unverzüglichkeit der Anfechtung zum Ausdruck und verbietet daher eine Rückwirkung der Zustellung (BGH, Urteil vom 17. Juli 2008 – I ZR 109/05 –, Rn. 26, juris; Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 167 Rn. 3).

c. Schließlich stellen sich die Vereinbarungen des Aufhebungsvertrags für den Kläger nicht als unangemessen benachteiligend im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar. Zugunsten des Klägers kann insoweit unterstellt werden, dass es sich bei den Regelungen des Aufhebungsvertrags um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB handelt. Denn jedenfalls wird der Kläger durch die Aufhebung des Arbeitsvertrags zum 30.11.2016 nicht unangemessen benachteiligt.

aa. Formularmäßige Abreden, die Art und Umfang der vertraglichen Hauptleistung und der hierfür zu zahlenden Vergütung unmittelbar bestimmen, sind aus Gründen der Vertragsfreiheit gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB regelmäßig von der gesetzlichen Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ausgenommen. Darum unterliegt in einem Aufhebungsvertrag die Beendigungsvereinbarung als solche ebenso keiner Angemessenheitskontrolle (BAG, Urteil vom 12. März 2015 – 6 AZR 82/14 –, Rn. 23, juris). Schon aus diesem Grund liegt keine unangemessene Benachteiligung vor. Eine Nebenabrede in Gestalt auf einen Verzicht auf das Recht, die Rechtsunwirksamkeit des Aufhebungsvertrags gerichtlich geltend zu machen (zu einem solchen Verzicht vgl. BAG, Urteil vom 12. März 2015 – 6 AZR 82/14 –, Rn. 26, juris), enthält der Aufhebungsvertrag der Parteien nicht.

bb. Selbst wenn man die Aufhebungsvereinbarung entgegen der vorzitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einer Angemessenheitskontrolle unterziehen wollte, würde sie dieser standhalten. Denn selbst ein Klageverzicht hätte sich im Streitfall auch ohne Vereinbarung einer kompensatorischen Gegenleistung als rechtswirksam dargestellt. Der Kläger genoss nämlich im Zeitpunkt des Abschluss des Aufhebungsvertrags keinen allgemeinen Kündigungsschutz, weil er die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG noch nicht erfüllt hatte. Die Beklagten hätten das Arbeitsverhältnis mithin ohne Vorliegen eines Kündigungsgrundes unter Einhaltung einer kurzen Frist (spätestens zum 15.12.2016) kündigen können. Der Kläger hat durch die Aufhebung des Arbeitsvertrags allenfalls einer geringfügigen Verkürzung des Arbeitsverhältnisses zugestimmt, nicht aber auf eigentlich bestehenden gesetzlichen Kündigungsschutz verzichtet. Gerade in einem – hier nicht gegebenen – gegenleistungslosen Verzicht auf eigentlich bestehenden Kündigungsschutz erblickt das Bundesarbeitsgericht aber die unangemessene Benachteiligung einer Klageverzichtsvereinbarung (BAG, Urteil vom 06. September 2007 – 2 AZR 722/06 –, Rn. 37, juris).

2. Auch soweit der Kläger mit seiner Klage von den Beklagten die Zahlung von Arbeits- oder Annahmeverzugslohn bzw. von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für den Monat Dezember 2016 begehrt, hat die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Derartige Ansprüche stehen dem Kläger nicht zu, da das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund des Aufhebungsvertrags mit dem 30.11.2016 geendet hat.

3. Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Nachzahlung von 316,67 EUR (Lohnabzug Oktober 2016). Der Kläger hat schon nicht dargelegt, aus welchem Grund ihm dieser Anspruch in der begehrten Höhe zustehen soll. Der Kläger war ab dem 25.10.2016 arbeitsunfähig erkrankt. Damit schied ein Zahlungsanspruch aus dem Gesichtspunkt der geleisteten Arbeit, § 611 Abs. 1 BGB, ab diesem Zeitpunkt aus. Auch ein Anspruch aus § 3 EFZG bestand nicht. Denn dieser entsteht erst nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses, § 3 Abs. 3 EFZG. Mithin war die Beklagte zur Kürzung der Entgeltfortzahlung für den Zeitraum vom 25.10. bis zum 28.10.2016 berechtigt. Auch wenn Herr Beer dem Kläger zugesagt hat, dass er bis Ende November 2016 entlohnt wird, liegt hierin keine Zusage, dass die Beklagte an den Kläger auch für solche Zeiträume Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall leisten, für die nach der gesetzlichen Konzeption ein solcher Anspruch nicht besteht,

III.

Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel mangels Zulassung der Rechtsbeschwerde, für die kein Anlass besteht, nicht gegeben(§§ 78 Satz 2 ArbGG, 72 Abs. 2 ArbGG, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO).

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

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