AG Bonn, Urteil vom 21.12.2018 – 105 C 51/18

Mai 30, 2021

AG Bonn, Urteil vom 21.12.2018 – 105 C 51/18

Tenor

In pp

hat das Amtsgericht Bonn auf die mündliche Verhandlung vom 27.11.2018

durch die Richterin am Amtsgericht A für Recht erkannt:

Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 23.11.2017, Az. 105 C 6/17, wird für unzulässig erklärt.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.200,00 Euro vorläufig vollstreckbar
Tatbestand

Die Parteien streiten im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage über die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus einem Teilanerkenntnisurteil des Amtsgerichts Bonn vom 23.11.2017 (Az. 105 C 6/17).

Die Beklagten nahmen die Klägerin in dem Verfahren 105 C 6/17 auf Auskunft gemäß § 2314 BGB über den Bestand des Nachlasses der am 22.09.2010 verstorbenen Erblasserin N H durch Vorlage eines notariell aufgenommenen und vom Notar unterzeichneten, ausführlichen, systematischen und vollständigen Verzeichnisses in Anspruch. Diesen Anspruch erkannte die hiesige Klägerin an, so dass das Amtsgericht Bonn unter dem 23.11.2017 insoweit ein Anerkenntnisurteil erließ. Während des laufenden Berufungsverfahrens fertigte der Notar C unter dem 04.05.2018 mit Urkunde Nummer 796/2018 B ein Nachlassverzeichnis aus und überließ es in mehrfacher Ausfertigung der Klägerin. In dem Nachlassverzeichnis vermerkte der Notar, dass die Klägerin eine Zustimmung für einen Kontendatenabruf in Österreich und Luxemburg nicht erteilt habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Nachlassverzeichnis vom 04.05.2018 (Bl. 411 ff. in 105 C 6/17) Bezug genommen. Die Klägerin wiederum übergab dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Bonn am 08.05.2018 eine Ausfertigung des Nachlassverzeichnisses und nahm daraufhin die Berufung zurück.

Im Jahr 2012 führten die Parteien bereits einen weiteren Rechtsstreit vor dem Landgericht Bonn (9 O 50/12; nachfolgend OLG Köln 2 U 111/12). Im Rahmen dieses Rechtsstreits entschieden das Landgericht und nachfolgend das Oberlandesgericht, dass den Beklagten ein Anspruch auf Auskunft über die Bewegungen auf etwaigen Konten der Erblasserin in Luxemburg unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zustehe.

Mit Schriftsatz vom 12.05.2018 beantragten die Beklagten die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Teilanerkenntnisurteils des Amtsgerichts Bonn vom 23.11.2017 und stellten einen Antrag gemäß § 888 ZPO.
Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klage ist als Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 767 Abs. 1 ZPO statthaft, da die Klägerin mit dem Einwand der Erfüllung einen materiellrechtlichen Einwand gegen den titulierten Anspruch erhebt. Das Gericht ist für die Klage gemäß § 767 Abs. 1, 802 ZPO als Prozessgericht des ersten Rechtszuges auch ausschließlich zuständig. Der Klägerin fehlt auch nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Mit dem Teilanerkenntnisurteil vom 23.11.2017 liegt ein vollstreckbarer Titel im Sinne des § 704 ZPO vor, der zur Zwangsvollstreckung geeignet ist (vgl. Thomas/Putzo/Seiler, 39. Auflage 2018, § 704 Rn. 1). Die Beklagten betreiben darüber hinaus aus diesem Titel auch bereits die Zwangsvollstreckung, indem sie einen Antrag gemäß § 888 ZPO gestellt haben.

Die Klage ist auch begründet. Dies ist immer dann der Fall, wenn die Parteien sachbefugt sind und dem Kläger eine materiellrechtliche Einwendung gegen den titulierten Anspruch zusteht, deren Geltendmachung nicht gem. § 767 Abs. 2 oder Abs. 3 ZPO ausgeschlossen ist.

Die Parteien sind als Vollstreckungsschuldner und Vollstreckungsgläubiger sachbefugt.

Die Klägerin hat den Anspruch der Beklagten auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses durch Vorlage eines notariellen Verzeichnisses gemäß § 2314 S. 3 BGB zudem bereits erfüllt.

Die Klägerin hat den Beklagten im Berufungsverfahren ein notarielles Vermögensverzeichnis vom 04.05.2018 übergeben, welches die Voraussetzungen des § 2314 S. 3 BGB erfüllt. Der Notar C hat in dem vorliegenden Nachlassverzeichnis aufgenommen, welche Unterlagen er eingesehen hat, welche Banken er um Auskunft gebeten hat sowie, dass er eine ausführliche Unterredung mit einem Herrn L und der Klägerin geführt habe. Aus dem Nachlassverzeichnis ergibt sich, dass der Notar für den Inhalt des Bestandsverzeichnisses verantwortlich ist und den Nachlassbestand insoweit selbst ermittelt hat (vgl. Palandt/Weidlich, 76. Auflage 2017, § 2314 Rn. 7).

Soweit der Notar aufgenommen hat, ein Kontendatenabruf in Österreich und Luxemburg sei mangels Zustimmung der Klägerin unterblieben, ergibt sich daraus kein weiterer Auskunftsanspruch der Beklagten. Ein Anspruch auf Berichtigung oder Vervollständigung oder Ergänzung eines Verzeichnisses, das nach § 2314 BGB aufgestellt ist, wird dem Grundsatz nach abgelehnt und der Pflichtteilsberechtigte, soweit die Voraussetzungen des § 260 Abs. 2 BGB gegeben sind auf den Weg der eidesstattlichen Versicherung verwiesen (Staudinger/Herzog, Neubearbeitung 2015, § 2314 Rn. 84 m.w.N.; MüKo/Lange, 7. Auflage 2017, § 2314 Rn. 25; BeckOK BGB, Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Müler-Engels, 48. Edition, Stand 01.08.2018, § 2314 Rn. 21). Der Auskunftsanspruch erlischt nämlich mit der vollständigen Auskunftserteilung. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Schuldner überhaupt keine erfüllungstaugliche Handlung erbracht hat, weil er etwa Auskunft in ungenügender, weil unübersichtlicher und unzusammenhängender Form oder erkennbar unvollständig erteilt hat (Staudinger/Herzog, a.a.O. Rn. 85). Dies ist vorliegend aber nicht der Fall. Wie bereits dargelegt hat der Notar ein den Anforderungen des § 2314 BGB entsprechendes Nachlassverzeichnis erstellt.

Eine erkennbare Unvollständigkeit ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin einer Zustimmung zum Kontendatenabruf in Österreich und Luxemburg nicht zugestimmt hat. Hinsichtlich eines solchen Abrufs in Luxemburg kann dies bereits deshalb nicht gelten, weil die Beklagten, wie vom Landgericht Bonn rechtskräftig festgestellt, überhaupt keinen Anspruch auf eine solche Auskunft haben. Haben die Beklagten aber keinen Auskunftsanspruch kann die Klägerin nicht gehalten sein, einem solchen Abruf dennoch zuzustimmen. Auch aus der unterbliebenen Abfrage in Österreich rechtfertigt sich aber kein weiterer Auskunftsanspruch. Die Beklagten haben bislang keine konkreten Anhaltspunkte für Konten in Österreich dargelegt. Der Notar hat indes nur bei den ihm benannten Banken, Versicherungen nach Konten, Wertpapieren, Versicherungen und sonstigen Anlagen nachzufragen. Zu Nachforschungen ins Blaue hinein ist er hingegen nicht verpflichtet (Palandt/Weidlich, a.a.O.). Aus dem den Notar vorliegenden Unterlagen ergaben sich keine Hinweise auf Konten in Österreich. Der Notar war jedoch aufgrund der Behauptung der Beklagten über solche Konten gehalten, diesen Hinweisen nachzugehen und bei der Klägerin um eine Zustimmung zu einem solchen Abruf zu ersuchen. Aus der Weigerung der Klägerin kann jedoch entgegen der Ansicht der Beklagten nicht geschlossen werden, dass es Konten in Österreich gibt. Darüber hinaus würde aber auch dies den geltend gemachten Anspruch der Beklagten nicht rechtfertigen. Vielmehr würde dies wie dargelegt allenfalls einen Anspruch gemäß § 260 BGB begründen.

Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht gemäß § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert, da der Erfüllungseinwand nach der letzten mündlichen Verhandlung entstanden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 ZPO.

Streitwert: 2.000,00 Euro

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder

2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Bonn, Wilhelmstr. 21, 53111 Bonn, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Bonn zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Bonn durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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