Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 11.04.2016 – 3 Sa 489/15

Mai 26, 2021

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 11.04.2016 – 3 Sa 489/15

In dem Rechtsstreit
A., A-Straße, A-Stadt
– Kläger und Berufungsbeklagter –
Prozessbevollmächtigte/r: Geswerkschaft B, B-Straße, B-Stadt
gegen
Firma C., C-Straße, C-Stadt
– Beklagte und Berufungsklägerin –
Prozessbevollmächtigte/r: Rechtsanwalt D., D-Straße, D-Stadt
hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz auf die mündliche Verhandlung vom 11. April 2016 durch den Vorsitzenden D. am Landesarbeitsgericht Dr. Dörner als Vorsitzenden und den ehrenamtlichen D. Bohrmann und den ehrenamtlichen D. Isilak als Beisitzer für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 20.08.2015, Az.: 7 Ca 939/15 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob der Kläger von der Beklagten die Zahlung einer Jahressonderzahlung für das Jahr 2014 verlangen kann. Der 1952 geborene Kläger ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin seit dem 04.07.1972 als Schreiner beschäftigt. Zwischen den Parteien ist eine wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden sowie ein Bruttostundenlohn von zuletzt 16,38 € vereinbart. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag besteht zwischen den Parteien nicht.

Die Beklagte hat in der Vergangenheit mit Abrechnung November eines jeden Kalenderjahres eine Sonderzahlung an den Kläger geleistet mit Ausnahme der Kalenderjahre 2006 und 2008. Die Höhe differierte jeweils zwischen 62,4 und 140,6 Stunden gemessen am jeweiligen Grundstundenlohn. In den letzten 15 Jahren hat der Kläger folgende Sonderzahlungen erhalten:

– 2001:

– Nov: 1903 DM; das entspricht einer Bezahlung von 62,4 Stunden bei einem

– Grundlohn von 30,50 DM/Std’e in jenem Jahr und einer Höhe von 42,5 % des Grundlohns für November

– 2002:

April: 972,99 €; das entspricht einer Bezahlung von 62,4 Stunden bei einem Grundlohn von 15,59 €/Std’e in jenem Jahr und einer Höhe von 38 % des Grundlohnes für April

Nov: 2174,45 €; das entspricht ein4er Bezahlung von 139,5 Stunden bei einem Grundlohn von 15,59 €/Std’e in jenem Jahr und einer Höhe von 95 % des Grundlohnes November

2003:

April: 1204,00 €, das entspricht einer Bezahlung von 77,2 Stunden bei einem Grundlohn von 15,59 €/Std’e in jenem Jahr und einer Höhe von 50 % des Grundlohnes April

Nov: 1754,00 €, das entspricht einer Bezahlung von 112,5 Stunden bei einem Grundlohn von 15,59 €/Std’e in jenem Jahr und einer Höhe von 80 % des Grundlohnes November

2004:

Juni: 1869,66 €; das entspricht einer Bezahlung von 117 Stunden bei einem Grundlohn von 15,98 €/Std’e in jenem Jahr und einer Höhe von 76 % des Grundlohnes für Juni

Nov: 2247,24 €; das entspricht einer Bezahlung von 140,6 Stunden bei einem Grundlohn von 15,98 €/Std’e in jenem Jahr und einer Höhe von 95 % des Grundlohnes November

2005:

Juni: 1688,20 €; das entspricht einer Bezahlung von 105,6 Stunden bei einem Grundlohn von 15,98 €/Std’e in jenem Jahr und einer Höhe von 69 % des Grundlohnes Juni

Nov. 1941,89 €; das entspricht einer Bezahlung von 121,5 Stunden bei einem Grundlohn von 15,98 €/Std’e in jenem Jahr und einer Höhe von 79 % des Grundlohnes für November

2006:

Juni: 1118,60 €; das entspricht einer Bezahlung von 105,6 Stunden bei einem Grundlohn von 15,98 €/Std’e in jenem Jahr und einer Höhe von 45 % des Grundlohnes Juni

Nov. keine Sonderzahlung

2007:

Nov: 1220,00 €; das entspricht einer Bezahlung von 76,3 Stunden bei einem Grundlohn von 15,98 €/Std’e in jenem Jahr und einer Höhe von 41 % des Grundlohnes November

2008: keine Sonderzahlung

2009:

Nov: 1215,00 €; das entspricht einer Bezahlung von 76 Stunden bei einem Grundlohn von 15,98 €/Std’e in jenem Jahr und einer Höhe von 48 % des Grundlohnes November

2010:

Juni: 1215,00 €: das entspricht einer Bezahlung von 76 Stunden bei einem Grundlohn von 15,98 €/Std’e in jenem Jahr und einer Höhe von 48 % des Grundlohnes Juni

Nov: 1215,00 €; das entspricht einer Bezahlung von 76 Stunden bei einem Grundlohn von 15,98 €/Std’e in jenem Jahr und einer Höhe von 48 % des Grundlohnes November

2011:

Juni: 1214,48 €; das entspricht einer Bezahlung von 76 Stunden bei einem Grundlohn von 15,98 €/Std’e in jenem Jahr und einer Höhe von 49 % des Grundlohnes Juni

Nov: keine Sonderzahlung

2012:

Juni: 1244,88 €; das entspricht einer Bezahlung von 76 Stunden bei einem Grundlohn von 16,38 €/Std’e in jenem Jahr und einer Höhe von 51 % des Grundlohnes Juni

Nov: 1244,88 €; das entspricht einer Bezahlung von 76 Stunden bei einem Grundlohn von 16,39 €/Std’e in jenem Jahr und einer Höhe von 49 % des Grundlohnes November

2013:

Juni: 1244,88 €; das entspricht einer Bezahlung von 76 Stunden bei einem Grundlohn von 16,38 €/Std’e in jenem Jahr und einer Höhe von 54 % des Grundlohnes Juni

Nov: 1244,88 €; das entspricht einer Bezahlung von 76 Stunden bei einem Grundlohn von 16,38 €/Std’e in jenem Jahr und einer Höhe von 52 % des Grundlohnes November

2014:

April: 50 % der zugesagten Sonderzahlung aus 2011

Juni: 1244,88 €; das entspricht einer Bezahlung von 76 Stunden bei einem Grundlohn von 16,38 €/Std’e in jenem Jahr und einer Höhe von 52 % des Grundlohnes Juni

Nov: weitere 50 % der zugesagten Sonderzahlung aus 2011.

Im Kalenderjahr 2011 ist es zunächst zu keiner Auszahlung der Sonderzahlung gekommen. Die Beklagte hat bezüglich der Sonderzahlung 2011 eine Aufstellung für den Kläger verfasst, die überschrieben ist mit “gestundete Sonderzahlung 12 aus 2011” und für den Kläger einen Zahlungsanspruch auf der Grundlage von 76 Wochenstunden in Höhe von insgesamt 1214,48 € brutto aufweist. Das Schreiben endet mit dem Zusatz: “Die Beträge sollen, sobald es die Liquidität erlaubt, nachgezahlt werden, spätestens aber im Jahr 2013.” Hinsichtlich des weiteren Inhalts der Auflistung wird auf Bl. 6 d. A. Bezug genommen. Die Beklagte hat sodann die Jahressondervergütung für das Jahr 2011 mit zwei Zahlungen im April 2014 und im November 2014 zur Auszahlung gebracht. Anlässlich der Mitarbeiterversammlung im Jahre 2014 hat der Geschäftsführer der Beklagten mitgeteilt, dass es im Kalenderjahr 2014 keine Sonderzahlung zu Weihnachten geben werde. Mit Übersendung der Novemberabrechnung 2014 fügte die Beklagte ein Schreiben bei, das folgenden Inhalt hat:
” “Werter Mitarbeiter, in diesem Jahr hat es keine Sonderzahlung zu Weihnachten gegeben. Wie schon auf der letzten Mitarbeiterversammlung dargestellt, erlaubt unser Kontostand derzeit keine Sonderzahlung. Aber es ist der Rest der gestundeten Sonderzahlung aus Dezember 2011 ausgezahlt worden. Eine Weihnachtsfeier findet dieses Jahr nicht statt, weil wir sonst 3 Schichten verlieren würden (1x Freitagnachmittag, 2x Samstag). Idee ist, dass wir nach der Hochsaison im späten Frühjahr oder Anfang Sommer gemeinsam etwas unternehmen. Vielleicht wäre ein Betriebsausflug das passende? Die Nachtschicht ist noch nicht genehmigt. Ich hoffe, dass das zu Januar gelingt. F. G.”

Die Jahressonderzahlung wurde zunächst seit Beginn der Beschäftigung an den Kläger vorbehaltlos gezahlt. Zu einem nicht näher von den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits vorgetragenen Zeitpunkt fanden sich dann auf den automatisierten Lohnabrechnungen des Klägers folgende aufgedruckte Hinweise: “Sonderzahlung, Fahrgeld und VWL sind jederzeit widerrufliche Leistungen.” Dieser Hinweis befand sich jedenfalls in den letzten drei Jahren auf den Lohnabrechnungen des Klägers.

Der Kläger hat vorgetragen,

die Beklagte zahle spätestens seit 2009 wieder regelmäßig 50 % eines durchschnittlichen Monatseinkommens mit Abrechnung November des jeweiligen Jahres als Sondervergütung/Weihnachtsgeld. Die Tatsache, dass im Jahr 2011 die Sonderzahlung gestückelt worden sei, stehe der betrieblichen Übung nicht entgegen. Denn insoweit sei lediglich der Auszahlungszeitraum verschoben worden, wohingegen der Anspruch selbst nicht streitig gewesen sei. Eine andere Auslegung lasse die Formulierung “noch zu zahlen” nicht zu. Unter einer betrieblichen Übung verstehe man die regelmäßige Wiederholung sämtlicher gleichförmiger Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aufgrund derer der Arbeitnehmer darauf vertrauen könne, dass ihm eine bestimmte Vergünstigung auf Dauer gewährt werden solle. Voraussetzung dafür sei eine über mehrere Jahre hinweg in der gleichen Höhe oder auf der Grundlage der gleichen Berechnung vom Arbeitgeber bewilligte jährliche Sonderzahlung, auf die begünstigte Arbeitnehmer an sich keinen arbeitsvertraglichen oder tarifvertraglichen Anspruch habe. Vorliegend sei der Berechnungsmodus der Sonderzahlung jeweils identisch. Die Sonderzahlung habe bereits vor dem Inhaberwechsel analog der tarifvertraglichen Regelung 50 % des durchschnittlichen Monatseinkommens betragen. Bei einer Wochenarbeitszeit von 35 Stunden ergebe sich daraus im Jahresdurchschnitt eine monatliche Arbeitszeit von 152 Stunden. Davon habe die Beklagte 50 %, also 76 Stunden, der Berechnung der Sondervergütung zugrunde gelegt. Die betriebliche Übung sei bereits vor dem Inhaberwechsel entstanden, da er ab Beginn seines Arbeitsverhältnisses regelmäßig und vorbehaltlos eine jährliche Sondervergütung von 50 % eines durchschnittlichen Monatseinkommens erhalten habe. Nach dem Inhaberwechsel sei diese betriebliche Übung fortgeführt worden. Allerdings habe sich irgendwann, der genaue Zeitpunkt sei ihm nicht mehr bekannt, auf den Abrechnungen der Zusatz: “Fahrgeld und VWL sind jederzeit widerrufliche Leistungen” befunden. Der damit verbundene Widerrufsvorbehalt sei unwirksam, denn er ziele auf die Beseitigung eines bestehenden vertraglichen Anspruchs hin. Dementsprechend könne unterstellt werden, dass auch die Beklagte davon ausgehe, dass ihm ein Rechtsanspruch auf die Leistung erwachsen sei. Bei dem Widerrufsvorbehalt handelt es sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung, die der Inhaltskontrolle unterliege. Nach Maßgabe der §§ 305 c Abs. 1 BGB und 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sei die verwendete Klausel aber unwirksam. Ihm stehe daher der Anspruch auf die streitgegenständliche Sonderzahlung zu.

Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Jahressonderzahlung in Höhe von 1.244,48 EUR brutto, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2014 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen,

ein Anspruch auf Sonderzahlung für das Jahr Kalenderjahr 2014 sei nicht entstanden. Eine schriftliche vertragliche Vereinbarung bestehe – unstreitig – nicht. Die in der Vergangenheit getätigten Zahlungen belegten, dass sie, die Beklagte, Sonderzahlungen über eine Bandbreite von vollständig ausfallenden Zahlungen über Zahlungen in unterschiedlicher Höhe bis zur Zahlung von unterschiedlichen Zeitpunkten nach Gutdünken geleistet habe. Aus diesem Verhalten könne der Kläger keine betriebliche Übung ableiten. Er habe vielmehr davon ausgehen müssen, dass die Sonderzahlungen nur für das jeweilige Kalenderjahr gewähren wolle. Sie habe in der Vergangenheit weder regelmäßig noch vorhaltlos gezahlt. Ausweislich der Lohnabrechnungen für November des jeweiligen Kalenderjahres seien die Sonderzahlungen auch als jederzeit unwiderrufliche Leistungen ausgewiesen worden. Dieser Aufdruck sei nicht nur auf Abrechnungen enthalten, die eine Sonderzahlung auswiesen, sondern auf jeder Abrechnung, die der Kläger erhalten habe. Daher habe er insofern auch zu keinem Zeitpunkt davon ausgehen können, dass sie – die Beklagte – Sonderzahlungen regelmäßig in bestimmter Höhe zu bestimmten Zeitpunkten gewähren wolle. Mit dem Vorbehalt jederzeit “widerrufliche Leistungen” habe sie vielmehr unmissverständlich und wirksam deutlich gemacht, dass mit der Leistung von Sonderzahlungen keine vertragliche Verpflichtung verbunden sei. Die Klage sei vor diesem Hintergrund unbegründet.

Im Übrigen trage der Kläger selbst den erfolgten Widerruf vor. Das vorgelegte Schreiben zur vermeintlichen Stundungsvereinbarung weise daraufhin, dass bereits in der Mitarbeiterversammlung von ihr – der Beklagten – erklärt worden sei, im Jahre 2014 werde es keine Sonderzahlungen geben. Diese Mitarbeiterversammlung habe am 25.11.2014 im Betrieb der Beklagten stattgefunden. Der Geschäftsführer der Beklagten habe dort erklärt und erläutert, dass es in 2014 keine weiteren Sonderzahlungen gebe. Auch eine regelmäßige Zahlung in Höhe der Klageforderung sei nicht nachvollziehbar vorgetragen worden. Der Kläger selbst behaupte, im Jahr 2011 sei keine Zahlung erfolgt. Der weitergehende Vortrag, insoweit sei eine Stundungsvereinbarung getroffen worden, sei durch das vorgelegte Schreiben gerade nicht belegt. Mit der Formulierung, wonach Beträge nachgezahlt werden sollten, wenn es die Liquidität erlaube, sei gerade keine Anerkennung einer Fälligkeit in Höhe der geltend gemachten Klageforderung verbunden, die auf einen anderen Zeitpunkt hinausgeschoben werden solle. Es sei nicht mehr als die Möglichkeit zukünftiger Leistungen zu irgendeinem Zeitpunkt in unbekannter Höhe ausgedrückt worden. Diese Erklärung schließe sich nahtlos an die fehlenden verbindlichen Erklärungswerte aus der Vergangenheit an. Dieses Verständnis werde auch dadurch gestützt, dass das Jahr 2013 als spätestes Solljahr einer nachfolgenden Zahlung nicht eingehalten worden sei.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat die Beklagte darauf durch Urteil vom 20.08.2015 – 7 Ca 939/15 – verurteilt, an den Kläger 1.245,88 € brutto nebst Zinsen zu zahlen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 57 bis 65 d. A., hinsichtlich des Tatbestandsberichtigungsbeschlusses vom 17.11.2015 auf Bl. 89 d. A. Bezug genommen.

Gegen das ihr am 06.10.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 04.11.2015 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 05.01.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf ihren begründeten Antrag hin durch Beschluss vom 26.11.2015 die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 06.01.2016 einschließlich verlängert worden war.

Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, den erforderlichen Verpflichtungswillen für die Annahme einer betrieblichen Übung habe der Kläger dem Verhalten der Beklagten im Jahr 2011 gerade nicht entnehmen können. Ihm stehe der dem Kläger auch im Jahr 2011 seit Jahren unstreitig aus allen monatlichen Abrechnungen bekannte Freiwilligkeitsvorbehalt entgegen. Ihm stehe zusätzlich die in der Erklärung der Beklagten von 2011 enthaltene Einschränkung entsprechend der Liquidität und die Wortwahl “soll” gezahlt werden entgegen. Schließlich stehe ihr die Wahrnehmung des Klägers entgegen, in den letzten 10 Jahren von 2011 keine Sonderzahlungen oder Sonderzahlungen in unterschiedlicher Höhe erhalten zu haben. Diese Wahrnehmung über den gesamten Zeitraum sei relevant, weil es keine allgemeinverbindliche Regel gebe, nach welcher Anzahl von Leistungen diese auch für die Zukunft erwartet werden dürften. Diese Auslegung werde dadurch gestützt, dass der Kläger 2013 einen vermeintlichen Nachzahlungsanspruch aus 2011 nicht geltend gemacht habe. Entscheidend sei des Weiteren, dass im Jahr 2011, wie auch schon in einzelnen Vorjahren, keine Sonderzahlung geleistet worden sei. Die auf allen Abrechnungen des Klägers enthaltenen Freiwilligkeitsvorbehalte seien nicht unwirksam. Es sei nicht unstreitig, dass der Kläger seit Anbeginn seiner Anstellung im Jahr 1973 stets vorbehaltlos eine Sonderzahlung – Weihnachtsgeld – mit der Novemberabrechnung mit Ausnahme der von der Beklagten genannten Jahre erhalten habe. Der Geschäftsführer der Beklagten habe das beklagte Unternehmen in den 90er gekauft. Unter seiner Inhaberschaft seien die Sonderzahlungen stets mit Freiwilligkeitsvorbehalten auf allen Abrechnungen in den Folgejahren gezahlt worden, teilweise gezahlt worden oder auch nicht gezahlt worden.

Zur weiteren Darstellung des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 05.01.2016 (Bl. 115 bis 118 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 119 bis 127 d. A.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgericht Koblenz vom 20.08.2015, Az: 7 Ca 939/15, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, im Hinblick auf das Schreiben der Beklagten betreffend das Kalenderjahr 2011 könne nicht ernsthaft am Verpflichtungswillen der Beklagten gezweifelt werden. Auch im Übrigen sei die Entscheidungsbegründung des Arbeitsgerichts nicht zu beanstanden. In einer bereits vor dem Betriebsübergang gemäß § 613 a BGB begründete betriebliche Übung sei die Beklagte als Betriebsübernehmer eingetreten. Davon, dass allen Abrechnungen ein Freiwilligkeitsvorbehalt beigefügt gewesen sei, könne nicht ausgegangen werden. Dies ergebe sich aus exemplarisch vorzulegenden Abrechnungen aus der Mitte der 90er Jahre. Insoweit wird auf die im Berufungsverfahren vorgelegten Lohnabrechnungen für die Monate Mai und September 1995 (Bl. 141, 142 d. A.) Bezug genommen. Im Übrigen könne ein Widerruf nur in den Grenzen billigen Ermessens erfolgen. Dies gelte insbesondere für den Widerruf von Vergütungsbestandteilen. Allein mit der pauschalen Berufung auf die wirtschaftliche Situation könne dies nicht erklärt werden.

Zur weiteren Darstellung des Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 08.03.2016 (Bl. 139, 140 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 141, 142 d. A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 11.04.2016.

Entscheidungsgründe

I.

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Denn das Arbeitsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 1.244,80 € brutto nebst Zinsen verlangen kann.

Vorliegend ist im zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnis eine betriebliche Übung – zumindest des Inhalts entstanden, dass der Kläger einen Anspruch auf Gewährung der begehrten Sonderzahlung in der klageweise geltend gemachten Höhe verlangen kann. Dieser Anspruch steht nicht unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs durch die Beklagte. Zumindest hat die Beklagte aber nicht in einer für den Kläger rechtlich verbindlichen Weise von einem ihr etwa zustehenden Widerrufsrecht Gebrauch gemacht.

Mit dem Arbeitsgericht ist zunächst davon auszugehen, dass im Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien eine entsprechende betriebliche Übung entstanden ist.

Unter einer betrieblichen Übung wird die gleichförmige, regelmäßige Wiederholung bestimmter vorbehaltloser Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, das den Inhalt der Arbeitsverhältnisse gestaltet und geeignet ist, vertragliche Ansprüche zu begründen, wenn die Arbeitnehmer des Betriebes aus dem Verhalten des Arbeitgebers schließen durften, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer (s. BAG 27.06.2006 – 3 AZR 151/05, FA 2007 21 LS; 31.07.2007 NZA-RR 2008, 263 [BAG 31.07.2007 – 3 AZR 189/06] ; 19.10.2011 EzA § 242 BGB 2002 Nr. 14 = NZA-RR 2012, 344 [BAG 19.10.2011 – 5 AZR 359/10] ; 29.08.2012 EzA § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 15 = NZA 2013, 40; LAG Hamm 11.04.2011 LAGE § 242 BGB 2002 Betriebliche Übung Nr. 6) auch künftig gewährt werden (vgl. BAG 24.09.2003 EzA § 615 BGB 2002 Nr. 5; 20.01.2004 EzA § 1 BetrAVG Betriebliche Übung Nr. 5; 19.05.2005 EzA § 1 BetrAVG Betriebliche Übung Nr. 6; 26.08.2009 EzA § 613 a BGB 2002 Nr. 115; 29.08.2012 EzA § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 15 = NZA 2013, 40, vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 13. Aufl. 2016, Kap. 1, Rz. 513 ff.).

Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern i.d.R. stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und durfte. Im Wege der Auslegung des Verhaltens des Arbeitgebers ist zu ermitteln, ob der Arbeitnehmer davon ausgehen musste, die Leistung werde nur unter bestimmten Voraussetzungen oder nur für eine bestimmte Zeit gewährt (BAG 16.01.2002 EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 37; 13.03.2002 EzA § 259 ZPO Nr. 1; 19.10.2011 EzA § 242 BGB 2002 Nr. 14 = NZA-RR 2012, 344 [BAG 19.10.2011 – 5 AZR 359/10] ; LAG Bln-Bra. 08.12.2011 LAGE § 307 BGB 2002 Nr. 28). Entstehung und Inhalt einer betrieblichen Übung unterliegen der unbeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht (vgl. BAG 19.10.2011 EzA § 242 BGB 2002 Nr. 14 = NZA-RR 2012, 344 [BAG 19.10.2011 – 5 AZR 359/10] ).

Entscheidend ist also, ob die Arbeitnehmer – bzw. Betriebsrentner – der Erklärung oder dem Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) einen Verpflichtungswillen entnehmen müssen (BAG 31.07.2007 NZA-RR 2008, 263 [BAG 31.07.2007 – 3 AZR 189/06] ; 23.08.2011 EzA § 1 BetrAVG Betriebliche Übung Nr. 11); Voraussetzung ist dagegen nicht, dass der Arbeitgeber tatsächlich einen Verpflichtungswillen hat (BAG 17.11.2009 EzA § 242 BGB 2002 Betriebliche Übung Nr. 12).

Für den Inhalt einer betrieblichen Übung ist allerdings nicht nur das tatsächliche Verhalten des Arbeitgebers entscheidend. Auch Art, Bedeutung und Begleitumstände der üblich gewordenen Leistung sind zu berücksichtigen. Daraus können sich im Einzelfall Bedingungen, Änderungs- und Widerrufsvorbehalte ergeben; diese müssen aber deutlich zum Ausdruck gebracht werden. Denn für die Begünstigten nicht erkennbare subjektive Vorstellungen des Arbeitgebers spielen keine Rolle. Folglich verhindert nur ein erkennbarer Irrtum in derartigen Fällen das Entstehen einer betrieblichen Übung (BAG 19.02.2008 EzA § 1 BetrAVG Betriebliche Übung Nr. 9). Ebenso wenig ist eine interne Willensbildung des Arbeitgebers maßgeblich (s. BAG 17.11.2009 EzA § 242 BGB 2002 Betriebliche Übung Nr. 12). Da die betriebliche Übung zu typisierten Leistungsbedingungen führt, ist das Verhalten des Arbeitgebers losgelöst von den Umständen des Einzelfalles nach objektiven Kriterien auszulegen. Die speziellen Kenntnisse und das Verständnis z. B. des einzelnen Versorgungsanwärters oder -empfängers sind nicht maßgeblich. Deshalb spielt es keine Rolle, über welche zusätzlichen Informationen der Kläger auf Grund seiner Tätigkeit im Aufsichtsrat oder Gesamtbetriebsrat verfügte (BAG 31.07.2007 NZA-RR 2008, 263 [BAG 31.07.2007 – 3 AZR 189/06] ). Folglich kann eine betriebliche Übung auch dann entstehen, wenn die an eine Reihe von Arbeitnehmern geleisteten Zahlungen den übrigen Arbeitnehmern nicht mitgeteilt und im Betrieb nicht allgemein veröffentlicht werden. Denn es ist von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen, dass solche begünstigenden Leistungen der Belegschaft bekannt werden (BAG 17.11.2009 EzA § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 12).

Insoweit ist die betriebliche Übung mit einer Vielzahl von an Arbeitnehmer gerichteten Zusagen des Arbeitgebers vergleichbar. Wie bei einer Gesamtzusage macht der Arbeitgeber den Arbeitnehmern seines Betriebes in allgemeiner Form ein Angebot; bei der betrieblichen Übung erfolgt dies durch ein tatsächliches und mehrfach wiederholtes vorbehaltloses Verhalten (BAG 20.01.2004, 19.05.2005 EzA § 1 BetrAVG Betriebliche Übung Nr. 5, 6; LAG Hamm 11.04.2011 LAGE § 242 BGB 2002 Betriebliche Übung Nr. 6).

Ansprüche aus betrieblicher Übung können nur entstehen, wenn für die Leistung noch keine andere – kollektiv- oder individualvertragliche – Anspruchsgrundlage besteht (BAG 29.08.2012 EzA § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 14 = NZA 2013, 40; 17.11.2010 – 4 AZR 127/09, EzA-SD 7/2011 S. 12 LS = NZA 2011, 457 [BAG 17.11.2010 – 4 AZR 127/09] ; 24.11.2004 EzA § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 5). Der Arbeitnehmer kann die Erbringung von Leistungen des Arbeitgebers dann weder dahin verstehen, der Arbeitgeber werde ohne vertragliche Grundlage auch an ihn eine entsprechende Leistung erbringen, noch dahin, er werde auch ihm ein entsprechendes Angebot machen (BAG 26.09.2007 EzA § 305 c BGB 2002 Nr. 13). Deshalb muss der Arbeitnehmer zur Begründung eines derartigen Anspruchs auch darlegen, dass der Arbeitgeber zu der gewährten Leistung oder Vergünstigung nicht verpflichtet war (BAG 19.06.2001 EzA § 77 BetrVG 1972 Nr. 67; 10.12.2002 NZA 2003, 1360 LS; 18.04.2007 – 4 AZR 653/05, EzA-SD 20/2007 S. 8 LS; 29.08.2012 EzA § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 14 = NZA 2013, 40). Ein Anspruch kann regelmäßig auch dann nicht auf betriebliche Übung gestützt werden, wenn der Arbeitnehmer davon ausgeht, die vom Arbeitgeber gewährten Leistungen stünden ihm bereits aus einem anderen Rechtsgrund zu (BAG 20.08.2002 EzA § 38 BetrVG 2901 Nr. 1). Von daher entsteht durch eine von einer tariflichen Regelung abweichende betriebliche Handhabung dann keine betriebliche Übung, wenn sie auf einem unbewussten Abweichen von der tariflichen Regelung beruht (BAG 16.04.2003 EzA § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 1; s.a. BAG 22.09.2010 – 4 AZR 98/09, EzA-SD 5/2011 S. 18 LS).

Aufgrund einer Willenserklärung, für die ein Verpflichtungswille des Arbeitgebers nicht erforderlich ist und die von den Arbeitnehmern stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Vergünstigungen (BAG 19.10.2011 EzA § 242 BGB 2002 Nr. 14 = NZA-RR 2012, 344 [BAG 19.10.2011 – 5 AZR 359/10] ).

Ob der Arbeitgeber sich binden wollte, beurteilt sich danach, ob der Arbeitnehmer aus dem Erklärungsverhalten des Arbeitgebers bzw. einer bestimmten betrieblichen Praxis auf einen solchen Willen schließen durfte (§§ 133, 157 BGB); entscheidend ist also der Empfängerhorizont aus Sicht der Arbeitnehmer, nicht aber die subjektive jeweilige Vorstellung des Arbeitgebers, soweit sie in seinem Verhalten nicht zum Ausdruck kommt (BAG 21.01.1997 EzA § 242 BGB Betriebliche Übung NR. 36; 19.10.2011 EzA § 242 BGB 2002 Nr. 14 = NZA-RR 2012, 344 [BAG 19.10.2011 – 5 AZR 359/10] ; 29.08.2012 EzA § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 14 = NZA 2013, 40). Das Entstehen einer betrieblichen Übung ist insoweit nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Arbeitgeber die Leistung, auf die sich die Übung bezieht, bei einzelnen Arbeitnehmern vertraglich absichert (LAG München 02.07.2008 LAGE § 242 BGB 2002 Betriebliche Übung Nr. 4). Ob es zu der Gewährung von Leistungen durch einen Irrtum des Arbeitgebers gekommen ist, ist für das Zustandekommen der vertraglichen Bindung nicht ohne weiteres maßgeblich. Es kommt darauf an, ob der Irrtum für den Arbeitnehmer erkennbar war und die Zahlung aus seiner Sicht zur Erfüllung tariflicher bzw. aus der Betriebsvereinbarung folgender Ansprüche erfolgte (BAG 29.08.2012 EzA § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 14 = NZA 2013, 40).

Eine irrtümliche Zahlung des Arbeitgebers verhindert also nur dann die Entstehung einer Betriebsübung, wenn der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin aus den Umständen heraus den Irrtum erkennen kann (BAG 26.05.1993 EzA § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 29).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend aufgrund der unstreitigen Zahlung zumindest seit dem Kalenderjahr 2001 gegeben. Einer Beschränkung auf die Zeit der Kalenderjahre ab 2009, wie vom Arbeitsgericht angenommen, bedarf es insoweit nicht. Dem steht weder entgegen, dass im November 2006 anders als im Juni 2006 keine Sonderzahlung geleistet wurde und im Jahr 2008 keinerlei besondere Vergütung erfolgte. Auch wurde im November 2011 keine Sonderzahlung geleistet, allerdings wurde eine entsprechende Abrechnung für 12/2011 erteilt, die mit “gestundete Sonderzahlung 12/2011” überschrieben ist und vom 12.12.2011 datiert. Dieses Schreiben schließt mit dem Satz ab: “Die Beträge sollen, so bald es die Liquidität erlaubt, nachgezahlt werden, spätestens aber im Jahr 2013:” Diese Formulierung lässt sich mit dem Arbeitsgericht nur dahin verstehen, dass auch die Beklagte vom Bestehen eines entsprechenden Anspruchs ausging, der hinsichtlich der Fälligkeit zeitlich gestreckt werden sollte; die Zahlungsverpflichtung an sich wird aber nicht nur nicht in Abrede gestellt, sondern gerade ausdrücklich bestätigt.

Der Annahme des Zustandekommens einer betrieblichen Übung steht vorliegend auch nicht entgegen, dass Zahlungen in unterschiedlicher Höhe jeweils geleistet wurden. Denn zum einen kann man insoweit, wie vom Arbeitsgericht angenommen, zur Konkretisierung des Verpflichtungswillens der Beklagten ohne weiteres auf die letzten drei Jahre vor 2014 und darüber hinaus sogar auch auf die Jahre 2009 und 2010 zur Konkretisierung zurückgreifen mit der Maßgabe, dass insoweit dem Kläger jeweils gleichbleibend eine Vergünstigung gewährt wurde. Die Leistung lag insoweit in der Auszahlung der Sondervergütung stets im November des jeweiligen Kalenderjahres. Die Höhe der Sonderzahlung war ebenfalls gleichbleibend, jedenfalls veränderte sich die Berechnungsgrundlage mit 76 Wochenstunden mit dem jeweiligen Stundenlohn nicht. Die tatsächliche Vorgehensweise für das Jahr 2011 steht dem, wie bereits dargelegt, nicht entgegen. Vielmehr kann das Gesamtverhalten der Beklagten insoweit nur so verstanden werden, als dass der Geschäftsführer der Beklagten am 12.12.2011 anerkannt hat, für das Kalenderjahr 2011 noch eine Sonderzahlung zu schulden, die ebenfalls wie in den beiden Jahren zuvor mit 76 Wochenstunden zu berechnen ist multipliziert mit dem damals geschuldeten Grundstundenlohn. Der Wortlaut der Erklärung des Geschäftsführers vom 12.12.2011 ist – insoweit folgt die Kammer dem Arbeitsgericht -eindeutig und einer Auslegung nicht zugänglich.

Zum anderen besteht eine rechtliche Bindung bei freiwilligen Leistungen auch dann, wenn bei jeder neuen Zahlung der Vorbehalt gemacht wird, dass die Leistung freiwillig erfolgt oder auf sie kein Rechtsanspruch besteht, sie also nur widerruflich erfolgt (BAG 13.05.2015 – 10 AZR 266/14 – EzA § 611 BGB 2002 Gratifikation, Prämie Nr. 41 unter Aufgabe von BAG 28.02.1996 EzA § 611 BGB Gratifikation, Prämie Nr. 139). Letzteres ist z. B. selbst dann der Fall, wenn für den Arbeitnehmer erkennbar die Zuwendung nach Gutdünken des Arbeitgebers dreimalig in unterschiedlicher Höhe gezahlt wird. Der Arbeitnehmer muss dann nicht davon ausgehen, dass der Arbeitgeber die Zuwendung nur für das jeweilige Jahr gewähren will (vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 13. Auflage 2016, Kap. 1, Rn. 560).

Etwas anderes folgt vorliegend auch nicht daraus, dass die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen hat, dass die Zahlung nicht vorbehaltlos erfolgt, sondern von ihr in der Lohnabrechnung stets als “jederzeit widerruflich” beschrieben ist. Einen solchen Widerruf hat die Beklagte für die streitgegenständliche Forderung auch ausgeübt. Dies folgt aus dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten, einen solchen habe der Geschäftsführer der Beklagten anlässlich der Mitarbeiterversammlung im November gegenüber den Mitarbeitern getätigt. Im Übrigen bestätigt das Schreiben der Beklagten, das der Lohnabrechnung für den Monat November 2014 beigefügt war, einen solchen Widerruf ausdrücklich. Allerdings ist der auf der Lohnabrechnung enthaltene Vorbehalt rechtsunwirksam.

Denn seit dem 01.01.2002/01.01.2003 gelten nach dem sogenannten Schuldrechtsmodernisierungsgesetz die §§ 305 ff. BGB mit der Maßgabe einer AGBKontrolle auch im Arbeitsrecht. Insoweit gelten diese Grundsätze auch für betriebliche Übungen; ein Schriftformerfordernis als Ausgangspunkt der Überprüfung besteht nicht.

Insoweit unterliegt die hier festgestellte betriebliche Übung einer AGB-Kontrolle nach Maßgabe der §§ 305 ff. BGB. Diese führt zur Unwirksamkeit des auf den Lohnabrechnungen langjährig enthaltenen Widerrufsvorbehalts.

Für die AGB-Kontrolle gelten folgende Grundsätze:

§§ 305 ff. BGB gelten nur für AGB, das sind Vertragsbedingungen, die für eine Vielzahl von Verträgen (mindestens drei; BAG 25.05.2005 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 3) vorformuliert sind, und die der Verwender i.d.R. der Arbeitgeber, der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Arbeitsvertrags oder dessen Änderung stellt (§ 305 Abs. 1 BGB). Aus dem äußeren Erscheinungsbild und dem Inhalt typisierter Bedingungen kann sich ein vom Verwender zu widerlegender Anschein für das Vorliegen von AGB ergeben (BAG 01.03.2006 EzA § 4 TVG Tariflohnerhöhung Nr. 48m.Anm. Natzel SAE 2006, 225). Für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Bedingungen liegen auch bereits dann vor, wenn eine Partei – einmalig – die von einem anderen vorformulierten Vertragsbedingungen benutzt, selbst wenn die Partei eine mehrfache Verwendung nicht plant (s. BGH 16.11.1990 NJW 1991, 843 [BGH 16.11.1990 – V ZR 217/89] ; ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 22). Andererseits sind typische Erklärungen, die ein Arbeitgeber abgibt, nicht notwendig Allgemeine Geschäftsbedingungen. Nimmt der Arbeitgeber durch Schreiben, die für eine Mehrfachverwendung vorgesehen sind, inhaltsgleiche Änderungsangebote mehrerer Arbeitnehmer an, stellt er den Arbeitnehmern keine Vertragsbedingungen i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB (BAG 20.05.2008 – 9 AZR 271/07, FA 2008, 318, vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß a. a. O., Kap. 1 Rz. 676 ff.).

Der Arbeitgeber muss die Vertragsbedingungen stellen, d. h. er muss konkret die Einbeziehung in den Arbeitsvertrag verlangen (s. BAG 28.05.2008 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 3). Nicht entscheidend ist, in welcher Form die gestellte Vertragsbedingung nach außen hin erscheint. AGB liegen auch vor, wenn ein im PC gespeichertes Formular verwendet wird, das einen individuellen Anschein erweckt. Ein Freiwilligkeits- oder Widerrufsvorbehalt auf einer Gehaltsabrechnung oder in einem Schreiben, mit der eine Sonderzahlung gewährt wird, ist ebenso kontrollfähig (BAG 18.03.2009 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 43). wie die Bedingungen einer betrieblichen Übung, auch wenn sie nicht schriftlich festgehalten worden sind (BAG 27.08.2008 EzA § 4 TVG Tariflohnerhöhung Nr. 49; LAG Bln-Bra. 08.12.2011 LAGE § 307 BGB 2002 Nr. 28; s.a. Ricken DB 2006, 1374 ff.). Auch eine mündliche Vertragsbedingung, die der Arbeitgeber für eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen verwendet, ist also eine AGB (BAG 16.05.201 EzA § 611 BGB 2002 Mehrarbeit Nr. 5 = NZA 2012, 908). Ebenso unterliegen die Bedingungen einer Gesamtzusage der Inhaltskontrolle (ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 22).

Auslegung geht der Inhaltskontrolle stets voraus. Im Wege einer objektiven Auslegung ist der Kontrollgegenstand zu präzisieren. Sie kann durch das BAG als Revisionsgericht erfolgen (BAG 01.02.2006 EzA § 611BB 2002 Nettolohn, Lohnsteuer Nr. 2; 31.08.2005 EzA § 6 ArbZG § 6 Nr. 6); eine vom LAG vorgenommene Auslegung von AGB unterliegt also der vollen revisionsrechtlichen Überprüfung durch das BAG (BAG 24.01.201 EzA § 305 c BGB 2002 Nr. 20). Klauseln sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von einem verständigen und redlichen Vertragspartner unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden (BAG 04.08.2011 EzA § 305 c BGB 2002 Nr. 19). Dabei sind die Verständnismöglichkeiten nicht des konkreten, sondern des durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen, d. h des typischerweise bei Arbeitsverträgen zu erwartenden nicht rechtskundigen Arbeitnehmers (BAG 24.10.2007 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 26; 19.03.2008 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 344; 04.08.2011 EzA § 305 c BGB 2002 Nr. 19). Für das Auslegungsergebnis von Bedeutung ist auch der von den Vertragsparteien verfolgte typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Regelungszweck (BAG 15.02.2011 EzA § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung Nr. 9), denn der Vertragspartner des Verwenders kann auf den Inhalt der AGB, die für eine Vielzahl von Fallgestaltungen vorformuliert worden sind und gerade unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalls zur Anwendung kommen sollen, keinen Einfluss nehmen (BAG 04.08.2011 EzA § 305 c BGB 2002 Nr. 19).

Die Auslegung erfolgt mit der Maßgabe, dass die Inhaltskontrolle zunächst nicht auf der Grundlage einer kundenfreundlich ausgelegten Klausel durchzuführen ist. Erst wenn die Klausel nach den §§ 307-309 BGB gleichwohl Bestand hat, ist im Individualprozess die kundenfreundlichste Interpretation maßgebend (ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 31; s.a. Preis/Roloff RdA 2005, 144); Voraussetzung dafür ist, dass nicht behebbare Zweifel verbleiben (BAG 19.10.2011 EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 11). Führt die objektive Auslegung zu keinem eindeutigen, sondern zu einem mehrdeutigen Ergebnis, greift die Unklarheitenregelung (§ 305 c Abs. 2 BGB) mit der Folge der arbeitnehmerfreundlichsten Auslegung ein (BAG 19.03.2008 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 34). Die Anwendung der Unklarheitenregelung des § 305 c As. 2 BGB setzt aber voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keine den klaren Vorzug verdient (BAG 20.01.2010 EzA § 305 c BGB 2002 Nr. 18; 09.02.2011 EzA § 311 a BGB 202 Nr. 2; 19.10.2011 EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 11; 24.01.2013 EzA § 305 c BGB 2002 Nr. 20; s.a. BAG 23.02.2011 – 10 AZR 101/10, EzA-SD 10/2011, S. 6 LS; Anrechnung von Vordienstzeiten EuroBerlin nicht unklar).

Bei der Auslegung können Begleitumstände, die nur den konkreten Vertragspartnern bekannt sind oder die den konkreten Einzelfall kennzeichnen, grds. nicht berücksichtigt werden. Zur Auslegung heranzuziehen sind demgegenüber Begleitumstände dann, wenn sie nicht ausschließlich die konkrete Vertragsabschlusssituation betreffen, sondern den Abschluss einer jeden vergleichbaren Abrede begleiten (BAG 15.02.2011 EzA § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung Nr. 9).

Typisierte Vertragsklauseln müssen nicht nur bei der Auslegung, sondern auch im Rahmen der Inhaltskontrolle typisierenden und generalisierenden Wertungen unterzogen werden. Die Auslegung geht der Inhaltskontrolle vor. Hat eine Vertragsklausel einen unangemessen benachteiligenden Inhalt, ist es für die Wirksamkeit der Klausel nicht ausschlaggebend, ob sich der benachteiligende Inhalt auch im konkreten Einzelfall tatsächlich auswirkt. Entscheidend ist, welche Rechte nach dem konkreten Inhalt der Klausel geltend gemacht werden können und welche Folgen sich daraus bei genereller Betrachtung ergeben (s. BGH 23.06.1988 ZIP 1988, 1126 [BGH 23.06.1988 – VII ZR 117/87] ; ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 42). Auf Grund der Einordnung von Arbeitnehmern als Verbraucher ist dieser Prüfungsmaßstab nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB aber durch die Berücksichtigung konkret individueller Umstände des Vertragsschlusses zu ergänzen (BAG 31.08.2005 EzA § 6 ArZG Nr. 6; 07.12.2005 EzA § 12 TzBfG Nr. 1). Es kommt also auf die persönlichen Eigenschaften, die Geschäftserfahrung und Verhandlungsstärke, die Beurteilungsfähigkeit, das Angewiesensein auf die Leistung, auf intellektuelle Stärken und Schwächen sowie auf die konkrete Situation des Vertragsschlusses an, also z.B. darauf, ob der Verwender seinen Vertragspartner überrascht, überrumpelt oder den wahren Vertragsinhalt verschleiert hat (ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 42).

§ 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB beseitigt also nicht den generellabstrakten Prüfungsmaßstab, sondern ergänzt ihn. Die Umstände des Vertragsschlusses allein können nicht die Unwirksamkeit der Klausel begründen, auch inhaltliche Kriterien müssen Bedenken gegen sie begründen, ohne zur Unwirksamkeit zu führen. Erst auf einer zweiten Ebene können die Umstände des Vertragsschlusses den Ausschlag geben, so dass eine unangemessene Benachteiligung angenommen werden kann. Damit kann gem. § 310 As. 3 Nr. 3 BGB flexibel reagiert werden, um z.B. Vertragsgestaltungen mit erfahrenen Spitzenkräften und leitenden Angestellten zurückhaltend zu kontrollieren (ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 42).

Gem. § 307 Abs.2 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbarten ist. Dahinter steht die Idee des Leitbildes des dispositiven Rechts. Die Anwendung im Arbeitsrecht ist nicht einfach, weil es zum großen Teil zwingend ist oder aus Richterrecht besteht. Andererseits erkennt auch die Zivilrechtsprechung die von ihr entwickelten Rechtsgrundsätze als gesetzliches Leitbild an (s. BGH 10.12.1992 BGHZ 121, 14, 18), was auf das Arbeitsrecht übertragen werden kann (s. ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 43).

Eine unangemessene Benachteiligung liegt im Zweifel auch dann vor, wenn wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben (sog. Kardinalpflichten), so eingeschränkt werden, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (s. z.B. BAG 25.04.2007 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 20; Freiwilligkeitsvorbehalt).Bei Verzichtserklärungen und Ausschlussfristen kann ein Verstoß gegen § 307 As. 2 Nr. 2 BGB darin liegen, dass die Klauseln zum Erlöschen der vertraglichen Hauptleistungspflicht führen können (BAG 28.09.2005 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 8; ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 43; s. Preis/Sagan NZA 2012, 697 ff. Bauer/von Medern NZA 20122, 894 ff.).

Das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB greift nicht bei normwiederholenden Klauseln und Preisabreden (§ 307 Abs. 3 S.2 BGB) sowie bei Bezugnahmen auf Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen (trotz § 310 Abs. 4 S. 3 BGB; BAG 28.06.2007 EzA § 310 BGB 2002 Nr. 5) ein. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass eine Vertragsbestimmung nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot ist Bestandteil der Angemessenheitskontrolle (ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 44). Das Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Danach müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen (BAG 14.11.2012 EzA § 611 BGB 2002 Gratifikation, Prämie Nr. 34; 01.09.201 – 5 AZR 517/09, EzA § 307 BGB 2002 Nr. 50). Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB (BAG 14.11.201 EzA § 611 BGB 2002 Gratifikation, Prämie Nr. 34; 18.05.2011 – 10 AZR 206/10; 10.12.2008 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 40)

Gem. § 306 Abs. 1 BGB bleibt in Abweichung von § 139 BGB bei Teilnichtigkeit grds. der Vertrag im Übrigen aufrechterhalten; dieser Grundsatz gilt im Arbeitsrecht allgemein. Soweit die Klausel nicht teilbar ist, tritt an ihre Stelle das Gesetz (§ 306 Abs. 2 BGB). Die Teilbarkeit der Klausel ist durch eine Streichung des unwirksamen Teils mit einem blauen Stift zu ermitteln (Blue-Pencil-Test; BAG 21.04.2005 EzA § 309 BGB 2002 Nr. 3; 19.12.2006 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 17; 12.03.2008 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 33; s.a. LAG Köln 03.08.2010LAGE § 4 ArbZG Nr. 2; LAG Hessen 26.07.2010 – 7 a 1881/09, EzA-SD 22/2010 S. 10 LS).

Sprachliche Unteilbarkeit spricht im Übrigen für inhaltliche Unteilbarkeit. Sprachliche Teilbarkeit ist dagegen nur ein Indiz für inhaltliche Teilbarkeit. Um eine Umgehung des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion zu vermeiden, ist zu prüfen, ob der Klauselteil üblicherweise nicht selbständig vorkommt oder ob eine gekünstelte Aufspaltung der Klausel vorliegt. Die unzulässige Vertragsstrafenregelung wegen schuldhaft vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers kann z. B. unter Aufrechterhaltung der Klausel im Übrigen gestrichen werden, wenn daneben an den Nichtantritt oder die Lösung des Arbeitsverhältnisses unter Vertragsbruch angeknüpft wird (ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 103; a. A: DBD/Bonin § 306 Rn. 12).

Im Übrigen gilt das Verbot geltungserhaltender Reduktion unangemessener Klauseln (BAG 04.03.204 EzA § 309 BGB 2002 Nr. 1; 12.01.2005 EzA § 308 BGB 2002 Nr. 1; 25.05.2005 EzA § 306 BGB 202 Nr. 1; LAG Nbg. 12.01.2011 – 4 Sa 437/10, AuR 2011, 221 LS; ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 104). Wer den Spielraum der Vertragsfreiheit durch AGB nutzt, muss das volle Risiko der Unwirksamkeit der Klausel tragen. Eine geltungserhaltende Reduktion ist aber dann möglich, wenn Normen eine Aufrechterhaltung unwirksamer Abreden ausdrücklich zulassen (s. z.B. § 622 As. 6 BGB i. V. m. § 89 Abs. 2 S. 2 HGB, § 74 a Abs. 1 S. 2 HGB; ErfK/Preis §§ 3055-310 BGB Rn. 104).

Nur ausnahmsweise ist auch eine ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB als Anwendung dispositiven Rechts nach § 306 Abs. 2 BGB möglich (instr. Bieder NZA 2011, Beil Nr. 3/2011 S. 142 ff.).

Das setzt aber voraus, dass die Anwendung der gesetzlichen Vorschriften keine angemessene, den Interessen der Parteien Rechnung tragende Lösung bietet, so dass der Regelungsplan der Vertragspartner infolge der Lücke einer Vervollständigung bedarf (BGH 03.11.1999 NJW 2000, 1110 [BGH 03.11.1999 – VIII ZR 269/98] ); Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist, dass die Vereinbarung der Parteien eine Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit aufweist (BAG 17.10.2012 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 89). Hinzukommen muss, dass ein ersatzloser Wegfall der unwirksamen Klausel keine sachgerechte Lösung darstellt (BAG 28.11.2007 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 30; 07.07.2010, 09.06.2010 EzA § 3 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 49, 50; 16.11.2011 – 45 AZR 246/10, EzA-SD 8/2012 S. 7 LS; LAG Köln 03.08.2010 LAGE § 4 ArbZG Nr. 2; ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 104; Günther ZTR 2011, 203 ff.). Bei unwirksamen Bestimmungen in AGB hat die ergänzende Vertragsauslegung ebenso wie die Auslegung und Inhaltskontrolle solcher Bestimmungen nach einem objektivgeneralisierenden Maßstab zu erfolgen, der am Willen und Interesse der typischerweise beteiligten Verkehrskreise (und nicht nur der konkret beteiligten Parteien) ausgerichtet sein muss. Die Vertragsergänzung muss deshalb für den betroffenen Vertragstyp als allgemeine Lösung eines stets wiederkehrenden Interessengegensatzes angemessen sein. Es ist zu fragen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die gesetzlich angeordnete Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre (BAG 11.10.2006 EzA § 308 BGB 2002 Nr. 6; 25.04.2007 EzA § 307BGB 2002 Nr. 20; 17.10.2012 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 89).

Gem. § 308 Nr. 4 BGB ist die Vereinbarung des Rechts des Arbeitgebers (ohne Vereinbarung keine einseitige Änderung: BAG 01.02.2006 EzA § 310 BGB 2002 Nr. 3), die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, nur dann statthaft, wenn sie unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist (BAG 14.12.2011 EzA § 4 TzBfG Nr. 33 = NZA 2012, 663 [BAG 14.12.2011 – 5 AZR 457/10] ). Davon sind erfasst der Widerruf von Zulagen und freiwilligen betrieblichen Leistungen, sowie eine vom (erweiterten) Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckte Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz, wo nur geringere Verdienstmöglichkeiten bestehen; ein Widerrufsvorbehalt ist also bei fehlender Angabe des Widerrufsgrundes nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam (BAG 20.04.2011 EzA § 308 BGB 2002 Nr. 12).Die Vereinbarung eines Widerrufsrechts ist für den Arbeitnehmer nach § 308 Nr. 4 BGB insgesamt nur dann zumutbar, wenn es für den Widerruf einen sachlichen Grund gibt und dieser sachliche Grund bereits in der Änderungsklausel beschrieben ist. Das Widerrufsrecht muss wegen der unsicheren Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sein (BAG 13.04.2010 EzA § 308 BGB 2002 Nr. 11).

Allein die Bezeichnung eines Weihnachtsgeldes bzw. 13. Gehalts im Arbeitsvertrag als freiwillige soziale Leistung genügt für sich genommen nicht, um einen Rechtsanspruch auf diese Leistung auszuschließen (BAG 17.04.2013 EzA § 305 c BGB 2002 Nr. 23 = NAZ 2013, 787; s. Niebling NJW 2014, 3011 ff.). Wenn Sonderleistungen des Arbeitgebers in einem Formulararbeitsvertrag nach Voraussetzungen und Höhe präzise festgelegt werden, legt dies das Bestehen eines vertraglichen Anspruchs nahe. In der Kombination eines solchen vertraglichen Anspruchs mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt liegt regelmäßig ein zur Unwirksamkeit des Vorbehalts führender Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. BGB; BAG 20.02.2013 – 10 AZR 177/12, EzA-SD 8/2013 S. 7 LS = NZA 2013, 1015 [BAG 20.02.2013 – 10 AZR 177/12] ).

Die Vereinbarung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, dass die Zahlung eines 13. Gehalts eine freiwillige Leistung der Firma ist, die anteilig als Urlaubs- und Weihnachtsgeld gewährt werden kann, begründet bei Anwendung der Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB einen unbedingten Anspruch auf Zahlung (BAG 17.04.2013 EzA § 305 c BGB 2002 Nr. 23 = NZA 2013, 787 [BAG 17.04.2013 – 10 AZR 281/12] ; s. Niebling NJW 2014, 3011 ff.).

Eine Klausel in einem Arbeitsvertrag (AGB), mit der dem Arbeitgeber ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zur Entscheidung über die Höhe einer jährlichen Zuwendung vorbehalten wird, hält dagegen der AGB-Kontrolle nach § 305 ff. BGB regelmäßig stand, insbesondere wenn es sich um eine Gratifikation handelt, die nach dem Arbeitsvertrag keinen Entgeltcharakter hat. In derartigen Fällen findet § 315 BGB Anwendung. Die jährlich vom Arbeitgeber zu treffende Leistungsbestimmung muss billigem Ermessen entsprechen. Ob dies der Fall ist, kann der Arbeitnehmer nach § 315 Abs. 3 BGB vom Arbeitsgericht überprüfen lassen (BAG 16.01.2013 EzA 3 611 BGB 2002 Gratifikation, Prämie Nr. 36 = NZA 2013, 1013 [BAG 16.01.2013 – 10 AZR 26/12] ).

Sagt ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer in einem von ihm vorformulierten Anstellungsvertrag des Weiteren ausdrücklich zu, jedes Jahr ein Weihnachtsgeld in bestimmter Höhe zu zahlen, ist es widersprüchlich, wenn der Arbeitgeber die Zahlung des Weihnachtsgeldes in derselben oder einer anderen Vertragsklausel an einen Freiwilligkeitsvorbehalt bindet. Ist ein auf eine Sonderzahlung bezogener Freiwilligkeitsvorbehalt unwirksam, weil er der Zusage des Arbeitgebers widerspricht, die Sonderzahlung jedes Jahr in einer bestimmten Höhe zu leisten, ist der unwirksame Freiwilligkeitsvorbehalt auch bei Altfällen nicht im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung in einen Widerrufsvorbehalt umzudeuten.

Es spricht viel dafür, dass durch die Einräumung der einjährigen Übergangsfrist in Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB dem Vertrauensschutz genügt ist und eine ergänzende Vertragsauslegung nicht in Betracht kommt, wenn der Arbeitgeber als Klauselverwender nicht versucht hat, die einer AGB-Kontrolle nicht standhaltenden Klauseln der neuen Gesetzeslage anzupassen (BAG 10.12.2008 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 40; s. Salamon NZA 2009, 1076 ff.).

Vereinbaren andererseits die Arbeitsvertragsparteien in einem Formulararbeitsvertrag ein monatliches Bruttogehalt und weist der Arbeitgeber darauf hin, dass die Gewährung sonstiger Leistungen wie die Zahlung von Weihnachtsgeld freiwillig und mit der Maßgabe erfolgt, dass auch bei einer wiederholten Zahlung kein Rechtsanspruch für die Zukunft begründet wird, entsteht kein Anspruch auf Weihnachtsgeld aus betrieblicher Übung, auch wenn der Arbeitnehmer jahrelang Weihnachtsgeld in Höhe eines halben Bruttomonatsgehalts erhält. Mangels eines Anspruchs des Arbeitnehmers auf die Zahlung von Weihnachtsgeld bedarf es in einem solchen Fall weder einer Ankündigung des Arbeitgebers, kein Weihnachtsgeld zu zahlen, noch einer Begründung des Arbeitgebers, aus welchen Gründen er nunmehr von der Zahlung von Weihnachtsgeld absieht (BAG 21.01.2009 EzA § 307 BGB 2003 Nr. 41).

Schließen Bestimmungen eines Arbeitsvertrages, die als AGB anzusehen sind, den Anspruch auf eine Weihnachtsgratifikation aus, wenn sich das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Auszahlung im gekündigten Zustand befindet, ohne danach zu differenzieren, ob der Grund für die Kündigung im Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers liegt, so benachteiligen diese Vertragsbestimmungen den Arbeitnehmer nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und sind folglich gem. § 307 Abs. 1 BGB auch nicht unwirksam. Voraussetzung ist allerdings, dass nicht die Vergütung von Arbeitsleistungen bezweckt ist, indem sie sie nur an den – rechtlichen – Bestand des Arbeitsverhältnisses anknüpft. Steht nämlich eine Sonderzuwendung am Synallagma zur erbrachten Arbeitsleistung und ist sie vom Arbeitnehmer durch die Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung verdient worden, kann ihre Zahlung in AGB nicht vom Vorliegen weiterer Voraussetzungen abhängig gemacht werden. Dient eine Sonderzuwendung dagegen nicht der Vergütung geleisteter Arbeit, sondern anderen Zwecken und knüpft sie nur an den Bestand des Arbeitsverhältnisses an, kann ihre Zahlung von der Erbringung einer angemessenen Betriebstreue abhängig gemacht werden. Eine Weihnachtsgratifikation, die an den Bestand des Arbeitsverhältnisses anknüpft und nicht der Vergütung geleisteter Arbeit dient, kann vom ungekündigten Bestehen des Arbeitsverhältnisses zum Auszahlungszeitpunkt abhängig gemacht werden, ohne dass danach differenziert werden muss, wer die Kündigung ausgesprochen hat und ob sie auf Gründen beruht, die in der Sphäre des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers liegen (BAG 18.01.2012 EzA § 611 BGB 2002 Gratifikation, Prämie Nr. 32 = NZA 2012, 620; a.A. LAG Hamm 16.09.2010 LAGE § 611 BGB 2002 Gratifikation Nr. 17; LAG Düsseld. 19.07.2011 NZA-RR 2011, 630 [LAG Düsseldorf 19.07.2011 – 16 Sa 607/11] ; s. Reinecke BB 2013, 437). Der Anspruch besteht allerdings dann, wenn der Eintritt der Bedingung treuwidrig herbeigeführt und deshalb nach § 162 Abs. 2 BGB als nicht erfolgt gilt, z. B. dann, wenn dem Arbeitnehmer gekündigt worden ist, weil er nicht freiwillig auf die Zahlung der Weihnachtsgratifikation verzichtet hatte (BAG 18.01.2012 EzA § 611 BGB 2002 Gratifikation, Prämie Nr. 32 = NZA 2012, 620). Auch bei einer mündlichen oder durch betriebliche Übung begründeten Vertragsbedingung, die der Arbeitgeber für eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen verwendet, handelt es sich um eine AGB (BAG 27.08.2008 EzA § 4 TVG Tariflohnerhöhung Nr. 49. s. LAG Nds. 20.12.2013 LAGE § 670 BGB 2002 Nr. 5). Der Inhalt einer solchen Regelung unterliegt daher einer Transparenzkontrolle. Der fehlende Betrag zum Arbeitsergebnis bei unwiderruflicher Freistellung unter Fortzahlung des Entgelts rechtfertigt jedenfalls keine Ungleichbehandlung hinsichtlich eines Weihnachtsgeldes mit reinem Entgeltcharakter (LAG Bln.-Bra. 08.12.2010 LAGE § 307 BGB 2002 Nr. 28).

Nach BAG (12.01.2005 EzA § 308 BGB 2002 Nr. 1; 20.04.2011 EzA § 308 BGB 2002 Nr. 12 = NZA 2011, 796; ebenso LAG Hamm 11.05.2004 NZA-RR 2004, 515 [LAG Hamm 11.05.2004 – 19 Sa 2132/03] gilt zudem:

Eine formularmäßig im Arbeitsvertrag verwendete Klausel, mit der sich der Arbeitgeber den jederzeitigen unbeschränkten Widerruf übertariflicher Lohnbestandteile und anderer Leistungen vorbehält, ist gem. § 307 Abs. 1 S. 2 und § 308 Nr. 4 BGB unwirksam.

Die Vereinbarung ist nur dann wirksam, wenn der widerrufliche Anteil unter 25 bis 30 % der Gesamtvergütung liegt und der Widerruf nicht grundlos erfolgen soll.

Die widerrufliche Leistung muss nach Art und Höhe eindeutig sein. Die Vertragsklausel muss zumindest die Richtung angeben, aus der der Widerruf möglich sein soll (wirtschaftliche Gründe, Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers).

Diese Anforderungen gelten seit dem 01.01.2003 auch für Formulararbeitsverträge, die vor dem 01.01.2002 abgeschlossen worden sind. Fehlt es bei einem solchen Altvertrag an dem geforderten Mindestmaß einer Konkretisierung der Widerrufsgründe, kann die entstandene Lücke im Vertrag durch eine ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden. Eine Bindung des Arbeitgebers an die vereinbarten Leistung ohne Widerrufsmöglichkeit würde rückwirkend unverhältnismäßig in die Privatautonomie eingreifen (BAG 12.01.2005 EZA § 308 BGB 2002 Nr. 1; a.A. insoweit LAG Hamm 11.05.2004 – 19 Sa 2132/03, NZA-RR 2004, 515). Dem steht auch nicht entgegen, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vor dem 01.01.2003 keine Anpassung der Klausel an den strengeren Rechtszustand angetragen hat (BAG 20.04.2011 EzA § 308 BGB 2002 Nr. 12 = NZA 2011,796).

Es liegt nahe, dass die Parteien des Arbeitsvertrages bei Kenntnis der neuen gesetzlichen Anforderungen die Widerrufsmöglichkeit zumindest bei wirtschaftlichen Verlusten des Arbeitgebers vorgesehen hätten.

Neben der Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB findet weiterhin die Ausübungskontrolle im Einzelfall gem. § 106 GewO/§ 315 BGB statt.

Hat ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer jahrelang vorbehaltlos Weihnachtsgeld gezahlt, wird der Anspruch des Arbeitnehmers auf Weihnachtsgeld aus betrieblicher Übung nicht dadurch aufgehoben, dass der Arbeitgeber später bei der Leistung des Weihnachtsgeldes erklärt, die Zahlung des Weihnachtsgeldes sei eine freiwillige Leistung und begründe keinen Rechtsanspruch, und der Arbeitnehmer der neuen Handhabung über einen Zeitraum von drei Jahren hinweg nicht widerspricht; wird diese Erklärung als Änderungsangebot verstanden, liegt eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB vor (BAG 18.03.2009, EzA § 242 BGB 2002 Betriebliche Übung Nr. 9).

Erklärt ein Arbeitgeber unmissverständlich, dass die bisherige betriebliche Übung einer vorbehaltslosen Weihnachtsgeldzahlung beendet werden und durch eine Leistung ersetzt werden soll, auf die in Zukunft kein Rechtsanspruch mehr besteht, kann nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts am 01.01.2002 eine dreimalige widerspruchslose Entgegennahme der Zahlung durch den Arbeitnehmer nicht mehr den Verlust des Anspruchs auf das Weihnachtsgeld bewirken. Denn diese Annahme ist mit dem Klauselverbot für fingierte Erklärungen in § 308 Nr. 5 BGB nicht zu vereinbaren (BAG a.a.O.).

In Anwendung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass der von der Beklagten in Anspruch genommene Widerrufsvorbehalt nicht rechtswirksam zwischen den Parteien vereinbart worden ist und folglich keine Geltung beanspruchen kann. Das folgt bereits aus § 308 Nr. 4 BGB. Denn tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass es sich vorliegend um eine Leistungsverpflichtung gehandelt haben könnte, die außerhalb des synallagmatischen Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung zwischen den Parteien gestanden haben könnte, bestehen nicht. Vielmehr setzt die Annahme eines Widerrufsvorbehalts das Bestehen eines widerrufbaren Substrats, also eines Anspruchs gerade voraus. Ein Widerrufsgrund im Sinne von § 308 Nr. 4 BGB wird aber nicht angegeben. Eine Überprüfung, ob das Widerrufsrecht wegen der unsicheren Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig ist, ist vorliegend ausgeschlossen.

Hinreichende Anhaltspunkte, dass es sich vorliegend um eine Gratifikation handeln könnte, die nach dem Arbeitsvertrag keinen Entgeltcharakter hat, bestehen, wie dargelegt nicht. Selbst wenn dies der Fall wäre, wäre § 315 BGB anwendbar. Die jährlich vom Arbeitgeber zu treffende Leistungsbestimmung muss dann billigem Ermessen entsprechen; ob dies der Fall ist, kann der Arbeitnehmer nach § 315 Abs. 3 BGB vom Arbeitsgericht überprüfen lassen. Tatsächliches Vorbringen der Beklagten, dass der Kammer eine Überprüfung insoweit ermöglichen könnte, fehlt aber vollständig.

Selbst wenn man die von der Beklagten in Anspruch genommene Regelung aber dahin auslegen bzw. anpassen würde, dass eine Widerrufsmöglichkeit zumindest bei wirtschaftlichen Verlusten des Arbeitgebers bestehen könnte, würde dies vorliegend zu keinem anderen Ergebnis führen. Denn tatsächliches substantiiertes Vorbringen der Beklagten insoweit fehlt in beiden Rechtszügen. Darauf hat der Kläger im Berufungsverfahren zutreffend hingewiesen. Da neben der Inhaltskontrolle in derartigen Fällen aber auch weiterhin die Ausübungskontrolle im Einzelfall gemäß § 315 BGB stattzufinden hat, lässt sich nicht feststellen, ob der von der Beklagten in Anspruch genommene Widerruf billigem Ermessen entspricht.

Das Berufungsvorbringen der Beklagten rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts. Denn es enthält keinerlei neue, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tatsachenbehauptungen, die zu einem anderen Ergebnis führen könnten. Gleiches gilt für etwaige Rechtsbehauptungen. Das Vorbringen der Beklagten macht lediglich – wenn auch aus ihrer Sicht heraus verständlich – deutlich, dass die Beklagte mit der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung des schriftsätzlichen Vorbringens beider Parteien in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht im erstinstanzlichen Rechtszug, dem die Kammer im Ergebnis folgt, nicht einverstanden ist. Weitere Ausführungen sind folglich nicht veranlasst.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.
Dr. Dörner
Bohrmann
Isilak

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