Landesarbeitsgericht München: Urteil vom 24.02.2017 – 7 Sa 444/16

Oktober 27, 2020

Landesarbeitsgericht München: Urteil vom 24.02.2017 – 7 Sa 444/16

In dem Rechtsstreit

A.

A-Straße, A-Stadt

– Klägerin und Berufungsklägerin –

Prozessbevollmächtigter:

Rechtsanwalt B.

B-Straße, B-Stadt

gegen

1. C.

C-Straße, C-Stadt

2. D.

C-Straße, C-Stadt

– Beklagter und Berufungsbeklagter –

Prozessbevollmächtigte zu 1-2:

Rechtsanwälte E.

E-Straße, C-Stadt

hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 24. Februar 2017 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Karrasch und die ehrenamtlichen Richter Pompe und Hiebl

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 20.04.2016 – 34 Ca 7847/15 – abgeändert.

Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an die Klägerin aus rückständiger Betriebsrente für den Zeitraum August 2014 bis März 2016 € 5.345,82 zu bezahlen, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus

– 1.318,45 € seit dem 01.01.2015

– 1.582,14 € seit dem 01.02.2015

– 1.845,83 € seit dem 01.03.2015

– 2.115,06 € seit dem 01.04.2015

– 2.384,29 € seit dem 01.05.2015

– 2.653,52 € seit dem 01.06.2015

– 2.922,75 € seit dem 01.07.2015

– 3.191,98 € seit dem 01.08.2015

– 3.461,21 € seit dem 01.09.2015

– 3.730,44 € seit dem 01.10.2015

– 3.999,67 € seit dem 01.11.2015

– 4.268,90 € seit dem 01.12.2015

– 4.538,13 € seit dem 01.01.2016

– 4.807,36 € seit dem 01.02.2016

– 5.076,59 € seit dem 01.03.2016

– 5.345,82 € seit dem 01.04.2016.

2. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Höhe einer Witwenrente.

Die am 0.0.1945 geborene Klägerin ist die Witwe des am 04.11.1930 geborenen und am 18.07.2014 verstorbenen Herrn F., dem ehemaligen Mitarbeiter und Geschäftsführer der Beklagten zu 1). Die Ehe der Klägerin mit Herrn F. bestand seit September 1966.

Bei Beginn des Beschäftigungsverhältnisses zwischen Herrn F. und der Beklagten zu 1) schlossen die Parteien am 06.08.1974 eine Vereinbarung zur Aufnahme in ein Versorgungswerk verbunden mit einer Versorgungszusage ab (Bl. 7 ff. d. A.).

In der Vereinbarung stand ua.:

Ҥ 1

Art der Versorgungsleistungen

Mit der Zusage gemäß Ziffer I erwirbt der Mitarbeiter eine Anwartschaft auf Versorgungsleistungen. Diese Versorgungsleistungen umfassen die Gewährung von
Altersrente Invalidenrente ) Witwenrente ) Hinterbliebenenrenten. Waisenrente )

§ 6

Anspruch auf Hinterbliebenenrente

Verstirbt der Mitarbeiter, nachdem er die Anwartschaft gemäß § 1 erworbenen hat oder nachdem er eine betriebliche Alters- oder Invalidenrente aufgrund dieser Vereinbarung bezieht, so haben seine Hinterbliebenen unter dem nachfolgend beschriebenen Voraussetzungen Anspruch auf eine Witwenrente und auf Waisenrente.

1. Voraussetzung für die Gewährung von Hinterbliebenenrenten ist, dass der verstorbene Mitarbeiter bereits am letzten 1. Dezember vor seinem Tode die Wartezeit (§ 2) abgeleistet hatte.

2. Für den Anspruch auf Witwenrente sind weitere Voraussetzungen, dass der verstorbene Mitarbeiter (Ehemann) am letzten 1. Dezember vor seinem Tode seit mindestens einem Jahr mit der überlebenden Ehefrau verheiratet war und dass die Ehe vor Vollendung des 60. Lebensjahres des Ehemannes und vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschlossen wurde.

Ein hinterbliebener Ehemann hat keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente.

§ 10

Höhe der Hinterbliebenenrenten

1. Bemessungsgrundlage für die Hinterbliebenenrenten ist die Altersrente, auf die der Mitarbeiter im Zeitpunkt des Todes Anwartschaft hat, bzw. die Alters- oder Invalidenrente, die er im Zeitpunkt des Todes bereits bezogen hat.

2. Die Witwenrente beträgt 60 %, die Waisenrente an Halbwaisen 10 % und an Vollwaisen 20 % der Bemessungsgrundlage gemäß Ziffer 1. Witwenrente und Waisenrenten zusammen dürfen jedoch die Bemessungsgrundlage gemäß Ziffer 1 nicht übersteigen.

3. Wenn die Ehefrau mehr als zehn Jahre jünger ist als der verstorbene Ehemann, wird die Witwenrente für jedes volle, über zehn Jahre hinausgehende Jahr des Altersunterschiedes um 5 % des nach Ziffer 2 errechneten Betrages gekürzt.

§ 12

Fälligkeit des Anspruchs

1. Die Renten werden nach Abzug der von den Verbänden einzubehaltenden Steuern jeweils am Ende eines Monats gezahlt.

§ 16

Rentenanpassung

Die nach dieser Versorgungszusage gezahlten Renten erhöhen oder vermindern sich in demselben prozentualen Verhältnis, in dem sich die ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge eines Beamten des Freistaates Bayern der Besoldungsgruppe A 16, Eingangsstufe, nach dem Bayerischen Besoldungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 30.06.1972 (GVBI. S. 229) erhöhen oder vermindern, und zwar vom Beginn des Monats an, in dem die Änderung der Dienstbezüge wirksam wird. Sofern sich das einschlägige Beamtenrecht ändert, sind Bezugsgröße die ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge eines Beamten, der nach seiner Dienststellung einem Beamten der derzeitigen Besoldungsgruppe A 16 entspricht.

§ 19

Allgemeine Bestimmungen

Sollten einzelne Bestimmungen dieser Vereinbarung rechtsunwirksam sein oder werden, so wird die Rechtswirksamkeit der Vereinbarung im übrigen nicht berührt. Anstelle der rechtsunwirksamen Bestimmung gilt dann diejenige gesetzliche Regelung, die dem Willen der Vertragsparteien am nächsten kommt.”

Nach dem Tod ihres Ehemannes bezog die Klägerin seit August 2014 eine Hinterbliebenenrente auf der Grundlage der Betriebsrentenvereinbarung vom 06.08.1974. Mit einem Schreiben mit Datum 06.08.2014 bat die Klägerin den Beklagten zu 1) um die Berechnung ihrer Rentenansprüche (Bl. 20 d. A.), worauf ihr der Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 12.08.2014 (Bl. 21 d. A.) mitteilte, dass die Versorgungsbezüge ab August € 1.318,45 und die Beihilfe € 74,26 betragen. Im Zeitraum August bis November 2014 zahlte die Beklagte zu 1) monatlich eine Hinterbliebenenversorgung iHv. € 1.318,45 aus.

Mit einem Schreiben mit Datum 22.12.2014 (Bl. 29 d. A.) teilte der Beklagte zu 1) der Klägerin unter Hinweis auf die Rentenmitteilung des in seinem Auftrag die Rentenberechnung durchführenden G. mit, dass der Rentenanspruch unter Berücksichtigung eines 10%igen Kürzungsfaktors gemäß dem Versorgungsvertrag € 1.054,76 zuzüglich der Beihilfe iHv. € 74.26 betrage und kürzte für Dezember 2014 die Hinterbliebenenrente um den überzahlten Betrag mit der Folge, dass für Dezember 2014 keine Hinterbliebenenrente gezahlt wurde. In den Folgemonaten zahlte der Beklagte zu 1) monatlich eine Hinterbliebenenrente iHv. € 1.054,76.

Vor dem Arbeitsgericht hat die Klägerin gemeint, sie habe ab August 2014 Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Hinterbliebenenrente iHv. € 1.318,45, wobei dieser Betrag ab 01.03.2015 einer 2,1%igen Erhöhung unterliege. Der geltend gemachte Anspruch ergebe sich bereits aus dem Schreiben der Beklagten zu 1) vom 12.08.2014, in dem diese sich auf die Höhe der Hinterbliebenenversorgung ohne Offenlegung der Berechnungsgrundlagen festgelegt habe und dass sie sich davon nicht einseitig lösen könne. Sie hat aber auch die Altersabstandsklausel in § 10 Nr. 3 der Betriebsrentenvereinbarung für unwirksam gehalten und dazu auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27.06.2006 – 3 AZR 352/05 verwiesen. Sie hat sich auch darauf berufen, dass bei ihr keine typische Fallgestaltung bestünde, der eine Risikobegrenzung rechtfertige, da keine Heirat bei Ende der Erwerbstätigkeit oder nach dem Berufsleben vorgelegen habe. Vielmehr habe der Beklagte zu 1) als Arbeitgeber während der gesamten Tätigkeit des verstorbenen Arbeitnehmers bis zum Renteneintritt von dem geordneten häuslichen Umfeld der Ehe profitiert und die Klägerin hat gemeint, aufgrund der Rückbezüglichkeit zur Beamtenbesoldung/Versorgung in § 16 der Betriebsrentenvereinbarung könne allenfalls eine Altersabstandsregelung von 20 Jahren gem. § 20 Abs. 2 BeamtVG zur Anwendung kommen. Die Klägerin hat weiter gemeint, es läge auch ein Verstoß gegen § 7 Abs. 2 AGG vor, da der verstorbene Ehemann durch § 10 Nr. 3 der Betriebsrentenvereinbarung unmittelbar wegen des Alters benachteiligt wäre und es bestünde dafür keine Rechtfertigung nach § 10 Satz 2 Nr. 4 AGG, da der Gesetzgeber keine Ausnahmeregelungen für die Hinterbliebenenversorgung vorgesehen habe. Diesbezüglich hat sie auch auf die zu einer Spätehenklausel ergangene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 04.08.2015 – 3 AZR 137/13 verwiesen.

Vor dem Arbeitsgericht hat die Klägerin beantragt:

I. Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an die Klägerin aus rückständiger Betriebsrente (Hinterbliebenenrente) für den Zeitraum August 2014 bis März 2016 den Betrag in Höhe von € 5.345,82 zu bezahlen zuzüglich Zinsen

in Höhe von 5 % über Basiszinssatz aus € 1.318,45 seit dem 01.01.2015,

in Höhe von 5 % über Basiszinssatz aus € 1.582,14 seit dem 01.02.2015,

in Höhe von 5 % über Basiszinssatz aus € 1.845,83 seit dem 01.03.2015,

in Höhe von 5 % über Basiszinssatz aus € 2.115,06 seit dem 01.04.2015,

in Höhe von 5 % über Basiszinssatz aus € 2.384,29 seit dem 01.05.2015,

in Höhe von 5 % über Basiszinssatz aus € 2.653,52 seit dem 01.06.2015,

in Höhe von 5 % über Basiszinssatz aus € 2.922,75 seit dem 01.07.2015,

in Höhe von 5 % über Basiszinssatz aus € 3.191,98 seit dem 01.08.2015,

in Höhe von 5 % über Basiszinssatz aus € 3.461,21 seit dem 01.09.2015

in Höhe von 5 % über Basiszinssatz aus € 3.730,44 seit dem 01.10.2015

in Höhe von 5 % über Basiszinssatz aus € 3.999,67 seit dem 01.11.2015

in Höhe von 5 % über Basiszinssatz aus € 4.268,90 seit dem 01.12.2015

in Höhe von 5 % über Basiszinssatz aus € 4.538,13 seit dem 01.01.2016

in Höhe von 5 % über Basiszinssatz aus € 4.807,36 seit dem 01.02.2016

in Höhe von 5 % über Basiszinssatz aus € 5.076,59 seit dem 01.03.2016

in Höhe von 5 % über Basiszinssatz aus € 5.345,82 seit dem 01.04.2016

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten für Zeiträume ab April 2016 Hinterbliebenenrente ohne Abzug nach § 10 Abs. 3 Betriebsrentenvereinbarung vom 06.08.1974 zu bezahlen haben.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben gemeint, die Hinterbliebenenrente sei gem. § 10 Nr. 3 der Betriebsrentenvereinbarung mit einem 5%igen Abschlag pro das Maß von 10-Lebensjahren überschreitendem Jahr im Altersunterschied der Klägerin zum verstorbenen Arbeitnehmer und somit mit einem 20%igen Abschlag in Höhe von € 1.054,76 zuzüglich Beihilfe in Höhe von € 74.26 zu berechnen. Die Kürzungsregelung sei rechtlich unbedenklich und es läge insbesondere keine Altersdiskriminierung vor, denn die vorliegende Regelung sei durch das erforderliche Ziel einer Risikobegrenzung gerechtfertigt. Der Kürzung habe auch nicht das Mitteilungsschreiben vom 12.08.2014 entgegengestanden, denn dieses stelle keine rechtlich bindende Erklärung dar.

Hinsichtlich des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze vom 16.07.2015 (Bl. 1-6 d. A.), 11.09.2015 (Bl. 42-44 d. A.), 14.09.2015 (Bl. 47-49 d. A.), 21.12.2015 (Bl. 60-62 d. A.) sowie vom 04.04.2016 (Bl. 7580 d. A.) samt ihren Anlagen verwiesen. Desweiteren wird, insbesondere zur Prozessgeschichte, auf die Sitzungsniederschriften und den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass das Mitteilungsschreiben vom 12.08.2014 keine Zahlungsverpflichtung begründet habe, da es weder ein abstraktes Schuldversprechen nach § 780 BGB, noch ein selbständig verpflichtendes Schuldanerkenntnis nach § 781 BGB, noch ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis sei. In der Regelung in § 10 Nr. 3 der Betriebsrentenvereinbarung hat es keine Altersdiskriminierung des verstorbenen Ehemannes iSv. § 7 Abs. 2 AGG i.V.m. §§ 1, 3 Abs. 1 oder 2 und § 10 AGG gesehen. Insbesondere für den Fall, dass wenn § 10 Nr. 3 der Betriebsrentenvereinbarung eine mittelbare Diskriminierung des verstorbenen Ehemannes wäre, wäre diese durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels wären iSv. § 3 Abs. 2 AGG angemessen und erforderlich. Die Beklagten könnten sich zulässigerweise auf eine Risikobegrenzung bei ihrer Entscheidung, eine Hinterbliebenenversorgung zu gewähren, berufen, denn grundsätzlich seien die Beklagten in ihrer Entscheidung, ob und in welchem Umfang sie eine Hinterbliebenenversorgung gewähren, frei und soweit sie das Risiko des zeitlichen Umfangs einer zu gewährenden Hinterbliebenenversorgung durch die Einführung einer Altersabstandsklausel beschränken wollen, sei dies als rechtmäßiges Ziel nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anerkannt. Die in § 10 Nr. 3 der Betriebsrentenvereinbarung getroffene Regelung, hierfür einen Altersabstand von mehr als 10 Jahren verknüpft mit einer Abschmelzung um je 5 % pro vollendetem Lebensalter zu wählen, hat das Arbeitsgericht für ein zur Erreichung des zu akzeptierenden Ziels einer Risikobegrenzung als angemessenes und erforderliches Mittel erachtet. Die getroffene Regelung bewirke, dass die zu gewährende Hinterbliebenenversorgung teilweise linear abgeschmolzen werde und erst bei einem Altersunterschied von 30 Jahren ganz wegfalle. Bei der Prüfung der Angemessenheit sei nicht zu berücksichtigen gewesen, dass die Eheschließung bereits vor Begründung des Arbeitsverhältnisses des verstorbenen Ehemannes mit dem Beklagten zu 1) gelegen habe und die Ehe während des ganzen Arbeitsverhältnisses bestanden habe, denn dies betreffe die private Lebensgestaltung.

Hinsichtlich der Begründung im Einzelnen wird auf die Seiten 8-14 (Bl. 96-102 d. A.) des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

Gegen dieses Urteil vom 20.04.2016, das der Klägerin am 09.05.2016 zugestellt wurde, hat diese mit einem am 08.06.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie mit einem am 28.07.2016 eingegangenen Schriftsatz begründet hat, nachdem zuvor die Frist zur Berufungsbegründung bis zum 09.08.2016 verlängert worden war.

Die Klägerin hält die Entscheidung des Arbeitsgerichts für rechtsfehlerhaft. Das Arbeitsgericht verkenne, dass die Berechnungsmitteilung der Beklagten vom 12.08.2014 ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis darstelle, zumal auch durch mehrfache vorbehaltlose Gewährung der in der Berechnungsmitteilung ausgewiesenen Zahlung ein schlüssiges Verhalten vorliege. Das Arbeitsgericht lasse aber auch die Wirksamkeit der Regelung in § 10 Abs. 3 der Betriebsrentenvereinbarung vom 06.08.1974 zu Unrecht unbeanstandet außerhalb des Anwendungsbereiches des Diskriminierungsschutzes des AGG, indem es in keiner Weise darauf eingehe und es unterlasse damit zugleich jegliche richterliche Inhaltskontrolle der Altersabstandsklausel. Die Altersabstandsklausel könne keinen rechtlichen Bestand haben, denn die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung akzeptiere Altersabstandsklauseln insoweit, dass die Ehefrau einen Anspruch auf Witwenversorgung nur dann erwerbe, wenn sie nicht mehr als 25 Jahre jünger sei als der Arbeitnehmer. Der Interessenlage der Beklagten als Arbeitgeber mit der Risikobegrenzung bei ihrer Entscheidung der Gewährung der Hinterbliebenenversorgung stünden im Rahmen der gebotenen Abwägung Gesichtspunkte zu Gunsten der Klägerin gegenüber, die weit vorrangig einzustufen seien. Die Ausgrenzung von Ehefrauen aus der Witwenversorgung im Wege von Altersabstandsklauseln könne typischerweise im Hinblick dahingehend gerechtfertigt sein, dass auf Grund des Lebensalters einer Ehefrau im Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles typischerweise zu erwarten sei, dass sie beginnend mit dem Eintritt des Versorgungsfalles Einkünfte aus eigener Berufstätigkeit und daraus später folgenden eigenen Versorgungsansprüchen erwerben könne. Vorliegend sei aber maßgeblich, dass die Klägerin und ihr Ehemann in relativ jungen Jahren geheiratet hätten und die Klägerin in der Ehe über nahezu drei Jahrzehnte die Berufsarbeit des Ehemanns mitgetragen habe und die Klägerin habe sich beim Versterben ihres Ehemanns im 69-ten Lebensjahr befunden, also in einem Alter, in dem ihr schlichtweg nicht zuzumuten sei, noch selbst für ihren eigenen Lebensunterhalt zu sorgen. Die Ehegatten hätten vorliegend auch nicht gegen Ende des Berufslebens des Arbeitnehmers geheiratet. Im Hinblick darauf, dass die Betriebsrentenvereinbarung vom 06.08.1974 in § 16 eine Rückbezüglichkeit zur Beamtenbesoldung/-versorgung enthalte, sei es auch sachgerecht, die Altersabstandsklausel hinsichtlich der Altersdifferenz in Jahren zusätzlich an der entsprechenden Regelung des Beamtenrechts zu messen. Dieses sehe in § 20 Abs. 2 Beamtenversorgungsgesetz eine Altersabstandsklausel von 20 Jahren vor. Zu Unrecht bejahe das Arbeitsgericht die Wirksamkeit der Altersabstandsklausel im Anwendungsbereich des Diskriminierungsschutzes des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Denn die durch die streitgegenständliche Altersabstandsklausel bewirkte Ungleichbehandlung wegen Alters sei nicht nach § 10 Satz 1 AGG sachlich gerechtfertigt. Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters sei nur zulässig, wenn sie objektiv und angemessen durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sei und § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG knüpfe für die Fallgruppe der Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für den Bezug von Leistungen von seinem Wortlaut her ausschließlich an die Risiken Alter und Invalidität und nicht an das Risiko Tod an. Ein Ziel, das im ausschließlichen Eigeninteresse des Arbeitgebers liege, sei kein “legitimes Ziel” im Sinne des § 10 Satz 1 AGG.

Die Klägerin beantragt:

1. Das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 20.04.2016, Az. 34 Ca 7847/15, wird aufgehoben.

2. Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an die Klägerin aus rückständiger Betriebsrente (Hinterbliebenenrente) für den Zeitraum August 2014 bis März 2016 den Betrag in Höhe von 5.345,82 € zu bezahlen zuzüglich Zinsen

in Höhe von 5 % über Basiszinssatz aus 1.318,45 € seit dem 01.01.2015,

in Höhe von 5 % über Basiszinssatz aus 1.582,14 € seit dem 01.02.2015,

in Höhe von 5 % über Basiszinssatz aus 1.845,83 € seit dem 01.03.2015,

in Höhe von 5 % über Basiszinssatz aus 2.115,06 € seit dem 01.04.2015,

in Höhe von 5 % über Basiszinssatz aus 2.384,29 € seit dem 01.05.2015,

in Höhe von 5 % über Basiszinssatz aus 2.653,52 € seit dem 01.06.2015,

in Höhe von 5 % über Basiszinssatz aus 2.922,75 € seit dem 01.07.2015,

in Höhe von 5 % über Basiszinssatz aus 3.191,98 € seit dem 01.08.2015,

in Höhe von 5 % über Basiszinssatz aus 3.461,21 € seit dem 01.09.2015,

in Höhe von 5 % über Basiszinssatz aus 3.730,44 € seit dem 01.10.2015,

in Höhe von 5 % über Basiszinssatz aus 3.999,67 € seit dem 01.11.2015,

in Höhe von 5 % über Basiszinssatz aus 4.268,90 € seit dem 01.12.2015,

in Höhe von 5 % über Basiszinssatz aus 4.538,13 € seit dem 01.01.2016,

in Höhe von 5 % über Basiszinssatz aus 4.807,36 € seit dem 01.02.2016,

in Höhe von 5 % über Basiszinssatz aus 5.076,59 € seit dem 01.03.2016,

in Höhe von 5 % über Basiszinssatz aus 5.345,82 € seit dem 01.04.2016.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten für Zeiträume ab April 2016 die Hinterbliebenenrente ohne Abzug nach § 10 Abs. 3 der Betriebsrentenvereinbarung vom 06.08.1974 zu bezahlen haben.

4. Die Berufungsbeklagten haben die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen die Entscheidung des Arbeitsgerichts, denn das Bundesarbeitsgericht habe bereits festgestellt, dass eine Altersabstandsklausel, die das Risiko für die Arbeitgeberin anhand demographischer Kriterien begrenze und einen vollständigen Ausschluss bei einer Altersdifferenz von 15 Jahren zulasse, zulässig sei und erst Recht müsse dies bei einer schrittweisen Reduzierung als milderes Mittel gelten. Keinesfalls könne aus dem Verhalten der Beklagten ein Schuldanerkenntnis mit einem Rechtsbindungswillen abgeleitet werden. Die angegriffene Versorgungsverordnung verstoße auch nicht gegen ein Diskriminierungsverbot des AGG. Eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters liege nicht vor, da nicht das Lebensalter selbst, sondern der Abstand der Lebensalter der Ehegatten in der Betriebsvereinbarung geregelt werde und allenfalls könne eine mittelbare Ungleichbehandlung im Raum stehen, da eine Ungleichbehandlung von hinterbliebenen Ehegatten im Vergleich zu älteren Hinterbliebenen durch die Kürzung vorgenommen werde. Eine mittelbare Ungleichbehandlung sei aber nach § 3 Abs. 2 AGG gerechtfertigt, wenn sie ein legitimes Ziel verfolge und die Mittel zu seiner Durchsetzung verhältnismäßig seien. Ein rechtmäßiges Ziel liege vor, denn der Arbeitgeber entscheide bei einer von ihm finanzierten betrieblichen Altersversorgung frei über deren Einführung und entschließe er sich hierzu, sei er auch frei in der Entscheidung, für welche Versorgungsfälle er Leistungen zusage und wie hoch er die entsprechenden Leistungen dotiere. Er könne Leistungen der Hinterbliebenenversorgung versprechen, eine Rechtspflicht hierzu treffe ihn nicht und daher sei er grundsätzlich auch berechtigt, die Hinterbliebenenversorgung von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig zu machen und damit Gruppen von Arbeitnehmern, die diese Voraussetzungen nicht erfüllten, von der Hinterbliebenenversorgung auszuschließen. Die Begrenzung des Kreises der anspruchsberechtigten Dritten durch zusätzliche anspruchsbegründende oder besonders anspruchsausschließende Merkmale liege gerade im Bereich der Hinterbliebenenversorgung nahe, weil ein dahingehendes Leistungsversprechen zusätzliche Unwägbarkeiten und Risiken mit sich bringe. Diese beträfen nicht nur den Zeitpunkt des Leistungsfalles, sondern auch die Dauer der Leistungserbringung und vor diesem Hintergrund habe der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran, die mit der Hinterbliebenenversorgung verbundenen zusätzlichen Risiken zu begrenzen, um sie besser kalkulierbar zu halten. Zur Erreichung dieses Ziels sei die Altersabstandsklausel erforderlich, denn je jünger die Hinterbliebenen im Verhältnis zu den Arbeitnehmern seien, denen die Altersversorgung zugesagt werde, desto länger sei der Zeitraum, in dem der Arbeitgeber durchschnittlich die Hinterbliebenenversorgung zu erbringen habe. Die vorliegende Altersabstandsklausel sei auch angemessen, da sie keinen harten Ausschluss bei einem bestimmten Altersabstand, sondern eine kontinuierliche prozentuale Verringerung festlege und die Verringerung der Versorgung führe erst ab einem Altersunterschied von 30 Jahren zu einem völligen Fortfall der Versorgung.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze vom 28.07.2016 (Bl. 148-163 d. A.), 04.10.2016 (Bl. 191-200 d. A.) samt ihren Anlagen verwiesen. Des weiteren wird insbesondere zur Prozessgeschichte auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Sitzungsniederschrift vom 24.02.2017 (Bl. 210-213 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung ist auch begründet. Die Beklagte ist nicht berechtigt, die Witwenrente der Klägerin zu kürzen. Die Regelung in der Versorgungszusage, wonach eine schrittweise Kürzung der Witwenrente dann erfolgt, wenn der Altersunterschied zwischen den Ehegatten mehr als 10 Jahre beträgt, ist eine Diskriminierung nach dem Alter und gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam, da sie eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters nach §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 1 AGG bewirkt, die nicht nach § 10 AGG gerechtfertigt ist. Das Urteil des Arbeitsgerichts war daher abzuändern und der Klägerin waren die beantragten Beträge zuzusprechen.

1. Zunächst gilt, dass das Arbeitsgericht in nicht zu beanstandender Weise angenommen hat, dass die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 12.08.2014 nicht unabhängig von den Bestimmungen der Versorgungszusage eine Witwenrente in einer bestimmten Höhe zugesagt hat. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird dazu zunächst auf die zutreffenden und gründlichen Ausführungen des Arbeitsgerichts, das sich dabei auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts mit Urteil vom 04.08.2015 – 3 AZR 137/13 stützt, verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Das Schreiben der Beklagten vom 12.08.2014 enthält in Bezug auf die Höhe der Witwenrente weder ein konstitutives abstraktes Schuldversprechen iSv. § 780 BGB bzw. konstitutives abstraktes Schuldanerkenntnis iSv. § 781 BGB, noch ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis. Das Schreiben ist vielmehr eine reine Wissenserklärung ohne einen Rechtsbindungswillen auf Basis nicht näher erläuterter Berechnungsgrundlagen. Und dem Schreiben vom 12.08.2014 lässt sich schon gar nicht entnehmen, inwieweit es auf § 10 Nr. 3 der Versorgungszusage eingeht oder abweichen will und dazu verbindliche Willenserklärungen vorliegen sollen.

2. Die Regelung in § 10 Nr. 3 der Versorgungszusage fällt unter den Anwendungsbereich des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.

a) Das AGG gilt trotz der in § 2 Abs. 2 Satz 2 enthaltenen Verweisung auf das Betriebsrentengesetz auch für die betriebliche Altersversorgung, soweit das Betriebsrentengesetz nicht vorrangige Sonderregelungen enthält (BAG 04.08.2015 – 3 AZR 137/13; 11.12.2007 – 3 AZR 249/06) und letzteres ist nicht der Fall.

b) Das AGG ist auch in zeitlicher Hinsicht anwendbar. Seine Anwendung setzt voraus, dass unter seinem zeitlichen Geltungsbereich ein Rechtsverhältnis zwischen dem Versorgungsberechtigten und dem Versorgungsschuldner bestand. Dabei ist zwar auf den Beschäftigten (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGG), und nicht auf den Hinterbliebenen abzustellen. Allerdings ist nicht erforderlich, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt noch ein Arbeitsverhältnis bestand. Ausreichend ist vielmehr, wenn der Arbeitnehmer mit unverfallbarer Anwartschaft aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden oder Versorgungsempfänger ist und das damit begründete Rechtsverhältnis bei oder nach Inkrafttreten des AGG noch besteht bzw. bestand. Das Ausscheiden mit unverfallbarer Anwartschaft und ein Anspruch auf Betriebsrente begründen ein versorgungsrechtliches Dauerschuldverhältnis zwischen dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer und dem ehemaligen Arbeitgeber. Die Anwartschaft verpflichtet den Arbeitgeber, nach den Regeln der Versorgungsordnung das Versorgungsrisiko abzudecken. Dieses aktualisiert sich mit Eintritt des Versorgungs- oder Nachversorgungsfalls. Nach § 6 Abs. 1 AGG gilt das Gesetz zudem nicht nur für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie für andere Beschäftigte, sondern auch für Personen, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist (vgl. BAG 15.09.2009 – 3 AZR 294/09). Da der Ehemann der Klägerin bis zum Eintritt des Nachversorgungsfalls “Tod” am 18.07.2014 selbst Leistungen der betrieblichen Altersversorgung von der Beklagen bezogen hat, mithin Versorgungsempfänger war, bestand nach Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 (Art. 4 Satz 1 des Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14. August 2006 – BGBl. I S. 1897) das für die Anwendbarkeit des AGG erforderliche Rechtsverhältnis (siehe zum Ganzen BAG 15.10.2013 – 3 AZR 653/11).

3. Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen der in § 1 AGG genannten Gründe, ua. wegen des Alters, benachteiligt werden. Unzulässig sind unmittelbare und mittelbare Benachteiligungen. Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam (BAG 04.08.2015 – 3 AZR 137/13; 18.03.2014 – 3 AZR 69/12; 12.11.2013 – 3 AZR 356/12).

a) Die in § 10 Nr. 3 der Versorgungszusage enthaltene Regelung, nach der die Differenz des Lebensalters der Ehepartner nicht mehr als 10 Jahre betragen darf, da ansonsten eine Kürzung der Witwenrente schrittweise erfolgt, bewirkt eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1 und § 7 AGG, wobei auch für die Beurteilung, ob eine Diskriminierung vorliegt, auf den Beschäftigten (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGG) und nicht auf den Hinterbliebenen abzustellen ist (BAG 04.08.2015 – 3 AZR 137/13; 15.09.2009 – 3 AZR 294/09). Die Kürzungsregelung knüpft unmittelbar an die Überschreitung einer bestimmten Differenz des Lebensalters der Ehepartner und daher auch an das Lebensalter des Versorgungsempfängers und Arbeitnehmers an. Damit erfahren Mitarbeiter, die – wie der verstorbene Ehemann der Klägerin – eine Ehe mit einer mehr als 10 Jahre jüngeren Person schließen, wegen ihres Alters eine ungünstigere Behandlung. Es ist dabei unerheblich, dass in § 10 Nr. 3 der Versorgungszusage kein genaues Lebensalter benannt ist. Maßgeblich ist vielmehr, dass bei der Eheschließung auf das konkrete Lebensalter des Arbeitnehmers bzw. des Versorgungsempfängers abgestellt wird und dass, wenn dieses zu hoch im Verhältnis zum Lebensalter der Ehefrau ist, eine Kürzung erfolgt. Diese konkrete Anknüpfung an das Lebensalter ist in ihrer Auswirkung eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters.

4. Die durch die Kürzungsregelung nach § 10 Nr. 3 der Versorgungszusage bewirkte Ungleichbehandlung ist nicht nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt.

a) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (fortan: Richtlinie 2000/78/EG) in das nationale Recht und die Bestimmung ist mit Unionsrecht vereinbar (BAG 04.08.2015 – 3 AZR 137/13; 18.03.2014 – 3 AZR 69/12; 12.11.2013 – 3 AZR 356/12). Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 AGG enthält eine Aufzählung von Tatbeständen, wonach derartige unterschiedliche Behandlungen insbesondere gerechtfertigt sein können. Nach § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG ist dies der Fall bei der Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen. Indem der Gesetzgeber den in Nr. 4 geregelten Tatbestand in die Rechtfertigungsgründe des § 10 Satz 3 AGG eingeordnet hat, hat er zum Ausdruck gebracht, dass die Festsetzung von Altersgrenzen für den Anspruch auf Leistungen aus den dort aufgeführten betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit grundsätzlich objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG gerechtfertigt ist. Da eine solche Altersgrenze in der jeweiligen Versorgungsregelung festzusetzen ist, muss die konkret gewählte Altersgrenze allerdings iSv. § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein (BAG 04.08.2015 – 3 AZR 137/13; 09.12.2014 – 1 AZR 102/13; 18.03.2014 – 3 AZR 69/12).

b) Die durch die in § 10 Nr. 3 der Versorgungszusage festgelegte Kürzungsregelung bewirkte Ungleichbehandlung wegen des Alters ist nicht nach § 10 Satz 3 Nr. 4 iVm. Satz 2 AGG gerechtfertigt werden.

aa) Einschlägig ist hier allein die in § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG aufgeführte Fallgruppe der “Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für den Bezug von Leistungen”. § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG knüpft für die Fallgruppe der “Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für den Bezug von Leistungen” bereits von seinem Wortlaut her ausschließlich an die Risiken “Alter” und “Invalidität” und nicht an das Risiko des “Todes” an und erfasst deshalb ausschließlich die Alters- und Invaliditätsversorgung, nicht jedoch die Hinterbliebenenversorgung und damit auch nicht die Witwenversorgung, um die es vorliegend geht.

bb) Dass eine Hinterbliebenenversorgung regelmäßig nur dann versprochen wird, wenn auch eine Altersversorgung zugesagt ist und dass sich die Höhe einer Witwen- und Witwerversorgung regelmäßig an der Höhe der betrieblichen Altersrente oder – sofern versprochen – der Invaliditätsrente orientiert, die Witwen- und Witwerrente demnach regelmäßig in einem bestimmten Abhängigkeitsverhältnis zur Alters- und Invaliditätsrente steht, führt nicht dazu, dass die Witwen- und Witwerrente als “Annex” von der in § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG aufgeführten Alters- bzw. Invaliditätsrente miterfasst würde. Dies folgt aus einer unionsrechtskonformen Auslegung der Bestimmung (BAG 04.08.2015 – 3 AZR 137/13). Mit § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG hat der nationale Gesetzgeber von der Ermächtigung in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG Gebrauch gemacht und diese Bestimmung in nationales Recht umgesetzt. Danach können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit die Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen bzw. Kategorien von Beschäftigten und die Verwendung im Rahmen dieser Systeme von Alterskriterien für versicherungsmathematische Berechnungen keine Diskriminierung wegen des Alters darstellt, solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt. Die Auslegung von § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG hat deshalb unionsrechtskonform iSv. Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG zu erfolgen (BAG 04.08.2015 – 3 AZR 137/13) und der Gerichtshof der Europäischen Union hat zu Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG mit Urteilen vom 26. September 2013 (- C-546/11 – [Dansk Jurist]; – C-476/11 – [HK Danmark]) erkannt, diese Bestimmung sei dahin auszulegen, dass sie nur auf eine Altersrente oder Leistungen bei Invalidität eines betrieblichen Systems der sozialen Sicherheit anwendbar ist. Sie gilt danach also nur für ein betriebliches System der sozialen Sicherheit, das die Risiken von “Alter” und “Invalidität” abdeckt. Eine Auslegung dahin, dass diese Vorschrift für alle Arten von betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit gilt, stellt danach einen Verstoß gegen das Erfordernis dar, die Vorschrift eng auszulegen und würde eine unzulässige Ausdehnung ihres Geltungsbereichs bewirken (siehe zum Ganzen BAG 04.08.2015 – 3 AZR 137/13).

5. Die durch die in § 10 Nr. 3 der Versorgungszusage festgelegte Kürzungsregelung bewirkte unmittelbare Ungleichbehandlung des verstorbenen Ehemannes der Klägerin wegen des Alters ist auch nicht nach § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG gerechtfertigt. Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters gestattet, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist; nach § 10 Satz 2 AGG müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sein. Es kann vorliegend dahinstehen, ob die durch die Spätehenklausel bewirkte Ungleichbehandlung der Versorgungsberechtigten wegen des Alters durch ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG gerechtfertigt ist.

a) Die an das Alter anknüpfende schrittweise Kürzungsregelung in § 10 Nr. 3 der Versorgungszusage ist zur Erreichung der mit ihr verfolgten Ziele nicht angemessen und erforderlich iSv. § 10 Satz 2 AGG wobei es offenbleiben kann, ob die vorliegende Ungleichbehandlung wegen des Alters durch ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG gerechtfertigt ist.

aa) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat nicht nur erkannt, dass legitime Ziele iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG wegen der als Beispiele genannten Bereiche Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung solche aus dem Bereich “Arbeits- und Sozialpolitik” sind (vgl. EuGH 26.02.2015 – C-515/13 – [Ingeniørforengingen i Danmark]; 28.01. 2015 – C-417/13 – [Starjakob]; 26. 09.2013 – C-546/11 – [Dansk Jurist]; 13.09.2011 – C-447/09 – [Prigge]; 18.06. 2009 – C-88/08 – [Hütter], Slg.) Er hat zudem mit Urteil vom 26.09.2013 (- C-476/11 – [HK Danmark]) ausgeführt, dass auch Ziele im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik, die ein Arbeitgeber mit einer im Arbeitsvertrag vorgesehenen betrieblichen Altersvorsorge anstrebt, legitime Ziele iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG sein können. Gleichzeitig hat er die Legitimität der Ziele für den Fall bejaht, dass diese im Rahmen sozial-, beschäftigungs- und arbeitsmarktpolitischer Belange den Interessen aller Beschäftigten Rechnung tragen, um diesen bei Eintritt in den Ruhestand eine Altersversorgung in angemessener Höhe zu gewährleisten (EuGH 26.09.2013 – C-476/11 – [HK Danmark]). Da nach alledem legitime Ziele iSv. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG allerdings nur solche im Rahmen sozial-, beschäftigungs- und arbeitsmarktpolitischer Belange sind, die den Interessen der Beschäftigten Rechnung tragen, können Ziele, die ausschließlich im Eigeninteresse des Arbeitgebers liegen, wie Kostenreduzierung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, eine Diskriminierung wegen des Alters nicht nach § 10 Satz 1 AGG rechtfertigen (BAG 04.08.2015 – 3 AZR 137/13; 19.12.2013 – 6 AZR 790/12).

bb) Ob die durch die Kürzungsregelung nach § 10 Nr. 3 der Versorgungszusage bewirkte Diskriminierung wegen des Alters durch ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG gerechtfertigt ist, ist zumindest zweifelhaft.

aaa) Die Beklagte beruft sich darauf, nicht hohe Rückstellungen bilden zu müssen. Es solle das Risiko zusätzlicher Versorgungsansprüche ausgeschlossen werden, um die Finanzierbarkeit bestehender Versorgungsansprüche der Arbeitnehmer zu gewährleisten. Letztlich sollten unkalkulierbare Risiken vermieden werden. Das Risiko einer höheren Kostenlast verwirkliche sich dadurch, dass der Altersunterschied der Eheleute zu hoch sei und die Versorgungsleistungen deshalb über einen längeren Zeitraum erbracht werden müssten. Welchen Weg ein Arbeitgeber zur Minimierung des Risikos wähle, müsse ihm überlassen bleiben.

cc) Soweit damit bezweckt werden sollte, im Zusammenhang mit Rückstellungen den administrativen Aufwand bei der nach § 249 HGB vorzunehmenden Bildung und Auflösung von Pensionsrückstellungen gering zu halten, wäre dieses Ziel aber ein Ziel im ausschließlichen Eigeninteresse der Versorgungsschuldnerin und damit kein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG (vgl. EuGH 28.01.2015 – C-417/13 – [Starjakob]; BAG 04.08.2015 – 3 AZR 137/13). Soweit die Beklagte geltend macht, die Kürzungsklausel bezwecke, die mit der Hinterbliebenenversorgung verbundenen zusätzlichen Risiken zu begrenzen, um den Versorgungsaufwand für die Hinterbliebenenversorgung versicherungsmathematisch verlässlich kalkulieren zu können, verbleibt es dabei, dass es zweifelhaft ist, ob die unterschiedliche Behandlung der Versorgungsberechtigten wegen des Alters durch ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG gerechtfertigt ist.

dd) Zwar entscheidet der Arbeitgeber bei einer von ihm finanzierten betrieblichen Altersversorgung frei über deren Einführung. Entschließt er sich hierzu, so ist er auch frei in der Entscheidung, für welche der in § 1 Abs. 1 BetrAVG genannten Versorgungsfälle er Leistungen zusagt und wie hoch er die entsprechende Leistung dotiert. Er kann Leistungen der Hinterbliebenenversorgung versprechen; eine Rechtspflicht hierzu trifft ihn nicht. Aus diesem Grund ist er grundsätzlich auch berechtigt, die Hinterbliebenenversorgung von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig zu machen und damit Personen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, von dieser Versorgung auszuschließen (vgl. BAG 04.08.2015 – 3 AZR 137/13; 20.04.2010 – 3 AZR 509/08). Auch liegt eine Begrenzung des Kreises der anspruchsberechtigten Dritten durch zusätzliche anspruchsbegründende oder besondere anspruchsausschließende Merkmale gerade im Bereich der Hinterbliebenenversorgung nahe, weil ein dahingehendes Leistungsversprechen zusätzliche Unwägbarkeiten und Risiken mit sich bringt. Diese betreffen nicht nur den Zeitpunkt des Leistungsfalls, sondern auch die Dauer der Leistungserbringung.

ee) Vor diesem Hintergrund bestand im vorliegenden Verfahren arbeitgeberseitig ein berechtigtes Interesse daran, die mit der Hinterbliebenenversorgung verbundenen zusätzlichen Risiken zu begrenzen, um den Versorgungsaufwand verlässlich kalkulieren zu können (BAG 04.08.2015 – 3 AZR 137/13; 15.10.2013 – 3 AZR 653/11). Dieses Ziel ist zwar ein rechtmäßiges Ziel iSv. § 3 Abs. 2 AGG, das über das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung entscheidet (BAG 04.08.2015 – 3 AZR 137/13; 15.10.2013 – 3 AZR 653/11). Ob es jedoch ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG ist und damit eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters rechtfertigen kann (so noch etwa BAG 15.10.2013 – 3 AZR 653/11; 15.10.2013 – 3 AZR 294/11), ist vor dem Hintergrund nach der angeführten neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht ohne Weiteres eindeutig zu beantworten (BAG 04.08.2015 – 3 AZR 137/13).Gegen die Legitimität des Ziels iSv. § 10 Satz 1 AGG könnte sprechen, dass eine Risikobegrenzung zum Zwecke einer verlässlichen Kalkulation des für die Hinterbliebenenversorgung zur Verfügung gestellten Dotierungsrahmens zunächst im Eigeninteresse des Arbeitgebers liegt; dafür könnte indes sprechen, dass Arbeitgeber ihren Beschäftigten Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nur zukommen lassen, wenn sie auch die Möglichkeit haben, den aus der Versorgungszusage resultierenden Versorgungsaufwand verlässlich zu prognostizieren. Dies kann vorliegend jedoch offenbleiben, da die mit der Kürzungsklauseln angestrebten Ziele, die mit der Hinterbliebenenversorgung verbundenen zusätzlichen Risiken zu begrenzen, um den erforderlichen Versorgungsaufwand verlässlich kalkulieren zu können nicht angemessen und erforderlich iSv. § 10 Satz 2 AGG ist.

b) Die in der Kürzungsklausel bestimmte Altersdifferenz von mehr als zehn Jahren zwischen den Ehegatten ist – in unionsrechtskonformer Auslegung von § 10 Satz 2 AGG – nur dann angemessen und erforderlich, wenn sie es erlaubt, das mit der Klausel verfolgte Ziel zu erreichen, ohne zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen derjenigen Arbeitnehmer zu führen, denen aufgrund der Klausel die Witwen/Witwerversorgung vorenthalten wird, weil bei Eheschließung bereits eine Altersdifferenz von mehr als zehn Jahren zwischen den Ehegatten vorliegt und sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des angestrebten Ziels notwendig ist (BAG 15.10.2013 – 3 AZR 653/11 mit Nachweisen aus der Rspr. des EuGH). Die in § 10 Nr. 3 der Versorgungszusage festgelegte Altersdifferenzgrenze ist nicht angemessen und erforderlich, weil sie zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen der Versorgungsberechtigten führt, die dann, wenn auch schrittweise, mit Einbußen in der Witwenversorgung zu rechnen haben. Zudem geht sie zum Teil auch über das hinaus, was zur Erreichung des angestrebten Ziels notwendig ist.

c) Die Festlegung in § 10 Nr. 3 der Versorgungszusage, dass bei einem Altersunterschied von mehr als 10 Lebensjahren zwischen den Ehepartnern bereits eine Kürzung von 5 % pro weiteres Lebensjahr erfolgt ist willkürlich und hat keinerlei rechtfertigenden Ansatz. Es kommt auch nicht drauf an, ob eine 5%ige Kürzung pro Lebensjahr maßvoll ist, da erst bei einem Altersunterschied von 30 Jahren eine vollständige Kürzung erfolgt. Ausschlaggebend ist vielmehr dass die Kürzung zu einem viel zu frühen Zeitpunkt einsetzt mit den entsprechenden viel zu früh antretenden Folgen. So hat die Klägerin bei einem Altersunterschied von 14 Jahren zu ihrem verstorbenen Ehemann bereits eine Kürzung von einem Fünftel der Witwenrente hinzunehmen. Das Anknüpfen an einen Altersunterschied von 10 Jahre ist nicht nachvollziehbar, denn ein solcher maßgeblicher Altersunterschied ist marginal und das legitime Versorgungsinteresse wird damit einseitig und übermäßig zu Gunsten der Arbeitgeberin beeinträchtigt. Eine objektive Rechtfertigung dafür ist nicht ersichtlich. Dies verdeutlicht auch ein Vergleich mit dem Beamtenversorgungsgesetz, wonach erst bei einem Altersunterschied ab 20 Jahren eine 5%ige Kürzung pro Jahr erfolgt (§ 20 Abs. 2 BeamtVG). Insoweit existiert auch eine gesetzgeberische Wertung zum konkreten Alter im Zusammenhang mit Altersabstandsklauseln mit der Folge, dass zumindest der Rechtsgedanke des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB in die Bewertung, ob die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters objektiv und angemessen ist, einzufließen hat. Denn hiernach gilt im Rahmen der Inhaltskontrolle von allgemeinen Geschäftsbedingungen, das eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen ist, wenn eine Bestimmung von wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Dass hier keine objektiven und angemessen Gründe für die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters vorliegen ist offensichtlich, zumal das BeamtVG erst bei einem Altersunterschied ab 20 Jahren eine prozentuale Kürzung pro weiteres Lebensjahr vorsieht, während die vorliegende Klausel hingegen bereits bei der Hälfte, bei zehn Jahren, entsprechende Kürzungen vorsieht.

d) Die Zusage der Witwenversorgung ist Teil einer umfassenden Versorgungsregelung. Durch die Zusage sollen die Arbeitnehmer in der Sorge um die finanzielle Lage ihrer Hinterbliebenen entlastet werden. Die Hinterbliebenenversorgung nach dem Betriebsrentengesetz knüpft an das typisierte Versorgungsinteresse des Arbeitnehmers an. Für dieses Versorgungsinteresse ist es jedoch unerheblich, zu welchem Zeitpunkt die Ehe mit welchem Lebensalter geschlossen wurde. Es existiert vor allem kein allgemeiner Erfahrungssatz, dass die Versorgungsberechtigten, die eine Ehe mit einem Altersunterschied der Ehepartner von mehr als 10 Jahren schließen, ein geringeres Interesse an der Versorgung ihrer Witwen haben als Versorgungsberechtigte, die die Ehe mit einem geringeren Lebensalterdifferenz der Ehepartner schließen. Beide Gruppen haben ein gleichermaßen anerkennenswertes Interesse an der Versorgung ihrer Ehepartner (siehe hierzu BAG 04.08.2015 – 3 AZR 137/13).

aa) Die Heirat mit einem um mehr als zehn Jahre jüngeren Ehepartner stellt auch – anders als das Ende des Arbeitsverhältnisses oder der Eintritt des Versorgungsfalls beim versorgungsberechtigten Arbeitnehmer selbst keine “Zäsur” dar, die es ausnahmsweise gestatten könnte, in den Bestimmungen über die Witwen-/Witwerversorgung zur Begrenzung des mit der Versorgungszusage verbundenen Risikos und Aufwands hieran anzuknüpfen und die Lebensgestaltung des Arbeitnehmers ab diesem Zeitpunkt bei der Abgrenzung ihrer Leistungspflichten unberücksichtigt zu lassen. Dies folgt aus den Wertungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG, wonach betriebliche Altersversorgung iSd. Betriebsrentengesetzes nur vorliegt, wenn dem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung vom Arbeitgeber “aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses” zugesagt werden. Danach muss zwischen dem Arbeitsverhältnis und der Zusage ein Kausalzusammenhang bestehen (BAG 20.04.2004 – 3 AZR 297/03). Im Hinblick darauf übernimmt der Arbeitgeber mit der Zusage von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung bestimmte Risiken, die Altersversorgung deckt einen Teil der “Langlebigkeitsrisiken”, die Invaliditätssicherung einen Teil der Invaliditätsrisiken und die Hinterbliebenenversorgung einen Teil der Todesfallrisiken ab (vgl. etwa BAG 25. Juni 2013 – 3 AZR 219/11 – Rn. 13, BAGE 145, 314). Vor diesem Hintergrund sind zwar das Ende des Arbeitsverhältnisses und der Eintritt des Versorgungsfalls beim versorgungsberechtigten Arbeitnehmer, zu dem typischerweise auch das Arbeitsverhältnis sein Ende findet, sachgerechte Anknüpfungspunkte für Regelungen über den Ausschluss von der Hinterbliebenenversorgung, nicht aber ein vom Ende des Arbeitsverhältnisses unabhängiges Alter (siehe hierzu BAG 04.08.2015 – 3 AZR 137/13). Und gleiches muss für den Fall gelten, dass der versorgungsberechtigte Arbeitnehmer bei Abschluss der Ehe ein bestimmtes Abstandsalter zum Ehepartner hat.

e) Die Anknüpfung an eine Lebensaltersdifferenz von 10 Jahren zwischen den Ehegatten lässt sich auch nicht mit der Begründung rechtfertigen, mit ihr würden zulässigerweise Ansprüche auf eine Witwenversorgung in den Fällen ausgeschlossen, in denen nur eine sog. Versorgungsehe geführt wird. Zwar läge darin eine Begrenzung des Risikos auf Fälle, in denen das Versorgungsrisiko nicht gezielt zulasten des Arbeitgebers geschaffen wird.

aa) Von einer Versorgungsehe kann nur dann gesprochen werden, wenn die Heirat allein oder überwiegend zu dem Zweck erfolgte, dem Ehegatten eine Hinterbliebenenversorgung zu verschaffen (BAG 04.08.2015 – 3 AZR 137/13). Zwar kann bei einer Ehe, die zum Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalls “Tod” – unabhängig vom gleichzeitigen Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Versorgungsschuldner – erst von kurzer Dauer war, die Vermutung gerechtfertigt sein kann, dass die Ehe unter Versorgungsgesichtspunkten geschlossen wurde. So enthalten beispielsweise § 46 Abs. 2a SGB VI und § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG für Ehen, die nicht mindestens ein Jahr vor Eintritt des Versicherungs- bzw. Versorgungsfalls geschlossen wurden, eine gesetzlich widerlegbare Vermutung, dass die Begründung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war. Hingegen existiert kein allgemeiner Erfahrungssatz des Inhalts, dass eine Eheschließung bei einem Lebensaltersunterschied der Ehepartner von 10 Jahren ausschließlich oder überwiegend unter Versorgungsgesichtspunkten erfolgte. Vielmehr ist bei einer solchen Eheschließungen ein anderer Zweck der Eheschließung mindestens ebenso wahrscheinlich wie der Versorgungszweck(BAG 04.08.2015 – 3 AZR 137/13).

bb) Im Übrigen spricht einiges dafür, dass Altersabstandsklauseln als solche unter der Geltung des AGG nicht mehr Bestand haben könnten (so jedenfalls andeutungsweise BAG 04.08.2015 – 3 AZR 137/13).

6. Da die Kürzungsregelung nach § 10 Nr. 3 der Versorgungszusage wegen Verstoßes gegen das in § 7 Abs. 1 AGG normierte Verbot der Benachteiligung wegen des Alters gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam ist, steht sie dem Anspruch der Klägerin auf Witwenrente nicht entgegen. Die Beklagten sind daher verpflichtet, an die Klägerin die in der Höhe nach unstreitigen Beträge zu zahlen. Der Zinsanspruch ergibt sich hinsichtlich der mit dem Antrag zu 2. geltend gemachten Rückstände aus § 286 Abs. 1, § 288 BGB. Gemäß § 12 Nr. 1 der Versorgungszusage sind die Renten jeweils am Ende eines Monats fällig.

III.

Die Beklagten haben als Unterlegene des Rechtsstreits dessen Kosten zu tragen.
Karrasch
Pompe
Hiebl

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