LAG München, Urteil vom 09.07.2020 – 7 Sa 444/20

Mai 25, 2021

LAG München, Urteil vom 09.07.2020 – 7 Sa 444/20

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 05.03.2020 – 33 Ca 7766/19 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung und dabei über die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes.

Der Kläger war seit 01.12.2016 bei der Beklagten als Lagermitarbeiter mit einem Bruttomonatsgehalt iHv. zuletzt € 3.150,00 beschäftigt, zunächst befristet und ab 01.12.2017 unbefristet. Die Einstellung und die Entfristung des Klägers erfolgte auf ausdrücklichen Wunsch des langjährigen Betriebsleiters und Prokuristen der Beklagten, Herrn L., dem ehemaligen Schwager des Klägers. Mit einem Schreiben vom 21.06.2019 (Bl. 13 d. A.), das dem Kläger am 27.06.2019 übergeben wurde, kündigte die Beklagte dem Kläger zum 31.07.2019. Zum Zeitpunkt der Kündigung waren bei der Beklagten, die zwei Fremdgeschäftsführer hat, die folgenden Arbeitnehmer in Vollzeit beschäftigt:

der Kläger,

Herr C.,

Herr B.,

Herr L. bis zum 31.08.2019 als Betriebsleiter,

Herr F. und Frau M. im Büro;

Weiter waren beschäftigt:

Frau X. im Büro mit 31 Wochenstunden,

Herr N. als Elektriker bzw. Techniker geringfügig beschäftigt,

Herr Y. in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis,

Frau Z. im Büro in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis, wobei der genaue Umfang der Wochenarbeitsstunden zwischen den Parteien streitig blieb.

Daneben erledigte Frau P., Geschäftsführerin einer W. GmbH, die Buchhaltung für die Beklagte. Weiter waren bei der Beklagten immer wieder auch Praktikanten tätig.

Für das Aufgabengebiet des Klägers stellte die Beklagte zum 01.08.2019 eine Arbeitnehmerin, die einen Fahrausweis für Flurförderfahrzeuge besitzt, neu ein und insgesamt beschäftigte die Beklagte seit dem Ausscheiden des Klägers zwei neue Mitarbeiter.

Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht vorgetragen, bei der Beklagten sei als weiterer Mitarbeiter ein Herr Ö. tätig gewesen und dass die Beklagte stets ein bis zwei Praktikanten beschäftigt habe. Außerdem sei Frau Z. auf Grund ihrer Anwesenheitszeiten im Umfang von 0,75 iSd. § 23 KSchG zu berücksichtigen. Der Kläger hat sich darauf berufen, dass das Kündigungsschutzgesetz anwendbar sei und dass auch die Geschäftsführer als Arbeitnehmer zu berücksichtigen seien und dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt gemäß § 1 Abs. 1, 2 KSchG sei. In jedem Fall werde durch die gleichzeitige Neueinstellung einer Arbeitnehmerin im gleichen Aufgabengebiet gegen das nach Art. 12 GG gebotene Mindestmaß sozialer Rücksichtnahme verstoßen, zumal auch er im Besitz eines Fahrausweises für Flurförderfahrzeuge sei.

Vor dem Arbeitsgericht hat der Kläger zuletzt beantragt,

Es wird festgestellt, dass die von der Beklagten mit Schreiben vom 21. Juni 2019 erklärte Kündigung, zugegangen am 27.6.2019, unwirksam ist und das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht beendet hat.

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt

Die Beklagte hat vorgetragen, dass Herr Ö. selbst Unternehmer sei und als Vorsitzender der Gebäudereiniger-Innung nicht bei der Beklagten beschäftigt sei und dass Frau Z. geringfügig beschäftigt werde. Dazu hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 31.01.2020 eine Lohnabrechnung für Frau Z. für Juli 2019 vorgelegt, aus der sich ein monatliches Entgelt von € 450,00 sowie ein Jahresbetrag von € 3150,00 ergab. Über das gesamte Jahr gesehen sei nicht immer mindestens ein Praktikant anwesend gewesen und bei den Praktikanten habe es sich um Schülerpraktikanten gehandelt. Während des Beschäftigungsverhältnisses mit dem Kläger sei es zu Missstimmungen gekommen, denn dieser habe häufig die Mitarbeiterinnen im Büro, Frau M. und Frau X., zu Tätigkeiten im Lager herangezogen und Kunden nur nach eigenem Belieben bedient. Aufgrund der unfreundlichen und unwilligen Art des Klägers hätten die meisten Kunden nicht gewollt von ihm bedient zu werden und nach der Eigenkündigung von Herrn L. habe sich die Beklagte nicht mehr an das Gefälligkeitsverhältnis gebunden gefühlt. Sie hat darauf verwiesen, dass mit dem Personalwechsel neuer Schwung in die Belegschaft gebracht werden sollte. Die Beklagte hat weiter darauf verwiesen, dass bei ihr weniger als zehn Arbeitnehmer iSd. § 23 Abs. 1 KSchG beschäftigt seien und dass es sich bei den Praktikanten um solche handle, die nach § 26 BBiG in den Ausnahmekreis einzubeziehen seien und als Schülerpraktikanten und nicht als Arbeitnehmer zu gelten hätten. Die Fremdgeschäftsführer seien lediglich in den Anwendungsbereich des AGG einbezogen und schließlich habe allein eine Neueinstellung nicht das Vorliegen eines Treueverstoß gerechtfertigt.

Zum weiter erstinstanzlichen Vorbringen der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften vom 19.09.2019 und vom 31.01.2020 Bezug verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis des Klägers mangels entsprechender Beschäftigtenzahl bei der Beklagten nicht anwendbar gewesen sei, und dass sich eine Unwirksamkeit der Kündigung auch nicht aus einem gebotenen Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme nach §§ 138, 242 BGB ergeben habe.

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass bei der Beklagten in der Regel nur 8,5 Arbeitnehmer beschäftigt waren. Unstreitig seien einschließlich des Klägers sechs Arbeitnehmer in Vollzeit beschäftigt gewesen und Frau X. sei mit 31 Wochenstunden gemäß § 23 Abs. 1 S. 4 KSchG als volle Arbeitnehmerin zu werten gewesen. Frau M. sowie Herr N. seien aufgrund ihres geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses nach § 23 Abs. 1 S. 4 KSchG jeweils mit 0,5 zu berücksichtigen gewesen. Frau P. habe als Geschäftsführerin der W. GmbH die Buchhaltung für die Beklagte erledigt und Anhaltspunkte dafür, dass sie – als wesentliche Voraussetzung für die Arbeitnehmereigenschaft – in den Betrieb der Beklagten eingegliedert gewesen sei, seien weder vorgetragen worden noch ersichtlich gewesen. Frau Z. sei nur als geringfügige Beschäftigte mit 0,5 zu bewerten gewesen, da der Kläger seiner Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich einer umfassenderen Beschäftigung nicht nachgekommen sei. Der Kläger habe auch nicht nachgewiesen, dass Herr Ö. als weiterer Mitarbeiter der Beklagten zu berücksichtigen gewesen sei. Der beweisbelastete Kläger habe darüber hinaus nicht nachgewiesen, dass zu den Praktikanten regelmäßig ein im Rahmen von § 23 KSchG berücksichtigungsfähiges Arbeitsverhältnis bestanden habe. Die beiden Fremdgeschäftsführer der Beklagten seien für die Berechnung des Schwellenwerts nach § 23 Abs. 1 KSchG ebenfalls nicht heranzuziehen gewesen, da sie als leitende Angestellte gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG nicht als Arbeitnehmer iSd. KSchG gelten würden. Als GmbH-Geschäftsführer nach § 35 Abs. 1 GmbHG seien die Geschäftsführer der Beklagten unter § 14 Abs. 1 KSchG gefallen und es habe für sie die negative Fiktion, dass sie im Rahmen des Kündigungsschutzgesetzes nicht als Arbeitnehmer gelten, gegolten. Das Arbeitsgericht hat dazu weiter ausgeführt, dass diese Fiktion auch dem Sinn und Zweck der Kleinbetriebsregelung in § 23 KSchG gerecht würde, da die erleichterte Kündigungsmöglichkeit im Kleinbetrieb einem engeren Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Rechnung tragen solle und der Arbeitgeber eines Kleinbetriebs insofern als schutzwürdiger angesehen werde. Weiter hat das Arbeitsgericht darauf verwiesen, dass auch wenn der (Fremd-)Geschäftsführer aufgrund der allumfassenden Regelungszuständigkeit der Gesellschafter in allen Angelegenheiten der Gesellschaft den Weisungen der Gesellschafter unterworfen sei, dies grundsätzlich zunächst nicht arbeitsrechtlich, sondern gesellschaftsrechtlich bedingt sei und dass damit die Fremdgeschäftsführer gerade nicht die Zahl an Arbeitnehmern, erhöhen würden. Dass im Rahmen von § 17 KSchG nach der Rechtsprechung des EuGH Geschäftsführer als Arbeitnehmer anzusehen seien habe dem nicht entgegengestanden, da § 17 KSchG auf der Massenentlassungsrichtlinie 98/59/EG beruhe, ein anderer Schutzzweck verfolgt werde und insofern eine unionsrechtsautonome Begriffsbestimmung zum Tragen komme, die aber keine Ausweitung dieses europarechtlichen Arbeitnehmerbegriffs auf das gesamte Kündigungsschutzgesetz anzeige, denn die Vorschriften des ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes dienten nicht der Durchführung von Unionsrecht und es bestünde auch keine unionsrechtliche Regelung, die den Bereich des allgemeinen Schutzes vor der Beendigung von Arbeitsverhältnissen außerhalb der durch Richtlinien geregelten Bereiche wie Massenentlassung, Betriebsübergang (RL 2001/23/EG), Mutterschutz oder Schutz vor Diskriminierung im Sinne des RL 2000/78/EG zum Gegenstand habe. Weiter hat das Arbeitsgericht auch verneint, dass sich eine Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung aus einem Verstoß gegen das Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme nach §§ 138, 242 BGB ergeben habe. Zur Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB habe der Kläger nicht ausreichend vorgetragen. Die bloße Tatsache, dass der Arbeitsplatz des Klägers anderweitig besetzt worden sei, habe seine Kündigung nicht sittenwidrig erscheinen lassen, denn die Neubesetzung sei lediglich die Folge der Kündigung gewesen. Darüber hinaus habe es nach den Darlegungen der Beklagten Missstimmungen in der Belegschaft gegeben, die auf dem insoweit unstreitigem Verhalten des Klägers beruht hätten, nämlich anderen Arbeitnehmern Arbeit “anzuschaffen”, ohne deren Vorgesetzter zu sein und sich so gleichsam als Chef aufzuspielen. Der Wunsch der Beklagten, durch die Kündigung des Klägers, diese Missstimmungen zu beseitigen und durch die Neueinstellung “neuen Schwung” in die Belegschaft zu bringen, habe nicht gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßen. Gerade im Kleinbetrieb, in welchem dem Arbeitgeber ein erhöhtes Maß an Schutzwürdigkeit zugesprochen werde, sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung von Arbeitsverhältnissen mit solchen Personen anzuerkennen, mit welchen sich die persönliche Zusammenarbeit als schwierig gestalte. Die Beklagte habe auch nicht etwa den Kläger in “Sippenhaft” genommen, denn dass sich die Beklagte nach der Eigenkündigung des Herrn L. nicht mehr durch etwaige persönliche Beziehungen an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers aufgrund der dargelegten Gründe gehindert sah, sei nicht verwerflich gewesen. Die streitgegenständliche Kündigung habe auch nicht gegen Treu und Glauben iSv. § 242 BGB verstoßen, da der Kläger auch hierzu nicht ausreichend vorgetragen habe, dass die Kündigung auf willkürlichen Motiven beruht habe. Eine grob sozialwidrige Auswahl unter mehreren Arbeitnehmern sei nicht geltend gemacht worden und auch ein in langjähriger Mitarbeit wurzelndes Vertrauensverhältnis habe der Kläger nicht dargelegt und die bloße Dauer der Betriebszugehörigkeit von nur zwei Jahren acht Monaten habe jedenfalls kein besonderes Vertrauensverhältnis erkennen lassen, zumal im Übrigen der Kläger lediglich vorgetragen habe, dass es keinen sachlichen oder nachvollziehbaren Grund für die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses gegeben habe. Die bloße Tatsache, dass der Arbeitsplatz des Klägers anderweitig besetzt worden sei – und sei es im Hinblick auf den Flurförderfahrzeugschein auch mit einer gleichqualifizierten Arbeitnehmerin -, habe seine Kündigung nicht treuwidrig gemacht, denn auch hier sei im Kleinbetrieb dem Wunsch der Beklagten Rechnung zu tragen gewesen, durch die Kündigung des Klägers, mit dem es bereits zu Missstimmungen gekommen war, und die damit verbundene Neueinstellung “neuen Schwung” in die Belegschaft zu bringen. Ein willkürliches oder sachfremdes Motiv habe darin gerade nicht gelegen, vielmehr habe ein ausreichender Bezug zum Beschäftigungsverhältnis bestanden, da die Beklagte vorgetragen habe, dass die Missstimmungen gerade auf dem Verhalten des Klägers im Betrieb beruht hätten.

Hinsichtlich der Begründung im Einzelnen wird auf die Seiten 5 – 13 (Bl. 44 – 52 d. A.) des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

Gegen dieses Urteil vom 05.03.2020, das dem Kläger am 12.03.2020 zugestellt wurde, hat dieser mit einem am 06.04.2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die er zugleich mit diesem Schriftsatz begründet hat.

Der Kläger meint, das Urteil des Arbeitsgerichts halte einer rechtlichen Überprüfung nicht stand, denn zum einen könne der Kläger für sich den Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz in Anspruch nehmen, da bei der Beklagten mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt seien und in jedem Falle sei die Kündigung auch rechtsunwirksam, da sie gegen die Gebote von Treu und Glauben und somit gegen den Mindestkündigungsschutz im Kleinbetrieb verstoße. Der Kläger trägt hierzu vor, dass es zwar zutreffend sein mag, dass bei der Beklagten die namentlich angeführten 8,5 Arbeitnehmer beschäftigt seien, rechtsfehlerhaft sei aber, dass die unstreitig beschäftigten zwei Fremdgeschäftsführer nicht als weitere iSd. § 23 Abs. 1 KSchG zu berücksichtigende Arbeitnehmer angesehen würden, da insbesondere nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Fremdgeschäftsführer als Arbeitnehmer zu werten seien. Der Kläger rügt, dass das Arbeitsgericht zwei voneinander zu trennende Fragenkomplexe verwechsle, denn § 14 KSchG treffe nur eine Aussage zu der Frage, ob ein Geschäftsführer sich selbst auf den Schutz des Kündigungsschutzgesetzes berufen könne, worum es vorliegend aber gerade nicht gehe: Es sei aber allein die Frage zu beantworten, ob die Beschäftigung eines Fremdgeschäftsführers bei der Anzahl der in der Regel Beschäftigten iSd. § 23 KSchG zu berücksichtigen sei. Maßgeblich sei dabei, dass der GmbH-Fremdgeschäftsführer keinesfalls als Arbeitgeber angesehen werden könne, weil die GmbH gleichermaßen gegenüber dem Fremdgeschäftsführer wie gegenüber dem Arbeitnehmer dessen Arbeitgeber sei. Zudem sei die gebotene Gleichbeurteilung von Arbeitnehmer und Fremdgeschäftsführer im Sozialversicherungsrecht schon immer vollzogen worden und der Fremdgeschäftsführer werde im Sozialversicherungsrecht als Beschäftigter angesehen und unterliege somit der Betragspflicht im Rahmen der Sozialversicherung. Der Kläger meint aber weiter auch, dass die streitgegenständliche Kündigung sich als rechtsunwirksam erweise, auch wenn das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung fände, denn der Kündigungsschutz werde dann durch die zivilrechtlichen Generalklauseln gewährt und der Arbeitnehmer nach den Grundsätzen von Treu und Glauben vor einer sitten- oder treuwidrigen Kündigung geschützt. Vorliegend handele es sich um eine den Grundsätzen von Treu und Glauben widersprechende Kündigung, denn die Beklagte trage zu den Motiven ihrer Kündigung vor, dass nach dem Ausscheiden des Herr L., der den Kläger eingestellt habe und mit dem der Kläger in einem Verwandtschaftsverhältnis als Schwager stand, sich die Beklagte nicht mehr an dieses Gefälligkeitsverhältnis gebunden gefühlt habe und mit dem Wechsel in der Person des Betriebsleiters zusätzlich durch einen Personalwechsel neuer Schwung in die Belegschaft gebracht werden sollte. Dazu meint der Kläger, dass wenn es künftig als legitim und nicht richtigerweise als willkürlich und treuwidrig angesehen würde, die Kündigung im Kleinbetrieb darauf stützen zu können, nach dem Ausscheiden eines Arbeitnehmers auch dessen Verwandte gleich entsorgen zu wollen oder durch Entlassungen und Neubesetzungen neuen Schwung in die Belegschaft bringen zu wollen, von einem Mindestkündigungsschutz im Kleinbetrieb, den sowohl das Bundesverfassungsgericht wie auch das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung einforderten, keine Rede mehr sein könne. Das Arbeitsverhältnis sei eben kein Gefälligkeitsverhältnis wie die Beklagte es annehme und ein Mindestkündigungsschutz im Kleinbetrieb sei jedenfalls richtigerweise nicht so zu interpretieren, dass jedes Motiv des Arbeitgebers für eine Kündigung hinzunehmen sei. Es sei auch darauf hinzuweisen, dass der Kläger den von der Beklagten angeführten Fahrausweis für Flurförderfahrzeuge auch selbst besitze. Soweit die Beklagte glaubt dem Kläger vorhalten zu können, er habe den im Büro tätigen Mitarbeiterinnen M. und Frau X. zu Tätigkeiten im Lagerraum gezwungen und sich dadurch wie ein Chef aufgespielt, sei der Kläger diesem Vortrag erheblich entgegengetreten. Der Kläger mag bei der Beklagten ursprünglich als Lagermitarbeiter eingestellt worden sein, sei aber zuletzt auf der Internetseite der Beklagten als Logistikleiter geführt und habe sich aus diesem Grund als berechtigt angesehen, Frau M. und Frau X. im Einzelfall und zur Vermeidung längerer Wartezeiten von Kunden zu bitten, zu seiner Unterstützung zur Kundenbetreuung tätig zu werden. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts seien die von der Beklagten vorgetragenen Motive für die Kündigung, Entsorgung des Klägers nach Ausscheiden seines Schwagers sowie das Vorhaben, neuen Schwung in die Belegschaft durch Austausch seiner Person bringen zu wollen, als treu- und sittenwidrige Ausübung des Kündigungsrechts zu werten. Schließlich verweist der Kläger darauf, dass es nicht zutreffend sei, dass er die Mitarbeiterinnen M. und X. zu Tätigkeiten im Lagerraum gezwungen habe und sich während der Abwesenheit des Prokuristen L. als Chef aufgespielt habe und dass es Beschwerden von Kunden über seine unfreundliche und unbillige Art gegeben habe. Er könne jedenfalls für sich in Anspruch nehmen, gegenüber allen Kollegen und Kolleginnen bei der Beklagten kollegial, auch in Stresssituationen, in einem Team zusammengearbeitet zu haben, das sich gegenseitig stets unterstützt habe und er habe mit keinem der Kollegen persönliche Probleme gehabt. Auch habe er zu den Kunden stets ein gutes Verhältnis gehabt und sei von diesen für seine Fachkunde geschätzt worden. So habe der Kunde U. aus E. bei der Beklagten nach langen Verhandlungen, in denen der Kunde extra die Beratung des Klägers haben wollte, eine Maschine für 80.000 € gekauft. Das gute Verhältnis des Klägers zu den Kunden der Beklagten könne auch durch eine Vielzahl weiterer konkreter Beispiele und Kundennamen belegt werden, wobei sich insbesondere die Kunden der Gebäudereinigung V. beim Kläger für die gute Zusammenarbeit bedankt hätten und Gleiches habe für Herr T. von der Fa. T. gegolten. Und schließlich habe er noch sechs Monate vor seiner Kündigung eine Gehaltserhöhung erhalten, was sicherlich nicht aufgrund einer Unzufriedenheit mit ihm oder wegen Kundenbeschwerden erfolgt sei.

Der Kläger beantragt,

Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 05.03.2020 – Az.: 33 Ca 7766/19 – abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die von der Beklagten mit Schreiben vom 21. Juni 2019 erklärte Kündigung, zugegangen am 27.6.2019, unwirksam ist und das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht beendet hat.

Die Beklagte beantragt

die Zurückweisung der Berufung.

Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Sie sieht keinen rechtlichen Anhaltspunkt dafür, dass ihre Fremdgeschäftsführer als Arbeitnehmer iSd. § 23 Abs. 1 KSchG zu werten seien und rügt, dass der Kläger übersehe, dass das Bundesarbeitsgericht in dem auch vom Kläger wiederholt zitierten Beschluss vom 21.01.2019 – 9 AZB 23/18 – die Eigenschaft des Fremdgeschäftsführers als arbeitgeberähnliche Person bestätigt habe. Die Fremdgeschäftsführer bei der Beklagten seien auch nicht für die Beklagte weisungsgebunden wie Arbeitnehmer oder Leiharbeitnehmer und die Annahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung des Geschäftsführers iSd. Sozialversicherungsrechts erfolge nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts danach, ob der Geschäftsführer beschäftigt oder selbstständig sei, was sich wiederum danach richte, ob er am Gesellschaftskapital beteiligt sei. Das Ergebnis lasse jedoch keine Rückschlüsse darauf zu, ob der Geschäftsführer Arbeitnehmer iSd. Arbeitsrechts sei. Bei der streitgegenständlichen Kündigung könne auch keine Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB noch ein Verstoß gegen Treu und Glauben angenommen werden. Weder liege ein besonders krasser Verstoß gegen ein ethisches Minimum vor, noch beruhe die Kündigung auf willkürlichen oder sachfremden Motiven. Aufgrund der kurzen Beschäftigungsdauer von zwei Jahren und acht Monaten bestünde schon kein besonderes Vertrauensverhältnis. Die Beklagte wollte auch nicht den Kläger als Verwandten des ausgeschiedenen Betriebsleiters “mit entsorgen”, sondern sie habe dargelegt, dass es während des Beschäftigungsverhältnisses zu erheblichen Missstimmungen zwischen dem Kläger und weiteren Arbeitnehmern gekommen sei. Unstreitig habe der Kläger die Mitarbeiterinnen im Büro Frau M. und Frau X. zu Tätigkeiten im Lager herangezogen und sich während der Abwesenheit des Prokuristen als Chef aufgespielt. Beschwerden habe es auch von Seiten der Kunden über seine unfreundliche und unwillige Art gegeben und insbesondere sein unkollegiales Verhalten habe die Beklagte schlussendlich zum Ausspruch der Kündigung veranlasst. Damit sei ausreichend ersichtlich, dass die Beklagte die Kündigung nicht auf willkürliche oder sachfremde Motive stütze, denn allein vor solchen Kündigungen solle ein Arbeitnehmer im Kleinbetrieb nach Art. 12 GG geschützt werden. Dieses sog. Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme führe allerdings nicht dazu, dass die Beklagte einen Sachgrund für die Kündigung wie bei der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes darzulegen habe und beweisen müsse. Vielmehr habe der Kläger einen Treuverstoß darzulegen und ggf. nachzuweisen, was aber nicht erfolgt sei. Zusammenfassend verweist die Beklagte darauf, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Kündigung selbst dann nicht unwirksam wäre, wenn der Kläger sämtliche Gründe, die der Kündigung zugrunde liegen, widerlegen könnte.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze vom 06.04.2020 (Bl. 57 – 62 d. A.), 08.05.2020 (Bl. 73 – 77 d. A.), 05.06.2020 (Bl. 78 – 80 d. A.) und vom 29.06.2020 (Bl. 82 – 85 d. A.) samt ihren Anlagen verwiesen. Des Weiteren wird insbesondere zur Prozessgeschichte auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Sitzungsniederschrift vom 09.07.2020 (Bl. 86 – 88 d. A.) verwiesen.
Gründe

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien mangels entsprechender Beschäftigtenzahl bei der Beklagten das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar ist und dass die Kündigung auch nicht treu- oder sittenwidrig ist. Die dem Kläger am 27.06.2019 zugegangene Kündigung hat das Arbeitsverhältnis der Parteien gemäß § 622 Abs. 2 Nr. 1 BGB mit Ablauf des 31.07.2019 aufgelöst. Zunächst wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts, insbesondre zum Nichtvorliegen einer Treuoder Sittenwidrigkeit der streitgegenständlichen Kündigung, verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Im Hinblick auf die Berufungsangriffe sind die folgenden Ausführungen veranlasst:

A. Entgegen der Ansicht des Klägers unterliegt die streitgegenständliche Kündigung nicht dem Prüfungsmaßstab nach dem Kündigungsschutzgesetz, denn dieses kommt nicht zur Anwendung, da bei der Beklagte nicht mehr als 10 Personen beschäftigt sind (§ § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG).

1. Der Kläger hat mit seinem Berufungsvorbringen die Feststellungen des Arbeitsgerichts, dass bei der Beklagten ohne Miteinbeziehung der zwei Fremdgeschäftsführer lediglich 8,5 Personen iSv. § 23 Abs. 1 Sätze 3 und 4 KSchG beschäftigt sind, nicht mehr in Frage gestellt. Mit seinem Berufungsvorbringen hat der Kläger zur Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes ausschließlich nur noch darauf abgestellt, dass die beiden Fremdgeschäftsführer der Beklagten als Arbeitnehmer zu gelten haben und insoweit der erforderliche Schwellenwert von 10 Arbeitnehmern für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes überschritten ist.

2. Entgegen der Ansicht des Klägers gelten die beiden Fremdgeschäftsführer der Beklagten nicht als Arbeitnehmer.

a) Für die Bejahung bzw. Nichtbejahung einer Arbeitnehmereigenschaft ist es sach gerecht und auch konsequent die Vorschrift des § 14 Absatz 1 Nr. 1 KSchG heranzuziehen, wonach die Vorschriften des ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes nicht gelten in Betrieben einer juristischen Person für die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist, mit der Folge, dass die beiden Fremdgeschäftsführer der Beklagten nicht als Arbeitnehmer zu gelten haben. Eine andere Betrachtungsweise hätte einen nicht zu begründenden Wertungswiderspruch zur Folge, denn es wäre inkonsequent einerseits einem Fremdgeschäftsführer einen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz, wie gesetzlich geregelt, zu verneinen, zum anderen aber diese Person ohne Kündigungsschutz bei der Berechnung der Beschäftigtenzahl nach § 23 Abs. 1 KSchG miteinzubeziehen.

b) Die Wertung, dass ein Fremdgeschäftsführer nicht als Arbeitnehmer zu gelten hat und daher auch bei der Beschäftigtenzahl nach § 23 Abs. 1 KSchG nicht mitzuzählen ist, findet auch seine Bestätigung in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 21.01. 2019 – 9 AZB 23/18. Hiernach gilt, dass die als Fremdgeschäftsführer geleisteten Dienste nach ihrer sozialen Typik nicht mit denen eines Arbeitnehmers vergleichbar sind. Dies ergibt sich aus der mit ihrem Amt verbundenen Rechtsstellung. Der Geschäftsführer einer GmbH verkörpert als gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft (§ 35 Abs. 1 GmbHG) den Arbeitgeber. Er nimmt Arbeitgeberfunktionen wahr und ist deshalb keine arbeitnehmerähnliche, sondern eine arbeitgebergleiche Person im Fall des Fremdgeschäftsführers jedenfalls aber eine arbeitgeberähnliche Person. Durch die gesetzlichen und nach außen nicht beschränkbaren Vertretungsbefugnisse unterscheidet sich der Geschäftsführer einer GmbH grundlegend von anderen leitenden oder nicht leitenden Arbeitnehmern (vgl. BAG aaO; 21.09.2017 – 2 AZR 865/16).

c) Die Voraussetzungen eines Arbeitsverhältnisses der beiden Fremdgeschäftsführer mit der Beklagten hat der Kläger im Übrigen auch nicht schlüssig dargelegt.

aa) Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich von einem Dienstverhältnis durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet. Nach § 611a Abs. 1 BGB ist Arbeitnehmer, wer durch den Arbeitsvertrag im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an. Die durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze vom 21. Februar 2017 (BGBl. I S. 258, 261) eingefügte, am 1. April 2017 in Kraft getretene Regelung des § 611a BGB entspricht hinsichtlich der Abgrenzung von Arbeitsverhältnis und freiem Dienstverhältnis in Abs. 1 den nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts geltenden, aus § 84 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 HGB abgeleiteten Grundsätzen (vgl. BAG, 21.01.2019 – 9 AZB 23/18; 17.10.2017 – 9 AZR 792/16; 11. 08.2015 – 9 AZR 98/14).

bb) Der Geschäftsführer einer GmbH wird für diese in aller Regel auf der Grundlage eines freien Dienstvertrags, nicht eines Arbeitsvertrags tätig. Sein Dienstvertrag ist auf eine Geschäftsbesorgung durch Ausübung des Geschäftsführeramts gerichtet. Dies gilt unabhängig davon, ob der (Fremd-)Geschäftsführer einen starken Anteilseigner oder einen weiteren Geschäftsführer neben sich hat, der die konkrete Geschäftstätigkeit bestimmend mitgestaltet. Es kommt insoweit nicht entscheidend darauf an, welchen Gebrauch der GmbH-Geschäftsführer im Innenverhältnis nach § 37 Abs. 1 GmbHG von seiner im Außenverhältnis wegen §§ 35, 37 Abs. 2 GmbHG unbeschränkten Vertretungsbefugnis machen darf. § 37 Abs. 1 GmbHG ist eine Norm zur Abgrenzung der Kompetenzen der Gesellschaftsorgane untereinander. Auch gegenüber einem Geschäftsführer als freiem Dienstnehmer steht der Gesellschaft ein unternehmerisches Weisungsrecht zu. Berücksichtigt man dies, kann eine Weisungsgebundenheit des GmbH-Geschäftsführers, die so stark ist, dass sie darüber hinaus auf einen Status des betroffenen GmbH-Geschäftsführers als Arbeitnehmer schließen lässt, allenfalls in extremen Ausnahmefällen in Betracht kommen (vgl. BAG, 24.11.2005 – 2 AZR 614/04). Ein Arbeitsverhältnis setzt voraus, dass die Gesellschaft eine – über ihr gesellschaftsrechtliches Weisungsrecht hinausgehende – Weisungsbefugnis auch bezüglich der Umstände hat, unter denen der Geschäftsführer seine Leistung zu erbringen hat, und die konkreten Modalitäten der Leistungserbringung durch arbeitsbegleitende und verfahrensorientierte Weisungen bestimmen kann (vgl. zum Ganzen BAG, 21.01.2019 – 9 AZB 23/18) und solche Umstände hat der Kläger zum Vertragsverhältnis der Fremdgeschäftsführer mit der Beklagten aber nicht vorgetragen.

d) Schließlich ergibt sich auch aus einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 31.07.2014 – 2 AZR 422/13 zumindest mittelbar ebenfalls, dass ein (Fremd) Geschäftsführer im Zusammenhang mit dem Kündigungsschutzgesetz nicht als Arbeitnehmer gilt. Nach der zitierten Entscheidung ist die Übertragung von Aufgaben eines Arbeitnehmers an einen neu berufenen Geschäftsführer im Zusammenhang mit der Wirksamkeit einer Kündigung rechtlich nicht zu beanstanden, weil der Bedarf an der Beschäftigung von Arbeitnehmern auf diese Weise nicht geringer würde, weil sie in der Person des neuen Geschäftsführers künftig von einem “Nicht-Arbeitnehmer” wahrgenommen werden sollen. Dem Arbeitgeber ist es kündigungsschutzrechtlich nicht verwehrt, Tätigkeiten, die bisher von Arbeitnehmern geleistet wurden, künftig (echten) freien Mitarbeitern oder Mitgliedern seiner Vertretungsorgane, die keine Arbeitnehmer sind, zu übertragen (vgl. BAG aaO; 13.03.2008 – 2 AZR 1037/06). Auch dies verdeutlicht den nicht hinzunehmenden Wertungswiderspruch, der entstehen würde, wenn im Rahmen der Berechnung der Arbeitnehmerzahl nach § 23 Abs. 1 KSchG ein Fremdgeschäftsführer als Arbeitnehmer mitzuzählen wäre.

e) Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ergibt sich ebenfalls nicht, dass im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes Fremdgeschäftsführer als Arbeitnehmer mitzuzählen wären.

aa) Bei der Frage der Arbeitnehmereigenschaft nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG ist auszugehen vom allgemeinen nationalen und nicht von einem unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff (vgl. zum Status von Geschäftsführern: zur gerichtlichen Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 EuGH 10.09.2015 – C-47/14 – [Holterman Ferho Exploitatie ua.] Rn. 41 ff.; zur Massenentlassungsrichtlinie 98/59/EG EuGH 09.07.2015 – C229/14 – [Balkaya] Rn. 34; zur Mutterschutzrichtlinie 92/85/EWG EuGH 11.11.2010 – C232/09 – [Danosa] Rn. 51). Die Frage des Zugangs zu den Gerichten für Arbeitssachen und der Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche der nationalen Gerichte fällt nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts. Das Arbeitsgerichtsgesetz basiert nicht auf Unionsrecht und setzt dieses nicht um (vgl. BAG, 21.01.2019 – 9 AZB 23/18).

bb) Gleiches hat für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes in Zusammenhang mit dem Arbeitnehmerbegriff bei § 23 Abs. 1 KSchG zu gelten, denn auch das deutsche Kündigungsschutzgesetz fällt nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts und § 23 KSchG liegt keine unionsrechtliche Bestimmung zugrunde (vgl. BAG, 21.01. 2019 – 9 AZB 23/18 zu § 5 ArbGG).

f) Soweit sich der Kläger darauf beruft, dass ein Fremdgeschäftsführer deswegen als Arbeitnehmer zu gelten habe, da seine Beschäftigung sozialversicherungspflichtig ist, geht dies ins Leere, denn seit jeher ist anerkannt, dass der Beschäftigtenbegriff nach § 7 Abs. 1 SGB IV und der Arbeitnehmerbegriff nicht identisch sind und zwei rechtlich selbständige Institute darstellen (vgl. Erf. Kmt. 19. Aufl. § 7 SGB IV Rn 2; BAG, 25.02.1999 – 3 AZR 113/97).

B. Die streitgegenständliche Kündigung erweist sich auch nicht nach dem Prüfungs maßstab von §§ 138, 242 BGB als unwirksam.

1. Ein Rechtsgeschäft ist sittenwidrig iSv. § 138 Abs. 1 BGB, wenn es nach seinem Inhalt oder Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht. Verstößt das Rechtsgeschäft – wie eine an sich neutrale Kündigung – nicht bereits seinem Inhalt nach gegen die grundlegenden Wertungen der Rechts- oder Sittenordnung, muss ein persönliches Verhalten des Handelnden hinzukommen, welches diesem zum Vorwurf gemacht werden kann. Hierfür genügt es im Allgemeinen nicht, dass vertragliche Pflichten verletzt werden. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln oder der zutage tretenden Gesinnung ergeben kann (vgl. BAG, 05.12.2019 – 2 AZR 107/19).

2. Der Grundsatz von Treu und Glauben in § 242 BGB bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung. Eine gegen diesen Grundsatz verstoßende Rechtsausübung oder Ausnutzung einer Rechtslage ist wegen der darin liegenden Rechtsüberschreitung als unzulässig anzusehen. Die Vorschrift des § 242 BGB ist aber auf Kündigungen neben § 1 KSchG nur in beschränktem Umfang anwendbar. Das Kündigungsschutzgesetz hat die Voraussetzungen und Wirkungen des Grundsatzes von Treu und Glauben konkretisiert und abschließend geregelt, soweit es um den Bestandsschutz und das Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes geht. Eine Kündigung verstößt deshalb nur dann gegen § 242 BGB, wenn sie Treu und Glauben aus Gründen verletzt, die von § 1 KSchG nicht erfasst sind (vgl. BAG, 05.12.2019 – 2 AZR 107/19).

3. Im Rahmen der Generalklauseln der §§ 138, 242 BGB ist der objektive Gehalt der Grundrechte zu berücksichtigen. Der durch die zivilrechtlichen Generalklauseln vermittelte verfassungsrechtliche Schutz ist allerdings umso schwächer, je stärker die mit der Kleinbetriebsklausel des § 23 Abs. 1 KSchG geschützten Grundrechtspositionen des Arbeitgebers im Einzelfall betroffen sind. Es geht vor allem darum, Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen (vgl. BAG, 05.12. 2019 – 2 AZR 107/19 mit Verweis auf BVerfG, 27.01.1998 – 1 BvL 15/87).

4. Eine Kündigung erfolgt nicht willkürlich, wenn sie auf einem irgendwie einleuchtenden Grund beruht (vgl. BAG, 05.12.2019 – 2 AZR 107/19; 28.08.2003 – 2 AZR 333/02). Ein solcher ist bei einem auf konkreten Umständen beruhenden Vertrauensverlust grundsätzlich auch dann gegeben, wenn die Tatsachen objektiv nicht verifizierbar sind und die Berechtigung von Gründen, die unter Geltung des allgemeinen Kündigungsschutzes als solche im Verhalten gewertet werden könnten, können auf der Grundlage allein der zivilrechtlichen Generalklauseln gerade nicht nachgeprüft werden (vgl. BAG, 05. 12.2019 – 2 AZR 107/19; 25.04.2001 – 5 AZR 360/99).

5. Gemessen an diesen Grundsätzen ist die streitgegenständliche Kündigung im Beklagten weder sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB) noch treuwidrig (§ 242 BGB).

a) Soweit sich der Kläger darauf beruft, er sei nach dem Ausscheiden des Herrn L., seinem ehemaligen Schwager, gleichsam “mitentsorgt” worden und er damit eine Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung erkennen will, hat er damit keinen Erfolg. Von dem irritierenden Begriff einer “Mitentsorgung” kann nicht einmal ansatzweise die Rede sein. Die Beklagte hat zu keinem Zeitpunkt mit ihrer Kündigung zu einer solchen Interpretation Anlass gegeben. Sie hat lediglich darauf verwiesen, dass sie sich nach den Ausscheiden des Herrn L. nicht mehr daran gebunden sah, ein Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fortzusetzen, wozu sie im Übrigen zu keinem Zeitpunkt verpflichtet war. Auch wenn sie aus dem Arbeitsverhältnis mit Herrn L. eine gewisse Loyalität zu Gunsten des Klägers abgeleitet hat, da dieser auch die Einstellung des Klägers veranlasst hat, steht es ihr grundsätzlich jederzeit frei, diese Loyalität zu beenden, ohne dass sich daraus bereits ein besonders verwerfliches Verhalten ergibt oder dies per se willkürlich und sachfremd erscheint.

b) Ausschlaggebend ist aber vor allem, dass sich die Beklagte darauf beruft, dass es wegen der Arbeitsanweisungen des Klägers gegenüber Frau M. und Frau X., zu denen er im Grundsatz auch nicht berechtigt war, zu Missstimmungen kam. Um diese zu beenden, steht es der Beklagte auch frei, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zu beenden. Insbesondere aus diesem Umstand erfolgte die streitgegenständliche Kündigung nicht willkürlich, da sie vielmehr auf einem einleuchtenden Grund beruht. Die weiter von der Beklagten vorgebrachten Argumente für den Ausspruch der Kündigung, Kundenunzufriedenheit und der Wunsch einen neuen Schwung in die Belegschaft zu bekommen, runden die ausgesprochene Kündigung mit weiteren einleuchtenden Gründen ab und lassen insbesondre auch keine besondere Verwerflichkeit im Verhalten der Beklagten iSv. § 138 Abs. 1 BGB erkennen. Eine solche ergibt sich auch nicht aus der Nachbesetzung der Stelle des Klägers, denn es liegt in der Natur der Sache, dass dessen Stelle nach seinem Ausscheiden neu besetzt werden kann, was der Beklagten auch grundsätzlich nicht verwehrt ist. Und auch aus der Gehaltserhöhung des Klägers, die ein halbes Jahr vor seiner Kündigung erfolgte, ergibt sich keine besondere Verwerflichkeit bzw. Sittenwidrigkeit iSv. § 138 Abs. 1 BGB oder Treuwidrigkeit iSv. § 242 BGB in Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Kündigung, denn maßgeblich ist, dass die Beklagte Missstimmungen im Betrieb durch die Kündigung des Klägers beenden wollte und dies kann sie jedenfalls in ihrem Kleinbetrieb auch mit dem scharfen Schwert einer Kündigung erreichen, zumal ihre Vorgehensweise weder willkürlich noch sachfremd ist und nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sogar die der Kündigung zu Grunde liegenden Tatsachen objektiv nicht verifizierbar sein müssen und schon gar nicht dem Prüfungsmaßstab des Kündigungsschutzgesetztes unterliegen. Insgesamt gilt, dass vorliegend der durch die zivilrechtlichen Generalklauseln vermittelte verfassungsrechtliche Schutz des Klägers deutlich schwächer ist, als die mit der Kleinbetriebsklausel des § 23 Abs. 1 KSchG geschützten Grundrechtspositionen des Arbeitgebers.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO. IV.

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

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