AG Nördlingen, Endurteil vom 19.12.2018 – 4 C 640/18

Oktober 21, 2020

AG Nördlingen, Endurteil vom 19.12.2018 – 4 C 640/18

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 1.186,75 € festgesetzt.
Tatbestand

Die Parteien streiten um die Kosten für die Beantragung eines Erbscheins.

Die Kläger sind die gesetzlichen Erben ihres Vaters, die Mutter der Kläger war bereits vorverstorben. Der Vater der Kläger hatte bei der Beklagten Konten, diese wollten die Kläger nach dem Tod des Erblassers am 16.01.2018 auflösen. Die Kläger traten als Rechtsnachfolger auf Grund der gesetzlichen Erbfolge ein. Eine Verfügung von Todes wegen durch den Erblasser gab es nicht.

Die Kläger wurden unter dem Schreiben vom 06.02.2018 vom Amtsgericht Ansbach – Nachlassgericht über die gesetzliche Erbfolge informiert. Die Kläger legten dieses Schreiben, sowie den Ehe- und Erbvertrag der Eltern vom 31.10.1966 (dort erfolgte eine gegenseitige Erbeinsetzung der Ehegatten, eine Schlusserbeneinsetzung erfolgte nicht), die Sterbeurkunde des Erblassers, und die Geburtsurkunden der Miterben bei der Beklagten zur Auflösung der Konten vor. Die Beklagte verweigerte die Auflösung mit dem Hinweis, es sei ein Erbschein notwendig. Der Kläger zu 1) besaß zudem bereits seit dem Jahr 2003 eine Kontovollmacht des Erblassers und der vorverstorbenen Mutter.

Die Kläger wandten schließlich für die Beantragung eines Erbscheins beim Nachlassgericht Kosten in Höhe von 1.170 € auf sowie 16,75 € für Fahrten und Porto. Von den Kosten des Erbscheins entfielen 585 € auf die Abgabe einer eidesstaatlichen Versicherung.

Die Kläger sind der Auffassung, die Beklagte habe nicht auf die Vorlage eines Erbscheins bestehen dürfen, sondern die Erbenstellung sei durch die Kläger ausreichend durch die vorgelegten Schreiben nachgewiesen.

Die Kläger beantragen daher,

die Beklagte zu verurteilen, an die Erbengemeinschaft nach … gestorben am … bestehend aus … einen Betrag in Höhe von 1.186,75 € zzgl. Zinsein in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.06.2018 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Vorlage des Erbscheins zum Nachweis der Erbenstellung sei erforderlich gewesen. Die vorgelegten Schreiben haben dagegen nicht ausreichend die Erbenstellung nachgewiesen.

Für das weitere Vorbringen wird auf die in der Akte befindlichen Schriftsätze verwiesen.
Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Das Amtsgericht Nördlingen ist gem. §§ 23 Nr. 1, 71 GVG sachlich und gem. §§ 12, 13 ZPO örtlich zuständig.

II.

Die Kläger haben keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für den Erlass des Erbscheins in Höhe von 1.186,75 € aus § 280 BGB.

1. Die Kläger sind als gesetzliche Erben gem. §§ 1922, 2032 BGB im Wege der Universalsukzession in die Stellung des Erblassers eingetreten. Sie waren daher berechtigt, die Auflösung des Kontos des Erblassers von der Beklagten zu verlangen.

2. Die Beklagte hat nicht gegen ihre vertraglichen Verpflichtungen verstoßen, in dem sie darauf bestand, dass ein Nachweis der Erbenstellung durch einen Erbschein notwendig sei.

Gem. § 5 Nr. 1 AGB müssen die Erben ihre Erbenstellung gegenüber der Beklagten nachweisen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sind die Erben grundsätzlich nicht verpflichtet, die Erbenstellung durch Vorlage eines Erbscheins nachzuweisen, sondern können diesen Nachweis auch anderweitig erbringen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 2004 – V ZR 120/04; BGH, Urteil vom 8.10.2013 – XI ZR 401/12). Ein Leistungsverweigerungsrecht bei Nichtvorlage eines Erbscheins lässt sich auch nicht aus der gem. § 2367 BGB bei Unrichtigkeit des Erbscheins befreienden Wirkung der Leistung an den Erbscheinserben ableiten (BGH, Urteil vom 27.2.1961 – II ZR 196/59; BGH Urt. v. 7.6.2005 – XI ZR 311/04; MüKoBGB/Grziwotz BGB § 2365 Rn. 32). Der Umstand, dass die Gefahr der doppelten Inanspruchnahme allein aus der Risikosphäre des Gläubigers stammt, rechtfertigt es nicht, dessen Erben zum Schutz des Schuldners generell zur Vorlage eines Erbscheins zu verpflichten. Bei den Anforderungen an den Nachweis der Rechtsnachfolge ist auch den berechtigten Interessen der Erben an einer möglichst raschen und kostengünstigen Abwicklung des Nachlasses Rechnung zu tragen (BGH Urt. v. 7.6.2005 – XI ZR 311/04).

Unter Einbeziehung der Wertungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung war im vorliegenden Fall die Anforderung eines Erbscheins für einen Nachweis der Erbenstellung dennoch erforderlich.

Das öffentliche Testament genießt grundsätzlich Vermutungswirkung für die Richtigkeit der darin enthaltenen Erklärung (vgl. BGH, Urteil vom 05.04.2016 – XI ZR 440/15). Das eigenhändige Testament kann diese Vermutungswirkung nicht für sich in Anspruch nehmen, da bei einem eigenhändigen Testament Unsicherheiten hinsichtlich der Auslegung der Erklärung sowie der Rechtsunkenntnis des Erblassers verbleiben (vgl. BGH a.a.O.). Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist daher bei Vorliegen eines eigenhändigen Testaments im Einzelfall zu prüfen, ob begründete Zweifel der Bank an der Richtigkeit der durch das Testament ergebenden Erbenstellung einen weiteren Nachweis – beispielsweise durch Vorlage eines Erbscheins rechtfertigen.

Allein beim Berufen auf die gesetzliche Erbfolge wie im vorliegenden Fall ist jedoch nicht von einem ausreichenden Nachweis der Erbfolge auszugehen. Daran ändert sich durch die Vorlage des Familienstammbaums und des Schreibens des Nachlassgerichts vom 06.02.2018 nichts.

Es verbleibt zwar bei den Grundsätzen, wonach die Beklagte den Erbschein nur verlangen darf, soweit die Erbfolge aus anderen Gründen nicht ausreichend nachgewiesen ist. Jedoch ist hier – im Gegensatz zu der Entscheidung des BGH vom 06.04.2016 – die Erbfolge allein durch Vorlage des Schreibens des Nachlassgerichts nicht ausreichend nachgewiesen, so dass die Anforderung des Erbscheins durch die Beklagte angemessen und erforderlich war. Im Ergebnis liegt daher keine schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten vor.

Die Ausgangslage ist in beiden Fällen einen vollkommen unterschiedliche. Bei dem vom BGH am 06.04.2016 entschiedenen Fall wurden die Erben durch ein handschriftliches Testament als Schlusserben vom Erblasser positiv durch das Testament bestätigt. Auch bei eigenhändigen Testamenten ist letztlich der jeweilige Einzelfall entscheidend. In seinem Urteil stellte der Bundesgerichtshof keinen allgemein gültigen Rechtssatz auf, wonach das handschriftliche Testament zum Nachweis der Erbenstellung immer ausreichend ist. Stattdessen sei von der Vorlage eines Erbscheins abzusehen, wenn die Bank im jeweiligen Einzelfall an der Erbenstellung keine begründeten Zweifel hegt und hegen darf.

Jedoch ist gerade im Fall der gewillkürten Erbfolge der Erbe zumindest zu einem Zeitpunkt vom Erblasser in positiver Weise bedacht worden. Im Fall der gesetzlichen Erbfolge liegt gerade keine aktive Willenserklärung des Erblassers zur Erbeinsetzung vor. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass manche Erblasser auch bewusst keine letztwillige Verfügung aufsetzen, da sie mit dem Eintreten der gesetzlichen Erbfolge einverstanden sind. Jedoch ist auch zu bedenken, dass teilweise die gesetzliche Erbfolge auch eintritt, weil sich der Erblasser schlicht (noch) keine Gedanken um sein Erbe machte. Das Schweigen wird im Rechtsverkehr jedoch nur in geringen Ausnahmefällen als Willenserklärung ausgelegt. Im Rahmen der Erbfolge ist dies jedenfalls nicht der Fall, stattdessen tritt die gesetzliche Erbfolge von Gesetzes wegen ein.

An der Würdigung des Fehlens einer positiven Erklärung des Erblassers ändert sich auch durch Vorlage der Kontovollmacht des Klägers zu 1) nichts. Die vorgelegte Kontovollmacht (Anlage K 10, Blatt 56/59 d. Akte) ist augenscheinlich weder vom Erblasser, noch vom Kläger zu 1) tatsächlich unterschrieben. Allein im Rahmen der “Unterschrift …” ist eine Unterschrift enthalten. Auch stellt die Vorlage der Kontovollmacht keine positive Erklärung des Erblassers zu der von ihm geplanten Erbfolge dar. Es stellt sich daher auch nicht als ein so starkes “Indiz” dar, dass dadurch der Eintritt der gesetzlichen Erbfolge bestätigt werden kann.

Letztlich ist daher im Unterschied zur gewillkürten Erbfolge gerade keine aktive, positive Willenserklärung des Erblassers vorhanden, die den Erben auch als solchen ausweist.

Es fehlt somit für die Bank gerade an einer grundsätzlich vorhandenen positiven Entscheidung des Erblassers, den Erben als solchen einzusetzen. Allein die Vorlage des Schreibens des Nachlassgerichtes kann daran auch nichts ändern. Zwar ist der Klägerseite dahingehend Recht zu geben, dass ohne weitere Anhaltspunkte auch beim Erlass eines Erbscheins der die gesetzliche Erbfolge bestätigt, keine weiteren Nachforschungen durch das Nachlassgericht betrieben werden. Jedoch wird vom Nachlassgericht im Regelfall zumindest eine eidesstaatliche Versicherung der gesetzlichen Erben gefordert, dass sie von einer letztwilligen Verfügung nichts wissen. Vor dem Hintergrund, dass die falsche Versicherung an Eides statt eine Straftat darstellt, stellt die Abgabe der eidesstaatlichen Versicherung dennoch ein gewisses “Mehr” an Erklärung der gesetzlichen Erben dar, als bei Anschreiben durch das Gericht mitzuteilen, dass man als gesetzlicher Erbe in Frage kommt.

Zudem ist zu beachten, dass eine letztwillige Verfügung vom Erblasser auch ohne Kenntnis der gesetzlichen Erben auf Grund der Formvorschrift des § 2247 BGB eigenhändig und im Stillen angefertigt werden kann. Insofern kann tatsächlich auch ohne Kenntnis der (vermeintlich) gesetzlichen Erben, eine letztwillige Verfügung bestehen, die eine vollkommen andere Erbfolge auswirft.

Zwar besteht diese Gefahr auch, beim Vorhandensein eines Erbscheins, jedoch greifen in diesem Fall die Vorschriften §§ 2365 ff BGB zu Gunsten der Bank ein.

Im Gesamtergebnis kann daher bei Vorliegen der gesetzlichen Erbfolge die Entscheidung zur Notwendigkeit des Erbscheins nicht ohne eine gewisse Interessensabwägung stattfinden.

Es ist daher tatsächlich zwischen dem Risiko des Schuldners der doppelten Inanspruchnahme und den Interessen der Erben zur raschen und kostengünstigen Abwicklung des Nachlasses abzuwägen.

Da der Beklagten jedoch aus den oben genannten Gründen keinerlei positive Erklärung durch den Erblasser entgegen gehalten werden kann, überwiegt letztlich das Interesse des Schuldners – hier der Beklagten – an der sachgerechten und für den Schuldner auch sicheren Abwicklung, gerade auch in Anbetracht der Tatsache, dass es sich immerhin um eine Zahlung erheblichen Umfangs handelt. Im Ergebnis durfte die Beklagte daher von den Klägern die Vorlage des Erbscheins verlangen.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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