Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 06.12.2017 – 7 Sa 321/17

April 6, 2021

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 06.12.2017 – 7 Sa 321/17

In dem Rechtsstreit
A., A-Straße, A-Stadt
– Klägerin und Berufungsklägerin –
Prozessbevollmächtigte/r: Gewerkschaft B., B-Straße, B-Stadt
gegen
Land Rheinland-Pfalz
– Beklagte und Berufungsbeklagter –
Prozessbevollmächtigte/r: Rechtsanwalt C., C-Straße, C-Stadt
hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz auf die mündliche Verhandlung vom 6. Dezember 2017 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Krol-Dickob als Vorsitzende und den ehrenamtlichen Richter Juchem und den ehrenamtlichen Richter Cavelius als Beisitzer für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 22. Mai 2017, Az. 2 Ca 163/17, wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung vom 19. Januar 2017 zum 30. Juni 2017 sowie – für den Fall ihres Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag – über die Weiterbeschäftigung der Klägerin.

Die 1964 geborene, ledige Klägerin absolvierte vom 1. September 1999 bis zum Ende des Schuljahres 1999/2000 ihr Referendariat in Thüringen. Vom 1. November 2000 bis zum 30. April 2003 leistete sie ihren Vorbereitungsdienst im Beamtenverhältnis auf Widerruf im Bundesland Hessen ab. Im Schuljahr 2004/2005 war sie als Lehrkraft als Schwangerschaftsvertretung in Hessen tätig.

Aufgrund eines Arbeitsvertrags vom 26. Juli 2005 war sie seit dem 5. September 2005 bei dem beklagten Land als Lehrerin mit 18 Stunden/Woche und einem Bruttomonatsverdienst in Höhe von zuletzt 3.807,17 € beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TV-L Anwendung. Die Klägerin war zunächst an dem Z.-Gymnasium in Y-Stadt eingesetzt. Zum 1. August 2008 wurde sie auf eigenen Wunsch an das X.-Gymnasium in W-Stadt versetzt. Ab dem 1. August 2012 war sie am V.-Gymnasium in U.-Stadt eingesetzt. Zum 1. Februar 2013 wurde sie an das T.-Gymnasium in U.-Stadt abgeordnet.

Unter den Az. 4 Ca 750/10, 4 Ca 2340/10 sowie 1 Ca 1863/12 wurden vor dem Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein zwischen den Parteien Rechtsstreite geführt.

Am 17. März 2016 erhielt die Klägerin eine Dienstanweisung des Schulleiters vom 7. März 2016 (Anlage B 5, Bl. 38 d. A.) folgenden Inhalts:
“1. Der Unterricht ist in Übereinstimmung mit den Lehrplänen und den Standards des Landes zu erteilen. 2. Die Leistungsbeurteilungen und deren Gewichtung sind den Schülern ordnungsgemäß mitzuteilen und zu begründen. Es gibt darüber hinaus bis auf weiteres eine Mitteilungspflicht gegenüber der Schulleitung. 3. Klassen- und Kursarbeiten sind mit dem Erwartungshorizont den fachlich zuständigen Fachkonferenzleitungen mindestens 2 Tage vor der Leistungsfeststellung zur Prüfung vorzulegen. Ein Exemplar ist bei der Schulleitung abzugeben. 4. Ein besonderes Augenmerk ist auf ein erfolgreiches Klassenmanagement zu legen. 5. Es ist eine professionelle Distanz und ein angemessenes Verhalten zu Schülern und Schülerinnen sowohl im sprachlichen, als auch mimischen und gestischen Ausdruck einzuhalten. 6. Der zu erteilende Unterricht sowie Bereitschafts- und Vertretungsstunden beginnen und enden pünktlich. 7. Alle Aufsichten sind gewissenhaft, pünktlich und proaktiv wahrzunehmen.”

Am 23. Mai 2016 traf die Klägerin statt um 10.40 Uhr erst um 10.48 Uhr im Unterrichtsraum der Klasse 6a/c ein.

Am 25. Mai 2016 hätte die Klägerin vertretungsweise die Klasse 8a/c um 11.40 Uhr unterrichten sollen. Sie traf erst kurz nach 12.00 Uhr dort ein.

Eine am 30. Mai 2016 geschriebene Französischarbeit in der Klasse 6 a/c legte die Klägerin nicht vor der Leistungsfeststellung bei der Jahrgangsaufsicht vor.

Am 2. Juni 2016 begann die Klägerin den Spanischunterricht in der Klasse 9 d statt um 13.35 Uhr erst um 13.55 Uhr.

Am 15. Juni 2016 kam die Klägerin 7 Minuten verspätet zu dem von ihr zu betreuenden Unterricht der Studienreferendarin S.. Der Unterricht wurde pünktlich von der Studienreferendarin in Abwesenheit der Klägerin begonnen.

Am 30. Juni 2016 ließ die Klägerin eine Französischarbeit in der Klasse 8 b/d schreiben, ohne dass diese zuvor bei der Fachkonferenzleitung Französisch und der Schulleitung vorgelegt wurde.

Am 1. Juli 2016 kam die Klägerin über eine halbe Stunde verspätet im Spanischunterricht in der Klasse 10c/d an. Sie traf sich mit den Schülern im Café R. in U.-Stadt zu diesem Unterricht. Dieses Treffen war von der Schulleitung nicht genehmigt.

Mit Schreiben vom 1. Juli 2016 (Bl. 93 ff. d. A.) nahm die Klägerin im Rahmen einer Anhörung vor Erteilung einer Abmahnung zu ihren Versäumnissen am 23. Mai 2016 und 25. Mai 2016 Stellung.

Unter dem 7. Juli 2016 erteilte die ADD der Klägerin nach deren Anhörung und Beteiligung des Bezirkspersonalrats für die staatlichen Lehrerinnen und Lehrer an Gymnasien und Kollegs eine Abmahnung (Anlage B 7, Bl. 42 ff. d. A.) wegen des verspäteten Unterrichtsbeginns am 23. und 25. Mai 2016.

Eine weitere Abmahnung (Anlage B 8, B. 47 ff. d. A.) wegen verspäteten Unterrichtsbeginns am 15. Juni 2016 und 1. Juli 2016 wurde von der ADD am 19. Juli 2016 nach Anhörung der Klägerin und Beteiligung des Bezirkspersonalrats ausgesprochen.

Mit Schreiben der ADD vom 20. Juli 2016 (Bl. 103 ff. d. A.) wurde die Klägerin wegen des verspäteten Beginns des Spanischunterrichts um 20 Minuten am 2. Juni 2016 sowie wegen des Unternehmens nicht genehmigter Ausflüge mit ihren Klassen am 2. Juni 2016 (mexikanisches Restaurant mit Klasse 9 d) sowie am 6. Juli 2016 (Café Q. mit Grundkurs Spanisch 12) abgemahnt.

Unter dem 21. Juli 2016 mahnte die ADD und nach Beteiligung des Bezirkspersonalrats die Klägerin, nachdem sie dieser Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte, erneut ab (Anlage B 6, Bl. 39 ff. d. A.), weil sie am 30. Mai 2016 eine geschriebene Französischarbeit nicht bei der Jahrgangsaufsicht sowie am 30. (3.) Juni 2016 eine Französischarbeit nicht der Fachkonferenzleitung Französisch und der Schulleitung vor der Leistungsfeststellung vorgelegt hatte.

Am 26. Juli 2016 erhielt die Klägerin eine Abmahnung, weil sie trotz ausdrücklich entgegenstehender Weisung schulinterne Informationen an Dritte weitergegeben hatte.

Am 23. September 2016 ließ die Klägerin eine Klassenarbeit in Spanisch in der Klasse 10 b/d, am 28. Oktober 2016 eine Kursarbeit in Spanisch im Kurs 11 und am 10. November 2016 eine Klassenarbeit in Spanisch in der Klasse 9 c/d/e schreiben. In allen Fällen gab die Klägerin kein Exemplar bei der Schulleitung, wohl aber bei der Fachaufsicht ab.

Mit Schreiben vom 10. November 2016 (Anlage B 12, Bl. 123 f. d. A.) hörte die ADD die Klägerin zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung an. Mit Schreiben vom 5. Dezember 2016 (Bl. 88 ff. d. A.) nahm die Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten zum Anhörungsschreiben zur ordentlichen Kündigung vom 10. November 2016 Stellung.

Am 7. Dezember 2016 war die Klägerin in der vierten Stunde von 10.40 Uhr bis 11.25 Uhr in der Klasse 6 a/c/d als Vertretungslehrkraft eingeteilt. Diesen Unterricht trat sie nicht pünktlich um 10.40 Uhr, sondern erst um 10.55 Uhr an.

Hinsichtlich dieses verspäteten Unterrichtsbeginns erhielt die Klägerin mit E-Mail vom 12. Dezember 2016 von der ADD Gelegenheit zur Äußerung. Eine Stellungnahme der Klägerin hierzu erfolgte mit Schreiben vom 16. Dezember 2016 (Bl. 91 f. d. A.).

Der Bezirkspersonalrat wurde mit Schreiben vom 16. November 2016 (Anlage B 1, Bl. 59 f. d. A.) zum Ausspruch einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung angehört. Gleichzeitig wurde ihm der Verwaltungsvorgang ab dem 16. Juni 2016 zur Kenntnisnahme vorgelegt. Der Bezirkspersonalrat teilt mit Schreiben an die ADD vom 23. November 2016 (Anlage B 2, Bl. 33 d. A.) mit, dass er gegen die ordentliche verhaltensbedingte Kündigung gemäß § 34 Abs. 1 TV-L keine Einwendungen erhebe. Daneben wurde der Bezirkspersonalrat mit Schreiben der ADD vom 21. Dezember 2016 (Anlage B 3, Bl. 34 f. d. A.) angehört. Mit Schreiben vom 18. Januar 2017 (Anlage B 4, Bl. 36 d. A.) teilte der Bezirkspersonalrat erneut mit, dass er “gegen die Personalmaßnahme A. – Vollzug des Tarifvertrages des öffentlichen Dienstes der Länder (TV-L); Ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses – keine Einwendungen” erhebe.

Daraufhin kündigte die ADD der Klägerin mit – vom Präsidenten der ADD P. N. persönlich unterzeichneten – Schreiben vom 19. Januar 2017 (Bl. 4 ff. d. A.) zum 30. Juni 2017. Gegen diese ihr persönlich als auch zu Händen ihres Prozessbevollmächtigten am 24. Januar 2017 zugestellte Kündigung wendet sich die Klägerin mit ihrer am 30. Januar 2017 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage vom 27. Januar 2017. Die Klage wurde dem beklagten Land am 7. Februar 2017 zugestellt.

Vor dem Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein waren in der Vergangenheiten Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien unter den Az. 4 Ca 750/10, 4 Ca 2340/10 sowie 1 Ca 1863/12 anhängig.

Die Klägerin hat die Kündigung gemäß § 174 BGB in der Klageschrift zurückgewiesen. Sie war der Ansicht,

die ADD sei nicht zur Kündigung von Arbeitsverträgen zuständig. Der Bezirkspersonalrat sei nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Insbesondere habe dem Bezirkspersonalrat der einschlägige Verwaltungsvorgang vor der Abmahnung vom 7. Juli 2016 nicht vorgelegen. Hinsichtlich der Vorlage der Klassenarbeit vom 10. November sei in der Anhörung das Datum 10. Oktober 2016 statt dem richtigen Datum 10. November 2016 genannt.

Sie war weiter der Ansicht, sie sei gemäß § 34 Abs. 2 S. 1 TV-L ordentlich unkündbar. Die Zeiten, die sie als Referendarin im Beamtenverhältnis verbracht habe, seien mitzurechnen.

Die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Der Fall der Nichtvorlage von Klausuren an die Schulleitung sei nicht mit der mit Schreiben vom 21. Juli 2016 abgemahnten Nichtvorlage vergleichbar. Auch hätten die Klausuren der Schulleitung nicht “zur Prüfung” abgegeben werden müssen. Zum Versäumnis am 7. Dezember 2016 sei es gekommen, weil sie die Tage verwechselt habe. Der Stundenplan habe sich 2 bis 3 Wochen vorher geändert.

Die ihr erteilten Abmahnungen seien teilweise fehlerbehaftet.

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 19. Januar 2017 nicht beendet wird, 2. im Falles des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Lehrerin weiter zu beschäftigen.

Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.

Es war der Ansicht,

der Präsident der ADD sei befugt und nicht nur bevollmächtigt, die Kündigung auszusprechen. Der Bezirkspersonalrat sei ordnungsgemäß mit Schreiben vom 23. November 2016 und 21. Dezember 2016 angehört worden. Zusätzlich habe dem Bezirkspersonalrat der entstandene einschlägige Verwaltungsvorgang seit dem 16. Juni 2016 vorgelegen, der sämtliche Abmahnungen enthalte. Auch sei der Bezirkspersonalrat zu allen fünf im letzten halben Jahr vor der Kündigung ausgesprochenen Abmahnungen angehört worden.

Die Klägerin sei ordentlich kündbar. Eine Anrechnung von Dienstzeiten, insbesondere von Ausbildungszeiten, im Beamtenverhältnis auf Widerruf erfolge nicht.

Es sei auch relevant, ob die Beschäftigungszeiten beim selben Arbeitgeber zurückgelegt worden seien. Vor dem 5. September 2005 habe kein Beamten- oder Arbeitsverhältnis mit ihm bestanden.

Die ordentliche Kündigung sei sozial gerechtfertigt, da die Klägerin zum einen entgegen der Weisung vom 7. März 2016, nach der Abmahnung vom 21. Juli 2016 und mehrfachem nachdrücklichem mündlichem Hinweis durch den Schulleiter, zuletzt kurz vor den Sommerferien, am 23. September 2016, 28. Oktober 2016 und 10. November 2016 Klassenarbeiten habe schreiben lassen, ohne zuvor ein Exemplar bei der Schulleitung zur Prüfung einzureichen.

Zum anderen habe sie ihren Unterricht als Vertretungslehrkraft am 7. Dezember 2016 in der 4. Stunde verspätet angetreten.

Die ausgesprochene ordentliche Kündigung sei als ultima ratio auch erforderlich gewesen, da sich die Klägerin durch die ausgesprochenen Abmahnungen nicht – auch nicht nur vorübergehend – dazu habe anhalten lassen, ihre arbeitsvertraglich geschuldeten Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen. Mit ihr hätten seit Juni 2016 mehrere offizielle Dienstgespräche stattgefunden. Ihr seien allein im vergangenen Schuljahr fünf Abmahnungen erteilt worden. Am Z.-Gymnasium sei es bald zu Beschwerden über die Klägerin wegen methodischdidaktischer Defizite und Disziplinproblemen in den Klassen durch Eltern und Schülern gekommen. Auch am X.-Gymnasium in W-Stadt sei es innerhalb kürzester Zeit zu massiven Schüler- und Elternbeschwerden hinsichtlich der Unterrichtsführung der Klägerin gekommen. An allen Einsatzschulen sei es ausweislich der Personalakte der Klägerin zu erheblichen Störungen des Schulfriedens durch ihre Person gekommen.

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht – zusammengefasst – ausgeführt, die Kündigung vom 19. Januar 2017 sei sozial gerechtfertigt und beende deshalb das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30. Juni 2017. Die Kündigung sei weder gemäß § 174 BGB wegen fehlender Vollmachtvorlage des Präsidenten der ADD noch wegen fehlender Vollmacht des unterschreibenden Präsidenten der ADD unwirksam. Die Klägerin sei auch nicht ordentlich unkündbar nach § 34 Abs. 2 S. 1 TV-L. Sie sei noch keine 15 Jahre bei der Beklagten bzw. in einem nach § 34 Abs. 3 TV-L anrechenbaren Arbeitsverhältnis beschäftigt. Die Kündigung sei auch wegen Vorliegens eines verhaltensbedingten Kündigungsgrundes nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt. Die Klägerin habe durch mehrfache Nichtvorlage der zu schreibenden Klassen-/Kursarbeiten bei der Schulleitung sowie durch häufiges Zuspät-Kommen immer wieder gegen ihre vertraglichen Verpflichtungen verstoßen. Aufgrund der erheblichen Vorbelastung des Arbeitsverhältnisses stehe eine reibungslose Fortsetzung nicht zu erwarten. Bei Abwägung der beiderseitigen Interessen erscheine die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses als billigenswerte und angemessene Reaktion der Beklagten auf die der Klägerin vorzuwerfenden Arbeitspflichtverletzungen. Die Kündigung sei auch nicht wegen fehlender bzw. fehlerhafter Personalratsbeteiligung unwirksam gemäß § 83 Abs. 4 LPersVG RhPf. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts (Bl. 181 ff. d. A.) Bezug genommen.

Das genannte Urteil ist der Klägerin am 14. Juni 2017 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am 3. Juli 2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese mit am 11. August 2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 10. August 2017 begründet.

Zur Begründung der Berufung macht die Klägerin nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes sowie des Schriftsatzes vom 10. August 2017, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl.210 ff., 242 ff. d. A.), zusammengefasst geltend,

sie habe ihre Haupt-/oder Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis nicht schuldhaft verletzt. Eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung sei in der Zukunft durchaus zu erwarten. Mithin sei auch nach Abwägung der Interessen beider Vertragsteile eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses angemessen.

Hinsichtlich der Nichtvorlage eines Exemplars der Klassenarbeiten vom 23. September 2016, 28. Oktober 2016 und 10. November 2016 bei der Schulleitung könne ihr kein Pflichtverstoß vorgeworfen werden. Die Klassen-/Kursarbeiten seien faktisch der Schulleitung zugegangen, da eine “Personalunion” in der Person des Schulleiters bestehe. Denn dieser sei Mitglied der schulinternen Fachaufsicht für die Fächer Französisch, Englisch, Spanisch und Japanisch. Sinn und Zweck der Anweisung seien jedenfalls erreicht worden.

Ein erneuter Pflichtverstoß liege nicht vor, da sie sich durch die Abmahnung der Beklagten vom 21. Juli 2016 zu einem weisungsgemäßen Verhalten durchaus habe anleiten lassen.

Für den abgemahnten verspäteten Unterrichtsbeginn am 23. Mai 2016 sei letztlich ein Organisationsverschulden der Beklagten Ursache gewesen. Ebenso sei die Abmahnung vom 7. Juli 2016 hinsichtlich des Unterrichtsbeginns am 25. Mai 2016 nicht geeignet, eine negative Prognose zu begründen. Ursächlich sei auch hier ein Organisationsverschulden der Beklagten. Sie habe allenfalls leicht fahrlässig gehandelt, indem sie erst am 24. Mai gegen 11.00 Uhr den veränderten Vertretungsplan kontrolliert habe. Sie habe den Eintrag im Vertretungsplan hinsichtlich der “Klasse 8 a/c” als “Klasse 8 b/d” gelesen, die zu diesem Zeitpunkt nicht von ihr zu unterrichten gewesen sei. Dieser allenfalls als leicht fahrlässig zu bewertende Pflichtenverstoß müsse zudem vor dem Hintergrund privater Probleme betrachtet werden. Sie habe diese Lebenskrise mittlerweile überwunden. Die Abmahnung sei jedenfalls nicht verhältnismäßig.

Am 15. Juni 2016 sei sie aufgrund eines Durchfallleidens verspätet im Unterrichtssaal angekommen. Am 1. Juli 2016 sei sie wegen erheblicher Fußbeschwerden rechts verspätet im Unterrichtsraum angekommen.

Dass sie am 2. Juni 2016 sowie am 6. Juli 2016 jeweils den Unterricht in einem Café/Restaurant abgehalten habe, rechtfertige eine Abmahnung nicht. Die Beklagte habe es hier bei einer Ermahnung belassen müssen.

Das erstinstanzliche Urteil sei im Hinblick auf die Feststellungen zu § 34 Abs. 3 TV-L fehlerhaft. Es verstoße letztlich gegen Europarecht. Es genüge nach ständiger Rechtsprechung des EuGH bereits eine Möglichkeit des Auslandsbezuges. Dieser dränge sich im Rahmen der europäischen Einigung im Hinblick auf die Freizügigkeit von Arbeitnehmern auf. Eine andere Handhabung stelle eine unzulässige Inländerdiskriminierung dar. Arbeitnehmer, die Zeiten im Beamtenverhältnis zurückgelegt hätten, bekämen sonst weniger Beschäftigungszeiten angerechnet als Arbeitnehmer, die dieselben Zeiten im Angestelltenverhältnis zurückgelegt hätten und dadurch später in den Genuss des Kündigungsschutzes nach § 34 Abs. 2 TV-L gelangten. Mithin würden deutsche Arbeitnehmer davon abgehalten, ein oder zwei Jahre beruflich im EU-Ausland zu verbringen. Bei Rückkehr in den öffentlichen Dienst in Deutschland drohe dann ein kündigungsschutzrechtlicher Nachteil. Das Gericht erster Instanz habe zudem rechtsfehlerhaft darauf abgestellt, dass sich die Beschäftigungszeiten der Klägerin nicht unmittelbar aneinander angeschlossen hätten. Die tariflichen Regelungen sähen dies nicht vor. Die Annahme eines solchen Tatbestandsmerkmals sei auch in praktischer Sicht nicht nachvollziehbar, so beispielsweise bei unterschiedlich liegenden Sommerferien im Beruf des Lehrers. Auch hier liege ein Verstoß gegen Art. 45 AEUV und 48 AEUV sowie Art. 4 Abs. 3 EUV vor, sofern man ein solches – nicht gegebenes – Tatbestandsmerkmal annehme. Rechtlich nicht begründbar sei zudem die Qualifizierung von Referendaren als Auszubildende. Im Übrigen seien auch “klassische Auszubildende” nach europäischem Freizügigkeitsrecht Arbeitnehmer.

Die Klägerin beantragt zuletzt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 22. Mai 2017 – 2 Ca 163/17 – abzuändern und 1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des beklagten Landes vom 19. Januar 2017 nicht beendet wird, 2. im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. das beklagte Land zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Lehrerin weiterzubeschäftigen.

Das beklagte Land beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Das beklagte Land verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seines Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 5. September 2017 sowie des Schriftsatzes vom 5. Dezember 2017, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 234 ff., 250 f. d. A.), als rechtlich zutreffend.

Während die Fachkonferenzleitung für die Leitung der Fachkonferenzen und die inhaltliche Korrektheit von Arbeiten zuständig sei, werde die Schulleitung bei Verstößen von Lehrkräften als schulinterne Fachaufsicht aktiv. Die Vorlage bei der Fachkonferenzleitung allein habe daher nicht genügt. Der Schulleiter OStD M. sei weder im Fach Spanisch noch in einer anderen Sprache Fachkonferenzleiter. Die Vorlage der Klassen-/Kursarbeiten als bloße Förmelei abzutun, verdeutliche, dass die Klägerin auch persönlichfachlich nicht die notwendige Eignung als Lehrkraft habe.

Am 23. Mai 2016 habe der Schulleiter die Klägerin anlassbedingt angetroffen, als sie über den Gang in Richtung Klassenzimmer “geschlendert” gekommen sei. Der Gang ins Lehrerzimmer, um einen Ersatztermin für die Klassenarbeit zu suchen, sei in fünf Minuten nicht zu bewerkstelligen.

Am 25. Mai 2016 sei die Klägerin statt um 11.40 Uhr erst deutlich nach 12.00 Uhr im Unterrichtsraum eingetroffen, so dass sich die Lerngruppe inzwischen entfernt gehabt habe und nicht mehr auffindbar gewesen sei. Die privaten Umstände der Klägerin seien zu keinem Zeitpunkt Gegenstand eines Personalgesprächs mit dem Schulleiter gewesen noch sei die Klägerin arbeitsunfähig gewesen noch habe sie eine diesbezügliche ärztliche Bescheinigung vorgelegt. Daraus, dass bei “Erkrankung” eines Lehrers und hierdurch bedingten Unterrichtsausfall die Lehrkraft verpflichtet sei, unverzüglich die Schulleitung vorab zu unterrichten, lasse sich ableiten, dass auch bei derartigen “privaten Problemen” die Lehrkraft gehalten sei, den Schulleiter über mögliche Beeinträchtigungen des Unterrichts zweifelsfrei zu unterrichten. Dies alles habe die Klägerin durchgehend in sämtlichen Fällen unterlassen. Auch hinsichtlich des 15. Juni 2016 habe die Klägerin es unterlassen, das vermeintliche Durchfallleiden der Schulleitung und die dadurch bedingte mögliche Beeinträchtigung des Unterrichts mitzuteilen. Dies gelte auch für ein Fußleiden am 1. Juli 2016.

Hinsichtlich des Kündigungsgrundes Nichtvorlage der Klassen- und Kursarbeiten seien die Abmahnungen als einschlägig zu bezeichnen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vom 29. Juni 2017, 6 AZR 364/16) verstoße bei reinen Inlandssachverhalten die Regelung des § 34 Abs. 3 TV-L nicht gegen höherrangiges Recht. Die rein hypothetische Aussicht, das Recht auf Freizügigkeit auszuüben, stelle keinen Bezug zum Unionsrecht her, der eng genug wäre, um die Unionsbestimmungen anzuwenden. Das gleiche gelte auch für die hypothetische Aussicht einer Beeinträchtigung dieses Rechts. Im Übrigen liege auch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor, weil sich die Rechtsverhältnisse der beamteten und beschäftigen Lehrkräfte grundlegend unterschieden, insbesondere durch die Alimentations-, Fürsorge- und Treuepflichten.

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der Sitzung vom 6. Dezember 2017 (Bl. 254 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

B.

In der Sache hatte die Berufung der Klägerin keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist durch die ordentliche Kündigung des beklagten Landes mit Ablauf des 30. Juni 2017 beendet worden.

I.

1. Die Kündigung wurde durch den nach §§ 15, 3 Abs. 1a, 3 Abs. 1 Nr. 2, 2 Ziff. 19 der Landesverordnung über dienst- und arbeitsrechtliche Zuständigkeiten der Struktur- und Genehmigungsdirektionen und der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Rheinland-Pfalz (SGDZustV RP) zuständigen Leiter der ADD ausgesprochen.

2. Die vom Leiter der ADD ausgesprochene Kündigung ist auch nicht gemäß § 174 S. 1 BGB unwirksam. Nach dieser Vorschrift ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grund unverzüglich zurückweist.

Der Anwendungsbereich des § 174 BGB ist vorliegend nicht eröffnet. § 174 BGB findet nur auf ein von einem Bevollmächtigten vorgenommenes einseitiges Rechtsgeschäft Anwendung. Der Leiter der ADD ist kein “Bevollmächtigter” im Sinn dieser Vorschrift, sondern nach §§ 15, 3 Abs. 1a, 3 Abs. 1 Nr. 2, 2 Ziff. 19 SGDZustV RP befugt die Kündigung auszusprechen. Wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 174 S. 1 BGB (“ein Bevollmächtigter”, “Vollmachtsurkunde”) ergibt, findet § 174 BGB nur im Fall einer rechtsgeschäftlich erteilten Vollmacht Anwendung.

Darüber hinaus wäre eine Zurückweisung der Kündigung wegen der fehlenden Vorlage einer Vollmachtsurkunde nicht “unverzüglich” (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB) erfolgt. Die Zurückweisung einer Kündigungserklärung ist nach einer Zeitspanne von mehr als einer Woche ohne das Vorliegen besonderer Umstände des Einzelfalls nicht mehr unverzüglich im Sinn des § 174 S. 1 BGB. Die Wochenfrist beginnt mit der tatsächlichen Kenntnis des Empfängers von der Kündigung. Es soll schnell geklärt werden, ob der Empfänger die Wirksamkeit der Kündigung unter formalen Gesichtspunkten in Frage stellt. Die Rüge ist an keinerlei Nachforschungen über die wirklichen Vertretungs- und Vollmachtverhältnisse gebunden und erfordert auch keinen schwierigen Abwägungsprozess. Eine Zeitspanne von einer Woche ist deshalb unter gewöhnlichen Umständen ausreichend, um die Entscheidung über die Rüge zu treffen (vgl. BAG, Urteil vom 25. April 2013 – 6 AZR 49/12 – BeckRS 2013, 70060 Rz. 126 m. w. N.). Die Zurückweisung der der Klägerin am 24. Januar 2017 zugegangenen Kündigung erfolgte erst durch die dem beklagten Land am 7. Februar 2017 zugestellte Klageschrift. Besondere Umstände für die Überschreitung der Wochenfrist hat die Klägerin nicht geltend gemacht. Die Zurückweisung erfolgte damit nicht ohne schuldhaftes Zögern.

3. Die ordentliche Kündigung ist auch nicht wegen einer unterbliebenen oder fehlerhaften Anhörung des Personalrates gemäß § 83 Abs. 4 und Abs. 1 LPersVG RhPf rechtsunwirksam. Sie ist nach ordnungsgemäßer Beteiligung des zuständigen Bezirkspersonalrats ausgesprochen worden.

Nach § 83 Abs. 4 LPersVG RhPf ist eine Kündigung unwirksam, wenn der Personalrat nicht beteiligt worden ist. Der unterbliebenen Beteiligung steht – wie bei § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG – eine fehlerhafte Beteiligung gleich. Gemäß § 83 Abs. 1 S. 1 LPersVG RhPf wirkt der Personalrat bei der ordentlichen Kündigung mit. Gemäß § 82 Abs. 1 LPersVG RhPf ist dazu die beabsichtigte Maßnahme vor ihrer Durchführung mit dem Ziel einer Verständigung rechtzeitig und eingehend mit der Personalvertretung zu erörtern. Die Mitwirkung ist eine eigenständige, zwischen der Mitbestimmung und der Anhörung bzw. Unterrichtung stehende Beteiligungsform. Sie soll der Personalvertretung in besonders nachdrücklicher, formalisierter Form Gehör verschaffen und sicherstellen, dass ihre Überlegungen in die Entscheidung der Dienststelle einbezogen werden, ohne ihr jedoch wie im Fall der Mitbestimmung einen rechtlich festgelegten Einfluss auf die Maßnahmen der Dienststelle zu eröffnen. Dies bedeutet insbesondere, dass das beklagte Land dem Personalrat vor Ausspruch der ordentlichen Kündigung die Gründe, welche aus seiner Sicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses notwendig machen, mitzuteilen hat. Der Personalvertretung sind die Kenntnisse zu vermitteln, die sie bezogen auf den konkreten Beteiligungsgegenstand zur sachgerechten Wahrnehmung ihrer Mitwirkungsrechte benötigt, ohne eigene Nachforschungen anstellen zu müssen. Die für die Anhörung des Betriebsrats zu § 102 BetrVG entwickelten Grundsätze sind entsprechend anzuwenden (vgl. BAG, Urteil vom 22. April 2010 – 6 AZR 828/08 – BeckRS 2010, 69908 m. w. N.).

Im Streitfall hat das beklagte Land der Unterrichtungspflicht genügt und das Mitwirkungsverfahren durch Übermittlung der Schreiben vom 16. November 2016 bzw. vom 21. Dezember 2016 ordnungsgemäß eingeleitet. Darin hat es dem Bezirkspersonalrat die erforderlichen Informationen zur Person der Klägerin, zur beabsichtigten Kündigungsart und dem Kündigungszeitpunkt mitgeteilt. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin hat das beklagte Land dem Bezirkspersonalrat auch die im vorliegenden Fall maßgeblichen Kündigungsgründe hinreichend konkret mitgeteilt. Etwas anderes ergibt sich – entgegen der Ansicht der Klägerin – auch nicht daraus, dass dem Personalrat der entstandene einschlägige Verwaltungsvorgang erst für die Zeit ab dem 16. Juni 2016 vorgelegt wurde. Hiervon sind insbesondere alle fünf im letzten halben Jahr vor Kündigungsausspruch ausgesprochenen Abmahnungen umfasst. Im Übrigen hatte der Bezirkspersonalrat in Anbetracht seiner vorangegangenen Anhörung vor Ausspruch der Abmahnung vom 7. Juli 2016 Kenntnis auch von dem zu dieser Abmahnung führenden Sachverhalt und der Stellungnahme der Klägerin hierzu. Der Bezirkspersonalrat verfügte damit über alle Informationen, um sich ohne weitere eigene Nachforschungen ein Bild über die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu machen.

In dem an den Bezirkspersonalrat gerichteten Anhörungsschreiben vom 16. November 2016 ist hinsichtlich der Nichtvorlage der am 10. November 2016 geschriebenen Spanischarbeit das korrekte Datum “10.11.2016” genannt. Soweit es in dem an die Klägerin gerichteten Anhörungsschreiben im 2. Absatz fälschlich heißt “heute am 10.10.2016 eine Klassenarbeit in Spanisch in der Klasse 9c/d/e (ES 3) geschrieben”, handelt es sich erkennbar um einen Schreibfehler. Das Schreiben selbst ist auf den “10.11.2016” datiert. Auch aus der zeitlichen Reihenfolge der angeführten Verstöße ergibt sich, dass der Klägerin eine Pflichtverletzung hinsichtlich einer Klassenarbeit nicht am 10.10.2016, sondern nach dem 28.10.2016 vorgeworfen wurde.

Ausweislich der Schreiben des Bezirkspersonalrats vom 23. November 2016 bzw. vom 18. Januar 2017 teilte der Betriebspersonalrat der ADD mit, dass er gegen die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin keine Einwendungen erhebe. Damit war das Anhörungsverfahren abgeschlossen.

4. Die ordentliche Kündigung der Klägerin ist auch nicht gemäß § 34 Abs. 2 S. 1 TV-L unwirksam. Die Klägerin ist nicht ordentlich unkündbar nach dieser Vorschrift.

Nach Vollendung des 40. Lebensjahres und (kumulativ) nach einer Beschäftigungszeit (im Sinn des § 34 Abs. 3 S. 1 und 2 TV-L) von mehr als 15 Jahren gewährt § 34 Abs. 2 S. 1 TV-L, der auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar ist, dem Arbeitnehmer einen besonderen persönlichen Kündigungsschutz, indem seine ordentliche Kündigung ausgeschlossen wird. Die Voraussetzungen der Unkündbarkeit müssen im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vorliegen.

Im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung hatte die Klägerin aber keine Beschäftigungszeit im Sinn von § 34 Abs. 2, 3 S. 1 und 2 TV-L von mehr als 15 Jahren zurückgelegt.

Beschäftigungszeit ist dabei die Zeit, die bei demselben Arbeitgeber im Arbeitsverhältnis zurückgelegt wurde, auch wenn sie unterbrochen ist (§ 34 Abs. 3 S. 1 TV-L). § 34 Abs. 3 S. 3 TV-L, wonach die Zeiten bei dem anderen Arbeitgeber als Beschäftigungszeit anerkannt werden, wenn Beschäftigte zwischen Arbeitgebern, die vom Geltungsbereich dieses Tarifvertrages erfasst werden, wechseln, ist bei der Berechnung der für die Unkündbarkeit erforderlichen Beschäftigungszeit bereits nicht anwendbar (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4. März 2010 – 11 Sa 571/09 – BeckRS 2010, 70054; BeckOK TV-L/Eylert, 36. Ed. 1. September 2014, TV-L § 34 Rz. 74; Bredemeier/Neffke/Weizenegger, TVöD/TV-L, 5. Aufl. 2017, § 34 TVöD Rn 24, 26). Das ergibt sich aus § 34 Abs. 2 S. 1 TV-L, der – ebenso wie § 34 Abs. 1 S. 2 TV-L – hinter dem Begriff der Beschäftigungszeit den Klammerzusatz “(Abs. 3 S. 1 und 2)” enthält. Sinn und Zweck der Anrechnung ist es gerade nicht, den bisher erworbenen “kündigungsrechtlichen” Besitzstand zu gewährleisten.

Danach sind insoweit also lediglich Beschäftigungszeiten “bei (ein und) demselben Arbeitgeber” anzurechnen, auch wenn sie unterbrochen worden sind (Bredemeier/Neffke/Weizenegger, TVöD/TV-L, 5. Aufl. 2017, § 34 TVöD Rz. 27).

Nichts anderes ergibt sich aus der Überleitungsvorschrift des § 14 Abs. 1 TVÜ-Länder, da nach § 19 Abs. 1 BAT Beschäftigungszeit nur die bei demselben Arbeitgeber nach Vollendung des 18. Lebensjahres in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit ist, auch wenn sie unterbrochen ist. Die Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten bei einem anderen Arbeitgeber sah § 19 Abs. 1 BAT gerade nicht vor.

Die Klägerin ist erst seit dem 5. September 2005 und war damit im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 24. Januar 2017 keine 15 Jahre beim beklagten Land beschäftigt. Die von ihr im Rahmen des Referendariats in Thüringen (1. September 1999 bis zum Ende des Schuljahres 1999/2000), im Rahmen ihres Vorbereitungsdienstes im Beamtenverhältnis auf Widerruf in Hessen (1. November 2000 bis zum 30. April 2003) sowie als Schwangerschaftsvertretung in Hessen (Schuljahr 2004/2005) sind nicht zu berücksichtigen. Im Übrigen wären auch die Unterbrechungszeiten selbst nicht mitzuberechnen (Bredemeier/ Neffke/Weizenegger, TVöD/TV-L, 5. Aufl. 2017, § 34 TVöD Rz. 31).

Dahinstehen kann daher, unter welchen Voraussetzungen ein “Wechsel” im Sinn des § 34 Abs. 3 S. 3 und 4 TV-L zu bejahen ist, sowie ob ein “Wechsel” auch beim Fehlen eines nahtlosen Anschlusses zu bejahen wäre, wenn lediglich eine kurzfristige “rechtliche Unterbrechung” zwischen zwei Arbeitsverhältnissen zum Beispiel für die Dauer der Sommerferien zwischen zwei Beschäftigungsverhältnissen im Schulbereich vorliegt (insoweit offenlassend: BAG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 6 AZR 364/16 – NZA 2017, 1278, 1281 Rz. 42 m. w. N.).

Außerdem sind die Zeiten der Klägerin, in denen sie in einem Beamtenverhältnis stand, nicht zu berücksichtigen. Der Begriff des Beschäftigten bezeichnet nach § 1 Abs. 1 TV-L nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in einem Arbeitsverhältnis zu einem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber stehen. Auch der klare Wortlaut des § 34 Abs. 3 S. 1 TV-L spricht dafür, dass Beamtenverhältnisse § 34 Abs. 3 S, 3 TV-L nicht unterfallen. Danach wird die Beschäftigungszeit als “im Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit” definiert. Daraus dass die Tarifwerke des TV-L, des TVöD (Bund) und des TVöD (VKA) aus dem BAT und dem BAT-O entwickelt wurden, ist zu schließen, dass die Tarifvertragsparteien Beamtenverhältnisse bewusst von der Beschäftigungszeit des § 34 Abs. 3 TV- L ausnehmen wollten. Sie hätten sonst eine § 19 Abs. 3 BAT/BAT-O vergleichbare Regelung hinsichtlich der sinngemäßen Geltung für ehemalige Beamte getroffen (BAG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 6 AZR 364/16 – NZA 2017, 1278, 1279 f. Rz. 17 ff. m. w. N.). Bei reinen Inlandssachverhalten verstößt es auch nicht gegen höherrangiges Recht, dass Beamtenverhältnisse nicht in die Beschäftigungszeit des § 34 Abs. 3 TV-L einbezogen werden. Es ist weder der allgemeine Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt noch verstößt die Ausnahme der Beamtenverhältnisse gegen Art. 45 Abs. 2 AEUV und Art. 7 Abs. 1 der VO (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union. Art. 45 AEUV erfasst keine rein internen, auf einen Mitgliedsstaat beschränkten Sachverhalte (BAG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 6 AZR 364/16 – NZA 2017, 1278, 1279 ff. Rz. 17 ff. m. w. N.). Die Klägerin kann sich daher gegenüber den nationalen Normen nicht auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit berufen, da sie niemals in einem anderen Mitgliedstaat gewohnt, gearbeitet, studiert, ein Hochschuldiplom oder einen Berufsabschluss erworben oder anderweitig von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat.

5. Die ordentliche Kündigung ist nicht sozial ungerechtfertigt im Sinn des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG. Das KSchG findet Anwendung, §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG.

a) Eine Kündigung ist im Sinn von § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und damit nicht sozial ungerechtfertigt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht.

Für eine verhaltensbedingte Kündigung gilt das Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht eine Sanktion für eine begangene Vertragspflichtverletzung, sondern die Vermeidung des Risikos weiterer erheblicher Pflichtverletzungen. Die vergangene Pflichtverletzung muss sich deshalb noch in der Zukunft belastend auswirken. Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde auch zukünftig den Arbeitsvertrag nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus. Diese dient der Objektivierung der negativen Prognose. Liegt eine ordnungsgemäße Abmahnung vor und verletzt der Arbeitnehmer erneut seine vertraglichen Pflichten, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen (BAG, Urteil vom 13. Dezember 2007 – 2 AZR 818/06 – NZA 2008, 589, 592 Rz. 38 m. w. N.). Kann die Verwirklichung der Vertragspflichten in der Zukunft nicht mehr erwartet werden, erscheint die einseitige Lösung vom Vertrag als gerechtfertigt (BAG, Urteil vom 19. Februar 2009 – 2 AZR 603/07 – NZA 2009, 894, 895 Rz. 19). Eine Kündigung scheidet dagegen aus, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers – wie etwa eine Abmahnung – geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken. Ferner muss die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien als billigenswert und angemessen erscheinen (BAG, Urteil vom 13. Dezember 2007 – 2 AZR 818/06 – NZA 2008, 589, 592 Rz. 37; vom 31. Mai 2007 – 2 AZR 200/06 – NZA 2007, 922, 923 Rz. 16, jeweils m. w. N.).

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund im Sinn von § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG vor.

(1) Die Klägerin hat trotz vorangegangener einschlägiger Abmahnung/en ihre arbeitsvertraglichen Pflichten dadurch verletzt, dass sie zum einen versäumt hat, jeweils ein Exemplar der am 23. September 2016 in der Klasse 10 b/d geschriebenen Klassenarbeit in Spanisch, der am 28. Oktober 2016 im Kurs 11 geschriebenen Kursarbeit in Spanisch sowie der am 10. November 2016 in der Klasse 9 c/d/e geschriebenen Klassenarbeit in Spanisch zuvor bei der Schulleitung abzugeben. Zum anderen hat sie am 7. Dezember 2016 den Unterricht als Vertretungslehrkraft in der Klasse 6 a/c/d nicht pünktlich um 10.40 Uhr, sondern erst um 10.55 Uhr angetreten.

Nach § 3 Abs. 1 S. 1 TV-L hat der Beschäftigte die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit gewissenhaft und ordnungsgemäß auszuführen. Die Lehrkraft ist an dienstliche Weisungen gebunden, Ziff. 7.2 Dienstordnung. Ihre Aufsichtspflichten hat sie gewissenhaft zu erfüllen (Ziff. 7.10 Abs. 2 Dienstordnung). Zum Führen von Aufsichten und Bereitschaften (Ziff. 7.11.3) sowie zu Vertretungen für erkrankte und für kurze Zeit beurlaubte Kollegen (Ziff. 7.11.5 Dienstordnung) ist sie – über ihre Unterrichtstätigkeit hinaus – in zumutbarem Umfang verpflichtet.

Diese arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit hat der gegenüber der Klägerin weisungsberechtigte (§ 26 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 SchulG RhPf, Ziff. 2.6 Dienstordnung für die Leiter und Lehrer an öffentlichen Schulen in Rheinland-Pfalz) Schulleiter durch die Dienstanweisung vom 7. März 2016, die die Klägerin am 17. März 2016 erhielt, gemäß § 106 GewO unter anderem dahingehend konkretisiert: “3. Klassen- und Kursarbeiten sind mit dem Erwartungshorizont den fachlich zuständigen Fachkonferenzleitungen mindestens 2 Tage vor der Leistungsfeststellung zur Prüfung vorzulegen. Ein Exemplar ist bei der Schulleitung abzugeben.” sowie “6. Der zu erteilende Unterricht sowie Bereitschafts- und Vertretungsstunden beginnen und enden pünktlich”.

Gegen diese beiden Anweisungen hat die Klägerin unstreitig verstoßen.

(2) Das beklagte Land hat die Klägerin zuvor wegen gleichartiger Verstöße abgemahnt und deutlich gemacht, dass sie, sollte sie den ihr erteilten dienstlichen Anweisungen in Zukunft abermals nicht ordnungsgemäß nachkommen und somit erneut gegen ihre arbeitsvertraglich geschuldeten Pflichten verstoßen, mit einschneidenden arbeitsrechtlichen Maßnahmen bis hin zur ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses rechnen muss.

Um eine erneute Pflichtwidrigkeit annehmen zu können, müssen die abgemahnte und die den verhaltensbedingten Grund ausmachenden Pflichtverletzungen vergleichbar sein. Erforderlich ist keine Identität, sondern eine materielle Vergleichbarkeit im Sinn einer Gleichartigkeit der Pflichtverletzungen. Es reicht aus, dass die jeweiligen Pflichtwidrigkeiten aus demselben Bereich stammen und somit Abmahnungs- und Kündigungsgründe in einem inneren Zusammenhang stehen (BAG, Urteil vom 13. Dezember 2007 – 2 AZR 818/06 – NZA 2008, 589, 592 Rz. 41). Entscheidend ist letztlich, ob der Arbeitnehmer auf Grund der Abmahnung erkennen konnte, der Arbeitgeber werde weiteres Fehlverhalten nicht hinnehmen, sondern gegebenenfalls mit einer Kündigung reagieren (BAG, Urteil vom 9. Juni 2011 – 2 AZR 323/10 – NZA 2011, 1342, 1345 Rz. 31 m. w. N.).

Nach diesen Grundsätzen bestand zwischen den den Abmahnungen vom 7. Juli 2016, 19. Juli 2016 und 20. Juli 2016 zu Grunde liegenden Pflichtverletzungen und dem zur Kündigung führenden Pflichtverstoß des Zu-Spät-Kommens sowie zwischen dem der Abmahnung vom 21. Juli 2016 zu Grunde liegenden Pflichtverletzungen und dem weiteren zur Kündigung führenden Pflichtverstoß der Nichtabgabe von Klassen- bzw. Kursarbeiten bei der Schulleitung ein ausreichender innerer Zusammenhang.

(a) Abmahnungen wegen verspäteten Unterrichtsbeginns wurden von der ADD unter dem 7. Juli 2016, 19. Juli 2016 sowie am 20. Juli 2016 ausgesprochen.

Unter dem 7. Juli 2016 erteilte die ADD der Klägerin eine Abmahnung wegen verspäteten Unterrichtsbeginns am 23. und 25. Mai 2016. Eine weitere Abmahnung wegen verspäteten Unterrichtsbeginns am 15. Juni 2016 und am 1. Juli 2016 wurde von der ADD am 19. Juli 2016 ausgesprochen. Unter anderem wegen des verspäteten Beginns des Spanischunterrichts am 2. Juni 2016 wurde die Klägerin mit Schreiben der ADD vom 20. Juli 2016 abgemahnt.

Zu berücksichtigen ist insoweit auch, dass die Warnfunktion einer Abmahnung von der formellen Wirksamkeit der Abmahnung unabhängig ist. Für die Erfüllung der Warnfunktion einer Abmahnung kommt es auf die sachliche Berechtigung der Abmahnung und darauf an, ob der Arbeitnehmer aus ihr den Hinweis entnehmen kann, der Arbeitgeber erwäge für den Wiederholungsfall die Kündigung. Sind diese Voraussetzungen gegeben, ist der Arbeitnehmer unabhängig von formellen Unvollkommenheiten der Abmahnung gewarnt. Aus der formellen Unwirksamkeit einer Abmahnung kann der Arbeitnehmer nicht entnehmen, der Arbeitgeber billige das abgemahnte Verhalten. Der Arbeitnehmer bleibt auch dann gewarnt, wenn die Abmahnung an einem Formfehler leidet (BAG, Urteil vom 19. Februar 2009 – 2 AZR 603/07 – NZA 2009, 894, 895 Rz. 19). Ebenso wenig ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beeinträchtigt, wenn die formell unwirksame Abmahnung ihre kündigungsrechtliche Wirkung behält. Der Formfehler ändert nichts daran, dass der Arbeitgeber eine Pflichtverletzung zunächst nicht mit der Lösung des Arbeitsverhältnisses beantwortet, sondern dieses zu erhalten versucht, indem er dem Arbeitnehmer die Rückkehr zur Vertragstreue anempfiehlt (BAG, Urteil vom 19. Februar 2009 – 2 AZR 603/07 – NZA 2009, 894, 895 Rz. 20).

Eine Anhörungspflicht des Arbeitnehmers vor Abmahnungserteilung sieht der TV-L in § 3 Abs. 6 S. 4 dann vor, wenn diese zu den Personalakten genommen werden soll. Insoweit entfaltet aber auch eine wegen Nichtanhörung des Arbeitnehmers formell unwirksame Abmahnung die regelmäßig vor einer verhaltensbedingten Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG erforderliche Warnfunktion (vgl. BAG, Urteil vom 21. Mai 1992 – 2 AZR 551/91 – AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 28 zu § 13 Abs. 2 BAT a. F.).

Die Abmahnung vom 7. Juli 2016 hinsichtlich des verspäteten Unterrichtsbeginns in der vierten Stunde am 23. Mai 2016 ist nicht unwirksam. Da die Klägerin wusste, dass die 5-minütige Pause zwischen der 3. und 4. Stunde nicht genügen konnte, um ins Lehrerzimmer zu gehen und nach einem Nachschreibetermin für eine Klassenarbeit zu schauen, durfte sie diesen Weg nicht antreten. Hinsichtlich der von der Klägerin behaupteten selbstverschuldeten Verwechslung der Klassen 8 b/d und 8 a/c am 25. Mai 2016 durfte die Beklagte ebenfalls eine Abmahnung erteilen und musste sich nicht auf eine Ermahnung beschränken. Dies insbesondere auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich die Klasse 8 a/c am 25. Mai 2016 beim Eintreffen der Klägerin um 12.00 Uhr statt um 11.40 Uhr bereits entfernt hatte und nicht mehr auffindbar war.

Soweit die Abmahnung vom 19. Juli 2016 im Hinblick auf den verspäteten Unterrichtsbeginn am 15. Juni 2016 nicht berücksichtigt hat, dass die Klägerin nach ihrem Vortrag an diesem Tag an Durchfall litt, vermag dies der Abmahnung nicht ihre Warnfunktion hinsichtlich des Zuspät-Kommens am 1. Juli zu nehmen. Aus dem Vortrag der Klägerin lässt sich bereits nicht entnehmen, welchen Weg sie an diesem Tag zum Unterrichtsraum zurücklegen musste und warum sie diesen Weg zum Unterrichtsraum nicht rechtzeitig antreten konnte. Schließlich hat die Klägerin nicht angegeben, warum es ihr nicht möglich gewesen sein soll, angesichts der – nach ihren Angaben – bereits seit dem 15. Juni 2016 bekannten Fußbeschwerden rechtzeitig die Schulleitung zu informieren und so für eine Vertretung zu Unterrichtsbeginn Sorge zu tragen.

Die unter dem 20. Juli 2016 ausgesprochene Abmahnung würde auch dann ihre Warnfunktion entfalten, wenn die Personalvertretung vor ihrem Ausspruch nicht ordnungsgemäß angehört worden wäre.

(b) Unter dem 21. Juli 2016 wurde die Klägerin abgemahnt, weil sie eine am 30. Mai 2016 eine geschriebene Französischarbeit nicht bei der Jahrgangsaufsicht sowie am 30. (3.) Juni 2016 eine Französischarbeit nicht der Fachkonferenzleitung Französisch und der Schulleitung vor der Leistungsfeststellung vorgelegt hatte.

Diese unter dem 21. Juli 2016 abgemahnten Pflichtwidrigkeiten sind mit dem Pflichtenverstoß in Form der Nichtabgabe von Spanischarbeiten bei der Schulleitung vergleichbar. Die Pflichtverletzungen sind insoweit gleichartig. Dabei macht es nach Auffassung der Kammer keinen Unterschied, dass es sich bei der abgemahnten Nichtvorlage um Klassen- bzw. Kursarbeiten im Fach Französisch handelt, bei dem Kündigungssachverhalt um Klassen- bzw. Kursarbeiten im Fach Spanisch. In allen Fällen wurden Klassenarbeiten nicht vorgelegt, bevor die Klägerin sie in ihren Klassen bzw. Kursen schreiben ließ.

Der Gleichartigkeit der Vorwürfe steht auch nicht entgegen, dass Gegenstand der Abmahnung vom 21. Juli 2016 die Nichtvorlage der am 30. Mai 2016 geschriebenen Arbeit bei der Jahrgangsaufsicht war sowie die Nichtvorlage einer Französischarbeit bei der Fachkonferenzleitung und der Schulleitung. Gegenstand der Abmahnung war ausdrücklich auch die Nichtvorlage der Arbeiten vor der Leistungsfeststellung bei der Schulleitung. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die anzustellende Prognose für die Zukunft nicht deshalb positiv, weil sie nach Erteilung der Abmahnung die Arbeiten nunmehr bei der Fachkonferenzleitung vorgelegt hat und “nur noch” die Abgabe bei der Schulleitung von ihr vergessen wurde. Sie ist weiterhin der Dienstanweisung des Schulleiters vom 7. März 2016 nur teilweise nachgekommen und hat hierdurch ihre Verpflichtung, ihre arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit gewissenhaft und ordnungsgemäß auszuführen, wiederholt verletzt.

Auch wenn der Schulleiter nicht fähig gewesen wäre, eine inhaltliche Vorabprüfung der von der Klägerin zu schreiben beabsichtigten Klassen- bzw. Kursarbeiten durchzuführen, war er dennoch gegenüber der Klägerin weisungsberechtigt und befugt, von der Klägerin die Vorlage von zur Ausübung des Weisungsrechts erforderlichen Unterlagen (hier: der Klassen- und Kursarbeiten) zu verlangen. Es obliegt nicht der Klägerin, zu entscheiden, ob aufgrund der Abgabe der Klassen- bzw. Kursarbeiten bei den Fachkonferenzleitungen eine ausreichende Kontrolle der Arbeiten erfolgen konnte und die – ihr per Weisung aufgegebene – Vorlage der Arbeiten bei der Schulleitung überflüssig war.

Etwaige formale Mängel in der Abmahnung vom 21. Juli 2016 ändern nichts daran, dass der Klägerin durch diese zur ordnungsgemäßen Vertragserfüllung angehalten wurde und der Klägerin klar gemacht wurde, dass in Wiederholungsfall eine Kündigung droht.

(3) Aufgrund der wiederholten Verletzung ihrer vertraglichen Verpflichtungen nach einschlägigen Abmahnungen ist nach Auffassung der Kammer eine dauerhafte störungsfreie Vertragserfüllung nicht mehr zu erwarten.

(4) Bei umfassender Abwägung der beiderseitigen Interessen erscheint die von dem beklagten Land ausgesprochene ordentliche Kündigung als billigenswerte und angemessene Reaktion auf das wiederholte Fehlverhalten der Klägerin.

Zwar ist zugunsten der Klägerin neben ihrem Lebensalter vor allem der langjährige Bestand des Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen, wenn auch dieses – wie die mehrfachen Abordnungen der Klägerin und Prozesse in der Vergangenheit und zuletzt die Schreiben von Lehrern der Französisch- und Spanisch-Fachschaft, von Schülern und eines Elternteils (Anlage B 11, Bl. 111 ff. d. A.) zeigen, nicht ungestört verlief. Zugunsten der Klägerin ist weiter zu bedenken, dass sie eine Kündigung besonders hart trifft, weil das beklagte Land bundeslandweit Arbeitgeber der an öffentlichen Schulen angestellten Lehrer ist. Die Klägerin ist andererseits ledig und hat keine Unterhaltspflichten. Soweit die Klägerin im Hinblick auf das abgemahnte Verhalten im Mai 2016 private Probleme in Form einer Herzkathederuntersuchung ihres Lebensgefährten und die Krebsdiagnose ihrer besten Freundin angeführt hat, bestehen keine Hinweise darauf, dass diese im Herbst/Winter 2016 noch fortbestanden haben. Dennoch hat die Klägerin nach ihrem Vortrag erneut vergessen, zwei Klassenarbeiten und eine Kursarbeit vorab bei der Schulleitung abzugeben und ist erneut zu spät zum Unterricht gekommen. Zu Lasten der Klägerin ist auch ihre Vorbildfunktion als Lehrerin für die von ihr zu unterrichtenden Schüler zu berücksichtigen. Außerdem sind die Schüler in den Zeiten, in denen die Klägerin sich verspätet, nicht beaufsichtigt. Es besteht die Gefahr, dass sich die Lerngruppe bis zum verspäteten Eintreffen der Lehrkraft entfernt und nicht mehr auffindbar ist. Diese Gefahr hat sich bei dem unter dem 7. Juli 2016 abgemahnten Zuspät-Kommen der Klägerin am 25. Mai 2016 realisiert, als sich die Klasse 8a/c bis zum Eintreffen der Klägerin bereits entfernt hatte. Erschwerend war zu berücksichtigen, dass die Klägerin am 7. Dezember 2016 zu spät kam, obwohl sie mit Schreiben vom 10. November 2016 zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung angehört worden war und erst mit Schreiben vom Vortag zur beabsichtigten Kündigung Stellung genommen hatte. Die Klägerin hat mithin auch vor dem Hintergrund des laufenden Anhörungsverfahrens zur ordentlichen Kündigung ihren Unterricht zu spät angetreten, nachdem sie – nach ihren eigenen Angaben – die Tage nach einer Stundenplanänderung zwei bis drei Wochen vorher verwechselt hatte.

Nach den einschlägigen Abmahnungen kann das beklagte Land weder auf den Ausspruch einer weiteren Abmahnung noch auf eine Versetzung der Klägerin verwiesen werden. Auch an einer anderen Schule muss die Klägerin Dienstanweisungen beachten und pünktlich zum Unterricht erscheinen. Bei Abwägung der beiderseitigen Interessen erscheint die von dem beklagten Land ausgesprochene ordentliche Kündigung auch unter Berücksichtigung der Interessen der langjährig beschäftigten Klägerin als billigenswerte und angemessene Reaktion auf die wiederholten Verstöße, aufgrund derer dem beklagten Land eine dauerhafte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in Anbetracht der Unzuverlässigkeit der Klägerin und der negativen Zukunftsprognose nicht mehr zugemutet werden kann.

6. Die Kündigungsfrist des § 34 Abs. 1 S. 2 TV-L von 5 Monaten zum Monatsende bei einer Beschäftigungszeit von mehr als 10, aber weniger als 12 Jahren ist eingehalten.

II.

Der für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. gestellte Antrag zu 2. (Weiterbeschäftigung als Lehrerin) ist wegen der Abweisung des Antrags zu 1. nicht zur Entscheidung angefallen.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.
Krol-Dickob
Juchem
Cavelius

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