LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 07.09.2020 – 3 Sa 283/17

Dezember 16, 2020

LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 07.09.2020 – 3 Sa 283/17

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 26.04.2017, 12 Ca 192/17 aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die klagende Partei, beginnend ab dem 01.07.2020, über den derzeit unstreitig mindestens zu zahlenden Betrag in von 810,99 € brutto hinaus, jeweils zum ersten eines Monats, weitere 30,21 € brutto zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die klagende Partei einen Betrag in Höhe von insgesamt 334,08 € brutto, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 27,84 € brutto, seit dem 02.07.2016, dem 02.08.2016, dem 02.09.2016, dem 02.10.2016, dem 03.11.2016, dem 02.12.2016, dem 03.01.2017, dem 02.02.2017, dem 02.03.2017, dem 02.04.2017, dem 03.05.2017 sowie dem 02.06.2017 zu zahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die klagende Partei einen Betrag in Höhe von insgesamt 340,44 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 28,37 € brutto seit dem 04.07.2017, dem 02.08.2017, dem 02.09.2017, dem 03.10.2017, dem 03.11.2017, dem 02.12.2017, dem 03.01.2018, dem 02.02.2018, dem 02.03.2018, dem 04.04.2018, dem 02.05.2018 sowie dem 02.06.2018, zu zahlen.

5. Die Beklagte wird verurteilt, an die klagende Partei einen Betrag in Höhe von insgesamt 351,36 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 29,28 € brutto seit dem 03.07.2018, dem 02.08.2018, dem 04.09.2018, dem 02.10.2018, dem 03.11.2018, dem 04.12.2018, dem 03.01.2019, dem 02.02.2019, dem 02.03.2019, dem 02.04.2019, dem 03.05.2919 sowie dem 02.06.2019 zu zahlen.

6. Die Beklagte wird verurteilt, an die klagende Partei einen Betrag in Höhe von insgesamt 362,52 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 30,21 € brutto seit dem 02.07.2019, dem 02.08.2019, dem 03.09.2019, dem 02.10.2019, dem 05.11.2019, dem 03.12.2019, dem im 03.01.2020, dem 04.02.2020, dem 03.03.2020, dem 02.04.2020, dem 05.05.2020 sowie dem 02.06 2020 zu zahlen.

7. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen, ebenso die weitergehende Anschlussberufung des Klägers.

8. Die Kosten beider Rechtszüge tragen die Parteien je zur Hälfte.

9. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten im erstinstanzlichen Rechtszug um die Höhe einer Betriebsrentenzahlung für die Jahre 2015, 2016 und 2017, im Berufungsverfahren ergänzend um die Jahre 2018, 2019 und 2020.

Die Beklagte ist ein Lebensversicherungsunternehmen, das in den deutschen G.-Konzern eingebunden ist. Sie ist Rechtsnachfolgerin der V. D. L. AG.

Der Kläger war vom 18. Juli 1970 bis 20. Juni 2008 bei einem Unternehmen des V.-Konzerns, der Rechtsvorgängerin der Beklagten, beschäftigt, zuletzt in K. Seit dem 1. Oktober 2015 bezieht er von der Beklagten Versorgungsbezüge, die jeweils im Voraus für den laufenden Monat gezahlt werden.

Unter dem 26. April 2007 schlossen die Parteien eine Aufhebungsvereinbarung, hinsichtlich dessen Inhalts im Einzelnen auf Bl. 209 bis 212 d.A. Bezug genommen wird. Diese sieht in Ziffer 8 vor, dass die Beklagte dem Kläger, unabhängig von der Höhe der außerbetrieblichen Leistungen oder Leistungen der Versorgungskasse der V. VVaG, eine monatliche Rente von 743,47 € gewährt. Ferner heißt es dort, dass die Rente “nach den Bestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes angepasst wird”. Gemeint sind damit die Bestimmungen des betrieblichen Versorgungswerkes (im Folgenden “bVW”) in Form von Betriebsvereinbarungen in der Fassung vom 19. April 2002.

Die Beklagte leistet an den Kläger seit dem 1. Oktober 2015 Gesamtversorgungs-bezüge, die sich unter Berücksichtigung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung aus Leistungen einer Versorgungskasse (in der Verdienstabrechnung des Klägers als “PK-Rente” bezeichnet) und der Rente gemäß Ziffer 8 der Aufhebungsvereinbarung (in der Verdienstabrechnung des Klägers als “Altersrente” bezeichnet) zusammensetzen.

Die Anpassung der betrieblichen Altersversorgung richtet sich nach § 6 der Ausführungsbestimmungen des bVW. Darin ist unter der Überschrift “Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge an veränderte wirtschaftliche Verhältnis-se” folgendes geregelt:

“1. Die Gesamtversorgungsbezüge werden jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst. (Der § 49 AVG ist durch Artikel Ziffer 1 § § 65 und 68 SGB (VI) neu gefasst worden. Die Änderung ist am 01.01.1992 in Kraft getreten).

2. Die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge erfolgt zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden.

3. Hält der Vorstand die Veränderung der Gesamtversorgungsbezüge nach Ziffer 1 nicht für vertretbar, so schlägt er nach Anhören der Betriebsräte / des Gesamtbetriebsrates dem Aufsichtsrat zur gemeinsamen Beschlussfassung vor, was nach seiner Auffassung geschehen soll. Der Beschluss ersetzt die Anpassung gemäß Ziffer 1.”

Zum 01. Juli 2016 wurden die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung um 4,24512 % erhöht. Die Beklagte nahm keine Anpassung der Versorgungsbezüge im Umfang der gesetzlichen Rentenerhöhung vor. Stattdessen fasste sie nach der eingeleiteten Anhörung der örtlichen Betriebsräte, des Gesamt- und des Konzern-betriebsrats durch ihren Vorstand und Aufsichtsrat konzernweit den Beschluss, die Rentenanpassung nach dem bVW zum 01. Juli 2016 in Höhe von 0,5 % vorzunehmen; eine darüberhinausgehende Erhöhung sei nicht vertretbar.

Die Versorgungsbezüge des Klägers, die sich davor auf insgesamt 1.300,31 € brutto (743,47 € Altersrente und 556,84 € brutto PK-Rente) beliefen, wurden zum 01. Juli 2016 auf insgesamt 1.306,87 € brutto (747,19 € brutto Altersrente und 559,68 € PK-Rente) erhöht.

Der Kläger verlangt mit seiner Klage eine Anpassung um weitere 48,64 € brutto pro Monat seit dem 01. Juli 2016. Dabei handelt es sich um den in der Höhe nach unstreitigen Differenzbetrag, der sich errechnet, wenn die Beklagte die Rentenanpassung im Umfang von 4,24152 % auf die von der Beklagten geleisteten Versorgungsbezüge vorgenommen hätte.

Hinsichtlich der betrieblichen Altersversorgung gelten bei der Beklagten die Bestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes, die am 01.01.1961 in Kraft getreten sind. Nach den Grundbestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerks (BVW) erhält der Kläger eine Gesamtversorgung, die sich aus Rentenleistungen der konzerneigenen Versorgungskasse (VK-Altersrente) und einer Direktzusage (Pensionsergänzung, Vofue-Rente) zusammensetzt. Die Leistungen der VK-Altersrente werden durch die nach dem Geschäftsplan der Versorgungskasse gutzuschreibenden Überschussanteile gesteigert. Die Regelung für die Zahlung der Vofue-Rente findet sich in den Bestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerks, bestehend aus den Grundbestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerks (BVW) und den Ausführungsbestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerks (BVW-A).

In den Grundbestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerks (BVW) ist u. a. folgendes geregelt:

“§ 1 Zweck des Pensionsergänzungsfonds

Der Zweck des Pensionsergänzungsfonds ist, den anspruchsberechtigten Betriebsangehörigen bzw. ihren versorgungsberechtigten Hinterbliebenen eine Pensionsergänzung zu gewähren, sofern und solange die in den Ausführungsbestimmungen näher bezeichneten Leistungen der Sozialversicherung sowie anderer gesetzlicher Versorgungen und die Leistungen der Versorgungskasse zusammen die Gesamtversorgungsbezüge gemäß § 4 der Ausführungsbestimmungen nicht erreichen.

Die als gezahlt geltenden Leistungen der Sozialversicherung sowie anderer Leistungsträger bestimmt der § 5 Ausführungsbestimmungen.

§ 2 Berechtigter Personenkreis

1. Die Pensionsergänzung wird solchen Betriebsangehörigen gewährt, die beim Eintritt des Versorgungsfalls mindestens 10 Jahre in einem festen Anstellungs-verhältnis zur V.-Unternehmensgruppe stehen und einen Anspruch auf Rentenleistungen aus der Versorgungskasse besitzen. Auf den Anspruch aus der Versorgungskasse kommt es nicht an, wenn er nur wegen des Krankengeldbezuges nicht besteht. Bei Betriebsangehörigen, die vor der Vollendung ihres 21. Lebensjahres fest angestellt wurden, beginnt die zehnjährige Wartezeit mit der Vollendung ihres 21. Lebensjahres.

Die Wartezeit von 10 Jahren gilt als erfüllt, wenn der Versorgungsfall durch einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung eingetreten ist.

In einem Invaliditäts-Versorgungsfall werden Zeiten der Berufsausbildung in der Unternehmensgruppe für die geforderte 10jährige Wartezeit von der Vollendung des 18. Lebensjahres an berücksichtigt.

2. Am 31.03.85 wurde die Versorgungskasse für Neuaufnahmen geschlossen. Betriebsangehörige, die erst nach dem 31.03.85 das 18. Lebensjahr vollendeten oder nach dem 31.03.85 erstmalig bei der V.D. L. AG fest angestellt wurden, konnten die Mitgliedschaft in der Versorgungskasse nicht mehr erhalten.

3. Auf die Leistungen des Pensionsergänzungsfonds besteht ein Rechtsanspruch, der nur durch die in den Ausführungsbestimmungen enthaltenen Widerrufsvorbehalte eingeschränkt ist.”

In den Ausführungsbestimmungen des betrieblichen Versorgungswerks (BVW-A) sind u. a. folgende Regelungen enthalten:

§ 6 Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse

1. Die Gesamtversorgungsbezüge werden jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst. (Der § 49 AVG ist durch Artikel 1 §§ 65 und 68 SGB (VI) neu gefasst worden. Die Änderung ist am 01.01.92 in Kraft getreten).

2. Die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge erfolgt zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden.

3. Hält der Vorstand die Veränderung der Gesamtversorgungsbezüge nach Ziffer 1 nicht für vertretbar, so schlägt er nach Anhören der Betriebsräte/des Gesamtbetriebsrates dem Aufsichtsrat zur gemeinsamen Beschlussfassung vor, was nach seiner Auffassung geschehen soll.

Der Beschluss ersetzt die Anpassung gemäß Ziffer 1.”

Sowohl im Jahr 2015 als auch im Jahr 2016 fasste der Vorstand der G.D. AG konzernweit den Beschluss, dass eine Erhöhung der Betriebsrenten aller Rentner um mehr als 0,5 % im Sinne des § 6 Ziff. 3 BVW-A nicht vertretbar sei.

Mit Schreiben vom 16.10.2015 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Gesamtversorgungsbezüge zum 01.07.2015 um 0,5 % gesteigert werden. Seine Versorgungsleistung aus dem betrieblichen Versorgungswerk betrug ab dem 01.07.2015 799,88 EUR brutto monatlich.

Mit Schreiben aus August 2016 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Gesamtversorgungsbezüge bzw. Renten um 0,5 % erhöht würden.

Die gesetzliche Rente stieg zum 01.07.2015 um 2,0972 % und zum 01.07.2016 um weitere 4,2451 %.

In den Jahren 2017 und 2018 steigerte die Beklagte die Versorgung entsprechend der gesetzlichen Rentensteigerung um 1,9 % und 3,2 %.

Der Kläger hat vorgetragen,die von der Beklagten gefassten Anpassungsbeschlüsse für den 01.07.2015 und 01.07.2016 seien unwirksam, sodass seine Altersversorgungsbezüge entsprechend der Grundregel in § 6 Ziffer 1 BVW-A entsprechend der gesetzlichen Rentensteigerung anzupassen seien. Die Klausel in § 6 Ziffer 3 BVW-A sei unwirksam, da sie die Versorgungsempfänger wie den Kläger unangemessen benachteilige. Mangels Klarheit und Verständlichkeit hinsichtlich der Voraussetzungen und Rechtsfolgen sei die Klausel in § 6 Ziffer 3 BVW-A aufgrund der Rechtsgedanken des AGB-Rechts im Rahmen der durchzuführenden Verhältnismäßigkeitsprüfung unwirksam. Jedenfalls könne eine rückwirkende Anpassung zum 01.07.2015 nicht durchgeführt werden. Die jeweiligen Anpassungsentscheidungen seien ermessensfehlerhaft erfolgt, da die wirtschaftliche Lage der Beklagten eine Anpassung zu beiden Stichtagen an die gesetzliche Rentensteigerung zugelassen habe. Weiterhin sei ein Anspruch des Klägers aus betrieblicher Übung herzuleiten, da die Beklagte in den vergangenen Jahren die Renten der Versorgungsempfänger stets nach § 6 Ziffer 1 BVW-A angepasst habe. Zumindest sei jedenfalls ein Verstoß gegen den Maßstab des billigen Ermessens bei Anwendung des § 6 Ziffer 3 BVW-A durch die Beklagte gegeben. Die vorgenommene Anpassung um lediglich 0,5 % zu den jeweiligen Anpassungsstichtagen stehe im krassen Missverhältnis zu der eigentlich durchzuführenden Anpassung in Höhe der gesetzlichen Rentensteigerung. Die Beklagte sei im Rahmen der Anpassungen zum 01.07.2015 und 01.07.2016 auch tatsächlich von den Verteilungsgrundsätzen gemäß § 6 Ziffer 1 BVW-A abgewichen, da nicht – wie dort geregelt – eine Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge erfolgt sei, sondern lediglich der Pensionsergänzung in Gestalt der sogenannten Vofue-Rente.

Die Regelung in § 6 Ziffer 3 ermögliche es der Beklagten, den für die Anpassung vorhandenen Gesamtbetrag abzusenken und den freiwerdenden Teil anderweitig zu verteilen. Hinsichtlich des “Wie” der Verteilung bestehe aber ein Mitbestimmungsrecht, welches nicht wahrgenommen wurde. Im Rahmen der Regelung des § 6 Ziffer 3 BVW-A sei der Betriebsrat lediglich anzuhören, wodurch das Mitbestimmungsrecht nicht gewahrt sei. Ein Verzicht hierauf durch den Betriebsrat sei unzulässig.

Der Kläger beantragt:

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger beginnend mit dem 01.05.2017 über den Betrag von 1.306,87 EUR brutto hinaus jeweils zum 01. eines Monats einen Betrag in Höhe von 48,64 EUR brutto zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 486,40 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 48,64 EUR brutto seit dem 02.07.2016, seit dem 02.08.2016, dem 02.09.2016, dem 02.10.2016, dem 03.11.2016, dem 02.12.2016, dem 03.01.2017, dem 02.02.2017, dem 02.03.2017 sowie dem 02.04.2017 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen,2015 habe der Vorstand eingeschätzt, dass eine Bezügeanpassung nach der Rentenanhebungsformel nicht vertretbar sei. Sowohl der Gesamt- als auch Konzernbetriebsrat wie auch die örtlichen Betriebsräte seien ordnungsgemäß angehört worden (vgl. Bl. 207 ff. d. A.). Sie hätten jeweils ablehnend Stellung genommen (vgl. Bl. 211 ff. d. A.). Aufgrund anschließender Vorstandsvorlage zur gemeinsamen Beschlussfassung vom 26.08.2015 sei bis zum 09.10.2015 die gemeinsame Beschlussfassung mit dem Aufsichtsrat im Umlaufverfahren geschehen. Die Anpassung war auch unter Berücksichtigung von Kaufkraftentwicklung (Anstieg des Verbraucherindex 2015 um lediglich 0,28 % im Vergleich zum Vorjahr, nicht 2,1 % indes wie in der gesetzlichen Rentenentwicklung) und überdurchschnittlich hohem Rentenniveau nach dem betrieblichen Versorgungswerk die Grenzen billigen Ermessens; hinsichtlich der Einzelheiten im streitigen Vorbringen der Beklagten im erstinstanzlichen Rechtszug insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf Seiten 9, 10 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 447, 448 d. A.) Bezug genommen.

Dies sei entgegen der Auffassung des Klägers nicht zu beanstanden. Den im Vorstand sei in der Gesamtbetriebsvereinbarung gemäß § 6 Ziffer 3 bVW-A ein Abwanderungsrecht vorbehalten worden, wenn er die Regelanpassung der Betriebsrente “nicht für vertretbar” halte.

Der Vorstand der Holdinggesellschaft (G.D. AG) habe am 03.06.2015 beschlossen, dass eine Erhöhung der Betriebsrenten nach der BVW-A um mehr als 0,5 % nicht vertretbar sei. Er habe weiter beschlossen, eine entsprechende Beschlussfassung zur Rentenanpassung durch die Vorstände, Geschäftsführer und Aufsichtsräte der betroffenen Konzerngesellschaften zu initiieren. Nachfolgend habe auch ihr Vorstand beschlossen, die Renten nur um 0,5 % zu erhöhen. Mit E-Mail vom 15.06.2015 seien der Gesamtbetriebsrat und vorsorglich auch die örtlichen Betriebsräte angehört worden. In einem zweiten Schritt habe ihr Vorstand gemeinsam mit dem Aufsichtsrat die Reduzierung der Anpassung auf 0,5 % zum 01.07.2015 beschlossen, wobei der Beitrag des Vorstands zur gemeinsamen Beschlussfassung am 26.08.2015 erfolgt sei. Der Beitrag des Aufsichtsrats sei im Umlaufverfahren am 09.10.2015 geleistet worden. Auch im Jahr 2016 habe sie auf Basis konzernweiter Entscheidung beschlossen, mit denselben Gründen wie im Jahr 2015 die Renten nur um 0,5 % zu erhöhen. Dazu habe ihr Vorstand im Umlaufverfahren mit Ende der Stimmabgabe zum 17.05.2016 einstimmig beschlossen, dass die Erhöhung der Renten um mehr als 0,5 % nicht vertretbar sei. Mit E-Mail vom 17.05.2016 habe sie den Gesamtbetriebsrat sowie vorsorglich die örtlichen Betriebsräte angehört. Ihr Vorstand und der Aufsichtsrat hätten in einem zweiten Schritt gemeinsam die Reduzierung der Anpassung auf 0,5 % zum 01.07.2016 beschlossen. Der inhaltlich entsprechende Beitrag des Aufsichtsrats sei am 22.06.2016 erfolgt.

Die Entscheidungen von Aufsichtsrat und Vorstand seien unter Berücksichtigung der Argumente der angehörten Betriebsräte und aller entscheidungsrelevanten Grundlagen im Rahmen einer Interessenabwägung erfolgt. Die BVW gewähre ein Versorgungniveau, das weit überdurchschnittlich hoch sei. So betrage die durchschnittliche Jahresrente aus der Pensionsergänzung € 10.664,00 und aus der Versorgungskasse € 5.284,00. Im Vergleich dazu fielen am Hauptsitz des Konzerns Versorgungsleistungen nur im Durchschnitt von € 7.486,00 an. Grundlage der Beschlussfassung des Vorstands und des Aufsichtsrats seien widrige Rahmenbedingungen am Markt, die eine zukunftsfähige Neuaufstellung erforderlich machten. Der Konzern habe auf diese Umstände mit einem Zukunftsprogramm reagiert, dessen wesentlicher Baustein das Konzept “Simpler, Smarter for You (SSY)” bilde. Dieses Konzept stütze sich nicht auf eine aktuelle wirtschaftliche Lage, sondern solle vor dem Hintergrund des schwierigen Marktumfelds die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit des Konzernes sichern. Das schwierige Marktumfeld werde vordringlich geprägt durch ein historisch niedriges Zins- und Inflationsniveau sowie eine schwache Konjunktur im Versicherungsmarkt. Insbesondere für Lebensversicherer sei es immer schwieriger, das Geld ihrer Kunden lukrativ anzulegen. Aus der angespannten Situation an den Kapitalmärkten resultiere ein erhöhtes Risikopotenzial für die Geschäftsentwicklung. Auch die demographische Entwicklung der Bevölkerung, die zusehends älter werde, erhöhe das sog. Langlebigkeitsrisiko der Versicherer. Weiterhin stelle der zunehmende regulatorische Druck die Versicherungswirtschaft vor neue Herausforderungen. Am 07.08.2014 sei das Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) in Kraft getreten, das neben der Absenkung des Höchstrechnungszinses zum 01.01.2015 von 1,75 auf 1,25 % und der Maßstäbe für die Berechnung der verschiedenen Bewertungssätze im Versicherungsmarkt den Verwaltungs- und Finanzierungsaufwand deutlich erhöhe. Darüber hinaus verschlechtere Solvency II, ein Projekt der EU-Kommission zur Reform des Versicherungsrechts in Europa, die Anforderungen an die Kapitalausstattung der Versicherungsunternehmen, da Änderungen der Bewertungsmaßstäbe und der Geschäftsorganisation eine höhere Kapitaldecke zur Risikoabdeckung erforderten. Ebenfalls seien steigende Kundenanforderungen zu berücksichtigen, insbesondere infolge hoher Preissensitivität und sinkender Loyalität. Darüber hinaus sei sie gehalten, auf Umstrukturierungen im Branchenumfeld seitens der Wettbewerber zu reagieren. Das SSY-Konzept sehe strategisch vor, den Ansatz im (Lebens-)Versicherungsgeschäft neu zu erfinden. Die Komplexität innerer Strukturen solle reduziert werden, organisatorische Verschlankungen sollen vorgenommen und die Effektivität und Effizienz erhöht werden. Der Fokus solle auf die Kunden und den Vertrieb gerichtet werden. In finanzieller Hinsicht ziele das SSY-Konzept auf eine konzernweite Einsparung von € 160 bis 190 Mio. jährlich durch Neuordnung von Strukturen und Einsparungen, insbesondere von Personalkosten. Es sollen Standorte geschlossen oder verlegt werden, kundenferne Stabsstellen reduziert und Dopplungen von Funktionen vermieden werden. In diesem Zusammenhang stehe auch der Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen im Raum. Die aktive Belegschaft müsse mit signifikanten monetären Einschnitten bis hin zu im alltäglichen Arbeitsleben spürbaren Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen rechnen. So habe ihr Vorstand am 03.06.2015 auf unbestimmte Zeit einen Einstellungsstopp beschlossen, der zu einer spürbaren Arbeitsverdichtung und damit zu einer Verschiebung des Verhältnisses von Arbeitsleistung und Vergütung der betroffenen Mitarbeiter führe. Gleiches folge aus dem konzernweiten Verbot der Entfristung befristeter Arbeitsverträge. Zugleich sei ein grundsätzlicher Beförderungsstopp auf unbestimmte Zeit beschlossen worden. Außerdem sei das Budget für Sachkosten um ca. € 15 Mio. gekürzt und eine restriktivere Regelung für Fort- und Weiterbildung eingeführt worden. Auch die Reisekosten seien auf ein Minimum beschränkt worden. Darüber hinaus sehe das SSY-Konzept vor, dass auch die Führungsebene einen signifikanten Beitrag zur Zukunftssicherung leiste, in dem die Leistungszusagen zur betrieblicher Altersversorgung für Neueintritte auf Vorstandsebene und der Ebene der leitenden Angestellten um die Hälfte gekürzt worden sei. Nach der derzeitigen Planung sollen im Zuge des SSY-Konzepts in Deutschland zunächst bis ins Jahr 2018 tausend Vollzeitarbeitsplätze abgebaut werden. Fast jeder zehnte der rund 13.000 Mitarbeiter des G.-Konzerns in Deutschland sei betroffen. Falls die G.D. Gruppe in den laufenden Gerichtsverfahren (bundesweit ca. 700) wegen der geringer ausgefallenen Rentenerhöhung unterliege sollte, müsse die aktive Belegschaft mit weiteren Einschränkungen rechnen.

Für die Realisierung des SSY-Konzepts müssten auch die Betriebsrentner ihren Beitrag leisten. Eine Entscheidung, die aktive Belegschaft (stärker) zu belasten, um die Betriebsrentner von Eingriffen auszusparen, begegne im Rahmen der Gerechtigkeit des Generationenvertrags rechtlichen Bedenken. Im Verhältnis zu den Einschnitten, die die aktive Belegschaft in Kauf nehmen müsse, sei die Belastung des Klägers verhältnismäßig gering. Er habe schon derzeit ein überdurchschnittlich hohes Versorgungsniveau, weitaus höher als das der anderen Versorgungsempfänger im G.-Konzern. Diese hätten gem. § 16 BetrAVG im Vergleich zum Vorjahr im Jahr 2015 lediglich eine Erhöhung um 0,28 % (Verbraucherpreisindex) erhalten. Der Kaufkraftverlust des Klägers sei bei ihren Entscheidungen jeweils berücksichtigt worden. Dieser sei auch ohne die von ihm begehrte Anpassung insgesamt ausgeglichen. Der Kläger habe auch kein schutzwürdiges Vertrauen, denn die Aussetzung der Rentenanpassung sei in § 6 Ziff. 3 BVW-A angelegt. Er habe damit rechnen müssen, dass sie von der in der Betriebsvereinbarung eröffneten Möglichkeit im Rahmen des billigen Ermessens Gebrauch mache.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat die Beklagte daraufhin durch Urteil vom 26.04.2017 – 12 Ca 192/17 – verurteilt, an den Kläger beginnend mit dem 01.05.2017 jeweils zum Ersten des Monats weitere 48,64 € brutto, sowie 486,40 € brutto, jeweils zzgl. Zinsen, zu. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 484 – 497 d.A. Bezug genommen.

Gegen das ihr am 08.05.2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 08.06.2017 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 27.07.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf ihren begründeten Antrag hin die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung durch Beschluss vom 22.06.2017 bis zum 10.08.2017 einschließlich verlängert worden war.

Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor,Sie habe nach gewissenhafter und sorgfältiger Prüfung aller Gesichtspunkte im Rahmen billigen Ermessens ihr Interesse an einer gedeihlichen Fortentwicklung des Unternehmens mit dem gegenläufigen Interesse der einzelnen Betriebsrentner an einem Teuerungsausgleich angemessen zum Ausgleich gebracht. Sie habe bereits erstinstanzlich das SSY-Konzept im Einzelnen dargelegt, dass die wesentliche Grundlage des Programms zur zukunftsfähigen Ausrichtung des Unternehmens darstelle. Dieses Konzept habe sie auch umgesetzt. Es sei zu einem konzernweiten Einstellungsstopp und einem massiven Personalabbau gekommen. Allein im Jahr 2016 sei der Mitarbeiterbestand von 13.000 im deutschen G.-Konzern um ca. 1.135 Personen reduziert worden. Bislang seien ca. 442 Aufhebungsverträge, Altersteilzeitvereinbarungen und Vereinbarungen zum sog. “Überbrückungsmodell” unterzeichnet worden. Die dargestellten Zahlen könnten noch leicht variieren, weil noch nicht alle Informationen erfasst seien und unterzeichnete Aufhebungsverträge zum Teil erst im Jahr 2017 als Austritt erfasst werden. Einstellungsstopp und Personalabbau würden fortgeführt. Das Provisionsmodell für die Außendienstler im Vertrieb sei aufgrund der durch das LVRG bedingten Umstellung der Produkte massiv angepasst worden, um Risiken für den Konzern zu verringern. Gleichzeitig werde gerade der angestellte Außendienst reduziert. Der Vertrieb werde damit ebenfalls am Sparprogramm beteiligt. Im Konzern gebe es verschiedenste weitere Sparprogramme zur Kostenreduzierung (Raumverknappung, Betriebsübergänge, Budgetkürzungen bei Sach-, Reise-, Bewirtungs- und Fortbildungskosten um ca. € 15 Mio., Reduzierung der Altersversorgung auf Führungsebene, Nullrunde bei den Gehaltserhöhungen der außertariflichen Angestellten im Jahr 2016). Die Reduzierung der Rentenerhöhung habe allein im Zeitraum vom 01.07.2015 bis zum 31.12.2016 zu Einsparungen von € 2,7 Mio. sowie zu einer Reduzierung der Rückstellungen um € 43,6 Mio. geführt. Von den € 2,7 Mio. entfielen auf sie (die Beklagte) im Zeitraum vom 01.07.2015 bis zum 30.06.2016 Einsparungen iHv. gerundet € 61.628 monatlich, mithin € 739.536, und im Zeitraum vom 01.07.2016 bis zum 30.06.2017 Einsparungen iHv. gerundet € 203.266 monatlich, mithin € 1.219.596. Aufgrund dieser Maßnahmen sei es gelungen, für die Unternehmen der G.-Gruppe Gewinn zu erwirtschaften.

Die Beklagte beantragt,

auf die Berufung wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 26.04.2017, Az.: 12 Ca 192/17, abgeändert und die Klage abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen

und stellt klageerweiternd insgesamt folgende Anträge im Wege der Anschlussberufung:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die klagende Partei, beginnend ab dem 01.07.2020, Ober den derzeit unstreitig mindestens zu zahlenden Betrag in von 1.174,44 € brutto hinaus, jeweils zum ersten eines Monats, weitere 97,87 € brutto zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die klagende Partei einen Betrag in Höhe von insgesamt 583,68 € brutto, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 48,64 € brutto, seit dem 02.07.2016, dem 02.08.2016, dem 02.09.2016, dem 02.10.2016, dem 03.11.2016, dem 02.12.2016, dem 03.01.2017, dem 02.02.2017, dem 02.03.2017, dem 02.04.2017, dem 03.05.2017 sowie dem 02.06.2017 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die klagende Partei einen Betrag in Höhe von insgesamt 716,04 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 59,67 € brutto seit dem 04.07.2017, dem 02.08.2017, dem 02.09.2017, dem 03.10.2017, dem 03.11.2017, dem 02.12.2017, dem 03.01.2018, dem 02.02.2018, dem 02.03.2018, dem 04.04.2018, dem 02.05J018 sowie dem 02.06.2018, zu zahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die klagende Partei einen Betrag in Höhe von insgesamt 937,32 € brutto nebst Zinsen In Höhe von 5%-Punkten Ober dem Basiszinssatz aus jeweils 78,11 € brutto seit dem 03.07.2018, dem 02.08.2018, dem 04.09.2018, dem 02.10.2018, dem 03.11.2018, dem 04.12.2018, dem 03.01.2019, dem 02.02.2019, dem 02.03.2019, dem 02.04.2019, dem 03.05.2019 sowie dem 02.06.2019 zu zahlen.

5. Die Beklagte wird verurteilt, an die klagende Partei einen Betrag in Höhe von insgesamt 1.174,44 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten Ober dem Basiszinssatz aus jeweils 97,87 € brutto seit dem 02.07J019, dem 02.08.2019, dem 03.09JI019, dem 02.10.2019, dem 05.11.2018, dem 03.12.2019, dem 03.01.2020, dem 04.02.2020, dem 03.03.2020, dem 02.04.2020, dem 05.05.2020 sowie dem 02.06.2020 zu zahlen.

Hilfsweise, für den Fall, dass das Gericht der Rechtsauflassung des BAG zu der Frage der Ablösung des Systems der Gesamtversorgung folgen möchte, wird wie folgt beantragt:

6. Die Beklagte wird verurteilt, an die klagende Partei, beginnend ab dem 01.07.2020, über den derzeit unstreitig mindestens zu zahlenden Betrag in von 810,99 € brutto hinaus, jeweils zum ersten eines Monats, weitere 30,21 € brutto zu zahlen.

7. Die Beklagte wird verurteilt, an die klagende Partei einen Betrag in Höhe von insgesamt 334,08 € brutto, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 27,84 € brutto, seit dem 02.07.2016, dem 02.08.2016, dem 02.09.2016, dem 02.10.2016, dem 03.11.2016, dem 02.12.2016, dem 03.01.2017, dem 02.02.2017, dem 02.03.2017, dem 02.04.2017, dem 03.05.2017 sowie dem 02.06.2017 zu zahlen.

8. Die Beklagte wird verurteilt, an die klagende Partei einen Betrag in Höhe von insgesamt 340,44 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 28,37 € brutto seit dem 04.07.2017, dem 02.08.2017, dem 02.09.2017, dem 03.10.2017, dem 03.11.2017, dem 02.12.2017, dem 03.01.2018, dem 02.02.2018, dem 02.03.2018, dem 04.04.2018, dem 02.05.2018 sowie dem 02.06.2018, zu zahlen.

9. Die Beklagte wird verurteilt, an die klagende Partei einen Betrag in Höhe von insgesamt 351,36 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 29,28 € brutto seit dem 03.07.2018, dem 02.08.2018, dem 04.09.2018, dem 02.10.2018, dem 03.11.2018, dem 04.12.2018, dem 03.01.2019, dem 02.02.2019, dem 02.03.2019, dem 02.04.2019, dem 03.05.2919 sowie dem 02.06.2019 zu zahlen.

10. Die Beklagte wird verurteilt, an die klagende Partei einen Betrag in Höhe von insgesamt 362,52 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 30,21 € brutto seit dem 02.07.2019, dem 02.08.2019, dem 03.09.2019, dem 02.10.2019, dem 05.11.2019, dem 03.12.2019, dem im 03.01.2020, dem 04.02.2020, dem 03.03.2020, dem 02.04.2020, dem 05.05.2020 sowie dem 02.06 2020 zu zahlen.

Der Beklagtenvertreter beantragt,

die Anschlussberufung des Klägers vollumfänglich zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, dass bis zum Jahr 2015 die betriebliche Altersversorgung immer entsprechend der gesetzlichen Renten und somit entsprechend der Bestimmungen des betrieblichen Versorgungswerks angepasst worden seien bzw. in den Jahren, in denen keine Anpassung der gesetzlichen Rente erfolgt sei, auch nicht angepasst worden seien. Bereits die ordnungsgemäße Beteiligung der örtlichen Betriebsräte müsse mit Nichtwissen bestritten werden. Gleiches gelte für die ordnungsgemäße Beschlussfassung durch die Beklagte. Zudem habe die Beklagte keinen Sachverhalt vorgetragen, der sie berechtigen würde, von der grundsätzlichen Verpflichtung, die Rente entsprechend der gesetzlichen Rente anzupassen, abzuweichen. Das Vorbringen der Beklagten als zutreffend unterstellt, gehe sie offenbar davon aus, dass nahezu jeder Sachverhalt sie zu einer Abweichung von der grundsätzlichen Verpflichtung berechtigen könne. Demgegenüber könne von der Ausnahmevorschrift der Ziffer 4 aber nur dann Gebrauch gemacht werden, wenn eine wirtschaftliche Notlage gegeben sei bzw. gravierende Veränderungen der wirtschaftlichen Unternehmensdaten dies zwingend erforderlich machten. Dies sei offensichtlich nicht der Fall. Es könne nicht zugelassen werden, dass die Beklagte jegliche gesamtwirtschaftliche oder versicherungswirtschaftliche, ihre eigene Lage jedoch nicht betreffende Problematik für eine Kürzung der Regelanpassung nutzen könne. Im Übrigen entziehe es sich der Kenntnis des Klägers als Betriebsrentner, was im Tagesgeschäft der Versorgungsschuldnerin passiere. Weder der Hinweis auf ein vermeintlich hohes Versorgungsniveau der Betriebsrentner, noch auf die gesamtwirtschaftliche Lage bzw. die Lage der Versicherungsbranche, die beabsichtigte strategische Ausrichtung der Beklagten sowie die behauptete regulatorische Herausforderung seien insoweit belastbare Kriterien, um sich den vertraglichen Bindungen im Verhältnis zum Kläger auch nur teilweise zu entziehen.

Allerdings treffe die Auffassung der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zu, dass mit Abschluss des Vollpensionierungsvertrages die Vertragsparteien vereinbart hätten, dass der Kläger unabhängig von einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und einer Versorgungskassenrente eine in ihrer Ausgangshöhe festgelegte Betriebsrente erhalte. Eine Abbedingung der Gesamtversorgung sei nicht erfolgt. Daran sei festzuhalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

Schließlich wird Bezug genommen auf die Sitzungsprotokolle der mündlichen Verhandlungstermine vom 13.05.2019 und 09.09.2019 und der nichtöffentlichen Kammerberatung vom 07.09.2020.
Gründe

I.

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Auf die formalen Anforderungen hinsichtlich der Anschlussberufung des Klägers sind erfüllt, sie erweist sich auch sonst als zulässig.

II.

Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache nur teilweise Erfolg. Denn entgegen der Auffassung der Beklagten ist diese verpflichtet, an den Kläger für die Zeit ab dem 01.07.2015, 01.07.2016, 01.07.2017, 01.07.2018 und 01.07.2019 jeweils eine erhöhte Betriebsrente nach Maßgabe der Klageanträge zu zahlen. Des Weiteren stehen dem Kläger entgegen der Auffassung der Beklagten gestaffelte Verzugszinsen auf die geltend gemachten rückständigen Erhöhungsbeträge zu.

Allerdings erweist sich die Klage entgegen der Auffassung des Klägers insoweit als unbegründet, als der Kläger nach wie vor an der Erhöhung der Gesamtversorgung festhält. Ein dahingehender Anspruch besteht nicht.

Die Anpassung der betrieblichen Rente des Klägers nach Ziffer 8 Frühpensionierungsvertrag richtet sich aufgrund vertraglicher Vereinbarung nach AB § 6 BVW; seine betriebliche Rente ist so anzupassen wie die Gesamtversorgung der direkt unter AB § 6 BVW fallenden Versorgungsempfänger. Das ergibt die Auslegung von Ziffer 8 Frühpensionierungsvertrag nach Maßgabe der §§ 305 ff BGB für den Fall, dass es sich um eine AGB handeln sollte bzw. der Grundsätze für die Auslegung nicht-typischer Erklärungen bei Vorliegen einer Individualvereinbarung (BAG 19.11.2019 – 3 AZR 281/18, NZA 2020, 248). Der Kläger kann folglich verlangen, dass seine Betriebsrente zum 01.07.2015, 01.07.2016, 01.07.2017, 01.07.2018 und 01.07.2019 entsprechend dem für die Gesamtversorgung geltenden Steigerungssatz nach AB § 6 Ziffer 1 BVW angepasst wird.

Die von der Beklagten jeweils getroffene Anpassungsentscheidung ist unwirksam. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei dem BVW um eine Betriebsvereinbarung oder um eine von der Beklagten einseitig aufgestellte Versorgungsordnung handelt, die den Arbeitnehmern in Form einer Gesamtzusage bekannt gegeben wurde. AB § 6 Ziffer 3 BVW berechtigt die Beklagte nur dazu, die Gesamtversorgungsbezüge und damit das von den Arbeitnehmern erdiente Gesamtversorgungsniveau gleichmäßig zu verändern, nicht jedoch lediglich dazu, eine einzelne im Rahmen der Gesamtversorgung als solcher geschuldete Leistung des Arbeitgebers anzuheben (BAG 25.09.2018 – 3 AZR 333/17).

Damit verbleibt es bei der in Ziffer 8 Vollpensionierungsvertrag i.V.m. AB § 6 Ziffer 1, 2 BVW vorgesehenen Anpassung. Der Kläger hat danach jedenfalls einen Anspruch auf Erhöhung seiner Betriebsrente entsprechend der Erhöhung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung zum 01.07.2015, 01.07.2016, 01.07.2017, 01.07.2018 und 01.07.2019. Ein höherer Anspruch besteht nicht. Dem Kläger war insoweit zwar eine Gesamtversorgungszusage mit Gesamtrentenfortschreibung nach dem BVW zugesagt. Mit Abschluss des Frühpensionierungsvertrages haben die Vertragsparteien allerdings in Ziffer 8 Frühpensionierungsvertrag vereinbart, dass der Kläger unabhängig von einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und einer Versorgungskassenrente eine in ihrer Ausgangshöhe festgelegte Betriebsrente erhält. Damit haben die Vertragsparteien ausdrücklich bestimmt, dass dem Kläger keine Gesamtversorgung mehr zustehen soll. Ziffer 8 Frühpensionierungsvertrag sieht eine entsprechende Änderung für die Erhöhung der Betriebsrente dagegen nicht vor, sondern verweist auf die sonst maßgebenden Versorgungsregelungen. Daraus folgt entgegen der ursprünglich vorliegend vom Kläger vertretenen Auffassung, dass es für die Anpassung der Betriebsrente bei der bisherigen Zusage und damit bei der Anwendung der Anpassungsregelungen in den BVW bleiben soll (BAG 19.11.2019, a.a.O.).

Von einer weiteren Begründung wird im Hinblick auf die nunmehr ständige Rechtsprechung des BAG (u.a. 19.11.2019 – 3 AZR 281/18, NZA 2020, 248; 25.09.2018 – 3 AZR 485/17, BeckRS 2018, 32946) abgesehen.

Nach alledem erwiesen sich die auf eine vollumfängliche Erhöhung der Gesamtversorgung gerichteten Klageanträge des Klägers als teilweise unbegründet, so dass der Berufung der Beklagten teilweise stattzugeben war. Zurückzuweisen war die Berufung der Beklagten insoweit, als sie trotz gegenteiliger höchstrichterlicher Rechtsprechung daran festhält, nach wie vor nur zu der von ihr vorgesehenen, höchstrichterlich für rechtsunwirksam angesehenen prozentualen Erhöhung der jeweils geschuldeten Beträge vorzugehen. Dem entsprechend war die Anschlussberufung des Klägers betreffend die Erweiterung des geltend gemachten Zahlungszeitraums nur teilweise begründet und im Übrigen zurückzuweisen.

Der Zinsanspruch ergibt sich mit dem Arbeitsgericht deshalb, weil keine gerichtliche Anpassungsentscheidung im Streit steht, sondern lediglich ein vereinbarungsgemäßer Vollzugsweg, aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1, Satz 2 BGB.

Nach alledem war die angefochtene Entscheidung teilweise aufzuheben, die Verurteilung der Beklagten teilweise zu erweitern und im Übrigen Berufung und Anschlussberufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 91, 92 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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