LAG Köln, Urteil vom 14.05.2019 – 4 Sa 755/17

Dezember 25, 2020

LAG Köln, Urteil vom 14.05.2019 – 4 Sa 755/17

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 02.08.2017 – 2 Ca 627/17 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 11.10.2016 nicht außerordentlich beendet wurde.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 851,61 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2016 zu zahlen.

3. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.348,39 EUR brutto abzüglich 682,72 EUR netto Arbeitslosengeld I nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2016 zu zahlen.

4. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.339,80 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2016 zu zahlen.

5. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.327,03 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2016 zu zahlen.

6. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten der ersten Instanz tragen die Parteien jeweils zur Hälfte. Die Kosten der Berufung tragen der Beklagte zu 80 Prozent und der Kläger zu 20 Prozent.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über Zahlungsansprüche aus einem beendeten Arbeitsverhältnis (Annahmeverzugslohn, Zuschläge für Nachtarbeit und Vergütung von Mehrarbeit).

Der am geborene Kläger war ab dem 01.05.2016 bei dem Beklagten als Omnibusfahrer beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete – hiervon ist nach den insoweit rechtskräftigen Feststellungen des Arbeitsgerichts auszugehen – aufgrund ordentlicher Kündigung des Beklagten mit Ablauf des 15.11.2016.

Der Beklagte betreibt ein Busunternehmen, das unter anderem als Subunternehmer für F im Fernlinienbusverkehr tätig ist.

Der zwischen den Parteien bestehende Arbeitsvertrag vom 21.04.2016 (Anlage zur Klageschrift, Blatt 6 ff. der Akte) trifft unter anderem folgende Regelungen:

“1.) Tätigkeitsbereich, Tätigkeitsvoraussetzungen und Arbeitszeit

(…)

c) Der Mitarbeiter ist zu Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit im zulässigen Umfang verpflichtet.

(…)

7.) Tätigkeitsvergütung

a) Der Monatspauschallohn beträgt brutto Euro 2.200,- + die gesetzl. Spesen

Mit dem Monatspauschallohn ist die gesamte tariflich zulässige Arbeitszeit einschließlich etwaiger Zuschläge des Mitarbeiters in dem Monat abgegolten. Es wird ein Lohn-Verrechnungskonto geführt.

Es ist eine 5 Tagewoche vereinbart. Dies entspricht im Jahr 5 Tage x 52 Wochen gleich 260 Tage pro Jahr. Abzüglich 20 Tage Urlaub abzüglich 11 Tage Feiertagsausgleich sind 229 Arbeitstage pro Jahr / entspricht 19,08 Tage pro Monat im Jahresdurchschnitt zu erbringen.

Verrechnungssätze werden auf Stunden-, Tages- oder Pendelpauschalen berechnet und jeweils vor Fahrt bekanntgegeben.

b) Die übertariflichen Leistungen werden freiwillig, jederzeit nach freiem Ermessen widerruflich gewährt.

(…)

11.) Besondere Vereinbarungen

Die Arbeitszeiten des Mitarbeiters werden auf einem speziellen Arbeitszeitkonto festgehalten und können in den Folgemonaten verrechnet werden.

(…)”

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Arbeitsvertrag vom 21.04.2016 Bezug genommen.

Hinsichtlich der sich dem Ausdruck der Fahrerkarte des Klägers für den Zeitraum 03.04.2016 bis 05.10.2016 ergebenden Tätigkeitsdaten (Lenkzeit, Ruhezeit, Bereitschaft, Arbeitszeit) wird auf den Inhalt des dem Schriftsatz des Beklagten vom 29.06.2018 beigefügten Ausdrucks der Fahrerkarte (Blatt 266 ff. der Akte) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 28.09.2016, welches dem Kläger am 06.10.2016 zuging, kündigte der Beklagte dem Kläger ordentlich zum 31.10.2016. Mit Schreiben vom 11.10.2016, welches dem Kläger am 12.10.2016 zuging, kündigte der Beklagte dem Kläger außerordentlich fristlos. Mit Schreiben vom 17.10.2016 kündigte der Beklagte dem Kläger ordentlich zum 15.11.2016.

In der Zeit vom 13.10.2016 bis zum 31.10.2016 bezog der Kläger Arbeitslosengeld in Höhe von 682,72 EUR netto.

Mit Schreiben vom 06.11.2016 (Anlage zur Klageschrift, Blatt 14 ff. der Akte) machte der Kläger gegenüber dem Beklagten erfolglos Vergütung sowie Spesen für den Monat Oktober 2016, Vergütung von Überstunden sowie Zuschläge für Nachtarbeit für den Zeitraum Mai 2016 bis September 2016 geltend.

Mit seiner am 23.11.2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Vergütung geleisteter Überstunden für den Zeitraum Mai 2016 bis September 2016, Zuschläge in Höhe von 25 Prozent für in diesem Zeitraum geleistete Nachtarbeit sowie Vergütung nebst Spesen für den Monat Oktober 2016 beansprucht.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, seine monatliche Arbeitszeit habe – ausgehend von einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35,25 Stunden – 152 Stunden und 38 Minuten betragen und sein Stundenlohn 13,89 EUR brutto. Die Parteien hätten im Arbeitsvertrag ausdrücklich eine Arbeitszeit von 19,08 Tagen pro Monat vereinbart; arbeitstäglich sei aufgrund der Regelung im Arbeitszeitgesetz von acht Stunden auszugehen. Hierfür spreche auch, dass der Beklagte selbst – dies ist zwischen den Parteien unstreitig – auf einem Datenstammblatt die für den Kläger entstehenden Kosten ausgehend von 152,6373333 Stunden pro Monat errechnet hat.

Hiervon ausgehend hat der Kläger unter Bezugnahme auf Aufzeichnungen zu seiner Arbeitszeit in den Monaten Mai 2016 bis September 2016 (Anlage zur Klageschrift, Blatt 9 ff. der Akte) behauptet, im Monat Mai 2016 86 Stunden und 14 Minuten Mehrarbeit geleistet zu haben (insgesamt 238 geleistete Stunden und 52 Minuten Arbeitszeit abzüglich 152 Stunden und 38 Minuten), davon 112 Stunden Nachtarbeit, im Monat Juni 2016 7 Stunden und 34 Minuten Mehrarbeit (insgesamt 160 geleistete Stunden und 12 Minuten Arbeitszeit abzüglich 152 Stunden und 38 Minuten), davon 56 Stunden Nachtarbeit, im Monat Juli 2016 56 Stunden und 18 Minuten Mehrarbeit (insgesamt 208 geleistete Stunden und 56 Minuten Arbeitszeit abzüglich 152 Stunden und 38 Minuten), davon 91 Stunden Nachtarbeit, im Monat August 2016 66 Stunden und 19 Minuten Mehrarbeit (insgesamt 218 geleistete Stunden und 57 Minuten Arbeitszeit abzüglich 152 Stunden und 38 Minuten), davon 91 Stunden Nachtarbeit und im Monat September 2016 45 Stunden und 31 Minuten Mehrarbeit (insgesamt 198 geleistete Stunden und neun Minuten Arbeitszeit abzüglich 152 Stunden und 38 Minuten), davon 56 Stunden Nachtarbeit.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 28.09.2016 noch durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 11.10.2016 beendet wird;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 17.10.2016 beendet wird;

3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht;

4. im Falle des Obsiegen mit den Anträgen zu 1. bis 3. den Beklagten zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Busfahrer weiter zu beschäftigen;

5. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.586,70 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.06.2016 zu zahlen;

6. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 299,56 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.07.2016 zu zahlen;

7. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.093,84 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.08.2016 zu zahlen;

8. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.237,14 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.09.2016 zu zahlen;

9. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 826,69 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.10.2016 zu zahlen;

10. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 2.200,00 EUR brutto sowie 48,00 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.11.2016 zu zahlen;

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass auf das Arbeitsverhältnis der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer des privaten Omnibusgewerbes des Landes Nordrhein-Westfalen vom 15.12.2015 Anwendung gefunden habe mit der Folge, dass die regelmäßige Arbeitszeit 38,5 Stunden betragen habe. Die Zeit, die der Kläger während der Fahrt neben dem Fahrer oder in einer Schlafkabine verbracht hat, sei keine Arbeitszeit bzw. allenfalls – wie von ihm vorgenommen – mit 50 Prozent als Arbeitszeit zu berechnen. Ausgehend hiervon habe der Kläger – so die Behauptung des Beklagten unter Bezugnahme auf eine Aufstellung zur Arbeitszeit des Klägers (Anlagenkonvolut B 6 zur Klageerwiderung vom 03.04.2017, Blatt 110 ff. der Akte) – in den streitgegenständlichen Monaten keine Überstunden erbracht; vielmehr habe der Kläger bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch das vertraglich vereinbarte Verrechnungskonto Minusstunden gehabt. Mit dem Monatspauschallohn ist nach Bewertung des Beklagten aber jedenfalls die gesamte tariflich zulässige Arbeitszeit abgegolten. Der Beklagte hat gemeint, dass aufgrund der Regelung in Ziffer 7 des Arbeitsvertrags schon dem Grunde nach kein Anspruch auf Nachtzuschlag besteht, dieser aber nach dem einschlägigen Tarifvertrag nur 15 Prozent betrage. Eventuelle Ansprüche für die Monate Mai, Juni und Juli 2016 seien nach den Verfallfristen des Tarifvertrags verfristet. Ein Lohnanspruch des Klägers für den Monat Oktober 2016 bestünde nicht.

Der Beklagte hat behauptet, anlässlich des Abschlusses des Arbeitsvertrages zwischen den Parteien sei erwähnt worden, dass damit der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer des privaten Omnibusgewerbes des Landes NRW in Bezug genommen wird.

Das Arbeitsgericht hat die außerordentliche Kündigung vom 11.10.2016 für unwirksam befunden und angenommen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund ordentlicher Kündigung des Beklagten mit Ablauf des 15.11.2016 beendet wurde. Als Vergütung für die Zeit vom 01.10.2016 bis 12.10.2016 hat das Arbeitsgericht 851,61 EUR brutto zugesprochen. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Hinsichtlich eines Vergütungsanspruchs für die Zeit ab dem 13.10.2016 habe der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger im Hinblick auf seinen Arbeitslosengeldbezug und die daraus resultierenden gesetzlichen Anspruchsübergänge seine Aktivlegitimation nicht dargelegt. Soweit der Kläger mit den Klageanträgen zu 5. bis 9. weitere Vergütung bzw. Nachtarbeitszuschläge begehrt, seien diese Klageanträge bereits unzulässig, da der Streitgegenstand nicht hinreichend bestimmt sei. Die Klageanträge seien aber auch unbegründet. Dem Vortrag des Klägers lasse sich nicht entnehmen, welche konkreten Überstunden er unter Berücksichtigung der arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeit geleistet haben will. Letztlich lege der Kläger bei seinen Berechnungen auch eine fehlerhafte Vertragsarbeitszeit zu Grunde. Die Parteien hätten im Arbeitsvertrag ausdrücklich die tariflich zulässige Arbeitszeit vereinbart. Damit sei die tariflich zulässige Höchstarbeitszeit gemeint. Dass der Kläger unter Zugrundelegung dieser Arbeitszeit Überstunden geleistet hat, sei ebenfalls nicht ersichtlich.

Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze wie auch auf das arbeitsgerichtliche Urteil Bezug genommen.

Gegen das dem Kläger am 29.08.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 22.09.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese am Montag, den 30.10.2017 begründet.

Der Kläger wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag. Insbesondere macht er auf Seiten 5 ff. der Berufungsbegründungsschrift (Blatt 163 ff der Akte) im Hinblick auf die behauptete Mehr- und Nachtarbeit im Einzelnen Ausführungen zum Inhalt der erstinstanzlich in Bezug genommenen Aufzeichnungen zu seiner Arbeitszeit in den Monaten Mai 2016 bis September 2016 (Anlage zur Klageschrift, Blatt 9 ff. der Akte).

Der Kläger beantragt zuletzt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 02.08.2017, 2 Ca 627/17, teilweise abzuändern und den Beklagten zu verurteilen

1. an den Kläger 1.586,70 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.06.2016 zu zahlen;

2. an den Kläger 299,56 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.07.2016 zu zahlen;

3. an den Kläger 1.093,84 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.08.2016 zu zahlen;

4. an den Kläger 1.237,14 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.09.2016 zu zahlen;

5. an den Kläger 826,69 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.10.2016 zu zahlen;

6. an den Kläger 1.348,39 EUR brutto abzüglich 682,72 EUR netto Arbeitslosengeld I nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.11.2016 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte meint, das Arbeitsgericht habe zu Recht die Ansprüche auf Überstundenvergütung und Nachtzuschläge abgewiesen. Der Beklagte behauptet im Hinblick auf die Daten der Fahrerkarte, in der Spalte “Bereitschaft” sei der Zeitraum wiedergegeben, in dem der Kollege des Klägers gefahren sei; der Kläger habe entweder auf dem Beifahrersitz gesessen oder sich in der Schlafkabine befunden. Mit Arbeitstätigkeiten sei er in diesem Zeitraum nicht beauftragt gewesen. In der Spalte “Arbeitszeit” seien die Zeiten des Klägers erfasst, in denen er Arbeitsleistungen erbracht habe, die keine Lenkzeiten gewesen seien, wie etwa die Reinigung des Fahrzeugs. Nach Auffassung des Beklagten sind nur die reine Lenkzeit und sonstige Arbeitszeit des Klägers zur Berechnung der Arbeitszeit zu berücksichtigen, weshalb der Kläger in dem streitgegenständlichen Zeitraum keine Überstunden geleistet habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Gründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig und in der Sache im Wesentlichen begründet.

I. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 b) ArbGG) und frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, §§ 519, 520 Abs. 1 ZPO).

II. Die Berufung des Klägers ist im Wesentlichen begründet. Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugslohn für die Zeit vom 13.10.2016 bis zum 31.10.2016 in Höhe von 1.348,39 EUR brutto abzüglich des für diesen Zeitraum erhaltenen Arbeitslosengeldes (682,72 EUR netto) sowie auf Zahlung von 2.327,03 EUR brutto für in der Zeit vom 01.05.2016 bis 30.09.2016 geleistete Überstunden sowie auf Zahlung von 1.339,80 EUR brutto als Zuschläge für in der Zeit vom 01.05.2016 bis 30.09.2016 geleistete Nachtarbeit. Im Übrigen – also im Hinblick auf die darüber hinaus vom Kläger für diesen Zeitraum geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung von Vergütung für Überstunden sowie von Zuschlägen für Nachtarbeit – war die Klage unbegründet.

1. Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten für die Zeit vom 13.10.2016 bis zum 31.10.2016 Anspruch auf Zahlung von Vergütung in Höhe von 1.348,39 EUR brutto abzüglich des für diesen Zeitraum erhaltenen Arbeitslosengeldes (682,72 EUR netto) gemäß § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag und § 615 Satz 1 BGB. Ausgehend von der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 11.10.2016 befand sich der Beklagte mit Zugang der Kündigung am 13.10.2016 in Annahmeverzug, §§ 293 ff. BGB.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB.

2. Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten Anspruch auf Zahlung von 2.327,03 EUR brutto für in der Zeit vom 01.05.2016 bis 30.09.2016 geleistete Überstunden. Zu vergüten sind die Zeiten, die der Kläger in den vorstehenden Monaten über eine monatliche Arbeitszeit von 166,7 Stunden hinaus erbracht hat. Diese Arbeitszeit ergibt sich bei Zugrundelegung einer betriebsüblichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden. Die Abgeltungsklausel im Arbeitsvertrag steht der Vergütungspflicht nicht entgegen. Dabei waren neben den Fahrerzeiten und sonstigen Arbeitszeiten auch die vom Kläger als Beifahrer im Bus verbrachten Zeiten (Bereitschaftszeiten) zu berücksichtigen und mit dem üblichen Stundenlohn (2.200,00 EUR brutto ./. 166,7 Stunden = 13,20 EUR brutto) zu vergüten. Im Hinblick auf die darüber hinaus vom Kläger für diesen Zeitraum geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung von Vergütung für Überstunden war die Klage unbegründet.

a) Als Überstunden zu vergüten sind die Zeiten, die der Kläger in den vorstehenden Monaten über eine monatliche Arbeitszeit von 166,7 Stunden hinaus erbracht hat. Diese monatliche Arbeitszeit ergibt sich – mangels Vereinbarung der Parteien zur Dauer der Arbeitszeit – bei Zugrundelegung einer betriebsüblichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden.

aa) Im Arbeitsvertrag der Parteien vom 21.04.2016 fehlt es an einer Vereinbarung zur Dauer der Arbeitszeit. Dies ergibt eine Auslegung des Arbeitsvertrags. Zu einer mündlichen Vereinbarung zur Dauer der Arbeitszeit haben die Parteien nicht vorgetragen.

(1) Die Auslegung des Arbeitsvertrags richtet sich nach den für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Auslegungsregeln. Bei den Regelungen des Arbeitsvertrags vom 21.04.2016 handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB).

(2) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss (BAG, Urteil vom 14.12.2016 – 7 AZR 797/14, Rn. 16 juris; BAG, Urteil vom 20.08.2014 – 10 AZR 453/13, Rn. 25 juris; Müller-Glöge in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2016, BGB § 611 Rn. 62; Preis: in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage 2019, BGB § 310 Rn. 31). Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG, Urteil vom 06.07.2011 – 4 AZR 706/09, Rn. 21 juris; Roloff in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 8. Auflage 2018, § 305c BGB Rn. 6).

(3) Ausgehend von diesen Kriterien lässt sich dem schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien keine Vereinbarung zur Dauer der Arbeitszeit entnehmen. In Ziffer 1.) des Arbeitsvertrags der Parteien vom 21.04.2016 mit der Überschrift “Tätigkeitsbereich, Tätigkeitsvoraussetzungen und Arbeitszeit” findet sich – anders als die Überschrift erwarten lässt – keine Regelung zur Dauer der Arbeitszeit. Vielmehr heißt es in Ziffer 1.) c) lediglich, dass der Mitarbeiter zu Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit im zulässigen Umfang verpflichtet ist, ohne dass dort definiert würde, was unter Mehrarbeit zu verstehen ist. Aber auch Ziffer 7.) des Arbeitsvertrags mit der Überschrift “Tätigkeitsvergütung” lässt sich auf Grundlage des Wortlauts der dortigen Regelungen sowie unter Berücksichtigung des Vertragswillens verständiger Vertragspartner keine Vereinbarung zur Dauer der Arbeitszeit entnehmen. Soweit es dort heißt, dass mit dem Monatspauschallohn die gesamte tariflich zulässige Arbeitszeit einschließlich etwaiger Zuschläge des Mitarbeiters abgegolten ist, steht dies nicht nur in Widerspruch zu der dann folgenden Regelung, wonach – bei fehlender Definition der Dauer der täglichen Arbeitszeit – eine 5-Tagewoche vereinbart ist, was im Jahr fünf Tage mal 52 Wochen gleich 260 Tagen pro Jahr entspreche und abzüglich 20 Tage Urlaub und elf Tage Feiertagsausgleich 229 Arbeitstage pro Jahr bzw. 19,08 Tage pro Monat im Jahresdurchschnitt zu erbringen sind. Hinzu kommt, dass die Formulierung “tariflich zulässige Arbeitszeit” an keiner Stelle des Arbeitsvertrags dahin konkretisiert wird, dass ein Tarifvertrag benannt würde. Schließlich setzt auch die Regelung in Ziffer 11.) unter der Überschrift “besondere Vereinbarungen”, wonach die Arbeitszeiten des Mitarbeiters auf einem speziellen Arbeitszeitkonto festgehalten werden und in den Folgemonaten verrechnet werden können, das Vorhandensein einer Regelung zur Dauer der Arbeitszeit voraus, ohne sie zu benennen.

(4) Soweit der Beklagte zur Berechnung der ihm entstehenden Kosten in von ihm erstellten Unterlagen wie einem Datenstammblatt für den Kläger eine Arbeitszeit von 152,6373333 Stunden monatlich zugrunde gelegt hat, vermag dies eine zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung zur Dauer der Arbeitszeit nicht zu ersetzen.

bb) Als betriebsübliche Arbeitszeit war die in Ziffer 7 (1) Satz 1 des Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmer des privaten Omnibusgewerbes des Landes Nordrhein-Westfalen vom 15.12.2015 geregelte regelmäßige Arbeitszeit von 38,5 Stunden wöchentlich zu Grunde zu legen.

(1) Haben die Parteien keine Regelung zur Dauer der Arbeitszeit getroffen, so ist anzunehmen, dass die Parteien die betriebsübliche Arbeitszeit vereinbaren wollen. Ein Mitarbeiter, der einen Arbeitsvertrag über ein Vollzeitarbeitsverhältnis abschließt, muss bei Fehlen einer ausdrücklichen arbeitsvertraglichen Regelung zum Umfang der Arbeitszeit mangels anderweitiger Anhaltspunkte redlicherweise davon ausgehen, dass er in gleichem Umfang wie andere Vollzeitarbeitnehmer des Arbeitgebers zur Arbeitsleistung verpflichtet und für ihn daher der betriebsübliche Umfang der für Vollzeitmitarbeiter geltenden Arbeitszeit maßgeblich ist (vgl. BAG, Urteil vom 15.05.2013 – 10 AZR 325/12, Rn. 21 juris).

(2) Mit Abschluss des Arbeitsvertrags vom 21.04.2016 haben die Parteien ein Vollzeitarbeitsverhältnis begründet. Die Vertragsbestimmungen enthalten keine Vereinbarung über ein Teilzeitarbeitsverhältnis. Bei Fehlen einer Teilzeitvereinbarung wird im Zweifel ein Vollzeitarbeitsverhältnis begründet (vgl. BAG, Urteil vom 15.05.2013 – 10 AZR 325/12, Rn. 19 juris).

(3) Mangels anderweitiger Anhaltspunkte war vorliegend als betriebsübliche Arbeitszeit die in Ziffer 7 (1) Satz 1 des Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmer des privaten Omnibusgewerbes des Landes Nordrhein-Westfalen vom 15.12.2015 geregelten regelmäßige Arbeitszeit von 38,5 Stunden wöchentlich zu Grunde zu legen und diese – ausgehend davon, dass die Parteien arbeitsvertraglich einen Monatslohn vereinbart haben – auf eine monatliche Arbeitszeit von 166,7 Stunden hochzurechnen. Vereinbaren die Parteien ein Monatsentgelt, muss der Arbeitnehmer dafür nämlich grundsätzlich gemäß § 611 Abs. 1 BGB Arbeit im Umfang der in einem Monat geschuldeten Arbeitszeit erbringen (BAG, Urteil vom 21.12.2016 – 5 AZR 362/16, Rn. 34 juris).

cc) Als Überstunden zu vergüten sind damit die Arbeitsstunden, die der Kläger in den streitgegenständlichen Monaten jeweils über eine monatliche Arbeitszeit von 166,7 Stunden hinaus gearbeitet hat. Die Regelung in Ziffer 11.) des Arbeitsvertrags, wonach die Arbeitszeiten des Mitarbeiters auf einem speziellen Arbeitszeitkonto festgehalten werden und in den Folgemonaten verrechnet werden können, lässt die Art und Weise der Ausgestaltung völlig offen und ist damit mangels Transparenz gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam. Eine Verrechnung mit Minusstunden ist vorliegend daher nicht möglich.

b) Der Vergütungspflicht steht auch nicht die Abgeltungsklausel in Ziffer 7 a) des Arbeitsvertrags entgegen. Die dortige Regelung, wonach mit dem Monatspauschallohn die gesamte tariflich zulässige Arbeitszeit einschließlich etwaiger Zuschläge des Mitarbeiters in dem Monat abgegolten ist, ist unwirksam, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Eine entsprechende Klausel zur Pauschalabgeltung sämtlicher geleisteter Arbeit ist mangels hinreichender Transparenz unwirksam (vgl. BAG, Urteil vom 20.04.2011 – 5 AZR 200/10, Rn. 14 ff. juris zur Pauschalabgeltung von Reisezeiten; Preis in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage 2019, § 310 BGB Rn. 92). So lässt der Arbeitsvertrag vorliegend schon offen, was überhaupt die regelmäßig geschuldete Arbeitszeit ist, so dass auch nicht erkennbar ist, welcher Teil der Pauschale Mehr- bzw. Überarbeit abgelten soll.

c) Zu der vergütungspflichtigen Arbeitszeit zählen neben den Fahrerzeiten und sonstigen Arbeitszeiten auch die vom Kläger als Beifahrer im Bus verbrachten Zeiten (Bereitschaftszeiten).

aa) Arbeit als Leistung der versprochenen Dienste im Sinne des § 611 Abs. 1 BGB ist nicht nur jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient. Arbeit in diesem Sinne ist vielmehr auch die vom Arbeitgeber veranlasste Untätigkeit, während derer der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz anwesend sein muss und nicht frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen kann, er also weder eine Pause im Sinne des Arbeitszeitgesetzes noch Freizeit hat (vgl. BAG, Urteil vom 21.12.2016 – 5 AZR 362/16, Rn. 31 juris). Nach § 21a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 ArbZG ist zwar für Arbeitnehmer, die sich beim Fahren abwechseln, die während der Fahrt neben dem Fahrer oder in einer Schlafkabine verbrachte Zeit abweichend von § 2 Abs. 1 ArbZG keine Arbeitszeit. Die Vorschrift enthält jedoch keine Modifizierung dessen, was unter Arbeit zu verstehen ist, und schließt eine Vergütung für die Arbeit als Beifahrer nicht aus (vgl. BAG, Urteil vom 20.04.2011 – 5 AZR 200/10, Rn. 19 ff.). § 21a ArbZG hat nur arbeitszeitschutzrechtliche Bedeutung und ist für die Vergütungspflicht des Arbeitgebers ohne Belang (BAG, Urteil vom 21.12.2016 – 5 AZR 362/16, Rn. 30 juris). Reisezeiten als Beifahrer können daher vergütungspflichtig sein, obwohl es sich hierbei nicht um Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinn handelt (Gäntgen in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 8. Auflage 2018, § 21a ArbZG, Rn. 6).

bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger auch während der als Beifahrer im Bus verbrachten Zeit gearbeitet. Er musste sich aufgrund der Arbeitseinteilung des Beklagten an seinem Arbeitsplatz, also in dem Bus, aufhalten und konnte nicht frei über die Nutzung seiner Zeit bestimmen.

cc) Soweit der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer des privaten Omnibusgewerbes des Landes Nordrhein-Westfalen vom 15.12.2015 gesonderte Regelungen zur arbeitszeitlichen Bewertung von Beifahrerzeiten trifft, finden diese Regelungen mangels Anwendbarkeit des Tarifvertrags auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung. Weder ist der Manteltarifvertrag arbeitsvertraglich in Bezug genommen, noch lässt sich der Behauptung der Beklagten, wonach anlässlich des Abschlusses des Arbeitsvertrags erwähnt worden sei, dass damit der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer des privaten Omnibusgewerbes des Landes Nordrhein-Westfalen in Bezug genommen wird, entnehmen, dass die Parteien die Anwendbarkeit des Tarifvertrags vereinbart hätten. Beiderseitige Tarifgebundenheit (§§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 Satz 1 TVG) behauptet der Beklagte ebenfalls nicht.

d) Die jeweils über eine monatliche Arbeitszeit von 166,7 Stunden hinaus gearbeiteten Stunden sind mit dem üblichen Stundenlohn (2.200,00 EUR brutto ./. 166,7 Stunden = 13,20 EUR brutto) zu vergüten.

aa) Bei Fehlen einer (wirksamen) Vergütungsregelung verpflichtet § 612 Abs. 1 BGB den Arbeitgeber, Überstunden zusätzlich zu vergüten, wenn deren Leistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist (vgl. BAG, Urteil vom 18.04.2012 – 5 AZR 195/11, Rn. 17 juris; vgl. BAG, Urteil vom 21.12.2016 – 5 AZR 363/16, Rn.15 juris; vgl. Preis in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage 2019, § 310 BGB Rn. 92 und § 612 Rn.16 ff.). Haben die Parteien arbeitsvertraglich als Normalvergütung eine Monatsvergütung vereinbart, ist diese auch für die Bezahlung von Überstunden maßgeblich (vgl. BAG, Urteil vom 21.12.2016 – 5 AZR 363/16, Rn. 36 juris).

bb) Hiervon ausgehend kann der Kläger auch für Beifahrertätigkeit die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung beanspruchen. Eine gesonderte Vergütungsregelung für die als Beifahrer verbrachte Zeit haben die Parteien nicht getroffen. Soweit der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer des privaten Omnibusgewerbes des Landes Nordrhein-Westfalen vom 15.12.2015 gesonderte Regelungen zur Vergütung von Beifahrerzeiten trifft, finden diese Regelungen auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung.

e) Unter Berücksichtigung der Darlegung des Klägers und den sich dem Ausdruck der Fahrerkarte des Klägers für den Zeitraum 03.04.2016 bis 05.10.2016 ergebenden Lenkzeiten, Bereitschaftszeiten und Arbeitszeiten hat der Kläger im Monat Mai 2016 58,99 Überstunden erbracht (225,69 Stunden minus 166,7 Stunden), im Monat Juni 2016 keine Überstunden erbracht, im Monat Juli 2016 34,04 Überstunden erbracht (200,74 Stunden minus 166,7 Stunden), im Monat August 51,87 Überstunden erbracht (218,57 Stunden minus 166,7 Stunden) und im Monat September 2016 31,39 Überstunden erbracht (198,09 Stunden minus 166,7 Stunden). Insgesamt sind somit 176,29 Überstunden mit einem Stundenlohn von 13,20 EUR brutto zu vergüten, also insgesamt 2.327,03 EUR brutto zur Vergütung von im streitgegenständlichen Zeitraum geleistete Überstunden vom Beklagten an den Kläger zu zahlen.

f) Soweit der Kläger behauptet hat, in einzelnen Monaten über die Daten der Fahrerkarte hinaus Arbeitszeit erbracht zu haben, hat er diesen Vortrag unter Bezugnahme auf die vorliegenden Daten der Fahrerkarte nicht weiter konkretisiert, so dass diese Stunden keine Berücksichtigung finden konnten. Auch im Hinblick auf den vom Kläger in Ansatz gebrachten höheren Stundenlohn war die Klage unbegründet.

g) Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB. Ausgehend von den arbeitsvertraglichen Regelungen zum Festhalten von Arbeitszeiten auf einem Arbeitszeitkonto hätte der Kläger bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses anstelle von Vergütung auch Freizeitausgleich beanspruchen können, weshalb Zinsen erst ab dem 01.12.2016 zuzusprechen waren.

3. Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten Anspruch auf Zahlung von 1.339,80 EUR brutto als Zuschläge für in der Zeit vom 01.05.2016 bis 30.09.2016 geleistete insgesamt 406 Nachtarbeitsstunden. Der Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG für die in Rede stehenden Nachtarbeitsstunden einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 25 Prozent zu zahlen. Die Nachtarbeit ist auch nicht wirksam mit dem Bruttomonatslohn pauschal abgegolten. Im Hinblick auf den vom Kläger in Ansatz gebrachten höheren Stundenlohn war die Klage insoweit unbegründet.

a) Der Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG für die in Rede stehenden Nachtarbeitsstunden einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 25 Prozent zu zahlen.

aa) Nach § 6 Abs. 5 ArbZG ist der Arbeitgeber, soweit eine tarifvertragliche Ausgleichsregelung nicht besteht, verpflichtet, dem Nachtarbeitnehmer (§ 2 Abs. 5 ArbZG) für die während der Nachtzeit (§ 2 Abs. 3 ArbZG) geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Anzahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren. Der Arbeitgeber kann wählen, ob er den Ausgleichsanspruch durch Zahlung von Geld, durch bezahlte Freistellung oder durch eine Kombination von beidem erfüllt. Die gesetzlich begründete Wahlschuld (§ 262 BGB) konkretisiert sich auf eine der geschuldeten Leistungen erst dann, wenn der Schuldner das ihm zustehende Wahlrecht nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ausübt. Dabei stellt regelmäßig ein Zuschlag in Höhe von 25 Prozent auf den jeweiligen Bruttostundenlohn bzw. die Gewährung einer entsprechenden Anzahl von bezahlten freien Tagen einen angemessenen Ausgleich für geleistete Nachtarbeit im Sinne von § 6 Abs. 5 ArbZG dar (BAG, Urteil vom 09.12.2015 – 10 AZR 423/14, Rn. 15 f. juris).

bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen war vorliegend davon auszugehen, dass ein Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 25 Prozent angemessen ist. Anhaltspunkte, die dafür sprechen könnten, dass die Belastung durch die streitgegenständliche Nachtarbeit im Vergleich zum Üblichen geringer war (vgl. BAG, Urteil vom 09.12.2015 – 10 AZR 423/14, Rn. 28 juris), sind nicht vorgebracht.

cc) Der von dem Beklagten herangezogene Tarifvertrag findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nach den vorstehenden Ausführungen gerade keine Anwendung, so dass der dort geregelte Nachtarbeitszuschlag von 15 Prozent nicht maßgeblich ist. Denn tarifvertragliche Ausgleichsregelungen sind für die Bestimmung der Angemessenheit des Ausgleichs nach § 6 Abs. 5 ArbZG nur nachrangig zu beachten; findet ein Tarifvertrag keine Anwendung auf das Arbeitsverhältnis, scheidet ein unmittelbarer Rückgriff auch auf nach dem Geltungsbereich an sich einschlägige tarifliche Regelungen aus. Denn bei tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen handelt es sich typischerweise um Teile eines “Gesamtpakets”, so dass die Höhe einer einzelnen Leistung für die Beurteilung der Angemessenheit im Sinne von § 6 Abs. 5 ArbZG nur begrenzt aussagekräftig ist (vgl. BAG, Urteil vom 09.12.2015 – 10 AZR 423/14, Rn. 31 juris).

b) Entgegen der Bewertung des Beklagten ist die Nachtarbeit nach den Regelungen des Arbeitsvertrags nicht wirksam mit dem Bruttomonatslohn pauschal abgegolten. Zwar heißt es in Ziffer 7 a) des Arbeitsvertrags, dass mit dem Monatspauschallohn die gesamte tariflich zulässige Arbeitszeit einschließlich etwaiger Zuschläge des Mitarbeiters in dem Monat abgegolten ist. Unabhängig von der Frage der Wirksamkeit dieser Vertragsklausel nach Maßstab der Regelungen der §§ 305 ff. BGB fehlt es in dem Arbeitsvertrag der Parteien bereits an der insoweit erforderlichen Unterscheidung zwischen der Grundvergütung und dem – zusätzlichen – Nachtarbeitszuschlag; ein Bezug zwischen der zu leistenden Nachtarbeit und der Lohnhöhe lässt sich nicht herstellen (vgl. BAG Urteil vom 31.08.2005 – AZR 545/04, Rn. 34 juris).

c) Nach den Darlegungen des Klägers, die der Beklagte nicht hinreichend bestritten hat, war davon auszugehen, dass der Kläger als Nachtarbeitnehmer im Sinne von § 2 Abs. 5 ArbZG im Monat Mai 2016 112 Stunden, im Monat Juni 2016 56 Stunden, im Monat Juli 2016 91 Stunden, im Monat August 91 Stunden und im Monat September 2016 56 Stunden Nachtarbeit im Sinne des § 2 Abs. 3 ArbZG geleistet hat. Diese insgesamt vom Kläger im vorgenannten Zeitraum geleisteten 406 Nachtarbeitsstunden sind – ausgehend von einem Stundenlohn in Höhe von 13,20 EUR brutto und einem Zuschlag von 25 Prozent – mit 1.339,80 EUR brutto zu vergüten (406 x 13,20 ./. 4). Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist ein Ausgleich durch bezahlte Freistellung unmöglich geworden (§ 275 Abs. 1 BGB), weshalb insofern kein Wahlrecht des Beklagten mehr bestand, der Ausgleichsanspruch also durch Zahlung von Geld zu erfüllen ist.

d) Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB. Wegen des Wahlrechts des Arbeitgebers, den Ausgleichsanspruch durch Zahlung von Geld, durch bezahlte Freistellung oder durch eine Kombination von beidem zu erfüllen, trat Verzug erst mit dem ersten Abrechnungsstichtag nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein.

III. Die Kosten der Berufung waren gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO verhältnismäßig zu teilen. Die Kosten der ersten Instanz waren gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO verhältnismäßig zu teilen.

IV. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, weil die Entscheidung auf den besonderen Umständen des Einzelfalles beruht.

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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