Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 06.04.2018 – 11 Sa 40/17

Dezember 17, 2020

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 06.04.2018 – 11 Sa 40/17

§ 3 MiLoG führt nicht deswegen zur gesamten Unwirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist, weil die Ansprüche aus dem Mindestlohngesetz nicht explizit von dem Verfall ausgenommen worden sind.

In der Rechtssache
– Beklagte/Berufungsklägerin/Berufungsbeklagte –
Proz.-Bev.:
gegen
– Kläger/Berufungskläger/Berufungsbeklagter –
Proz.-Bev.:
hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg – Kammern Freiburg – 11. Kammer – durch die Richterin am Arbeitsgericht Dr. Böckenförde-Wunderlich, die ehrenamtliche Richterin Bruhn und den ehrenamtlichen Richter Sonnenschein auf die mündliche Verhandlung vom 28.02.2018
für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lörrach – Kn. Radolfzell – vom 28. Juni 2017, Az: 5 Ca 408/16, wird zurückgewiesen.

2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lörrach – Kn. Radolfzell – vom 28. Juni 2017, Az: 5 Ca 408/16, wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten der Berufung haben der Kläger zu 92 % und die Beklagte zu 8 % zu tragen.

4. Die Revision wird, soweit sie sich auf das Urlaubsgeld 2015 sowie das Weihnachtsgeld 2015 bezieht, zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine Kündigung der Beklagten vom 27. September 2016 aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse sowie über Differenzlohnansprüche wegen behaupteter sittenwidriger Vergütungsvereinbarung, die Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld und die Gutschrift von Überstunden auf ein Arbeitszeitkonto.

Der am 0.0.1955 geborene, verheiratete Kläger ist seit dem 6. März 1997 als Techniker zuletzt zu einem Bruttolohn in Höhe von 3.234,10 Euro bei einer 40-Stunden-Woche beschäftigt.

Die Beklagte konzipiert Aluminiumplattformen für hydraulische LKW-Ladebordwände, Aluminiumbrücken, Türme, Stege und Treppen und beschäftigt circa 40 Arbeitnehmer.

Die Beklagte zahlte in den Jahren 1998, 1999 und 2000 an alle Beschäftigten mit der Novemberlohnabrechnung ein Weihnachtsgeld in Höhe von 60 % des Bruttomonatsgehaltes (vgl. Bl. 27 ff. der erstinstanzlichen Akte).

Daneben zahlte die Beklagte in dem Zeitraum 1997 bis 2003 an alle Beschäftigte mit der Juniabrechnung ein Urlaubsgeld in Höhe von 50 % der Bruttomonatsvergütung (vgl. Bl. 30 ff. der erstinstanzlichen Akte).

Von 2008 bis 2010 gab es bei der Beklagten Kurzarbeit.

Ein bei der Beklagten für den Kläger geführtes Überstundenkonto wies zum Jahresende 2009 453,77 Überstunden aus, die zum Jahreswechsel 2009/2010 durch die Beklagte ohne Gegenleistung gestrichen wurden.

Unter Punkt 9 des Arbeitsvertrages, auf dessen Inhalt im Übrigen Bezug genommen wird, vereinbarten die Parteien eine Verfallsfrist mit folgendem Wortlaut (Bl. 53 der erstinstanzlichen Akte):
“Verfallsfrist Die Parteien vereinbaren, dass alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis binnen drei Monaten nach Fälligkeit verfallen. Der Verfall tritt nicht ein, wenn solche Ansprüche innerhalb dieses Zeitraumes schriftlich gegenüber der anderen Vertragspartei geltend gemacht werden.”

Mit Schreiben vom 3. August 2016 machte der Kläger gegenüber der Beklagten für den Zeitraum 2013 bis einschließlich Juli 2016 Vergütungsdifferenzen wegen Sittenwidrigkeit der bezahlten Monatsvergütung geltend. Daneben begehrte er in diesem Schreiben die Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld für die Jahre 2013 bis einschließlich 2015 sowie einen Ausgleich für die Ende 2009 gestrichenen Überstunden (vgl. Bl. 37 ff. der erstinstanzlichen Akte).

Mit Schreiben vom 27. September 2010, dem Kläger zugegangen am 29. September 2010, kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zum 31. März 2017 und berief sich dabei auf betriebsbedingte Gründe.

Mit seiner am 14. Oktober 2016 beim Arbeitsgericht Lörrach – Kn. Radolfzell – eingegangenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung sowie die bereits außergerichtlich geltend gemachten Zahlungsansprüche begehrt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die Kündigung unwirksam sei, da nicht nachvollziehbar dargelegt worden sei, wieso sein Arbeitsplatz in Wegfall geraten sein solle. Zudem liege ein Verstoß gegen § 612 a BGB vor, da die Kündigung nur erfolgt sei, weil er seine Vergütungsansprüche geltend gemacht habe.

Auch sei die Vergütungsvereinbarung sittenwidrig. Der Kläger bekomme seit 2003 unverändert eine monatliche Vergütung in Höhe von 3.234,10 Euro brutto bei einer Arbeitsverpflichtung von 40 Stunden, habe aber tatsächlich Anspruch auf Zahlung der monatlichen Vergütung der Entgeltgruppe 11 nach dem für die Beklagte maßgeblichen Metalltarifvertrag (ERA-TV) in Höhe von derzeit 5.659,42 Euro brutto. Bei Berücksichtigung des Grundlohns dieser Vergütungsgruppe, einer Leistungszulage in Höhe von 15% und dem anteiligen Urlaubs- und Weihnachtsgeld habe er in den letzten Jahren lediglich 57,14 % bis 62 % der tarifüblichen Vergütung erhalten (vgl. die Berechnungen auf Bl. 19 und 20 der erstinstanzlichen Akte).

Die Beklagte habe auch mit verwerflicher Gesinnung gehandelt, da er seit 2003 keinerlei Gehaltserhöhung erhalten habe und er den Geschäftsführern der Beklagten, da Deutsch nicht seine Muttersprache sei, sprachlich deutlich unterlegen sei. Schließlich weise er eine anerkannte Hörbeeinträchtigung auf und kenne sich zudem mit den Besonderheiten des deutschen Arbeitsrechts nicht aus. Daneben habe er eine permanente Furcht vor dem Verlust seines Arbeitsplatzes gehabt. Diese sei dadurch verstärkt worden, dass die Beklagte immer dann, wenn er versucht habe, seine Rechte einzufordern, mitgeteilt habe, dass man sich das nicht leisten könne. Auch sei ein Arbeitskollege, der sein Urlaubsgeld gerichtlich durchgesetzt habe, gekündigt worden.

Daneben hat der Kläger die Auffassung vertreten, dass er aus betrieblicher Übung einen Anspruch auf Zahlung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes für die nicht verjährten Zeiträume habe.

Schließlich habe er einen Anspruch auf Gutschrift der Ende 2009 gestrichenen Überstunden auf sein Arbeitszeitkonto. Die einseitige Streichung der Beklagten sei unzulässig gewesen.

Der Kläger hat beantragt:
1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 27. September 2016 mit Ablauf des 31. März 2017 endet. 2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Zeitraum von 01. Juli 2013 bis 30. April 2014 Arbeitslohn in Höhe von 19.762,40 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17. August 2016 zu bezahlen. 3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Zeitraum 1. Mai 2014 bis 31. März 2015 Arbeitslohn in Höhe von 22.993,30 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17. August 2016 zu bezahlen. 4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Zeitraum 1. April 2015 bis 30. Juni 2016 Arbeitslohn in Höhe von 34.066,35 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17. August 2016 zu bezahlen. 5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die Monate Juli, August und September 2016 Arbeitslohn in Höhe von 7.275,96 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.425,32 Euro brutto seit 17. August 2016 und aus 4.850,64 Euro brutto seit Rechtshängigkeit zu bezahlen. 6. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Weihnachtsgeld für das Jahr 2013 in Höhe von 60 % der von der Beklagten geschuldeten Bruttomonatsvergütung in Höhe von 5.210,34 Euro brutto, mithin 3.126,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17. August 2016 zu bezahlen. 7. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Weihnachtsgeld für das Jahr 2014 in Höhe von 60 % der von der Beklagten geschuldeten Bruttomonatsvergütung in Höhe von 5.324,40 Euro brutto, mithin 3.194,64 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17. August 2016 zu bezahlen. 8. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Weihnachtsgeld für das Jahr 2015 in Höhe von 60 % der von der Beklagten geschuldeten Bruttomonatsvergütung in Höhe von 5.505,19 Euro brutto, mithin 3.303,11 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17. August 2016 zu bezahlen. 9. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Urlaubsgeld für das Jahr 2013 in Höhe von 50 % der von der Beklagten geschuldeten Bruttomonatsvergütung in Höhe von 5.210,34 Euro brutto, mithin 2.605,17 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17. August 2016 zu bezahlen. 10. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Urlaubsgeld für das Jahr 2014 in Höhe von 50% der von der Beklagten geschuldeten Bruttomonatsvergütung in Höhe von 5.324,40 Euro brutto, mithin 2.662,20 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17. August 2016 zu bezahlen. 11. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Urlaubsgeld für das Jahr 2015 in Höhe von 50 % der von der Beklagten geschuldeten Bruttomonatsvergütung in Höhe von 5.505,19 Euro brutto, mithin 2.752,60 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17. August 2016 zu bezahlen. 12. Die Beklagte wird verurteilt, die bis Ende 2009 aufgelaufenen 450 Überstunden dem Arbeitszeitkonto des Klägers wieder gutzuschreiben.

Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass das Arbeitsverhältnis durch die betriebsbedingte Kündigung vom 27. September 2017 beendet worden sei, da sie aufgrund der wirtschaftlich schwierigen Lage die unternehmerische Entscheidung getroffen habe, künftig anfallende Konstruktionsarbeiten an externe Ingenieurbüros zu vergeben. Der langjährige Abteilungsleiter der Konstruktionsabteilung sei bereits zum 30. April 2016 ausgeschieden und ein anderer Mitarbeiter sei zunächst bis Ende Dezember 2016 befristet beschäftigt gewesen und dann Mitte Januar 2017 endgültig ausgeschieden. Weitere Mitarbeiter habe es in der Konstruktionsabteilung nicht gegeben. Die Abstimmungsarbeiten zwischen der Konstruktion und der Produktion habe der Produktionsleiter übernommen. Im September 2016 und Mitte Dezember 2016 habe man zwar Werker eingestellt. Diese Personen seien jedoch nicht mit dem Kläger vergleichbar und zum 15. April 2017 wieder ausgeschieden.

Ein Zusammenhang der Kündigungsentscheidung mit der Geltendmachung der Zahlungsansprüche bestehe nicht.

Die Beklagte hat daneben vorgetragen, dass die zwischen den Parteien getroffene Vergütungsvereinbarung nicht sittenwidrig sei. Zunächst sei schon der Metalltarifvertrag nicht einschlägig und die Anwendung in der Region nicht üblich. Zudem sei die Beklagte als kleiner Betrieb nicht mit den industriellen Großbetrieben im Metallbereich vergleichbar und der Kläger aufgrund der von ihm ausgeübten Tätigkeiten allenfalls in die Entgeltgruppe 9 einzugruppieren. Ein Missverhältnis liege bei einem Vergleich des Gehalts dieser Gruppe und der dem Kläger bezahlten Vergütung nicht vor.

Eine Zahlungsverpflichtung hinsichtlich des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes bestehe schon deswegen nicht, da eine Geltendmachung wegen der Ausschlussfristen nicht mehr möglich sei, zudem sehe der Vertrag einen Freiwilligkeitsvorbehalt vor. Mit der Streichung der Überstunden sei Kläger damals einverstanden gewesen, im Übrigen sei diese Forderung verjährt.

Mit Urteil vom 28. Juni 2017 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Kündigung der Beklagten vom 27. September 2016 beendet worden ist. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die streitgegenständliche Kündigung nicht gerechtfertigt sei, da die Beklagte dem Kläger wegen der offenen Stellen als milderes Mittel eine Änderungskündigung hätte aussprechen müssen. Eine Änderungskündigung dürfe nur in Extremfällen unterbleiben, da ein Arbeitnehmer grundsätzlich selbst entscheiden können soll, ob er eine Weiterbeschäftigung unter gegebenenfalls erheblich verschlechterten Arbeitsbedingungen annehmen möchte oder nicht. Dass den auf diesen Stellen eingesetzten Mitarbeitern wieder gekündigt worden sei, ändere daran nichts, da nicht erkennbar sei, dass in Zukunft kein Beschäftigungsbedarf mehr bestehen würde.

Hinsichtlich der begehrten Vergütungsdifferenz liege für den Zeitraum bis zum 31. März 2015 schon kein auffälliges Missverhältnis vor, im Übrigen fehle es an einer verwerflichen Gesinnung der Beklagten. Selbst wenn zugunsten des Klägers unterstellt würde, dass die übliche Vergütung im Wirtschaftszweig der Beklagten sich nach dem ERA-TV richten würde und er in die Entgeltgruppe 11 des ERA-TV einzugruppieren wäre, habe er bei seiner Berechnung das von ihm geltend gemachte Weihnachts- und Urlaubsgeld nicht berücksichtigt. Eine verwerfliche Gesinnung folge weder aus den vorgetragenen mangelnden Deutschkenntnissen oder den Hörproblemen des Klägers noch aus den Ausführungen der Beklagten zu ihrer wirtschaftlichen Situation.

Die Ansprüche auf Zahlung restlicher Urlaubs- und Weihnachtsgelder seien ebenso wie die begehrte Gutschrift von Überstunden auf das Arbeitszeitkonto aufgrund der vertraglich vereinbarten Ausschlussfristen verfallen. Die nicht enthaltene Herausnahme von Ansprüchen wegen Vorsatzes sowie von Ansprüchen nach dem Mindestlohngesetz führe nicht zu einer intransparenten und damit unwirksamen Regelung. Bezogen auf den Anspruch auf Gutschrift von Überstunden liege im Übrigen Verjährung vor, auf die sich die Beklagte vorgerichtlich berufen habe.

Gegen das den Parteien am 13. Juli 2017 zugestellte Urteil haben der Kläger am 9. August 2017 und die Beklagte am 2. August 2017 Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründungen sind nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 13. Oktober 2017 am 13. Oktober 2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

Der Kläger trägt in der Berufung vor, dass das Arbeitsgericht hinsichtlich der sittenwidrigen Vergütung fälschlicherweise zu dem Ergebnis komme, dass die 2/3 Grenze erst ab April 2015 unterschritten sei. Er habe seit 2002 tatsächlich kein Weihnachts- und Urlaubsgeld erhalten, so dass dies nicht berücksichtigt werden könne. Zudem habe das Gericht verkannt, dass die Beklagte die Unkenntnis, die Unerfahrenheit sowie die Hilfs- und Wehrlosigkeit des Klägers ausgenutzt habe. Dies zeige sich zum einen im Umgang mit dem Kläger und seinen Beeinträchtigungen sowie in der Ungleichbehandlung gegenüber anderen Mitarbeitern, die eine Lohnerhöhung erhalten hätten sowie darin, dass die Beklagte den Mitarbeitern immer wieder mit ihren wirtschaftlichen Schwierigkeiten drohe um Forderungen abzulehnen oder kündige, wenn solche gerichtlich durchgesetzt würden. Die verwerfliche Gesinnung der Beklagten zeige sich ebenfalls daran, dass sie versucht habe, einen bereits genehmigten Urlaub kurzfristig in Frage zu stellen oder angeforderte Papiere nicht auszuhändigen.

Das Arbeitsgericht gehe zudem fehlerhaft von einem Verfall der übrigen Zahlungsansprüche aus. So sei die vertragliche Ausschlussfrist unwirksam, da sie weder die Haftung wegen Vorsatz ausschließe noch den Anspruch auf den Mindestlohn. Eine solche Klausel sei intransparent und daher unabhängig davon, ob sie in Neu- oder Altverträgen verwendet werde, unwirksam. Bei der Streichung des Überstundenkontos habe das Arbeitsgericht nicht berücksichtigt, dass eine Fälligkeit dieses Anspruchs erst mit der Schließung des Arbeitszeitkontos entstehe und daher weder die Verjährungs- noch die Ausschlussfristen zu laufen begonnen hätten.

Hinsichtlich der ausgesprochenen Kündigung habe das Arbeitsgericht eine soziale Rechtfertigung zutreffend verneint. So seien schon Zweifel an der Unternehmerentscheidung und deren Umsetzung angebracht. Zudem hätte die Beklagte ohne weiteres als milderes Mittel eine Änderungskündigung aussprechen können. Zumutbare freie Stellen habe es gegeben und der Kläger habe es in der Vergangenheit nicht abgelehnt, in der Produktion zu arbeiten. Ein Zusammenhang zwischen der erfolglosen außergerichtlichen Geltendmachung und der im Anschluss erfolgten Kündigung sei zudem gegeben.

Der Kläger beantragt:
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Lörrach – Kammern Radolfzell – vom 28. Juni 2017 wird abgeändert. 2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Zeitraum von 1. Juli 2013 bis 30. April 2014 Arbeitslohn in Höhe von 19.762,40 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17. August 2016 zu bezahlen. 3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Zeitraum 1. Mai 2014 bis 31. März 2015 Arbeitslohn in Höhe von 22.993,30 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17. August 2016 zu bezahlen. 4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Zeitraum 1. April 2015 bis 30. Juni 2016 Arbeitslohn in Höhe von 34.066,35 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17. August 2016 zu bezahlen. 5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die Monate Juli, August und September 2016 Arbeitslohn in Höhe von 7.275,96 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.425,32 Euro brutto seit 17. August 2016 und aus 4.850,64 Euro brutto seit Rechtshängigkeit zu bezahlen. 6. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Weihnachtsgeld für das Jahr 2013 in Höhe von 60% der von der Beklagten geschuldeten Bruttomonatsvergütung in Höhe von 5.210,34 Euro brutto, mithin 3.126,20 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17. August 2016 zu bezahlen. 7. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Weihnachtsgeld für das Jahr 2014 in Höhe von 60% der von der Beklagten geschuldeten Bruttomonatsvergütung in Höhe von 5.324,40 Euro brutto, mithin 3.194,64 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17. August 2016 zu bezahlen. 8. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Weihnachtsgeld für das Jahr 2015 in Höhe von 60 % der von der Beklagten geschuldeten Bruttomonatsvergütung in Höhe von 5.505,19 Euro brutto, mithin 3.303,11 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17. August 2016 zu bezahlen. 9. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Urlaubsgeld für das Jahr 2013 Höhe von 50 % der von der Beklagten geschuldeten Bruttomonatsvergütung in Höhe von 5.210,34 Euro brutto, mithin 2.605,17 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17. August 2016 zu bezahlen. 10. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Urlaubsgeld für das Jahr 2014 Höhe von 50 % der von der Beklagten geschuldeten Bruttomonatsvergütung in Höhe von 5.324,40 Euro brutto, mithin 2.662,20 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17. August 2016 zu bezahlen. 11. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Urlaubsgeld für das Jahr 2015 Höhe von 50 % der von der Beklagten geschuldeten Bruttomonatsvergütung in Höhe von 5.505,19 Euro brutto, mithin 2.752,60 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17. August 2016 zu bezahlen. 12. Die Beklagte wird verurteilt, die bis Ende 2009 aufgelaufenen 450 Überstunden dem Arbeitszeitkonto des Klägers wieder gutzuschreiben.

Die Beklagte beantragt:
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Lörrach – Kn. Radolfzell – 5 Ca 408/16 – wird in Ziffer 1 aufgehoben. 2. Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.

Der Kläger beantragt:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lörrach – Kn. Radolfzell – 5 Ca 408/16 – vom 28. Juni 2017 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt vor, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass sie nicht verpflichtet gewesen sei, die im September 2016 vorhandene offene Stelle in der Montage anzubieten. Zum einem sei diese Stelle besetzt worden, bevor die Kündigungsentscheidung getroffen worden sei. Zum anderen habe der Kläger bereits bei Gesprächen im März 2016 unter Hinweis auf seine gesundheitliche Situation jegliche Tätigkeit in der Produktion abgelehnt. So habe er bereits in der Vergangenheit mitgeteilt, dass er schwere Lasten von mehr als zehn Kilo nicht ohne Hilfe Dritter tragen könne. Auch habe er nie in der Montage gearbeitet. Bei den offenen Stellen seien aber gerade derartige Arbeiten auszuführen. Daneben habe das Arbeitsgericht nicht ausreichend berücksichtigt, dass es sich bei den genannten Arbeitsplätzen nicht um Dauerarbeitsplätze gehandelt habe, sondern nur um einen vorübergehenden Arbeitsbedarf, denn beide Mitarbeiter seien zum 15. April 2017 aufgrund Kündigung ausgeschieden. Zum Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses des Klägers sei dies bereits festgestanden. Die für die betriebsbedingte Kündigung erforderliche Unternehmerentscheidung sei getroffen worden. Bereits im Frühjahr 2016 habe man sich Gedanken gemacht und der Beschluss vom September 2016 sei dann entsprechend umgesetzt worden Die Konstruktionsabteilung sei mit dem Ausscheiden des Klägers vollständig geschlossen worden. Konstruktionen und Zeichnungen würden nicht mehr bei der Beklagten angefertigt, sondern durch andere, seitens der Beklagten beauftragte Dienstleister erledigt. Eine Sozialauswahl habe nicht durchgeführt werden müssen.

Bezogen auf die Vergütungsansprüche trägt die Beklagte vor, dass das Arbeitsgericht zutreffend erkannt habe, dass die subjektive Seite des Lohnwuchers nicht vorliege. Insbesondere habe die Beklagte schon im Jahr 2013 Verluste gehabt und die Zahlungsfähigkeit habe nur durch Veräußerung von wesentlichem Betriebsvermögen aufrechterhalten werden können. Der Kläger sei im Verhältnis zu den anderen Mitarbeitern nicht benachteiligt worden, vielmehr sei die wirtschaftliche Situation gegenüber allen Mitarbeitern kommuniziert worden. Die Hörbeeinträchtigungen würden ebenso wenig wie die fehlenden Sprachkenntnisse zu einer verwerflichen Gesinnung führen und der Kläger habe Möglichkeiten gehabt, anderweitig unterzukommen. Daneben sei noch mal ergänzend darauf hinzuweisen, dass die bezahlte Vergütung sich im Rahmen des üblichen Gehaltsniveaus für vergleichbare Arbeitnehmer halte und der Tätigkeit des Klägers entsprochen habe. Die Entgeltgruppe 11 käme für den Kläger nicht in Betracht.

Das Arbeitsgericht habe sich ebenfalls zu der Wirksamkeit der vertraglichen Ausschussfristen zutreffend geäußert. Diese würden dem Standard entsprechen und zu einem Verfall der Ansprüche führen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstand wird gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG, § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst der Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen in erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufungen des Klägers und der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lörrach – Kn. Radolfzell – vom 28. Juni 2017 sind gemäß § 64 Abs. 2 b und c ArbGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Differenzvergütungen für den Zeitraum 2013 bis einschließlich September 2016 aus § 138 Abs. 2 BGB. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der subjektive Tatbestand des Lohnwuchers nicht gegeben ist. Eine verwerfliche Gesinnung der Beklagte kann nicht festgestellt werden.

a) Nach § 138 Abs. 2 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, durch das sich jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit oder des Mangels an Urteilsvermögens eines anderen für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen. Diese Regelung gilt auch für das auffällige Missverhältnis zwischen dem Wert der Arbeitsleistung und der Lohnhöhe in einem Arbeitsverhältnis. Verstößt die Entgeltabrede gegen § 138 BGB, schuldet der Arbeitgeber gemäß § 612 Abs. 2 BGB die übliche Vergütung (BAG 24. Mai 2017 – 5 AZR 251/16 Rn. 37 f.; BAG 22. April 2009 – 5 AZR 436/08 Rn. 9).

Kann ein besonders auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung festgestellt werden, weil der Wert der Leistung (mindestens) doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung, gestattet dies den tatsächlichen Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten (BAG 18. November 2015 – 5 AZR 814/14 Rn. 21).

Spricht dagegen keine solche tatsächliche Vermutung für eine verwerfliche Gesinnung, bedarf es zusätzlicher Umstände, aus denen geschlossen werden kann, der Arbeitgeber habe die Not oder einen anderen den Arbeitnehmer hemmenden Umstand in verwerflicher Weise zu seinem Vorteil ausgenutzt (BAG 27. Juni 2012 – 5 AZR 496/11 Rn.11).

b) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe, denen sich die Kammer anschließt, kann von einer verwerflichen Gesinnung der Beklagten nicht ausgegangen werden. Dies hat die 1. Instanz zutreffend ausgeführt.

aa) Ein besonders krasses Missverhältnis mit der Folge, dass die verwerfliche Gesinnung der Beklagten zu vermuten wäre, liegt selbst nach dem eigenen Vortrag des Klägers nicht vor. Nach den vom Kläger vorgenommenen Berechnungen liegt die von ihm behauptete geringste Vergütung bei maximal 57,14% des von ihm angesetzten üblichen Grundlohns.

bb) Ebenso wenig lassen die übrigen vom Kläger mitgeteilten Umstände diesen Schluss zu.

(1) Die vom Kläger vorgebrachten Verständnisschwierigkeiten mögen zwar dazu führen, dass der Kläger in einem Gespräch nicht mit der gleichen Wortgewandtheit wie der Geschäftsführer argumentieren kann. Dies bedeutet jedoch nicht, dass durch derartige Sprachunterschiede, selbst wenn sie in dem vom Kläger dargestellten Ausmaß bestehen sollten, die Ausnutzung einer Hilflosigkeit angenommen werden kann. Es ist seitens des Klägers keine konkrete Situation geschildert worden, die die Schlussfolgerung zulässt, dass der Kläger sich wegen möglicher Sprachschwierigkeiten nicht habe wehren können. Der Einwand, dass er der deutschen Schriftsprache nicht ausreichend mächtig gewesen sei, um die Ansprüche geltend zu machen, trägt nicht. Zum einen bedarf es keiner vertieften Sprachkenntnisse um seinem Arbeitgeber mitzuteilen, dass die Zahlung von Weihnachts- oder Urlaubsgeld oder sonstige Ansprüche begehrt werden. Zum anderen ist es in einer solchen Situation auch zumutbar, die Ehefrau um eine entsprechende Formulierung zu bitten und diese dann zu unterschreiben. Hinzu kommt, dass der Kläger bereits seit 20 Jahren im Betrieb der Beklagten beschäftigt gewesen ist und insoweit davon ausgegangen werden kann, dass eine Grundverständigung möglich ist. Diesen Eindruck hat auch die Kammer im Rahmen der mündlichen Verhandlung gewonnen. Zwar hat der Kläger nicht viel gesprochen, es wirkte aber nicht so, dass er der Verhandlung nicht hätte folgen können.

(2) In Bezug auf die Hörbeeinträchtigung vermag die Kammer keine Verbindung zur Ausnutzung einer besonderen Schutz- oder Hilflosigkeit zu erkennen. Zum einen konnte nicht aufgeklärt werden, ob und seit wann der Beklagten dieser Umstand überhaupt bekannt ist. Zum anderen stellt sich die Frage, durch welches Verhalten die Beklagte diese beim Kläger bestehende Beeinträchtigung zu ihrem Vorteil ausgenutzt haben soll. Der relativ pauschal gehaltene Vortrag, dass er aufgrund der mangelnden Sprachkenntnisse und der Hörbeeinträchtigung in Streitgesprächen mit Vorgesetzten nicht hätte bestehen können, stellt lediglich eine Vermutung dar. Desgleichen ist die Behauptung, dass der Kläger aufgrund dieser Beeinträchtigung zu Gesprächen nicht mehr hinzugezogen worden sei und man über seinen Kopf hinweg Entscheidungen gefällt habe, durch keine konkreten Angaben belegt worden.

(3) Nachvollziehbar bringt der Kläger zum Ausdruck, dass die nicht erfolgte Lohnerhöhung seit dem Jahr 2003, die Streichung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes sowie die Streichung der 450 Überstunden Ausdruck einer Haltung sind, die es den Arbeitnehmern sehr schwer macht, dennoch ihre Arbeitsleistung zu der vereinbarten Vergütung zu erbringen.

Daneben stellt auch das Hinhalten der Mitarbeiter bei Nachfragen nach Lohnerhöhungen sowie die geschilderte Kündigung eines Mitarbeiters, der seine Ansprüche gerichtlich geltend macht, eine Verhaltensweise dar, die, ihre Richtigkeit unterstellt, daran denken lässt, dass das Wohl der Mitarbeiter zweitrangig ist und ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis ausgenutzt wird.

Ebenso erscheint es wenig motivierend für die Mitarbeiter, wenn auf Zahlungsanfragen seit Jahren mit einer Insolvenz gedroht wird und die wahrgenommene Auftragslage und Geschäftstätigkeit diese Drohung nicht stützt.

Auch vermag der dem Kläger seitens der Beklagten gemachte Vorhalt, er habe doch aufgrund seiner fachlichen Qualifikation beste Erwerbsmöglichkeiten, bei diesem auf Unverständnis stoßen, da dies lediglich die allgemeine Arbeitsplatzsituation in den Blick nimmt ohne jedoch auf die konkrete Situation des Klägers Bezug zu nehmen.

Mehr als unerfreulich ist auch die Behandlung der Anliegen des Klägers in Bezug auf den bereits abgesprochenen Urlaub und die nicht erfolgte Aushändigung seiner Arbeitspapiere.

Sämtliche der genannten Aspekte lassen in ihrer Gesamtschau zwar den Schluss zu, dass die Beklagte, auch wenn die betonten finanziellen Schwierigkeiten zutreffen, von ihren Mitarbeitern einiges abverlangt hat, sie führen jedoch nicht dazu, dass die Beklagte als wirtschaftlich oder intellektuell Überlegene die schwächere Lage des anderen Teils bewusst zu ihrem Vorteil ausgenutzt hat. Dass die wirtschaftliche Situation bei der Beklagten mitunter angespannt gewesen ist, zeigt sich u.a. daran, dass es über einen Zeitraum von zwei Jahren Kurzarbeit gegeben hat. Zudem ist nicht erkennbar, dass der Kläger einen derartigen Mangel an Lebens- oder Geschäftserfahrung besitzt und eine besondere Schwächesituation, gekennzeichnet durch eine Zwangslage, Unerfahrenheit und erhebliche Willensschwäche vorgelegen hat (siehe dazu auch: LAG Rheinland-Pfalz 17. Februar 2011 – 11 Sa 566/10 Rn. 52; LAG Berlin-Brandenburg 7. November 2014 – 6 Sa 1148/14 Rn. 52).

cc) Hinzu kommt bezogen auf die objektive Seite des Lohnwuchers, dass schon die Tarifüblichkeit der Vergütung des ERA-Tarifvertrages, die insbesondere nach der Anhörung zum Wirtschaftsgebiet im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der Kammer keineswegs klar ist sowie die errechnete Differenz unter Einbeziehung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes nur bei dem Tariflohn, schon nicht eindeutig zu einem krassen Missverhältnis hinsichtlich des objektiven Teils der Vergütung führen. Da es auf die sich im Rahmen der objektiven Seite stellenden Fragen bezüglich eines sittenwidrigen Lohns aufgrund der obigen Ausführungen nicht ankommt, wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung restlicher Urlaubs- und Weihnachtsgelder aus den Jahren 2013 bis 2015. Das Arbeitsgericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass diese Ansprüche gemäß Ziffer 9 des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages verfallen sind.

a) Wie das Arbeitsgericht in seinen Entscheidungsgründen festgestellt hat, ist hinsichtlich der im Streit stehenden Zahlungsforderungen dem Grunde nach ein Anspruch des Klägers entstanden.

Bei an die Belegschaft geleisteten Gratifikationen ist bei einer dreimaligen vorbehaltlosen Gewährung grundsätzlich von einer Verbindlichkeit auszugehen (BAG 15. Mai 2012 – 3 AZR 610/11 Rn. 56 ff.). Das Entstehen dieser Übung wird auch nicht durch die im Arbeitsvertrag getroffenen Regelung “Urlaubs- und Weihnachtsgeld wird im betriebsüblichen Rahmen bezahlt” ausgeschlossen. Insoweit hat das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt, dass diese Formulierung nicht als Freiwilligkeitsvorbehalt ausgelegt werden kann. Unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung kann diese Erklärung nicht dahingehend verstanden werden, dass die Zahlung des Urlaubs- und Weihnachtsgeld auch bei wiederholter Zahlung eine Anspruchsentstehung verhindern sollte (vgl. zur AGB-Kontrolle BAG 17. April 2013 – 10 AZR 281/12 Rn.12 ff.).

Eine betriebliche Übung ist entstanden, denn die Beklagte hat dem Kläger in den Jahren 1998 bis einschließlich 2000 Weihnachtsgeld und bis 2003 Urlaubsgeld bezahlt.

b) Die Ansprüche des Klägers für die Jahre 2013 bis einschließlich 2015 sind jedoch verfallen. Ausweislich der im Arbeitsvertrag enthaltenen Regelung verfallen die Ansprüche binnen drei Monate nach Fälligkeit. Entgegen der Ansicht des Klägers ist die in Ziffer 9 des Vertrages getroffene Regelung wirksam.

aa) Die unter Nr. 9 des Arbeitsvertrages aus dem Jahr 1997 getroffene Regelung ist eine allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB. Dafür begründet das äußere Erscheinungsbild eine tatsächliche Vermutung, der keine Partei entgegengetreten ist (BAG 19. März 2014 – 5 AZR 299/13 Rn. 17).

Die Frage der Wirksamkeit der getroffenen Regelung bemisst sich daher nach den §§ 305 ff. BGB.

bb) Die Klausel ist nicht überraschend i.S.d. § 305 c Abs. 1 BGB, denn die Vereinbarung von Ausschlussfristen entspricht einer weit verbreiteten Übung im Arbeitsleben. Der im Rahmen der Sittenwidrigkeit geltend gemachte Einwand des Klägers, er habe nicht gewusst, was die Verfallsfrist bedeutet, ändert daran nichts (BAG 27. Januar 2016 – 5 AZR 277/14 Rn. 19).

cc) Die Vereinbarung einer Ausschlussfrist von drei Monaten ist ausreichend und hält einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB stand. Es benachteiligt den Kläger nicht unangemessen entgegen den Geboten von Treu und Glauben, wenn er für die schriftliche Geltendmachung seiner Ansprüche diesen Zeitraum zur Verfügung hat (BAG 12. März 2008 – 10 AZR 152/07 Rn. 22).

dd) Der Wirksamkeit der Verfallfrist steht auch nicht entgegen, dass die Klausel nicht explizit Ansprüche aus vorsätzlichem Handeln ausnimmt. Entgegen der Ansicht des Klägers ist davon auszugehen, dass die Parteien mit dieser Formulierung keine Fälle anders als das Gesetz und unter Verstoß gegen die Verbotsnorm i.S.d. § 134 BGB regeln wollten. Vertragsklauseln, die nur in außergewöhnlichen, von den Vertragspartnern bei Vertragsschluss nicht für regelungsbedürftig gehaltenen Fällen gegen das Gesetz verstoßen, sind wirksam (BAG 20. Juni 2013 – 8 AZR 280/12 Rn. 21).

ee) Die Klausel scheitert ebenso wenig daran, dass sie die Ansprüche nach § 3 MiLoG nicht explizit ausnimmt.

(1) § 3 MiLoG sieht vor, dass Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, insoweit unwirksam sind. Damit ist eindeutig klargestellt, dass diejenigen Ansprüche, die unmittelbar den Mindestlohn betreffen, nicht verfallen, da die insoweit getroffene Verfallsfrist nicht gilt. Durch die Formulierung “insoweit unwirksam” wird aber gleichfalls deutlich, dass der Ausschluss grundsätzlich andere als die Mindestlohnansprüche nicht erfasst. Diese Auslegung entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der durch den § 3 MiLoG verhindern wollte, dass den Arbeitnehmern der ihnen zustehende Mindestlohn durch Ausschlussfristen nach einer relativ kurzen Frist wieder genommen werden könnte. Die Auslegung der Verfallsfrist führt nach den vom BAG entwickelten Kriterien, die darauf abstellen, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach ihrem objektiven und typischen Sinn so ausgelegt werden sollen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, vorliegend dazu, dass die Klausel nicht insgesamt unwirksam ist. Das Mindestlohngesetz ist zu beachten, die Klausel mithin insoweit unwirksam und im Übrigen unterliegen die anderen Ansprüche der Frist. Es ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Vertragspartner keine Klausel aufstellen wollten, die gegen eine Verbotsnorm verstößt. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn die Verbotsnorm erst nach der vertraglichen Vereinbarung aufgestellt wurde (vgl. zu dieser Diskussion Riechert/Nimmerjahn, 2. Aufl. § 3 MiLoG Rn. 27 f. m.w.N).

(2) Diesem Ergebnis steht § 306 BGB nicht entgegen. Würde § 306 BGB, der eine geltungserhaltene Reduktion grundsätzlich verbietet, Anwendung finden, so würde die in § 3 MiLoG getroffene Beschränkung hinsichtlich der Unwirksamkeit von Ausschlussfristen nicht zum Tragen kommen. Eine derart weitreichende Konsequenz kann weder dem Wortlaut “insoweit” noch der Gesetzesbegründung entnommen werden. Die gesetzliche Vorschrift, von der abgewichen wird, sieht nämlich gerade keine vollständige Unwirksamkeit vor, wenn eine Regelung gegen sie verstößt. Gibt die Gesetzesregelung die Möglichkeit der geltungserhaltenden Reduktion vor, so erscheint es nicht sachgerecht, dies durch die allgemeinen Grundsätze des AGB Rechtes für Formularverträge wieder einzuschränken (vgl. zu dieser Diskussion Riechert/Nimmerjahn, 2. Aufl. § 3 MiLoG Rn.28 m.w.N; HK-MiLoG/Trümmer, § 3 Rn. 24 ff.).

(3) Die Klausel ist nicht intransparent i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Sie ordnet eindeutig den Verfall der Ansprüche an, wenn diese nicht innerhalb einer Verfallsfrist von drei Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht werden (vgl. BAG 24. August 2016 – 5 AZR 703/25 Rn. 18). Daran ändert sich nach Ansicht der Kammer nichts dadurch, dass sie im Hinblick auf die Mindestlohnansprüche unwirksam ist.

(a) Gemäß § 307 Abs.1 Satz 2 BGB kann sich die zur Unwirksamkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung führende unangemessene Benachteiligung aus der mangelnden Klarheit und Verständlichkeit der Bedingung ergeben. Dieses Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Es müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Der Vertragspartner des Klauselverwenders soll ohne fremde Hilfe Gewissheit über den Inhalt der vertraglichen Rechte und Pflichten erlangen und nicht von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten werden. Eine Klausel, die die Rechtslage unzutreffend oder missverständlich darstellt und auf diese Weise dem Verwender ermöglicht, begründete Ansprüche unter Hinweis auf die in der Klausel getroffene Regelung abzuwehren, benachteiligt den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (BAG 24. August 2016 – 5 AZR 703/25 Rn. 29).

(b) Unter Berücksichtigung dieses Maßstabes war die Verfallsfrist sowohl hinsichtlich der Ansprüche bis zum 31. Dezember 2014 als auch bezogen auf das Urlaubs- und Weihnachtsgeld für das Jahr 2015 nicht intransparent mit der Folge, dass die Ansprüche verfallen sind, da der Kläger sie erst im August 2016 und damit mehr als drei Monate nach Fälligkeit geltend gemacht hat.

(aa) Die Verfallsfrist stellt die Rechtslage für die Ansprüche aus der Zeit, die vor dem 1. Januar 2015 fällig wurden, nicht irreführend dar. Sie konnte dem durchschnittlichen Arbeitnehmer nicht den Eindruck vermitteln, er müsse auch den noch nicht in Kraft gesetzten Mindestlohnanspruch nach § 1 MiLoG innerhalb der dort vorgesehen Frist geltend machen (BAG 17. Oktober 2017 – 9 AZR 80/17 Rn. 25).

(bb) Das gleiche gilt nach Ansicht der Kammer für die Ansprüche aus dem Jahr 2015, weil es sich um einen Altvertrag handelt. Zwar kann bezogen auf diesen Zeitraum die Argumentation des BAG aus der oben zitierten Entscheidung nicht unmittelbar herangezogen werden. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung im Mindestlohngesetz und vor dem Hintergrund, dass es sich um einen Altvertrag aus dem Jahr 1997 handelt, ist die Verfallsfrist aber auch auf diese Ansprüche anzuwenden.

Die im Rahmen des § 306 BGB angestellten Überlegungen müssen jedenfalls bei Altverträgen ebenso für die Beurteilung der Frage der Transparenz gelten. Andernfalls wären ab dem 1. Januar 2015 sämtliche Ausschlussfristen in allen Arbeitsverträgen, die eine Differenzierung bezogen auf den Mindestlohn nicht vorsehen, soweit man sie nicht teilen kann, wegen Intransparenz gesamtunwirksam. Dass ein Vertrag aus dem Jahr 1997 eine derartige Bereichsausnahme nicht vorsehen kann, versteht sich von selbst. Klar ist auch, dass der Kläger bei Lektüre der Klausel zunächst davon ausgeht, dass sämtliche Ansprüche verfallen sind und er sich daher daran gehindert sehen kann, den Mindestlohn geltend zu machen. Bezogen auf diejenigen Ansprüche, die der Gesetzgeber dem Kläger belassen wollte, greift die Klausel nicht und dieser Schutz ist auch berechtigt, denn sonst würden die Mindestlohnansprüche in vielen Fällen leerlaufen. Es ist jedoch kein Grund erkennbar, wieso dieser Schutz dem Kläger daneben noch den Vorteil verschaffen soll, dass sämtliche anderen Zahlungsansprüche auch nicht verfallen. Eine Klausel, deren Wortlaut ein gesetzliches Verbot nicht wiedergibt, ist nicht intransparent (LAG Nürnberg 9. Mai 2017 – 7 Sa 560/16 Rn. 81). Insoweit stellt § 3 MiLoG eine spezialgesetzliche Auslegung im Mindestlohngesetz dar, die § 307 Abs. 1 S. 2 BGB als Kontrollmaßstab ausschließt. Hinzu kommt, dass bei einem Altvertrag, um den es hier geht, die Beklagte keine Möglichkeit hatte, ihre Regelungen entsprechend anzupassen, da es diesbezüglich keine Übergangsvorschriften gibt. Im Ergebnis ist unter Berücksichtigung der Intention des Gesetzgebers beim Mindestlohn sowie des Vertrauensschutzes ein Berufen auf die Ausschlussklausel für die übrigen Ansprüche möglich. Insoweit stehen die Vorschriften der AGB-Kontrolle hinter denjenigen des Mindestlohngesetzes zurück (im Ergebnis ebenso Riechert/Nimmerjahn, 2. Aufl. § 3 MiLoG Rn. 30; Thüsing/Greiner, 2. Aufl. § 3 MiLoG Rn. 12; Preis/Ulber, Ausschlussfristen und Mindestlohngesetz, S. 56 f.; ErfK/Franzen, 18. Aufl. § 3 MiLoG Rn. 3 a).

(cc) Soweit vertreten wird, dass Ausschlussfristenregelungen, die den Mindestlohnanspruch nicht ausdrücklich ausnehmen, intransparent und damit insgesamt wirkungslos sind, kann dem nicht gefolgt werden (so: Schaub, ArbR-HdB/Vogelsang, 17. Aufl. § 66 Rn. 46). Die in § 2 Abs. 2 MiLoG getroffene Regelung reicht zur Begründung nach Ansicht der Kammer nicht aus. § 2 Abs. 2 Satz 1 letzter HS MiLoG regelt die Erfüllung des Mindestlohnanspruchs bei der Nutzung von Arbeitszeitkonten, während § 3 MiLoG allgemein die Unabdingbarkeit von Ansprüchen auf Mindestlohn zum Gegenstand hat. Die Vorschriften betreffen zwei unterschiedliche Regelungsgegenstände. Aus der sprachlichen Fassung des § 2 Abs. 2 MiLoG kann daher nichts für eine Auslegung des § 3 MiLoG abgeleitet werden. Des Weiteren ist nicht erkennbar, welche Rückschlüsse daraus für die Frage der Transparenz der Ausschlussklauseln im Rahmen des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB gezogen werden können.

3. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Gutschrift von 450 Überstunden auf sein Arbeitszeitkonto. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung festgestellt, dass dieser Anspruch nicht nur nach den Ausschlussfristen verfallen, sondern bereits verjährt ist. Die Beklagte hat sich in ihrer Email vom 20. Februar 2016 auf die Einrede der Verjährung berufen.

Entgegen der Auffassung des Klägers begann die Verjährungs- bzw. Ausschlussfrist spätestens im Januar 2010 zu laufen.

a) Sowohl § 199 BGB wie auch die in Ziffer 9 des Arbeitsvertrages vereinbarte Verfallsfrist stellen für den Fristbeginn auf die Fälligkeit ab. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung für den Fristbeginn den Zeitpunkt des Streichens der Gutschrift als maßgeblich erachtet. Zwar erfolgte, wie der Kläger zu Recht mitteilt, die Streichung von einem Arbeitszeitkonto. Dennoch handelt es sich insoweit nicht um eine Verbuchung in laufender Rechnung, die dazu führt, dass ein Anspruch erst mit der Schließung des Arbeitszeitkontos fällig werden würde und daher die Frist noch nicht zu laufen begonnen hat. Die vom Kläger angeführte Entscheidung des BAG passt insoweit nicht. In dem vom BAG entschiedenen Fall ging es um die Frage, ob Ansprüche auf Berücksichtigung von Urlaubsstunden im Arbeitszeitkonto monatlich fällig werden oder erst dann, wenn das Arbeitszeitkonto geschlossen wird (BAG 5. September 2002 – 9 AZR 244/01). Das BAG hat sich in dieser Entscheidung dafür ausgesprochen, dass der Lauf erst mit der Beendigung der Abrechnungsperiode beginnt. Diese Entscheidung lässt sich auf den vorliegenden Fall jedoch nicht übertragen.

b) Die Streichung der auf dem Konto befindlichen Überstunden ist unstreitig spätestens im Januar 2010 vorgenommen worden. Damit war klar, dass man diese erarbeiteten Stunden nicht ausgleichen wollte, sondern sie verfallen sollten. Will sich der Kläger gegen diese Streichung wehren, so hat er ab dem Zeitpunkt der Streichung drei Monate nach den Ausschlussfristen und drei Jahre im Hinblick auf die Verjährung Zeit. Innerhalb dieser Fristen hat sich der Kläger jedoch nicht mit diesem Anliegen an die Beklagte gewandt. Die aufgestellte Behauptung, der ehemalige Geschäftsführer habe gesagt, man werde sich schon mit einem Ausgleich einig, reicht in dieser Form nicht aus, einen gesonderten Anspruch auf die Gutschreibung zu begründen oder den Fristlauf zu unterbrechen. Wann genau welche Aussage getroffen worden sein soll, ist zudem nicht näher beschrieben worden.

III.

Die Berufung der Beklagten ist ebenfalls unbegründet.

1. Das Arbeitsgericht hat in seinem Urteil zu Recht festgestellt, dass die seitens der Beklagten ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung unwirksam ist. Der Begründung des erstinstanzlichen Gerichts ist vollumfänglich zu folgen. Insbesondere kann dahingestellt bleiben, wer, wann, welche unternehmerische Entscheidung getroffen hat, durch wen diese wann umgesetzt wurde und ob sie zum Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers geführt hat. Die Beendigungskündigung war unter Beachtung des Gebots der Verhältnismäßigkeit der Mittel nicht als ultima ratio geboten, da eine anderweitige Beschäftigung zu veränderten Arbeitsbedingungen möglich war.

2. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 1 b) KSchG. Die Beklagte hätte dem Kläger eine der anderen freien Stellen anbieten müssen.

a) Ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG liegt nur vor, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, der bei Ausspruch der Kündigung bestehenden betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen technischer, organisatorischer oder wirtschaftlicher Art als durch eine Beendigungskündigung zu entsprechen. Daher muss der Arbeitgeber von sich aus vor jeder ordentlichen Beendigungskündigung dem Arbeitnehmer eine für beide Parteien objektiv mögliche und zumutbare Beschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz auch zu geänderten Bedingungen anbieten (BAG 21. April 2005 – 2 AZR 132/04 Rn. 28). Als “frei” ist ein Arbeitsplatz dann zu bewerten, wenn zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein Arbeitsplatz unbesetzt ist oder bis zum Ablauf der Kündigungsfreist frei wird (BAG 29. August 2013 – 2 AZR 721/12 Rn. 17).

b) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte sowohl im September wie auch im Dezember 2016 freie Stellen in der Produktion hatte. Der in der Berufungsinstanz vorgebrachte Einwand der Beklagten, der Kläger habe eine solche Tätigkeit abgelehnt, führt zu keiner anderen Bewertung, wie es das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat. Eine Änderungskündigung darf nämlich nur in Extremfällen unterbleiben. Dies ist lediglich dann der Fall, wenn der Arbeitgeber bei vernünftiger Betrachtung nicht mit einer Annahme des neuen Vertragsangebotes durch den Arbeitnehmer rechnen konnte, ein derartiges Angebot vielmehr beleidigenden Charakter gehabt hätte. Der Arbeitnehmer soll grundsätzlich selbst entscheiden können, ob er eine Weiterbeschäftigung unter ggf. erheblich verschlechterten Arbeitsbedingungen annimmt oder nicht (BAG 26. März 2015 – 2 AZR 417/14 Rn. 28).

c) Erstinstanzlich hat die Beklagte sich darauf berufen, dass es sich bei den neueingestellten Mitarbeitern lediglich um Werker mit einer monatlichen Vergütung in Höhe von 2.300,00 Euro gehandelt habe und diese mit dem Kläger nicht vergleichbar seien. In der Berufungsinstanz wurde unter Berufung auf zwei im März 2016 mit dem Kläger geführte Gespräche – deren Stattfinden und Inhalt zwischen den Parteien in Streit steht – ausgeführt, dass der Kläger sich andere Tätigkeiten nicht habe vorstellen können und Arbeiten in der Produktion wegen des Hebens und Tragens nicht in Betracht kämen, für andere Tätigkeiten würde ihm die erforderliche Qualifikation fehlen. Selbst wenn zugunsten der Beklagten unterstellt wird, dass es diese Gespräche und die ablehnenden Äußerungen des Klägers in der Form gegeben haben sollte, reicht dies nicht aus, um vom vorrangigen Ausspruch der Änderungskündigung Abstand zu nehmen. Der Umstand, dass die Tätigkeit schlechter bezahlt und von den Anforderungen geringwertiger ist, lässt die Verpflichtung der Beklagten ebenfalls nicht entfallen. Selbst dann, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung das Angebot macht, den Vertrag der noch bestehenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit anzupassen und der Arbeitnehmer dies ablehnt, so ist er dennoch nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verpflichtet, eine Änderungskündigung auszusprechen. Lediglich dann, wenn der Arbeitnehmer unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass er die Änderungen auch nicht unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung annimmt, kann der Arbeitgeber davon absehen (BAG 21. April 2005 – 2 AZR 132/04 Rn. 50). Dass das Angebot im März bereits derart konkret erfolgt und der Kläger sich in diesem Sinne geäußert hat, ist nicht vorgetragen. Nach den Ausführungen der Beklagten hat der Kläger mit den Achseln gezuckt, dies reicht jedoch nicht aus. Hinsichtlich der gesundheitlichen Belastungen bleibt noch anzumerken, dass die Beklagte dargelegt hat, dass dem Kläger auch bei seiner bisherigen Tätigkeit teilweise geholfen worden sei. Es ist vor diesem Hintergrund daher nicht ersichtlich, wieso dies bei einer anderen Tätigkeit nicht auch möglich sein soll.

d) Der Einwand der Beklagten, dass es sich nicht um Dauerarbeitsplätze gehandelt haben soll, da den anderen Mitarbeitern wieder zum 15. April gekündigt worden sei, überzeugt nicht. Die bloße Tatsache, dass Mitarbeitern gekündigt wird, besagt noch nichts darüber, ob für die wahrgenommenen Aufgaben noch ein Beschäftigungsbedarf besteht. Selbst wenn schon im Kündigungszeitpunkt absehbar, dass der Beschäftigungsbedarf auf der freien Stelle nur für einen begrenzten Zeitraum besteht, kommt grundsätzlich eine Änderungskündigung mit dem Angebot einer nur befristeten Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in Betracht (BAG 26. März 2015 – 2 AZR 417/14 Rn. 39 f.). Die im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der Kammer dem Kläger angebotene Beschäftigung in der Produktion spricht ebenfalls dafür, dass auf diesen Arbeitsplätzen ein Bedarf bei der Beklagten vorhanden ist.

3. Die im erstinstanzlichen Urteil nicht näher behandelte Frage, ob sich eine Unwirksamkeit der Kündigung wegen eines Verstoßes gegen das in § 612 a BGB normierte Maßregelungsverbot ergeben könnte, bedarf auch in der Berufung keiner weiteren Ausführungen. Da die Kündigung sich bereits aus anderen Gründen als unwirksam erweist, ist, wie dies die 1. Instanz zutreffend gemacht hat, auf die diesbezüglichen Fragestellungen nicht näher einzugehen.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Parteien haben die Kosten ihres ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen. Die Kostenentscheidung entspricht daher derjenigen aus der ersten Instanz. Zur Klarstellung ist die Kostenquotelung in den Tenor aufgenommen worden.

V.

Die Revision ist im Hinblick auf das Weihnachtsgeld und das Urlaubsgeld aus dem Jahr 2015 gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen, da die Frage, ob die Ausschlussfristen für diese Ansprüche greifen, bislang vom Bundesarbeitsgericht noch nicht entschieden und von grundsätzlicher Bedeutung ist. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24. August 2016 bezog sich auf einen Anspruch nach der PflegeArbbV und einen Neuvertrag. Das Urteil vom 17. Oktober 2017 hatte Ansprüche aus dem Zeitraum vor dem Inkrafttreten des gesetzlichen Mindestlohnanspruchs zum Gegenstand.
Dr. Böckenförde
Wunderlich
Bruhn
Sonnenschein

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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