LAG Köln, Urteil vom 10.04.2013 – 5 Sa 1393/11

Dezember 23, 2020

LAG Köln, Urteil vom 10.04.2013 – 5 Sa 1393/11

1 Für die Wirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel kommt es nicht auf das Bezugnahmeobjekt, sondern auf die Bezugnahmeklausel selbst an. Bei der Angemessenheitskontrolle ist daher nicht auf die tatsächlich erfolgten Änderungen abzustellen (im Anschluss an BAG 11.02.2009 – 10 AZR 222/08).

2 Im konkreten Fall hat die Kammer angenommen, dass die arbeitsvertragliche Verweisung auf einer vertraglichen Einheitsregelung gegen § 308 Nr. 4 BGB verstößt.
Tenor

1 Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 12.10.2011 – 3 Ca 2350/10 – wird zurückgewiesen.

2 Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3 Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand

Die Parteien streiten über das Fortbestehen von Leistungen im Krankheitsfall.

Der am geborene Kläger war ursprünglich Beamter der und nach bundesrechtlichen Bestimmungen beihilfeberechtigt. Er war seit dem 18. August 1980 zunächst bei der beschäftigt. Nr. 3 des Arbeitsvertrags vom 13. März 1981 lautet:

“Auf das Arbeitsverhältnis finden die Bestimmungen der Tarifregelung für die Beschäftigten der in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung. Hiervon ausgenommen ist § 23 Abs. 5.”

Bei der im Arbeitsvertrag genannten Tarifregelung handelte es sich um allgemeine Arbeitsbedingungen der Diese wurden von einer Personalkommission erarbeitet und – soweit sie nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung waren – vom Hauptvorstand der beschlossen. In die Personalkommission entsandte der Gesamtbetriebsrat ein Mitglied. Die Arbeitnehmer wurden in Betriebsversammlungen regelmäßig über den Stand der Beratungen in der Personalkommission informiert. Nach den bei Begründung des Arbeitsverhältnisses für die ständig Beschäftigten der geltenden Tarifregelungen (§ 1 Satz 1 Buchst. b TR ) hatten die nicht krankenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer Ansprüche auf einen Krankengeldzuschuss nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen den letzten Nettobezügen und dem Netto-Krankengeldanspruch (§ 16 Nr. 3 TR ) sowie auf Beihilfen und Unterstützungen nach den für den öffentlichen Dienst geltenden Grundsätzen (§ 17 TR ).

Die Beklagte entstand im Jahr 2001 durch Verschmelzung der Einzelgewerkschaften Handel, Banken und Versicherungen, Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, DPG, Industriegewerkschaft Medien – Druck und Papier, Publizistik und Kunst und der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft. In einer zuvor von den fünf Einzelgewerkschaften mit ihren Gesamtbetriebsräten im Juni 2000 abgeschlossenen “Grundsatzvereinbarung zur Gründung und Aufbau von ” heißt es:

“Die allgemeinen Anstellungsbedingungen und -regelungen der fünf Gewerkschaften gelten jeweils für die aus ihrem ursprünglichen Geltungsbereich stammenden Beschäftigten über den Zeitpunkt der Verschmelzung hinaus solange fort, bis sie durch neue Vereinbarungen ersetzt werden.

Die Beteiligten dieser Vereinbarung sind sich dabei einig in dem Bestreben, einvernehmlich neue einheitliche allgemeine Anstellungsbedingungen für die Beschäftigten zu schaffen.

Solche Regelungen, die üblicherweise tariflich normiert sind, können vor dem 30.06.2003 nicht ohne die Zustimmung der jeweils anderen Betriebspartei (Gesamtbetriebsrat und Bundesvorstand von ) vereinbart werden; die Zustimmung kann nicht ersetzt werden. Unter Wahrung der für zu vereinbarenden erweiterten Mitbestimmungsrechte sowie der dazu gehörenden Konfliktauflösungsregelungen ist nach diesem Zeitpunkt das Zustandekommen solcher Regelungen auch ohne die Zustimmung einer der beiden Betriebsparteien (Gesamtbetriebsrat und Bundesvorstand von ) möglich. Anstellungsbedingungen, die nicht einvernehmlich zustande gekommen sind, können frühestens am 01.07.2004 in Kraft treten. Jede/r Beschäftigte hat die Möglichkeit bis zum 31.12.2007 seine/ihre bisherigen Vergütungsregelungen (Entgelte einschließlich Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit Eingruppierung sowie alle regelmäßig wiederkehrenden Vergütungsbestandteile) beizubehalten.”

Am 20./21. Juni 2000 beschloss die eine Aktualisierung ihrer Tarifregelung. Diese sah in § 16 Nr. 3 TR weiterhin die Zahlung eines Krankengeldzuschusses für nicht versicherungspflichtige Beschäftigte vor. In einem mit “Anhang II Rechtsstandswahrungen” überschriebenen Abschnitt war für die bis zum 31. August 1995 eingestellten Beschäftigten die bisher in § 17 TR enthaltene Regelung aufgeführt.

Nach einer zwischen der Beklagten und ihrem Gesamtbetriebsrat im Dezember 2007 abgeschlossenen “Gesamtbetriebsvereinbarung über die Ablösung von Regelungen der Gründungsgewerkschaften (“GBV Ablösung”) sollten § 16 Nr. 3, § 17 Anhang II TR mit Inkrafttreten der Allgemeinen Arbeitsbedingungen (“AAB”) außer Kraft treten. Nach einer dazu angebrachten Fußnote war die Beklagte verpflichtet, eine Gruppenversicherung über die abgeschafften Leistungen abzuschließen. Bis zu diesem Zeitpunkt sollten diese noch wie bisher gewährt werden, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 2008. Zum 1. Januar 2008 traten die AAB der Beklagten sowie die “Gesamtbetriebsvereinbarung über die Gewährung von Beihilfen für zahnärztliche Leistungen sowie Unterstützung bei anderen medizinischen Aufwendungen an die Beschäftigten von ” (“GBV Beihilfe/Unterstützung 2008”) in Kraft. Gegenstand dieser Vereinbarung ist die Gewährung von finanziellen Unterstützungen bei zahnärztlichen Leistungen und in besonderen Härtefällen. Die Beklagte gewährte die in § 16 Nr. 3, § 17 Anhang II TR enthaltenen Leistungen zunächst bis zum 31. Juli 2008 weiter. Am 1. Juli 2008 trat die “Verhandelte Gesamtbetriebsvereinbarung zur Umstellung der Krankenversicherungsverhältnisse” (“GBV Umstellung”) in Kraft. Danach werden den Beschäftigten Mehrbelastungen aus der Umstellung des Krankenversicherungsschutzes über 300,00 Euro monatlich hinaus als Bruttobetrag mit dem laufenden Entgelt erstattet.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete am 30. April 2011. Zuvor befand sich der Kläger fünf Jahre in Altersteilzeit im Blockmodell.

Der Kläger hat gemeint, die im Arbeitsvertrag enthaltene Bezugnahmeklausel lasse eine Verschlechterung der in der Tarifregelung begründeten Ansprüche nicht zu. Die Klausel enthalte keinen Hinweis auf ihre Änderungsmöglichkeit durch eine Betriebsvereinbarung. Mit einer Verschlechterung seiner bei Begründung des Arbeitsverhältnisses bestehenden krankenversicherungsrechtlichen Stellung habe er nicht rechnen müssen. Als er von der Beklagten bei der abgeworben worden sei, habe er deutlich gemacht, dass er hierzu nur bereit sei, wenn er sich in Bezug auf seinen Krankenversicherungsschutz nicht schlechter stelle als als Beamter. Bei der Tarifregelung handele es sich nicht um ein betriebsvereinbarungsoffenes Regelwerk. Die Übernahme der durch den Wechsel seines Krankenversicherungstarifs entstehenden Mehrkosten sei ihm unzumutbar. Er habe für die Beibehaltung seines Krankenversicherungsniveaus monatlich zwischen 210 und 262,28 Euro zu tragen.

Der Kläger hat beantragt,

1 festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm über den 01.09.2008 hinaus als Arbeitnehmer bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses Beihilfe und Unterstützung nach den im öffentlichen Dienst geltenden Beihilfevorschriften und Unterstützungsgrundsätzen gem. der vormals bestehenden Regelung nach § 17 des Anhanges II der Tarifregelung der vom 20.06.2000 zu gewähren;

2 festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm über den Zeitpunkt des Renteneintritts hinaus Beihilfe und Unterstützung nach den im öffentlichen Dienst geltenden Beihilfevorschriften und Unterstützungsgrundsätzen gem. der vormals bestehenden Regelung nach § 17 des Anhanges II der Tarifregelung der vom 20.06.2000 zu gewähren;

3 hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, ihm über den 01.08.2008 hinaus alle Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge zu erstatten, die über eine monatliche Eigenbelastung in Höhe der Hälfte der Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungskosten einer Beihilfe-Ergänzungsversicherung nach Beitragsgruppe B1 der Postbeamtenkrankenkasse für Beamte mit Beihilfeberechtigung nach den im öffentlichen Dienst geltenden Beihilfevorschriften und Unterstützungsgrundsätzen hinausgehen;

4 höchst hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, ihm monatlich einen Zuschuss zu seiner Krankenversicherung bei der Postbeamtenkrankenkasse nach der Beitragsgruppe B3 rückwirkend in Höhe von monatlich 268,28 EUR für die Monate Januar bis Juni 2009, monatlich 257,25 EUR für die Monate Juli bis Dezember 2009 sowie monatlich 262,50 EUR ab Januar 2010 abzüglich des jeweiligen Arbeitgeberzuschusses KK nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtsanhängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, die Tarifregelung der ehemaligen sei betriebsvereinbarungsoffen ausgestaltet gewesen. Dies folge bereits aus der arbeitsvertraglichen Jeweiligkeitsklausel. Darüber hinaus sei auf die für alle Arbeitnehmer und somit auch den Kläger erkennbare Beteiligung des Gesamtbetriebsrats an deren Erstellung zu verweisen. Der jeweilige Entwurf der Personalkommission sei dem Gesamtbetriebsrat zur Zustimmung vorgelegt worden. Sofern der Gesamtbetriebsrat seine Zustimmung verweigert habe, sei der Entwurf durch die Personalkommission überarbeitet worden, bis dieser vollständig die Zustimmung des Gesamtbetriebsrats gefunden habe.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 12. Oktober 2011 stattgegeben. Gegen das ihr am 9. November 2011 zugestellte erstinstanzliche Urteil hat die Beklagte am 8. Dezember 2011 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 9. Februar 2012 am 7. Februar 2012 begründet.

Die Beklagte ist nach wie vor der Auffassung, die Ablösung der Ansprüche des Klägers auf Leistungen im Krankheitsfall sei rechtmäßig erfolgt. Sollte die Jeweiligkeitsklausel wegen einer zu weiten Formulierung als unwirksam anzusehen sein, so wäre im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung davon auszugehen, dass die Parteien bei Kenntnis der Unwirksamkeit die Betriebsvereinbarungsoffenheit der Klausel vereinbart hätten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 12. Oktober 2011 – 3 Ca 2350/10 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts unter Vertiefung und Wiederholung seines Vorbringens. Der Gesamtbetriebsrat sei an den Entscheidungen, ob die Tarifregelung geändert werde, nicht beteiligt gewesen. Die Entscheidungen habe der Vorstand der Beklagten in alleiniger Verantwortung getroffen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Gründe

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthaft und wurde gemäß §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 und 5 ArbGG, §§ 519 und 520 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und begründet.

II. Die Berufung ist unbegründet. Die Feststellungsanträge sind zulässig und begründet. Zwar wären die Anträge auf Basis der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 17. Juli 2012 (1 AZR 476/11 – NZA 2013, 338; 17. Juli 2012 – 1 AZR 478/11 – juris; 1 AZR 185/11 – juris) unbegründet. Die Kammer vermag sich den Ausführungen des Ersten Senats jedoch in zwei Punkten nicht anzuschließen. Sie nimmt entgegen der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts an, dass die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel gegen § 308 Nr. 4 BGB verstößt. Zudem ist die Klausel nicht betriebsvereinbarungsoffen ausgestaltet. Die wegen des Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB vorzunehmende ergänzende Vertragsauslegung führt nicht dazu, dass der Beklagten die Möglichkeit zusteht, die vertragliche Einheitsregelung durch eine Betriebsvereinbarung abzulösen.

1. Die Feststellungsanträge sind zulässig. Für die begehrte Feststellung besteht ein Feststellungsinteresse.

a) Nach § 46 Abs. 2 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

Das Feststellungsinteresse ist nur dann gegeben, wenn durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Streit insgesamt beseitigt wird und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann. Es fehlt, wenn durch die Entscheidung kein Rechtsfrieden geschaffen wird, weil nur einzelne Elemente eines Rechtsverhältnisses zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden. Die Rechtskraft der Entscheidung muss weitere gerichtliche Auseinandersetzungen über die zwischen den Parteien strittigen Fragen um denselben Fragenkomplex ausschließen (st. Rspr., etwa BAG 16. November 2011 – 4 AZR 839/09 – juris; 21. April 2010 – 4 AZR 755/08 – EzA § 256 ZPO 2002 Nr. 9; 14. Dezember 2005 – 4 AZR 522/04 – EzA § 256 ZPO 2002 Nr. 7; 29. November 2001 – 4 AZR 757/00 – BAGE 100, 43).

b) Nach diesen Grundsätzen besteht für die begehrte Feststellung ein Feststellungsinteresse.

Wie das BAG in dem Parallelfall (BAG 17. Juli 2012 – 1 AZR 476/11 – NZA 2013, 338 = juris Rz 14) nimmt auch die Kammer an, dass der Vorrang der Leistungsklage dem nicht entgegensteht. Das angestrebte Feststellungsurteil ist geeignet, den Konflikt der Parteien endgültig beizulegen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu vermeiden. Es kann auch erwartet werden, dass die Beklagte einem gegen sie ergehenden Feststellungsurteil nachkommt und die sich daraus ergebenden Leistungsansprüche erfüllen wird. Daher führt auch die inzwischen eingetretene Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu keiner anderen Betrachtung.

2. Die Anträge wären auf Basis der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 17. Juli 2012 (1 AZR 476/11 – NZA 2013, 338) unbegründet.

Das BAG hat angenommen, dass die inhaltsgleiche Bezugnahmeklausel der vorzunehmenden AGB-Kontrolle standhält. Es liege weder ein Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) noch gegen § 308 Nr. 4 BGB vor.

Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wäre auch von der Betriebsvereinbarungsoffenheit der in Nr. 3 des Arbeitsvertrages enthaltenen Verweisungsklausel auszugehen. Hierfür hat der Erste Senat maßgeblich darauf abgestellt, dass der Gesamtbetriebsrat der an der Erarbeitung der jeweiligen Tarifregelungen vor der Beschlussfassung durch den Hauptvorstand beteiligt war. Diese Voraussetzungen sind auch vorliegend erfüllt. Das tatsächliche Geschehen, welches zu dieser rechtlichen Schlussfolgerung führt, ist zwischen den Parteien unstreitig.

Zur Begründung ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das BAG nicht von einem Einverständnis oder der Zustimmung des Gesamtbetriebsrats spricht. In dem Tatbestand ist von einer “Einbindung” des Gesamtbetriebsrats in die Beratung der Personalkommission die Rede. In den Entscheidungsgründen wird von einer “Beteiligung” gesprochen. Diese ist gegeben, weil der Gesamtbetriebsrat ein Mitglied in die Personalkommission entsandt hat. Nach dem Verständnis des Bundesarbeitsgerichts war für den Kläger auch erkennbar, dass die Leistung einer kollektiven, möglicherweise auch verschlechternden Veränderung zugänglich sein sollte. Dies ergibt sich jedenfalls daraus, dass in den Betriebsversammlungen regelmäßig über den Stand der Beratungen in der Personalkommission informiert worden ist.

Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts konnten die Betriebsparteien die in § 16 Nr. 3, § 17 Anhang II TR enthaltenen Leistungen mit Wirkung vom 1. Januar 2008 beseitigen. Der Kläger hatte bei Abschluss der GBV Ablösung keine geschützte Rechtsposition inne, die der Änderung seiner krankenversicherungsrechtlichen Stellung entgegenstand. Dabei hat das BAG die besondere Situation der ehemaligen Beamten berücksichtigt. Es hat auch angenommen, dass der in der GBV Ablösung geregelte Wegfall der Beihilfen und Unterstützungen verhältnismäßig sei. Die Grundsätze über die Rückwirkung von betrieblichen Normen seien beachtet worden.

Entscheidungserhebliche Unterschiede zu dem vorliegenden Fall liegen nicht vor. Sie ergeben sich nicht daraus, dass sich der Kläger bei Inkrafttreten der Änderungen in Altersteilzeit befand. Dieser Umstand hat ihm in Bezug auf die von der Beklagten erbrachten Sozialleistungen keine besondere Rechtsstellung verschafft. Jedenfalls in dem Fall, der der Entscheidung vom 17. Juli 2012 mit dem Aktenzeichen 1 AZR 185/11 zugrunde lag, waren die angegebenen monatlichen Belastungen (dort mit 200 Euro während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses und mit 430 Euro nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechnet) vergleichbar. Der Kläger hat monatliche Belastungen zwischen 210 und 262,28 Euro behauptet.

3. Die Kammer vermag sich den Ausführungen des Ersten Senats in zwei Punkten nicht anzuschließen. Sie nimmt entgegen der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts an, dass die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel gegen § 308 Nr. 4 BGB verstößt. Dies führt nicht dazu, dass die Bezugnahmeklausel insgesamt unwirksam ist, was zur Folge hätte, dass der Kläger keinen Anspruch auf den Krankengeldzuschuss sowie Beihilfen und Unterstützungen gegen die Beklagte hätte. Rechtsfolge des Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB ist vielmehr, dass die Beklagte nicht zu Lasten des Klägers von der arbeitsvertraglich vorbehaltenen Möglichkeit des Widerrufs von zugesagten Leistungen Gebrauch machen kann. Die Anträge sind auch deswegen begründet, weil die GBV Ablösung gegen das Günstigkeitsprinzip verstößt, welches im Verhältnis von Betriebsvereinbarung zum Arbeitsvertrag gilt. Maßgeblich ist, dass die Klausel nicht betriebsvereinbarungsoffen ausgestaltet ist. Dies ergibt ihre Auslegung. Die wegen des Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB vorzunehmende ergänzende Vertragsauslegung führt nicht dazu, dass der Beklagten die Möglichkeit zusteht, die vertragliche Einheitsregelung durch eine Betriebsvereinbarung abzulösen.

a) Nr. 3 des Arbeitsvertrages enthält einen gemäß § 308 Nr. 4 BGB unzulässigen Änderungsvorbehalt. Dies führt dazu, dass die Beklagte dem Kläger in der arbeitsvertraglichen Einheitsregelung zugesagte Leistungen nicht einseitig widerrufen kann.

aa) Dem steht zunächst nicht entgegen, dass §§ 305 ff. BGB erst am 1. Januar 2002 in Kraft getreten sind. Auf vor dem 1. Januar 2002 begründete Dauerschuldverhältnisse, zu denen auch Arbeitsverhältnisse zählen, sind ab 1. Januar 2003 die Bestimmungen der §§ 305 ff. BGB idF des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 anzuwenden, Art. 229 § 5 EGBGB.

bb) Die in dem Arbeitsvertrag vorgenommene Bezugnahme auf die Tarifregelung in der “jeweils geltenden Fassung” stellt inhaltlich ein Widerrufsrecht der Beklagten dar. Sie soll die Beklagte dazu berechtigen, einseitig, d.h. auch ohne Zustimmung des Klägers, die Arbeitsbedingungen abzuändern (zu einer vergleichbaren Bezugnahmeklausel BAG 11. Februar 2009 – 10 AZR 222/08 – NZA 2009, 428 = juris Rn. 23).

Ob ein Widerrufsrecht wirksam ist, ist nach § 308 Nr. 4 BGB als der gegenüber § 307 BGB spezielleren Norm zu beurteilen. Da § 308 Nr. 4 BGB § 307 BGB konkretisiert, sind auch die Wertungen dieser Norm heranzuziehen. Außerdem sind nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen. Danach ist die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders unwirksam, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn für die Änderung ein triftiger Grund vorliegt und dieser bereits in der Änderungsklausel beschrieben ist. Das Widerrufsrecht muss wegen der unsicheren Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sein (BAG 11. Februar 2009 – 10 AZR 222/08 – NZA 2009, 428 = juris Rn. 24; 12. Januar 2005 – 5 AZR 364/04 – BAGE 113, 140).

Diesem Prüfungsmaßstab wird die Klausel nicht gerecht. Die Kammer vermag den gegenteiligen Ausführungen des Ersten Senats aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht zu folgen.

Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat zur Begründung seiner Annahme, dass die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel nicht gegen § 308 Nr. 4 BGB verstoße, darauf hingewiesen, dass die DPG seit dem Inkrafttreten der zuletzt geltenden Tarifregelung vom 20./21. Juni 2000 nicht mehr zu einer einseitigen Änderung dieses Regelwerks berechtigt gewesen sei. Nach Nr. 1 Unterabs. 4 Satz 1 der von ihr abgeschlossenen Grundsatzvereinbarung vom 28. Mai 2000 hätten solche Regelungen, die üblicherweise tariflich normiert seien, vor dem 30. Juni 2003 vom Bundesvorstand der Beklagten nicht ohne Zustimmung des Gesamtbetriebsrats geändert werden können. Danach seien weder die – noch nach Wirksamwerden ihrer Verschmelzung auf – die Beklagte zu einer einseitigen Änderung der Tarifregelung befugt gewesen. Überdies habe nach Satz 4 jeder Beschäftigte die Möglichkeit gehabt, bis zum 31. Dezember 2007 seine bisherigen Vergütungsregelungen beizubehalten. Zu diesen hätten u.a. die Bestimmungen über den Krankengeldzuschuss sowie über die Beihilfen und Unterstützungen gehört. Dies habe eine einseitige Änderungsmöglichkeit der jeweiligen Arbeitgeber ausgeschlossen.

(1) Rechtlich ist gegen diese Ausführungen einzuwenden, dass es für die Wirksamkeit der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel nicht auf das Bezugnahmeobjekt, sondern auf die Bezugnahmeklausel selbst ankommt. Eine andere Betrachtung würde dazu führen, dass die Bezugnahmeklausel zeitweise wirksam (in der Zeit, in der das Bezugnahmeobjekt nicht geändert werden kann) und zeitweise unwirksam wäre (in der Zeit, in der das Bezugnahmeobjekt geändert werden kann). Eine befristete Unwirksamkeit bzw. Wirksamkeit von Klauseln sieht das AGB-Recht indes nicht vor. Hinzu kommt, dass auch Regelungen, die vorsehen, dass bestimmte Vereinbarungen nicht verändert werden können, von den Normgebern jederzeit wieder geändert werden können. Dies gilt auch für die Grundsatzvereinbarung vom 28. Mai 2000.

Die Kammer sieht sich insoweit in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Neunten Senats des Bundesarbeitsgerichts, der abweichend vom Ersten Senat wörtlich ausgeführt hat (BAG 11. Februar 2009 – 10 AZR 222/08 – NZA 2009, 428 = juris Rn. 25):

“Bei der Angemessenheitskontrolle ist nicht auf die tatsächlich erfolgten Änderungen durch die einseitigen Arbeits- und Sozialordnungen der Beklagten abzustellen, sondern auf die Möglichkeiten, die die Bezugnahmeklauseln geben. Es ist – anders als bei der früheren Prüfung im Rahmen des § 242 BGB – bei zu weit gefassten Klauseln nicht mehr zu prüfen, ob der Arbeitnehmer im konkreten Fall schutzwürdig ist. Die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB zwingt zu einer generellen, typisierenden Prüfung (BAG 24. Oktober 2007 – 10 AZR 825/06 – AP BGB § 307 Nr. 32 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 26). Die gesetzlichen Vorschriften der §§ 305 ff. BGB missbilligen bereits das Stellen inhaltlich unangemessener allgemeiner Geschäftsbedingungen, nicht erst den unangemessenen Gebrauch einer Klausel im konkreten Einzelfall. Die Rechtsfolge der Unwirksamkeit tragen auch solche Klauseln, die in ihrem Übermaßteil in zu beanstandender Weise ein Risiko regeln, das sich im Entscheidungsfalle nicht realisiert hat (BAG 11. April 2006 – 9 AZR 610/05 – BAGE 118, 36).”

(2) In tatsächlicher Hinsicht kommt hinzu, dass der Ausschluss der einseitigen Änderungsmöglichkeit nur bis zum 31. Dezember 2007 galt. Die Änderungen, um die es hier geht, sollten nach dem Willen der Beklagten ab dem 1. Januar 2008 und somit danach wirken.

cc) Rechtsfolge des Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB ist gemäß § 306 Abs. 1 BGB, dass die Beklagte nicht zu Lasten des Klägers von der arbeitsvertraglich vorbehaltenen Möglichkeit des Widerrufs von zugesagten Leistungen Gebrauch machen kann. Demgegenüber ist nicht davon auszugehen, dass die Bezugnahmeklausel insgesamt unwirksam ist.

§ 306 Abs. 1 BGB enthält eine kodifizierte Abweichung von der Auslegungsregel des § 139 BGB und bestimmt, dass bei Teilnichtigkeit grundsätzlich der Vertrag im Übrigen aufrechterhalten bleibt. Die Anwendung dieses Grundsatzes entspricht der Interessenlage beider Arbeitsvertragsparteien. Soweit die Klausel nicht teilbar ist, tritt an ihre Stelle nach § 306 Abs. 2 BGB das Gesetz. Handelt es sich hingegen um eine teilbare Klausel, ist die Inhaltskontrolle jeweils für die verschiedenen, nur formal verbundenen Bestimmungen vorzunehmen (BAG 21. Juni 2011 – 9 AZR 236/10 – BAGE 138, 148; 12. März 2008 – 10 AZR 152/07 – AP § 305 BGB Nr. 10; 11. April 2006 – 9 AZR 610/05 – BAGE 118, 36).

Nach diesen Grundsätzen ist nicht davon auszugehen, dass die Bezugnahmeklausel insgesamt unwirksam ist. Die sich daraus ergebende Folge, dass der Kläger keinen Anspruch auf den Krankengeldzuschuss sowie Beihilfen und Unterstützungen gegen die Beklagte hätte, ist mit dem Schutzzweck der AGB-Vorschriften nicht vereinbar. Diese sollen den Arbeitnehmer und damit den Kläger schützen und nicht seine Ansprüche einschränken. Vor diesem Hintergrund ist die teilbare Klausel ohne die Widerrufsmöglichkeit zu Lasten des Klägers aufrechtzuerhalten.

b) Die GBV Ablösung verstößt gegen das Günstigkeitsprinzip, welches im Verhältnis von Betriebsvereinbarung zum Arbeitsvertrag gilt (BAG 7. November 1989 – GS 3/85 – BAGE 63, 211; 16. September 1986 – GS 1/82 – BAGE 53, 42). Maßgeblich ist, dass die Klausel nicht betriebsvereinbarungsoffen ausgestaltet ist. Dies ergibt ihre Auslegung.

aa) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Dabei sind die den Vertragsschluss begleitenden Umstände gem. § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB nicht bei der Auslegung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, sondern bei der Prüfung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB zu berücksichtigen (BAG 18. Mai 2010 – 3 AZR 373/08 – BAGE 134, 26; 7. Dezember 2005 – 5 AZR 535/04 – BAGE 116, 267).

Von den Vertragsschluss begleitenden Umständen sind jedoch die äußeren Umstände, die zum Vertragsschluss geführt haben, zu unterscheiden. Dabei geht es um Umstände, die für einen verständigen und redlichen Vertragspartner Anhaltspunkte für eine bestimmte Auslegung des Vertrages gegeben haben. Da Allgemeine Geschäftsbedingungen einheitlich auszulegen sind, kommen insoweit jedoch nur allgemeine Umstände in Betracht, die auf einen verallgemeinerbaren Willen des Verwenders schließen lassen. Umstände, die den konkreten Vertragsabschluss im Einzelfall betreffen, sind nur zu berücksichtigen, wenn es darum geht, zu ermitteln, ob im konkreten Einzelfall die Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in demselben Sinne verstanden haben (BAG 18. Mai 2010 – 3 AZR 373/08 – BAGE 134, 269).

Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders. Diese Unklarheitenregel folgt nunmehr aus § 305c BGB. Sie galt aber auch bereits vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes. Danach gilt, dass der Arbeitgeber bei Unklarheiten die für ihn ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen muss (BAG 18. Mai 2010 – 3 AZR 373/08 – BAGE 134, 269).

Eine Unklarheit in diesem Sinne besteht nur, wenn nach Ausschöpfung aller Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel bleibt. Sie setzt voraus, dass die Auslegung einer einzelnen Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen erhebliche Zweifel an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Unklarheitenregel nicht (BAG 18. Mai 2010 – 3 AZR 373/08 – BAGE 134, 269; 24. Oktober 2007 – 10 AZR 825/06 – BAGE 124, 259).

Speziell für die Frage, ob ein Arbeitsvertrag betriebsvereinbarungsoffen ausgestaltet ist, geht das BAG davon aus, dass Arbeitsvertragsparteien ihre vertraglichen Absprachen dahingehend gestalten können, dass sie einer späteren betrieblichen Regelung den Vorrang einräumen. Dieser Vorbehalt könne ausdrücklich oder bei entsprechenden Begleitumständen konkludent erfolgen. Er sei sowohl bei einzelvertraglichen Abreden als auch bei betrieblichen Einheitsregelungen und Gesamtzusagen möglich. Ein solcher Vorbehalt könne anzunehmen sein, wenn für die Arbeitnehmer erkennbar sei, dass die Leistung einer kollektiven, möglicherweise auch verschlechternden Veränderung zugänglich sein solle. Hiervon sei auszugehen, wenn die vertragliche Einheitsregelung in Abstimmung mit der jeweils zuständigen Arbeitnehmervertretung zustande gekommen sei oder wenn Änderungen in der Vergangenheit unter Beteiligung des Betriebsrats vorgenommen worden seien (BAG 17. Juli 2012 – 1 AZR 476/11 – NZA 2013, 338).

Im Parallelfall hat der Erste Senat angenommen, diese Voraussetzungen lägen vor, weil der Gesamtbetriebsrat der an der Erarbeitung der jeweiligen Tarifregelungen vor der Beschlussfassung durch den Hauptvorstand beteiligt gewesen sei.

Nach der Auffassung der Kammer lässt sich hieraus für den Kläger die vom BAG verlangte Erkennbarkeit für den Arbeitnehmer nicht ableiten. Das BAG schließt aus Umständen, die nach Vertragsschluss liegen, auf einen bei Vertragsschluss vorliegenden Willen der Parteien. Auch nach Einschätzung der Kammer ist es grundsätzlich möglich, aus später eintretenden Umständen auf einen bereits früher vorliegenden Willen zu schließen. Sie meint aber, dass die nach 1981 erfolgten Änderungen der Tarifregelungen nicht darauf schließen lassen, dass der Kläger 1981 erkennen konnte, dass die vertraglich zugesagte Leistung einer verschlechternden Änderung durch Betriebsvereinbarung zugänglich sein sollte.

Die Kammer ist der Meinung, dass eine zweistufige Prüfung zu erfolgen hat.

Zunächst ist die Frage zu stellen, ob der Arbeitsvertrag bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses betriebsvereinbarungsoffen ausgestaltet war.

Ist diese Frage zu verneinen, ist weiter zu prüfen, ob sich die Arbeitsvertragsparteien später auf eine Abänderbarkeit der zugesagten Leistung durch Betriebsvereinbarung verständigt haben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Vertrag durch ein Angebot und dessen Annahme zustande kommt. Schweigen stellt, wie aus § 147 BGB hervorgeht, in der Regel keine Willenserklärung dar. Wer auf ein Angebot nicht reagiert, stimmt diesem nicht zu. Vor allem dann, wenn eine Partei eine bestehende Vertragssituation nachteilig verändern möchte, kann sie nicht ohne weiteres unterstellen, dass die andere Vertragspartei damit einverstanden ist. Von diesem Grundsatz gibt es jedoch Ausnahmen. Nach § 151 Satz 1 BGB kommt ein Vertrag durch die Annahme des Antrags zustande, ohne dass diese Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat. Dies betrifft in erster Linie für den Annehmenden günstige Angebote. Einen Fall der nach der Verkehrssitte nicht zu erwartenden ausdrücklichen Erklärung hat das BAG auch darin gesehen, dass ein Änderungsangebot des Arbeitgebers gem. den §§ 133, 157 BGB durch widerspruchslose Fortsetzung der Tätigkeit angenommen werden kann, wenn die Vertragsänderung sich unmittelbar im Arbeitsverhältnis auswirkt, nicht hingegen, solange deren Folgen nicht hervortreten. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen (BAG 24. November 2004 – 10 AZR 202/04 – NZA 2005, 349).

bb) Danach ist die in Nr. 3 des Arbeitsvertrages enthaltene Bezugnahmeklausel nicht dahingehend auszulegen, dass sie betriebsvereinbarungsoffen ausgestaltet ist.

Dies gilt zunächst für den am 13. März 1981 erfolgten Vertragsschluss. Zu diesem Zeitpunkt konnte dem Kläger nicht erkennbar sein, welche Änderung die Tarifregelung erfahren würde. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass eine spätere Änderung durch Betriebsvereinbarung erkennbar gewesen wäre.

Eine spätere Vereinbarung der Parteien, die Bezugnahmeklausel betriebsvereinbarungsoffen auszugestalten, ist nicht gegeben. Sie lässt sich nicht aus dem Umstand ableiten, dass die Tarifregelung nach 1981 teilweise auch durch Betriebsvereinbarung geändert worden ist. Das Schweigen des Klägers lässt sich nicht als Zustimmung verstehen. Soweit sich die Änderungen zu seinen Gunsten ausgewirkt haben, hatte er keinen Anlass, sich ausdrücklich zu äußern. Sein Schweigen zu für ihn günstigen Änderungen kann nicht dahingehend verstanden werden, dass er auch mit für ihn nachteiligen Änderungen einverstanden sein wollte. Sofern sich die Änderungen zu seinen Lasten ausgewirkt haben sollten, lässt sich dem Schweigen allenfalls eine Zustimmung zu einzelnen Änderungen entnehmen, nicht aber ein generelles Einverständnis, die in Nr. 3 des Arbeitsvertrages enthaltene Verweisungsklausel betriebsvereinbarungsoffen auszugestalten. Der Kläger hatte erkennbar keinen Anlass, eine für ihn günstige Vertragsgestaltung (keine Möglichkeit, in seine Ansprüche durch Betriebsvereinbarung einzugreifen) ohne kompensatorische Gegenleistung durch die Beklagte aufzugeben.

c) Die wegen des Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB vorzunehmende ergänzende Vertragsauslegung führt nicht dazu, dass der Beklagten die Möglichkeit zusteht, die vertragliche Einheitsregelung durch eine Betriebsvereinbarung abzulösen.

aa) Nach der Rechtsprechung des Fünften Senats des Bundesarbeitsgerichts entfällt eine aus formellen Gründen nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksame und vor dem 1. Januar 2002 vereinbarte Klausel nicht ersatzlos. Vielmehr ist eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen, wenn die Angabe von Widerrufsgründen in einem derartigen Altvertrag fehlt (BAG 20. April 2011 – 5 AZR 191/10 – BAGE 137, 383).

Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung tritt an die Stelle der lückenhaften Klausel diejenige Gestaltung, die die Parteien bei einer angemessenen Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Geschäftsbedingung bekannt gewesen wäre. Die ergänzende Vertragsauslegung im Bereich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat sich zu orientieren an einem objektivgeneralisierenden, am Willen und Interesse der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise, ausgerichteten Maßstab, und nicht nur an dem der konkret beteiligten Personen. Die Vertragsergänzung muss deshalb für den betroffenen Vertragstyp als allgemeine Lösung eines stets wiederkehrenden Interessengegensatzes angemessen sein. Maßgebender Zeitpunkt für die Feststellung und Bewertung des mutmaßlichen typisierten Parteiwillens und der Interessenlage ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, da die ergänzende Vertragsauslegung eine anfängliche Regelungslücke rückwirkend schließt. Das gilt auch, wenn eine Lücke sich erst nachträglich als Folge des weiteren Verlaufs der Dinge ergeben hat. Zunächst ist hierfür an den Vertrag selbst anzuknüpfen, denn die in ihm enthaltenen Regelungen und Wertungen, sein Sinn und Zweck sind Ausgangspunkt der Vertragsergänzung. Soweit irgend möglich, sind danach Lücken im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in der Weise auszufüllen, dass die Grundzüge des konkreten Vertrages “zu Ende gedacht” werden (BAG 6. Juli 2011 – 4 AZR 706/09 – BAGE 138, 269).

bb) Wenn den Parteien die gesetzlich angeordnete Unwirksamkeit der Widerrufsklausel bekannt gewesen wäre, hätten sie entgegen der Annahme der Beklagten nicht vereinbart, dass die Tarifregelung durch Betriebsvereinbarung zu ändern gewesen wäre.

Allerdings ist der Beklagten zuzugeben, dass die Parteien die 1981 bestehenden Tarifregelungen nicht gegen jegliche Änderung abgesichert hätten. Dies folgt schon daraus, dass die Klausel auf die Tarifregelung in ihrer jeweils geltenden Fassung verweist.

Welche Änderungsmöglichkeit die Parteien vereinbart hätten, ergibt sich aus der Vertragsgeschichte. Zu berücksichtigen ist, dass der Kläger vor seinem Eintritt in die Dienste der Beklagten Beamter der war. In dieser Eigenschaft erhielt er Beihilfe nach bundesrechtlichen Bestimmungen. Die Parteien haben erkennbar die Absicht verfolgt, den Kläger in Bezug auf seinen Beihilfeanspruch weder besser noch schlechter zu stellen, als wenn er bei der verblieben wäre. Vor diesem Hintergrund hätten die Parteien bei Kenntnis der Unwirksamkeit der Klausel vereinbart, dass sich die vom Kläger im Krankheitsfall zu beanspruchenden Leistungen nach den für Bundesbeamte maßgeblichen Grundsätzen orientiert hätten. Eine derartige Vereinbarung wäre mit der Möglichkeit, in bestehende Ansprüche zu Lasten des Klägers einzugreifen, verbunden gewesen.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO.

IV. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG.

RECHTSMITTELBELEHRUNG:

Gegen dieses Urteil kann vonder beklagten Partei

R E V I S I O N

eingelegt werden.

Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.

Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich beim

Bundesarbeitsgericht

Hugo-Preuß-Platz 1

99084 Erfurt

Fax: 0361 2636 2000

eingelegt werden.

Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:

1 Rechtsanwälte,

2 Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

3 Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.

Eine Partei die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.

* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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