Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern: Urteil vom 20.03.2018 – 5 Sa 125/17

Mai 26, 2021

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern: Urteil vom 20.03.2018 – 5 Sa 125/17

1. Die Vertretungsmacht des im Außenverhältnis berufenen Organs, hier des Verbandsvorstehers eines Wasser- und Bodenverbandes, ist grundsätzlich nicht von der im Innenverhältnis ggf. erforderlichen Mitwirkung anderer Organe abhängig. Eine Überschreitung von im Innenverhältnis bestehenden Beschränkungen hat auf die Außenwirkungen der mit gesetzlicher Vertretungsmacht vorgenommenen Handlungen keinen Einfluss.

2. Der Schutz des § 612a BGB greift nur dann, wenn das geltend gemachte Recht zum einen tatsächlich besteht und zum anderen in zulässiger Weise ausgeübt wird. Die Geltendmachung von Rechten darf nicht eine Form annehmen, die eine Verletzung von Haupt- oder Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellt. Die Pflicht zur Rücksichtnahme kann verletzt sein, wenn ein Arbeitnehmer mit massivem Druck eine streitige und rechtlich zweifelhafte Forderung auf Höhergruppierung durchzusetzen versucht und damit den Boden der sachlichen Auseinandersetzung verlässt.

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 31.05.2017 – 4 Ca 300/17 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung in einem Kleinbetrieb und die Erteilung eines Zeugnisses.

Der beklagte Wasser- und Bodenverband stellte die 1975 geborene Klägerin mit Arbeitsvertrag vom 10.05.2012 zum selben Datum als Verbandskauffrau mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 36 Stunden ein. Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich gemäß § 2 des Arbeitsvertrages nach der durchgeschriebenen Fassung des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände jeweils geltenden Fassung (TVöD-V) und dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA). Die Vergütung bemisst sich gemäß Arbeitsvertrag in den ersten Monaten des Arbeitsverhältnisses, d. h. bis zum 31.07.2012, nach der Entgeltgruppe 7 TVöD-V und ab August 2012 nach der Entgeltgruppe 8 TVöD-V. Der Beklagte beschäftigt regelmäßig sechs Arbeitnehmer.

Mit der Arbeitsplatzbeschreibung vom 10.05.2012 übertrug er der Klägerin die folgenden Aufgaben:

– Vorbereitung, Erarbeitung und Aufstellung des Haushaltsplans und evtl. Nachträge, Vorbereitung der entsprechenden Beschlüsse für die Verbandsorgane,

– Selbstständige Verwaltung aller Einnahmen und Ausgaben im laufenden Rechnungsjahr auf der Grundlage des Haushaltsplanes und der Beschlüsse des Vorstandes,

– Erstellung von Übersichten (Planablaufvergleich, Offene-Posten-Liste) und Analysen, Auswertungen und Erarbeitung von Entscheidungsvorschlägen,

– Vorbereitung und Erarbeitung des Jahresabschlusses und der Finanzprüfung,

– Eigenständige und zeitgerechte Bestands- und Anlagenbearbeitung und deren Nachweisführung, Vermögens- und Liegenschaftsverwaltung,

– Erarbeitung und Aktualisierung des Beitragsbuches und Sicherung der ordnungsgemäßen Hebung der Beiträge einschließlich der Gestaltung des Mahnwesens und Vorbereitung der Widerspruchsbearbeitung,

– Erfassung und Abrechnung des Bauhofes, der Fahrzeuge, Miet- und Pachtverträge, Versicherungsverträge, Abwicklung von Versicherungsansprüchen,

– Lohn- und Gehaltsrechnung, Reisekostenabrechnungen, Abrechnung der Aufwandsentschädigungen, Sitzungsgelder sowie sonstiger Vergütungen,

– Sicherung der termingerechten Bearbeitung der Einnahmen und Ausgaben sowie der vorgeschriebenen Nachweise der Projektförderungsmaßnahmen.

Nach der Arbeitsplatzbeschreibung ist für diese Tätigkeiten eine abgeschlossene Berufsausbildung im kaufmännischen Bereich mit mindestens dreijähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet des Finanzwesens und der Verwaltung erforderlich. Die Klägerin verfügt über eine Berufsausbildung zur Bürokauffrau mit dem Schwerpunkt Bilanzrecht. Sie ist gemäß Arbeitsplatzbeschreibung dem Geschäftsführer unmittelbar unterstellt.

Zum 01.01.2014 hoben die Parteien die regelmäßige Arbeitszeit auf 40 Stunden wöchentlich an. Das monatliche Gehalt belief sich zuletzt auf € 3.168,10 brutto.

Mit Schreiben vom 15.11.2015 beantragte die Klägerin bei dem Verbandsvorsteher unter Bezugnahme auf die in der Arbeitsplatzbeschreibung aufgeführten Tätigkeiten ihre Höhergruppierung zum 01.01.2016. Sie verwies darauf, dass die Tätigkeiten ihrer Ansicht nach gründliche, umfassende Fachkenntnisse und selbstständige Leistungen im Sinne des Tarifvertrages erfordern und darüber hinaus besonders verantwortungsvoll sind.

Daraufhin fertigte der Beklagte im September 2016 einen Aktenvermerk, unterzeichnet vom Geschäftsführer und dem Verbandsvorsteher, nach dem erstens die Stelle der Verbandskauffrau im Entwurf des Haushaltsplans 2017 mit der Entgeltgruppe 9 TVöD-V eingestellt wird und zweitens die Klägerin ab Oktober 2016 vorzeitig von der Stufe 4 in die Stufe 5 der Entgeltgruppe 8 TVöD-V höhergestuft wird. Die Klägerin pflegte die Stellenhebung in den Entwurf des Haushalts- und des Stellenplanes ein.

Mit Schreiben vom 27.11.2016 wandte sich die Klägerin wie folgt an den Vorstand des Beklagten:

“…

Sehr geehrte Herren,

sehr geehrter Herr K.,

ich nehme Bezug auf die Mitteilung des Geschäftsführers Herrn J. vom 23. November 2016, wonach der Vorstand auf der Vorstandssitzung am 22. November beschlossen haben will, dass die von mir besetzte Stelle zum 1. Januar 2017, entgegen Ihrer seinerzeitig aus dem als Anlage 1 beigefügten undatierten Aktenvermerk (als Ergebnis der Vorstandssitzung vom 16.03.2016) ergebenden Zusage, nicht mit der Entgeltgruppe E 09 (ab 01.01.2017 Unterteilung in 9a, 9b und 9c) in den Haushaltsplan 2017 eingebracht wurde. Dies ist für mich nicht akzeptabel. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass erst im Jahr 2017 ein Außenstehender mit der Bewertung meiner Stelle beauftragt und danach eine Eingruppierung vorgenommen werden soll. Erschwerend kommt hinzu, dass nicht einmal mitgeteilt wurde, wann in 2017 dies der Fall sein soll. Es ist auch nicht ersichtlich, warum Sie mit dieser Vorgehensweise, die ohnehin fraglich ist, so lange warten wollen.

Ausweislich des Änderungstarifvertrags Nr. 12 vom 29. April 2016 zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) vom 13. September 2015 wird § 12 (VKA) mit dem Inhalt gefasst, dass die Eingruppierung der/des Beschäftigten sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) richtet. Die/der Beschäftigte erhält Entgelt nach der Entgeltgruppe, in der sie/er eingruppiert ist. …

In der Gesamtschau werden Sie mir sicherlich zustimmen, dass die Voraussetzungen der Entgeltgruppe 9c, wenigstens der Entgeltgruppe 9b Fallgruppe 2 erfüllt sind. Daraus ergibt sich, unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich bei der Eingruppierung um eine Rechtsanwendung und nicht um einen rechtsgestaltenden Akte handelt, dass mir die Vergütungsansprüche unter Berücksichtigung der Entgeltgruppe 9c, wenigstens jedoch der Entgeltgruppe 9b Fallgruppe 2, ab dem 1. Januar 2017 zustehen.

Die Tatsache, dass eine Vergütung nicht ordnungsgemäß unter Beachtung der sich aus der im Wege der Rechtsanwendung ergebenden Eingruppierung erfolgt ist, gebe ich Ihnen letztmalig die Möglichkeit, die Eingruppierung, wie vom Tarifvertrag, der sowohl den Arbeitnehmer als auch den Arbeitgeber bindet und dessen Geltung ausweislich meines Arbeitsvertrages vereinbart wurde, vorzunehmen und die entsprechende Vergütung zu leisten.

Hierfür setze ich Ihnen eine Frist von zwei Wochen, d. h. bis zum

(13.12.2016).

Sollte innerhalb dieser Frist eine zufriedenstellende Reaktion ihrerseits nicht erfolgen, werde ich mich an den Landrat des Landkreises C-Stadt-P., als Rechtsaufsichtsbehörde gemäß § 34 der Satzung des Wasser- und Bodenverbandes Untere Elde, wenden.

Im Interesse einer weitergehenden Zusammenarbeit und um das Arbeitsklima nicht zu belasten, wünsche ich mir eine einvernehmliche außergerichtliche Beilegung. Ich möchte an dieser Stelle jedoch ausdrücklich klarstellen, dass ich, für den Fall des Scheiterns einer entsprechenden einvernehmlichen Regelung, sehr wohl auch bereit sein werde, meine mir zustehenden Ansprüche rechtlich durchzusetzen.

…”

Vom 28.11. bis zum 06.12.2016 war die Klägerin arbeitsunfähig. Am 07.12.2016 hatte sie Urlaub. Am 08.12.2016 fand ihre schriftliche Prüfung zur kommunalen Bilanzbuchhalterin statt.

Auf der Vorstandssitzung am 13.12.2016 informierte der Verbandsvorsteher den Vorstand über das Schreiben der Klägerin vom 27.11.2016, beim Verband eingegangen am 30.11.2016. Nach eingehender Beratung und Wertung beschloss der Vorstand einstimmig, der Klägerin fristgerecht zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu kündigen, und beauftrage den Verbandsvorsteher, die Kündigung auszusprechen.

Mit Schreiben vom 16.02.2017, der Klägerin zugegangen am selben Tag, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.03.2017 und stellte die Klägerin ab sofort von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Die Klägerin wies die Kündigung mit Schreiben vom 20.02.2017 wegen Nichtvorlage einer Vollmachtsurkunde zurück. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin vorsorglich erneut mit Schreiben vom 08.05.2017, diesmal zum 30.06.2017. Die Klägerin wies auch diese Kündigung wegen Nichtvorlage einer Vollmachtsurkunde zurück. Beide Kündigungen tragen die Unterschrift des Verbandsvorstehers W. K..

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, die Kündigungen seien unwirksam, da sie nicht von der Vertretungsmacht des Verbandsvorstehers gedeckt seien. Nach der Verbandssatzung beschließe der Vorstand über die Einstellung und Entlassung von Dienstkräften. Die Klägerin hat bestritten, dass die einwöchige Ladungsfrist zur Vorstandssitzung eingehalten worden sei und dass der Vorstand jeweils einen ordnungsgemäßen Beschluss zur Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses gefasst habe. Des Weiteren fehle es an der nach dem Wasserverbandsgesetz erforderlichen Bestätigung der Vertretungsbefugnis durch den Landkreis. Unabhängig davon verstoße die Kündigung gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB. Der Beklagte habe nur deshalb gekündigt, weil sich die Klägerin um eine Höhergruppierung bemüht habe. Aufgrund dessen seien die beiden Kündigungen zugleich treuwidrig (§ 242 BGB) und sittenwidrig (§ 138 BGB).

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der der Klägerin mit Schreiben des Beklagten vom 16.02.2017 ausgesprochenen Kündigung nicht aufgelöst wird, sondern über den 31.03.2017 hinaus unbefristet fortbesteht,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der gegenüber der Klägerin mit Schreiben des Beklagten vom 08.05.2017 ausgesprochenen Kündigung ebenfalls nicht aufgelöst wird, sondern über den 30.06.2017 hinaus unbefristet fortbesteht,

3. den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin als Verbandskauffrau mit Buchhaltungsaufgaben im Rahmen eines unbefristeten Vollzeitarbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer monatlichen Vergütung in Höhe von € 3.168,10 brutto bis zum rechtskräftigen Abschluss des hiesigen Verfahrens weiterzubeschäftigen, und

4. den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin ein wohlwollendes, berufsförderndes, qualifiziertes Arbeitszeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer sowie Führung und Leistung in dem Arbeitsverhältnis erstreckt und sowohl im Leistungs- als auch im Verhaltensbereich die Note “gut” enthält.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Kündigungen seien wirksam. Als gesetzlicher Vertreter sei der Verbandsvorsteher berechtigt gewesen, diese zu unterzeichnen. Deshalb gehe die Zurückweisung der Kündigungen unter Hinweis auf eine nicht vorgelegte Vollmacht ins Leere. Die im Wasserverbandsgesetz vorgesehene Bestätigung der jeweiligen Vertretungsbefugnis beziehe sich nur auf den Geschäftsführer, da dessen Vertretungsmacht begrenzt sei. Auch wenn es nicht auf die Wirksamkeit des Vorstandsbeschlusses zur Kündigung der Klägerin ankomme, da er nur das Innenverhältnis betreffe, so liege dennoch ein ordnungsgemäßer Beschluss des Vorstandes vor. Der Vorstand habe am 13.12.2016 in Anwesenheit aller 10 Vorstandsmitglieder einstimmig beschlossen, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zu beenden. Der Vorstand habe angesichts des Schreibens der Klägerin vom 27.11.2016 das notwendige Vertrauensverhältnis als zerstört angesehen. Es sei völlig unverständlich gewesen, weshalb die Klägerin dazu übergegangen sei, Druck auf den Arbeitgeber, insbesondere den Geschäftsführer und den Verbandsvorsteher, auszuüben, obwohl der Beklagte ihr im Falle einer entsprechenden Bewertung der Stelle nach externer Prüfung die Höhergruppierung zum 01.01.2017 zugesagt und sogar die Klägerin beauftragt habe, die notwendigen Haushaltsmittel ab 2017 einzuplanen. Gegenüber dem Geschäftsführer habe die Klägerin keine Einwände gegen die geplante Vorgehensweise geäußert.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und ist davon ausgegangen, dass bereits die Kündigung vom 16.02.2017 wirksam gewesen ist. Der Verbandsvorsteher sei nach dem Wasserverbandsgesetz und der Verbandssatzung berechtigt gewesen, die Kündigung auszusprechen. Entscheidend sei allein die Vertretungsmacht im Außenverhältnis. Auf die internen Abstimmungserfordernisse komme es nicht an. Die im Wasserverbandsgesetz vorgesehene Bestätigung der jeweiligen Vertretungsbefugnis habe für den Verbandsvorsteher, weil er gesetzlicher Vertreter sei, keine Bedeutung, sondern nur für diejenigen Vertreter mit beschränkten Vertretungsbefugnissen, wie z. B. den Geschäftsführer. Die Kündigung verstoße nicht gegen das Maßregelungsverbot und auch nicht gegen das Gebot von Treu und Glauben. Der Beklagte habe die Klägerin nicht wegen der Geltendmachung einer höheren Eingruppierung benachteiligt. Eine höhere Vergütung habe die Klägerin schon im November 2015 gefordert. Der Beklagte habe diesen Wunsch gerade nicht zum Anlass nachteiliger Maßnahmen genommen, sondern sogar eine Höhergruppierung erwogen. Erst als die Klägerin den Beklagten deutlich zu nachdrücklich aufgefordert habe, die Höhergruppierung kurzfristig und unabhängig von einer Stellenbewertung vorzunehmen, und mit der Rechtsaufsichtsbehörde gedroht habe, sei der Beklagte von einer Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses ausgegangen und habe das Arbeitsverhältnis gekündigt. Einen Zusammenhang mit der zulässigen Ausübung von Rechten gebe es nicht. Einen Anspruch auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses mit der Note “gut” habe die Klägerin nicht, da sie keinerlei Gründe für eine solche Bewertung vorgetragen habe.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer frist- und formgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Verbandsvorsteher berechtigt sei, die Kündigung auszusprechen. Das Arbeitsgericht habe weder das Wasserverbandsgesetz noch die Satzung des Beklagten richtig erfasst. Die Vertretungsmacht des Verbandsvorstehers sei durch die Satzung beschränkt. Danach könne er gerade nicht über die Einstellung und Entlassung entscheiden. Des Weiteren habe sich das Arbeitsgericht nicht mit der Zurückweisung der Kündigungen nach § 174 BGB auseinandergesetzt. Auf beiden Kündigungen fehle das Dienstsiegel. Die Kündigung verstoße gegen das Maßregelungsverbot. Die Klägerin habe sich an den Vorstand wenden dürfen und müssen, da dieser ihr Dienstvorgesetzter sei. Mit Vertrauensverlust habe die Kündigung nichts zu tun; es gehe nur um verletzte Befindlichkeiten des Geschäftsführers und des Verbandsvorstehers. Der Zusammenhang mit der Ausübung von Rechten ergebe sich eindeutig aus dem zwischenzeitlich vorgelegten Protokoll der Vorstandssitzung vom 13.12.2016. Zugleich stehe damit fest, dass dieser Tagesordnungspunkt nicht Gegenstand einer ordnungsgemäßen Einladung und Beschlussfassung gewesen sein könne. Während das Protokoll der Vorstandssitzung auf eine Einladung vom 24.11.2016 Bezug nehme, stamme das Schreiben der Klägerin erst vom 27.11.2016. Das mittlerweile erteilte Arbeitszeugnis gebe die Tätigkeiten der Klägerin nur unzureichend wieder und sei zudem nicht ordnungsgemäß unterzeichnet. Es fehle wiederum das Dienstsiegel. Darüber hinaus bezieht sich die Klägerin auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 31.05.2017 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Schwerin, Aktenzeichen 4 Ca 300/17,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der der Klägerin mit Schreiben des Beklagten vom 16.02.2017 ausgesprochenen Kündigung nicht aufgelöst wird, sondern über den 31.03.2017 hinaus unbefristet fortbesteht,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der gegenüber der Klägerin mit Schreiben des Beklagten vom 08.05.2017 ausgesprochenen Kündigung ebenfalls nicht aufgelöst wird, sondern über den 30.06.2017 hinaus unbefristet fortbesteht,

3. den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin als Verbandskauffrau mit Buchhaltungsaufgaben im Rahmen eines unbefristeten Vollzeitarbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer monatlichen Vergütung in Höhe von € 3.168,10 brutto bis zum rechtskräftigen Abschluss des hiesigen Verfahrens weiterzubeschäftigen, und

4. den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin ein wohlwollendes, berufsförderndes, qualifiziertes Arbeitszeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer sowie Führung und Leistung in dem Arbeitsverhältnis erstreckt und sowohl im Leistungs- als auch im Verhaltensbereich die Note “gut” enthält.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die Entscheidung und die Ausführungen der Vorinstanz. Soweit die Klägerin das Fehlen eines Dienstsiegels auf den Kündigungsschreiben rüge, gebe es keine satzungsrechtliche Verpflichtung, das Dienstsiegel bei Ausspruch einer Kündigung zu verwenden. Ein qualifiziertes Arbeitszeugnis sei zwischenzeitlich erteilt worden. Im Übrigen bezieht er sich auf seinen Sachvortrag in der ersten Instanz.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsprotokolle sowie das angegriffene arbeitsgerichtliche Urteil verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht nimmt Bezug auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz.

1. Kündigung vom 16.02.2017 zum 31.03.2017

Die Kündigung vom 16.02.2017 ist weder wegen fehlender Vertretungsmacht des Verbandsvorstehers noch wegen eines Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot, gegen den Grundsatz von Treu und Glauben oder gegen die guten Sitten unwirksam.

a) Vertretungsmacht

Die Kündigung ist nicht nach § 180 Satz 1 BGB unwirksam. Nach dieser Vorschrift ist bei einem einseitigen Rechtsgeschäft Vertretung ohne Vertretungsmacht unzulässig.

Der Verbandsvorsteher verfügt über die erforderliche Vertretungsmacht. Diese beruht nicht auf einer Vollmacht, also einer durch Rechtsgeschäft erteilten Vertretungsmacht (§ 166 Abs. 2 Satz 1 BGB), sondern ergibt sich aus § 55 Abs. 1 des Gesetzes über Wasser- und Bodenverbände (Wasserverbandsgesetz – WVG)

§ 55 WVG

Gesetzliche Vertretung des Verbands

(1) 1Der Vorstand vertritt den Verband gerichtlich und außergerichtlich. 2Die Satzung kann bestimmen, dass der Verbandsvorsteher allein oder nur gemeinschaftlich mit einem anderen Vorstandsmitglied zur Vertretung befugt ist. 3Die Satzung kann ferner einem Geschäftsführer des Verbands bestimmte Vertretungsbefugnisse zuweisen. 4Die Aufsichtsbehörde erteilt den vertretungsbefugten Personen eine Bestätigung über die jeweilige Vertretungsbefugnis.

(2) 1Erklärungen, durch die der Verband verpflichtet werden soll, bedürfen der Schriftform; sie sind nach Maßgabe der für den jeweiligen Fall geltenden Regelungen von dem oder den Vertretungsberechtigten zu unterzeichnen. 2Wird für ein Geschäft oder für einen Kreis von Geschäften ein Bevollmächtigter bestellt, so bedarf die Vollmacht der Form des Satzes 1. 3Ist eine Erklärung gegenüber dem Vorstand abzugeben, genügt es, wenn sie einem Vorstandsmitglied oder einem vertretungsbefugten Geschäftsführer gegenüber abgegeben wird.

in Verbindung mit § 18 der Satzung des Beklagten vom 18.12.2015, in Kraft getreten zum 01.01.2016

§ 18

Gesetzliche Vertretung des Verbandes

Der Verbandsvorsteher vertritt den Verband gerichtlich und außergerichtlich. Im Übrigen ist der Geschäftsführer zuständig für Geschäfte bis zu einem Wert von 50.000 € (siehe § 14 Nr. 6).

Die dem Verbandsvorsteher durch Gesetz und Satzung zugewiesene Vertretungsmacht ist dem Wortlaut nach nicht eingeschränkt. Sie umfasst auch die Kündigung von Arbeitsverhältnissen. Die Vertretungsmacht des Verbandsvorstehers nach außen ist nicht durch Zuständigkeiten der Verbandsversammlung und des Vorstands beschränkt. Diese Zuständigkeiten sind nur intern von Bedeutung.

Die Vertretungsmacht des im Außenverhältnis berufenen Organs ist grundsätzlich nicht von der im Innenverhältnis ggf. erforderlichen Mitwirkung anderer Organe abhängig (BAG, Beschluss vom 22. August 2016 – 2 AZB 26/16 – Rn. 10 ff., juris = NZA 2016, 1296; BAG, Urteil vom 27. September 2001 – 2 AZR 389/00 – Rn. 35, juris = NJW 2002, 1287; BAG, Urteil vom 14. November 1984 – 7 AZR 133/83 – Rn. 27, juris = NJW 1986, 2271; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 05. November 2008 – 2 Sa 137/08 – Rn. 32, juris; BGH, Urteil vom 18. November 2016 – V ZR 266/14 – Rn. 7, juris = MDR 2017, 265). Eine Überschreitung von im Innenverhältnis bestehenden Beschränkungen hat auf die Außenwirkungen der mit gesetzlicher Vertretungsmacht vorgenommenen Handlungen keinen Einfluss (BAG, Urteil vom 05. November 2009 – 2 AZR 383/08 – Rn. 11, juris = ZTR 2010, 268; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Januar 2008 – 9 Sa 42/07 – Rn. 74, juris; vgl. zum Verein: BGH, Urteil vom 22. April 1996 – II ZR 65/95 – Rn. 6, juris = NJW-RR 1996, 866; OLG Nürnberg, Beschluss vom 20. Mai 2015 – 12 W 882/15 – Rn. 38, juris = MDR 2015, 961). Der Empfänger einer rechtsgeschäftlichen Erklärung muss zuverlässig und sicher feststellen können, ob diese durch eine Vertretungsmacht gedeckt ist. Beschränkungen der Vertretungsmacht im Außenverhältnis durch die Mitwirkung anderer Organe der juristischen Person müssen eindeutig und klar erkennbar sein, da der Erklärungsempfänger regelmäßig keinen oder nur begrenzten Einblick in die internen Abläufe hat und diese nicht prüfen kann.

Die gesetzliche Vertretungsbefugnis des Verbandsvorstehers bedarf zu ihrer Wirksamkeit nicht der Bestätigung durch die Aufsichtsbehörde. Die Aufsichtsbehörde erteilt nach § 55 Abs. 1 Satz 4 WVG den vertretungsbefugten Personen eine Bestätigung über die jeweilige Vertretungsbefugnis. “Bestätigen” heißt “etwas für richtig, zutreffend erklären” (Duden, Bedeutungswörterbuch, 4. Aufl. 2010). Für zutreffend erklärt werden kann nur etwas, das bereits vorhanden ist. Die Bestätigung einer Vertretungsmacht, sei sie rechtsgeschäftlich oder gesetzlich, setzt voraus, dass diese Vertretungsmacht bereits besteht. Die Bestätigung soll ihrem Sinn und Zweck nach den Rechtsverkehr vereinfachen, indem der Betreffende die Möglichkeit erhält, seine Vertretungsmacht gegenüber Vertragspartnern oder sonstigen Personen unkompliziert nachzuweisen. Die Bestätigung hat lediglich eine deklaratorische Funktion.

Die Vertretungsmacht des Verbandsvorstehers hängt nicht von der Beifügung eines Dienstsiegels ab. Zwar führt der Beklagte nach § 1 Abs. 4 seiner Satzung als Dienstsiegel das kleine Landessiegel mit dem Wappenbild des Landesteils Mecklenburg. Jedoch enthält weder das Wasserverbandsgesetz noch die Satzung des Beklagten eine Bestimmung, nach der alle oder zumindest bestimmte Erklärungen des Verbandsvorstehers oder anderer Organe mit dem Dienstsiegel zu versehen sind. Aus der Berechtigung, ein Dienstsiegel zu führen, ergibt sich noch nicht, dass die Wirksamkeit sämtlicher Erklärungen hiervon abhängig sein soll. Die Erforderlichkeit eines Dienstsiegels muss, um einen sicheren Rechtsverkehr zu gewährleisten, klar und eindeutig geregelt sein.

Nach § 55 Abs. 2 WVG bedürfen Erklärungen, durch die der Verband verpflichtet werden soll, lediglich der Schriftform. Ein Dienstsiegel ist dort nicht erwähnt. Soweit nach § 170 der Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern (KV M-V) dieses Gesetz auf Wasser- und Bodenverbände entsprechend anzuwenden ist, gilt das nur, sofern das Wasserverbandsgesetz nichts anderes bestimmt. Das Wasserverbandsgesetz enthält jedoch in § 55 eine abschließende Bestimmung zur gesetzlichen Vertretung des Verbandes, die an dieser Stelle keinen Raum für einen Rückgriff auf die KV M-V lässt, insbesondere nicht auf die Regelungen zur Verwendung des Dienstsiegels in Gemeinden, Landkreisen, Ämtern, Zweckverbänden usw.

b) Maßregelungsverbot

Nach § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Der klagende Arbeitnehmer trägt dabei die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 612a BGB (BAG, Urteil vom 18. Oktober 2017 – 10 AZR 330/16 – Rn. 42, juris = NZA 2017, 1452).

Der Schutz des § 612a BGB greift nur dann, wenn das geltend gemachte Recht zum einen tatsächlich besteht und zum anderen in zulässiger Weise ausgeübt wird (ErfK/Preis, 18. Aufl. 2018, § 612a BGB, Rn. 5; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 08. November 2016 – 8 Sa 152/16 – Rn. 32, juris = NZA-RR 2017, 188; LAG Hamm, Urteil vom 17. März 2016 – 17 Sa 1660/15 – Rn. 196, juris = LAGE § 106 GewO 2003 Nr. 26).

Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass sie einen Anspruch auf die eingeforderte Vergütung der Entgeltgruppe 9c TVöD-V, wenigstens der Entgeltgruppe 9b Fallgruppe 2 TVöD-V hat. In diesen Entgeltgruppen sind Beschäftigte eingruppiert, deren Tätigkeit gründliche, umfassende Fachkenntnisse erfordern. Gründliche, umfassende Fachkenntnisse bedeuten gegenüber den in den niedrigeren Gruppen geforderten gründlichen und vielseitigen Fachkenntnissen eine Steigerung der Tiefe und der Breite nach. Erforderlich ist danach ein Fachwissen, das sich nicht auf Tatbestände und deren Zusammenhänge beschränkt, sondern als Grundlage für analysierende, zur Entscheidung auch von Zweifelsfällen notwendiger Denkvorgänge dient. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn über die nähere Kenntnis der erforderlichen Bestimmungen hinaus rechtliche Zusammenhänge erkannt oder wichtige gerichtliche Entscheidungen nicht nur übernommen, sondern in eigener Gedankenarbeit verwertet werden müssen, wobei Fachkenntnisse nicht ausschließlich Rechtskenntnisse sein müssen (BAG, Urteil vom 05. Juli 2017 – 4 AZR 866/15 – Rn. 24, juris = ZTR 2018, 78).

Die Klägerin hat lediglich pauschal behauptet, dieses Tätigkeitsmerkmal zu erfüllen, ohne hierfür eine Begründung zu geben. In ihren Schreiben vom 15.11.2015 und 27.11.2016 hat sie nur die Arbeitsplatzbeschreibung und den Text des Tarifvertrages wiedergegeben. Das genügt nicht, um die eingeforderte Eingruppierung feststellen zu können. Aus der vorliegenden Arbeitsplatzbeschreibung allein lässt sich keinesfalls herleiten, dass die Klägerin rechtliche Zusammenhänge erkennen und in eigener Gedankenarbeit verwerten muss. Nach der Arbeitsplatzbeschreibung genügt eine abgeschlossene Berufsausbildung im kaufmännischen Bereich mit einer mindestens dreijährigen Berufserfahrung auf dem Gebiet des Finanzwesens und der Verwaltung, um die übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß erledigten zu können.

Eine einzelvertragliche Zusage auf eine Höhergruppierung hat der Beklagte nicht erteilt. Nach dem Vermerk aus September 2016 sollte die beabsichtigte Stellenhebung zunächst im Haushalts- und Stellenplan für das Jahr 2017 berücksichtigt werden, und zwar nur in dem Entwurf, da der Haushaltsplan laut Satzung von der Verbandsversammlung festgesetzt wird. Verbindlich zugesagt hat der Beklagte in dem Vermerk lediglich die vorzeitige Stufenanhebung.

Unabhängig davon hat die Klägerin ihr vermeintliches Recht auf eine Höhergruppierung nicht in zulässiger Weise geltend gemacht. Die Geltendmachung von Rechten darf nicht eine Form annehmen, die eine Verletzung von Haupt- oder Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellt.

Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Droht der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber mit einem empfindlichen Übel, um die Erfüllung eigener streitiger Forderungen zu erreichen, kann darin ein Verstoß gegen seine Pflicht zur Wahrung von dessen Interessen liegen, der je nach den Umständen des Einzelfalls ggf. sogar eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann (BAG, Urteil vom 19. November 2015 – 2 AZR 217/15 – Rn. 36, juris = NZA 2016, 540; BAG, Urteil vom 13. Mai 2015 – 2 AZR 531/14 – Rn. 43, juris = ZTR 2015, 706; BAG, Urteil vom 08. Mai 2014 – 2 AZR 249/13 – Rn. 20, juris = NJW 2015, 109).

Ob die Drohung der Klägerin ein Ausmaß erreicht hat, das einen Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes bilden kann, bedarf hier keiner Erörterung, da das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet. Die Klägerin hat jedenfalls bei der Durchsetzung ihrer streitigen Forderung den Boden der sachlichen Auseinandersetzung verlassen und damit ihre Pflicht zur Rücksichtnahme verletzt.

Nachdem die Klägerin ihre Forderung nach einer Höhergruppierung mit dem Schreiben vom 15.11.2015 zunächst in sachlicher und angemessener Form geltend gemacht hatte, ist sie mit ihrem Schreiben vom 27.11.2016 dazu übergegangen, massiv Druck auf den Beklagten auszuüben. Sie hat es nicht bei der Ankündigung, ein Arbeitsgerichtsverfahren einzuleiten, belassen, was ohne weiteres zulässig ist. Vielmehr hat sie darüber hinaus mit einem mehr oder weniger empfindlichen Übel gedroht, das dem Gewicht nach ggf. nicht für eine verhaltensbedingte Kündigung im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes reichen mag, dennoch aber die Grenze einer angemessenen Interessenwahrnehmung überschreitet. Zunächst hat die Klägerin dem Beklagten ein Ultimatum mit einer knapp bemessenen Frist gestellt (“… letztmalig die Möglichkeit, … die entsprechende Vergütung zu leisten”). Eine gründliche Prüfung der Stellenbewertung, ggf. unter Hinzuziehung externen Sachverstandes, war in diesem Zeitraum nicht möglich. Darauf aufbauend hat sie in Aussicht gestellt, die Rechtsaufsichtsbehörde einzuschalten und dadurch zumindest für Unannehmlichkeiten zu sorgen. Angesichts der Schärfe, mit der die Klägerin ihre vermeintliche Forderung erhoben hat, musste der Beklagte mit weiteren Maßnahmen rechnen, welche auch immer dies sein würden, sofern seine Reaktion nicht fristgerecht erfolgt und die Klägerin nicht zufrieden stellt. Die Klägerin war erkennbar nicht mehr bereit, ihre Rechtsauffassung anhand der tarifvertraglichen Voraussetzungen sachlich prüfen zu lassen, sei es von einem externen Gutachter oder von den Arbeitsgerichten. Stattdessen wollte sie ihre vermeintlichen Ansprüche sofort und ausschließlich nach ihrer Sicht der Rechtslage durchsetzen. Sie hat den Beklagten unter erheblichen Zugzwang gesetzt und ihre eigenen Interessen über die des Unternehmens gestellt. Das Schreiben ist nicht einer spontanen, unbedachten Reaktion geschuldet, entstanden aus der Enttäuschung über die negative Antwort zu der als sicher angesehenen Höhergruppierung. Vielmehr hat die Klägerin das Schreiben erst mehrere Tage nach dem Gespräch mit dem Geschäftsführer verfasst, nachdem sie ausreichend Zeit hatte, ihre Reaktion zu überdenken. Die Klägerin hat ihre Aussagen in der Folgezeit auch nicht zurückgenommen oder abgeschwächt oder ihre Drohung auf andere Weise soweit wie möglich rückgängig gemacht.

c) Treu und Glauben

Die Kündigung vom 16.02.2017 ist nicht treuwidrig.

Der in § 242 BGB niedergelegte Grundsatz von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung. Eine gegen diesen Grundsatz verstoßende Rechtsausübung oder Ausnutzung einer Rechtslage ist wegen der darin liegenden Rechtsüberschreitung unzulässig. § 242 BGB ist auf Kündigungen allerdings neben § 1 KSchG nur in beschränktem Umfang anwendbar. Das Kündigungsschutzgesetz hat die Voraussetzungen und Wirkungen des Grundsatzes von Treu und Glauben konkretisiert und abschließend geregelt, soweit es um den Bestandsschutz und das Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes geht. Eine Kündigung verstößt deshalb in der Regel nur dann gegen § 242 BGB, wenn sie Treu und Glauben aus Gründen verletzt, die von § 1 KSchG nicht erfasst sind. Es geht vor allem darum, Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen, zum Beispiel vor Diskriminierungen. Schließlich darf auch ein durch langjährige Mitarbeit erdientes Vertrauen in den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses nicht unberücksichtigt bleiben. Der Vorwurf willkürlicher, sachfremder oder diskriminierender Ausübung des Kündigungsrechts scheidet dagegen aus, wenn ein irgendwie einleuchtender Grund für die Rechtsausübung vorliegt (BAG, Urteil vom 28. August 2003 – 2 AZR 333/02 – Rn. 15 ff., juris = AP Nr. 17 zu § 242 BGB Kündigung; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26. August 2016 – 1 Sa 89/16 – Rn. 29, juris; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 08. Mai 2012 – 5 Sa 168/11 – Rn. 25, juris).

Der Beklagte hat das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht grundlos gekündigt. Nachdem die Klägerin versucht hat, ihre vermeintlichen Rechte mit massivem Druck durchzusetzen, war das Vertrauensverhältnis zumindest stark belastet und die einvernehmliche Zusammenarbeit innerhalb des Betriebs mit sechs Beschäftigten erheblich gestört. Ein durch langjährige Mitarbeit erdientes Vertrauen in den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses war noch nicht zu berücksichtigen, da das Arbeitsverhältnis der Klägerin weniger als fünf Jahre bestanden hat. Der Beklagte hat die Kündigung ausgesprochen, um seine rechtmäßigen und schutzwürdigen Interessen zu wahren.

d) Sittenwidrigkeit

Die Kündigung vom 16.02.2017 ist nicht sittenwidrig.

§ 138 BGB verlangt die Einhaltung des “ethischen Minimums”. Sittenwidrig ist eine Kündigung, wenn sie dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht. Der Vorwurf objektiver Sittenwidrigkeit ist auf besonders krasse Fälle beschränkt (BAG, Urteil vom 16. September 2004 – 2 AZR 511/03 – Rn. 33, juris = AP Nr. 142 zu § 102 BetrVG 1972; BAG, Urteil vom 22. Mai 2003 – 2 AZR 426/02 – Rn. 47, juris = AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Wartezeit; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. Januar 2017 – 4 Sa 216/16 – Rn. 33, juris).

Der Beklagte hat mit der Kündigung nicht das Mindestmaß an Anstand im Umgang miteinander verletzt. Vielmehr diente die Kündigung wie dargelegt der Durchsetzung nachvollziehbarer und legitimer Interessen.

2. Kündigung vom 08.05.2017 zum 30.06.2017

Da das Arbeitsverhältnis bereits durch die Kündigung vom 16.02.2017 zum 31.03.2017 geendet hat, kommt es auf die Wirksamkeit der vorsorglich erklärten Folgekündigung nicht mehr an.

3. Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses mit der Note “gut”

Der Arbeitnehmer hat gemäß § 109 Abs. 1 GewO bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken.

Die Vorschrift begründet keinen Anspruch auf ein gutes oder sehr gutes Zeugnis, sondern nur auf ein leistungsgerechtes Zeugnis. Erst wenn der Arbeitnehmer dargelegt hat, leistungsgerecht sei ausschließlich eine überdurchschnittliche Beurteilung, hat der Arbeitgeber die Tatsachen vorzutragen, die dem entgegenstehen sollen (BAG, Urteil vom 18. November 2014 – 9 AZR 584/13 – Rn. 9, juris = NJW 2015, 1128; BAG, Urteil vom 14. Oktober 2003 – 9 AZR 12/03 – Rn. 42, juris = NJW 2004, 2770; LAG Köln, Urteil vom 16. Dezember 2016 – 4 Sa 353/16 – Rn. 35, juris = LAGE § 109 GewO 2003 Nr. 16).

Die Klägerin hat nicht dargelegt, aus welchen Gründen die geforderte überdurchschnittliche Beurteilung ihren Leistungen entspricht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Rechtsstreit wirft keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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