Bayerisches Oberstes Landesgericht, 1Z BR 153/99

Mai 5, 2021

Bayerisches Oberstes Landesgericht, 1Z BR 153/99

Ein Erbschein, der vom Erbscheinsantrag abweicht, ist einzuziehen. Der 1. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung des Präsidenten Gummer sowie der Richter Seifried und Zwirlein

am 20. Dezember 2000

in der Nachlaßsache

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 werden der Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 9. Juli 1999 und der Beschluss des Amtsgerichts Erlangen vom 27. Mai 1999 in Nr. 2 aufgehoben.

II. Das Amtsgericht Erlangen wird angewiesen, den der Beteiligten zu 2 erteilten Erbschein vom 7. Mai 1999 einzuziehen.

III. Die Sache wird an das Amtsgericht Erlangen zur erneuten Entscheidung über den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 2 vom 1. Dezember 1997 und den Antrag des Beteiligten zu 1, ihm einen neuen Erbschein mit dem Inhalt des eingezogenen Erbscheins vom 26.8.1996 zu erteilen, zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Die 1982 im Alter von 87 Jahren verstorbene Erblasserin war zweimal verheiratet. Der Beteiligte zu 1 ist ihr Sohn aus der ersten geschiedenen Ehe. Mit ihrem zweiten Ehemann, den sie 1943 geheiratet hatte, errichtete sie am 20.1.1944 ein notariell beurkundetes gemeinschaftliches Testament, durch das sich beide Eheleute gegenseitig zu alleinigen Erben einsetzten. Nach dem Krieg lebten sie im Gebiet der ehemaligen DDR. Dort erwarb die Erblasserin mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 13.12.1950 ein Grundstück von M. Am gleichen Tage errichtete sie ein notariell beurkundetes Testament, mit dem sie die Verkäuferin des Grundstücks zu ihrer Erbin und für den Fall des Vorversterbens ihren Sohn aus erster Ehe, den Beteiligten zu 1, zum Ersatzerben einsetzte. Am 5.6.1957 errichtete sie ein weiteres notariell beurkundetes Testament, mit dem sie ihren zweiten Ehemann als Vorerben, M. als Nacherbin einsetzte und als deren Ersatzerben ihren Sohn. Dieses Testament änderte sie mit notariell beurkundetem Testament vom 6.6.1957 in der Weise ab, dass sie zwar wiederum ihren zweiten Ehemann als Vorerben und M. als Nacherbin einsetzte, als Ersatzerben der letzteren aber die Beteiligte zu 2, R. und G. zu gleichen Teilen. Mit Urteil des Kreisgerichts vom 8.7.1964 wurde ihre zweite Ehe geschieden. Danach verließ die Erblasserin die DDR; sie wohnte von 1965 bis zu ihrem Tode in Bayern.

Als sie 1982 starb, wurde lediglich das gemeinschaftliche Testament vom 20.1.1944 eröffnet, nicht auch die Testamente vom 13.12.1950, 5. und 6.6.1957, die bei dem im Gebiet der ehemaligen DDR liegenden Amtsgericht verwahrt wurden. Das für ihren Wohnsitz zuständige Amtsgericht hielt das gemeinschaftliche Testament vom 20.1.1944 infolge der Scheidung der Ehe für unwirksam; es betrachtete den Beteiligten zu 1 als alleinigen gesetzlichen Erben der Erblasserin. Dieser beantragte am 23.8.1996 einen Erbschein, nachdem durch Nachforschungen des für das Grundstück bestellten Pflegers bekannt geworden war, dass der Nachlass der Erblasserin nicht nur, wie 1982 angenommen, in einem Bankguthaben von 7.434 DM bestand, sondern dass sie darüber hinaus eingetragene Eigentümerin dieses Grundstücks in der ehemaligen DDR war. Das Amtsgericht erteilte ihm am 26.8.1996 antragsgemäß einen Erbschein des Inhalts, dass die Erblasserin hinsichtlich des Eigentums und anderer Rechte an Grundstücken und Gebäuden auf dem Staatsgebiet der früheren DDR unter Anwendung des DDR-ZGB (§ 25 RAG) von ihm allein beerbt worden sei.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 28.11.1996 verkaufte der Beteiligte zu 1 das Grundstück.

Am 30.5.1997 eröffnete das Amtsgericht gemäß § 2263a BGB die drei von ihm verwahrten Testamente der Erblasserin vom 13.12.1950, 5. und 6.6.1957.

Mit Schreiben vom 11.6.1997 forderte der Nachlassrechtspfleger des Amtsgerichts den Beteiligten zu 1 auf, die an ihn übersandte Ausfertigung des Erbscheins vom 26.8.1996 zurückzusenden, da aufgrund der neu aufgefundenen drei Testamente der Erblasserin nicht gesetzliche Erbfolge eingetreten sei. Der Beteiligte zu 1 teilte mit, dass er die ihm erteilte Ausfertigung des Erbscheins im November 1996 beim Amtsgericht – Grundbuchamt – abgegeben habe. Auf Bitte des Rechtspflegers übersandte das Amtsgericht am 26.9.1997 die dem Beteiligten zu 1 erteilte Ausfertigung des Erbscheins vom 26.8.1996.

Die Beteiligte zu 2 beantragte am 1.12.1997 die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins “nur… für das Eigentum sowie andere Rechte an Grundstücken und Gebäuden im Gebiet der ehemaligen DDR unter Anwendung des DDR-ZGB (§ 25 RAG)”, wonach die Erblasserin aufgrund des Testaments vom 6.6.1957 von ihr, der 1985 nachverstorbenen R. und der 1984 nachverstorbenen G. zu je 1/3 beerbt worden sei, da der Vorerbe – der geschiedene Ehemann der Erblasserin – 1975 und die Nacherbin M. 1969 vorverstorben seien.

Das Nachlaßgericht ermittelte als Erbin der 1985 nachverstorbenen R. deren 1987 verstorbene Mutter und als deren Erbin die Beteiligte zu 3. G. war von der Beteiligten zu 2 und der 1987 verstorbenen Mutter der R. je zur Hälfte beerbt worden.

Am 7.5.1999 erteilte das Nachlaßgericht einen Erbschein, wonach die Erblasserin aufgrund notariellen Testaments vom 6.6.1957 beerbt worden sei von der Beteiligten zu 2, R. und G. zu je 1/3.

Mit Schriftsatz vom 17.5.1999 beantragte der Beteiligte zu 1 die Einziehung des Erbscheins vom 7.5.1999. Er vertrat die Ansicht, dass das Testament vom 6.6.1957 infolge der Scheidung der Ehe der Erblasserin mit dem von ihr eingesetzten Vorerben in vollem Umfang unwirksam geworden sei, weil die Erblasserin als Nacherbin in erster Linie M. geb. L. – der Name L. stimmt überein mit dem Familiennamen des zweiten Ehemanns der Erblasserin -, “eine Person also, die mit dem Ehemann verwandt war.”, eingesetzt habe.

Das Nachlaßgericht entschied mit Beschluss vom 27.5.1999:

1. Der Erbschein des Amtsgerichts vom 26.8.1996 wird eingezogen.

2. Dem Antrag des Beteiligten zu 1 vom 17.5.1999, den Erbschein vom 7.5.1999 einzuziehen, wird nicht entsprochen.

Mit Nr. 1 des Beschlusses wollte es “die förmliche Einziehung” des dem Beteiligten zu 1 erteilten Erbscheins nachholen. Dieser sei unrichtig, weil die Erblasserin aufgrund des Testaments vom 6.6.1957 nicht vom Beteiligten zu 1, sondern von der Beteiligten zu 2, R. und G. zu je 1/3 beerbt worden sei, nachdem M. den Erbfall nicht mehr erlebt habe. Die in diesem Testament verfügte Einsetzung einer Nacherbin und von Ersatzerben für diese habe auch für den Fall der Ehescheidung Bestand haben sollen. Zwar habe die Erblasserin als Nacherbin M. geb. L. eingesetzt, also eine Verwandte ihres Ehemannes.

Zu dieser habe sie aber spezielle Verbindungen gehabt, was der Kauf des Grundstücks zeige, bei dem es sich – nach einer eidesstattlichen Erklärung der Erblasserin vom 20.4.1965 – um einen Scheinkauf gehandelt habe.

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 – mit dem Antrag, das Nachlaßgericht zur Einziehung des Erbscheins vom 7.5.1999 und zur Neuerteilung eines Erbscheins mit dem Inhalt des eingezogenen Erbscheins vom 26.8.1996 anzuweisen – hat das Landgericht mit Beschluss vom 9.7.1999 zurückgewiesen.

Mit der weiteren Beschwerde gegen diesen Beschluss verfolgt der Beteiligte zu 1 seinen Antrag weiter. Die Beteiligte zu 2 ist der weiteren Beschwerde entgegengetreten.

II.

Die zulässige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) nicht stand. Das Landgericht hätte auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 hin den Beschluss des Amtsgerichts in Nr. 2 aufheben und das Amtsgericht anweisen müssen, den Erbschein vom 7.5.1999 wegen formeller Unrichtigkeit einzuziehen, weil er dem von der Beteiligten zu 2 gestellten Antrag nicht entsprach.

1. Gegenstand des Verfahrens der weiteren Beschwerde ist zum einen der Antrag des Beteiligten zu 1, den der Beteiligten zu 2 erteilten Erbschein vom 7.5.1999 einzuziehen, zum anderen sein Antrag, ihm einen mit dem eingezogenen Erbschein vom 26.8.1996 inhaltlich übereinstimmenden Erbschein wieder zu erteilen.

Der Erbschein vom 26.8.1996 ist durch die tatsächliche Rücknahme der einzigen dem Beteiligten zu 1 erteilten Ausfertigung am 26.9.1997 und durch die – nachfolgende – Einziehungsanordnung im Beschluss vom 27.5.1999 (Nr. 1) eingezogen worden. Der Einziehungstatbestand besteht aus zwei Merkmalen, zum einen der Einziehungsanordnung, zum anderen deren tatsächlicher Durchführung (Keidel DNotZ 1958, 265/266; Münch-Komm/Promberger BGB 3. Aufl. § 2361 Rn. 29 und 30). In der Regel wird die Einziehung durch eine ihrer Durchführung vorausgehende Verfügung angeordnet (Staudinger/Schilken BGB 13. Bearb. § 2361 Rn. 24). Befindet sich der Erbschein bzw. die einzige von ihm erteilte Ausfertigung aber bereits wieder beim Nachlaßgericht, so wird die Einziehung durch die dann nachfolgende Einziehungsanordnung und deren Bekanntgabe vollendet (§ 16 FGG; MünchKomm/Promberger aaO Rn. 30).

Die vollzogene Einziehung des Erbscheins kann nicht wieder rückgängig gemacht werden. Die Einziehungsanordnung kann jedoch im Wege der (weiteren) Beschwerde mit dem Ziel der Erteilung eines neuen gleichlautenden Erbscheins angefochten werden (BayObLGZ 1966, 233/235; KG OLGZ 1971, 215/216; Münch-Komm/Promberger aaO Rn. 41). In diesem Falle kann ein Erbscheinsantrag, der eigentlich an das Nachlaßgericht zu stellen ist, auch im Wege der Beschwerde verfolgt werden (Staudinger/Schilken § 2361 Rn. 35).

2. Die Vorinstanzen haben nicht beachtet, dass hier keine einheitliche Erbfolge in den gesamten Nachlaß, sondern Nachlaßspaltung eingetreten ist, weil die Erblasserin nach dem 1.1.1976 und noch vor dem Beitritt (3.10.1990) verstorben ist und zum Nachlass ein in der ehemaligen DDR gelegenes Grundstück gehört, und dass deswegen auch kein einheitlicher Erbschein für den gesamten Nachlass erteilt werden kann, sondern im Erbscheinsverfahren der Aufspaltung des Nachlasses infolge der Anwendbarkeit verschiedener Rechtsordnungen Rechnung getragen werden muß.

a) Die Erblasserin ist am 2.11.1982 verstorben. Nach Art. 235, § 1 Abs. 1 EGBGB bleibt für erbrechtliche Verhältnisse das bisherige Recht maßgebend, wenn der Erblasser vor dem Wirksamwerden des Beitritts (3.10.1990) gestorben ist. Da zum Nachlass auch ein Grundstück gehört, das in der ehemaligen DDR gelegen ist, weist der Sachverhalt Beziehungen zum Recht der ehemaligen DDR auf, so dass zuerst das anzuwendende Recht zu ermitteln ist (BayObLGZ 1991, 103/104 f.). Welches Sachrecht anzuwenden ist, bestimmen die interlokalen Kollisionsregeln, die bereits vor der deutschen Einigung in der Bundesrepublik Deutschland gegolten haben und deren Fortgeltung als einziges interlokales Privatrecht der Einigungsvertrag voraussetzt (BGHZ 124, 270/272 f.; 131, 22/26). Im Erbrecht gilt die Regel, dass sich die Rechtsnachfolge von Todes wegen nach einem deutschen Erblasser nach den Bestimmungen derjenigen Teilrechtsordnung richtet, in deren Geltungsbereich der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (BGHZ 124, 270/273). Danach ist die Erblasserin entsprechend Art. 24 Abs. 1, 25 EGBGB a.F. (Art. 220 Abs. 1 EGBGB) nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs beerbt worden, weil sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatte (vgl. BGHZ 131, 22/26). Da aber zum Nachlass auch ein Grundstück in der ehemaligen DDR gehört, kommen insoweit in entsprechender Anwendung von Art. 28 EGBGB a.F. (Art. 220 Abs. 1 EGBGB; jetzt Art. 3 Abs. 3 EGBGB) die dort geltenden “besonderen Vorschriften” zur Anwendung, insbesondere § 25 Abs. 2 RAG-DDR. Nach dieser Norm bestimmen sich “die erbrechtlichen Verhältnisse in bezug auf das Eigentum und andere Rechte an Grundstücken und Gebäuden, die sich in der Deutschen Demokratischen Republik befinden”, nach dem Recht der DDR, also für Erbfälle nach dem 1.1.1976 nach dem ZGB-DDR. An einer auf diese Weise eingetretenen Nachlaßspaltung hat sich durch die Vereinigung Deutschlands nichts geändert (BGHZ 131, 22/26 f.; FarftRZ 1995, 481; BayObLG FamRZ 1997, 391; 1999, 1470/1471).

b) Die Nachlaßspaltung hat zur Folge, dass die in der ehemaligen DDR gelegenen, unter § 25 Abs. 2 RAG-DDR fallenden Gegenstände einen selbständigen Nachlass bilden, bei dem sich die Erbfolge im Grundsatz nach den Regeln des ZGB-DDR richtet, während der übrige Nachlass den Regeln des BGB unterliegt. Die Erbfolge ist hinsichtlich der verschiedenen Nachlaßteile je für sich zu beurteilen (BayObLG FamRZ 1999, 1470/1471; OLG Hamm FamRZ 1998, 121/122; KG FamRZ 1998, 124/125).

c) Der Umstand, dass es sich um zwei nach verschiedenen Rechtsordnungen vererbte Nachlässe handelt, muss auch bei der Erbscheinserteilung beachtet werden. Daher kann in dem gegebenen Fall der Nachlaßspaltung nur entweder ein Erbschein in Anwendung des BGB, der sich nicht auf den in der ehemaligen DDR belegenen unbeweglichen Nachlass i.S. des § 25 Abs. 2 RAG-DDR erstreckt, oder ein Erbschein in Anwendung des ZGB-DDR, der sich lediglich auf den in der ehemaligen DDR belegenen unbeweglichen Nachlass i.S. des § 25 Abs. 2 RAG-DDR erstreckt, oder ein sogenannter Doppelerbschein erteilt werden, der diese beiden Erbscheine vereinigt (vgl. KG Rpfleger 1992, 158/159; Staudinger/Schilken Vorbem. zu §§ 2353 ff. Rn. 48; MünchKomm/Promberger Rn. 25 und 26, Palandt/Edenhofer BGB 59. Aufl. Rn. 7 und 8 jeweils zu § 2353; Bestelmeyer Rpfleger 1992, 229/231).

d) Die Beteiligte zu 2 hat einen Erbschein “nur beantragt für das Eigentum sowie andere Rechte an Grundstücken und Gebäuden im Gebiet der ehemaligen DDR unter Anwendung des DDR-ZGB (§ 25 RAG)” (Niederschrift vom 1.12.1997). Dieser Antrag entspricht den dargestellten Grundsätzen. Das Nachlaßgericht hat dagegen nicht beachtet, dass es sich um zwei verschiedene Nachlässe handelt, die nach verschiedenen Rechtsordnungen vererbt werden, und einen allgemeinen Erbschein wie in einem Fall der einheitlichen Gesamtnachfolge erteilt.

Darin liegt ein Rechtsverstoß schon insofern, als der erteilte Erbschein nicht vom Antrag gedeckt und damit formell unrichtig ist.

aa) Ein Erbschein wird nach § 2353 BGB nur auf Antrag erteilt. Der Antrag muss sich auf einen bestimmten dem Erbschein zu gebenden Inhalt richten (BayObLGZ 1967, 1/8 f.; 1995, 47/50; MünchKomm/Promberger Rn. 116; Staudinger/Schilken Rn. 56; Erman/Schlüter BGB 10. Aufl. Rn. 9; Palandt/Edenhofer Rn. 11 jeweils zu § 2353). Das Nachlaßgericht ist an den Antrag gebunden. Es darf bei Erteilung des Erbscheins vom Antrag nicht inhaltlich abweichen, es darf insbesondere keinen allgemeinen Erbschein statt eines beantragten gegenständlich beschränkten Erbscheins erteilen (RGZ 156, 172/180; BayObLGZ 1967, 1/8; OLG Hamm NJW 1968, 1682; MünchKomm/Promberger Rn. 115; Staudinger/Schilken Rn. 57; Erman/Schlüter Rn. 9; Palandt/Edenhofer Rn. 21 jeweils zu § 2353). Weicht der Inhalt des Erbscheins von dem Inhalt des gestellten Antrags ab, ist der durch den Antrag nicht gedeckte Erbschein, falls seine Erteilung nicht nachträglich – auch schlüssig – vom Berechtigten genehmigt wird, wegen formeller Unrichtigkeit von Amts wegen einzuziehen, auch wenn er inhaltlich richtig sein sollte (BayObLGZ 1959, 390/400; OLG Hamm OLGZ 1972, 352/357 f.; Staudinger/Schilken aao und § 2361 Rn. 17; MünchKomm/ Promberger § 2353 Rn. 16, § 2361 Rn. 9).

bb) Der Umstand, dass die Beteiligte zu 2 kein Rechtsmittel gegen den Erbschein vom 7.5.1999 eingelegt und die Zurückweisung der weiteren Beschwerde des Beteiligten zu 1 beantragt hat, kann nicht als schlüssige Genehmigung des erteilten Erbscheins verstanden werden. Der Beteiligten zu 2 kam es nach ihrem Antrag auf einen Erbschein an, der die Erbfolge für den unbeweglichen Nachlass auf dem Gebiet der ehemaligen DDR bezeugt, in dem der wesentliche Wert des Nachlasses besteht. Der erteilte Erbschein aber kann zutreffend nur so verstanden werden, dass er die dem BGB unterliegende Erbfolge bezeugt und dass entweder keine Nachlaßspaltung besteht oder der einem anderen Erbstatut unterliegende DDR-Nachlaß von ihm nicht erfaßt wird; denn wenn bei einem Erbschein ein anderes als das Erbrecht des BGB zugrundegelegt ist, muss dies angegeben werden; ansonsten wird als Regelfall unterstellt, dass er auf dem materiellen Erbrecht des BGB beruht (MünchKomm/Promberger § 2353 Rn. 11). Einen Erbschein dieses Inhalts wollte die Beteiligte zu 2 nicht; ihr späteres Verhalten beruht auf dem Mißverständnis, dass der erteilte Erbschein ihrem Antrag entspreche, allenfalls darüber hinausgehe. Tatsächlich geht der erteilte Erbschein an ihrem Antrag vorbei.

3. Das Nachlaßgericht wird bei seiner neuen Entscheidung über die Erbscheinsanträge der Beteiligten zu 1 und 2, die sich beide nur auf das Gebiet der ehemaligen DDR beziehen, die erbrechtlichen Verhältnisse nach dem ZGB der DDR beurteilen müssen, da die Erblasserin nach dem 31.12.1975 und vor dem 3.10.1990 verstorben ist. Dabei wird es auch das intertemporale Recht der DDR zu beachten haben (MünchKomm/Leipold Einleitung vor § 1922 Rn. 221). Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EGZGB bestimmt sich die Wirksamkeit eines Testaments nach dem vor dem Inkrafttreten des ZGB geltenden Recht, wenn es vor diesem Zeitpunkt errichtet wurde (vgl. MünchKomm/Leipold aaO Rn. 222 ff.). Das vor dem Inkrafttreten des ZGB geltende Recht – also §§ 2077, 2268 BGB – bestimmt daher, ob die im gemeinschaftlichen Testament vom 20.1.1944 getroffene letztwillige Verfügung der Erblasserin durch die Ehescheidung unwirksam geworden ist (vgl. BayObLG FamRZ 1995, 1088; MünchKomm/Leipold aaO Rn. 227). Es bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen, dass das Landgericht mangels eines Anhaltspunktes für einen Fall des § 2077 Abs. 3 BGB die Auslegungsregel des § 2077 Abs. 1 Satz 1 BGB angewandt hat. Zutreffend sind die Vorinstanzen auch davon ausgegangen, dass infolgedessen die noch während des Bestandes der Ehe errichteten Testamente der Erblasserin, insbesondere das Testament vom 6.6.1957, als wirksam anzusehen sind; denn die Vorschrift des § 2271 Abs. 1 Satz 2 BGB enthält weder eine Einschränkung der Testierfähigkeit der Ehegatten, noch hat sie die formelle Nichtigkeit späterer einseitiger Verfügungen zur Folge. Sie will vielmehr nur die Wirksamkeit einseitiger Verfügungen eines Ehegatten ausschließen, die mit früheren wechselbezüglichen Verfügungen in Widerspruch stehen. Werden diese wechselbezüglichen Verfügungen gegenstandslos – hier infolge der Scheidung der Ehe -, so steht der Wirksamkeit des späteren einseitigen Testaments nichts mehr im Wege (RGZ 149, 200/201; OLG Frankfurt a. M. NJW-RR 1995, 265; Palandt/Edenhofer Rn. 15; MünchKomm/Musielak Rn. 12 jeweils zu § 2271).

Durch das ZGB wurde zwar das Institut der Vor- und Nacherbfolge abgeschafft (MünchKomm/Leipold Einleitung vor § 1922 Rn. 252). Eine vor dem 1.1.1976 angeordnete Vor- und Nacherbfolge blieb jedoch gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 EGZGB in Kraft (BayObLG FamRZ 1997, 391/392; KG ZEV 1995, 372; OLG Naumburg ZEV 1999, 271; MünchKomm/Leipold aaO Rn. 228). Nach § 8 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 EGZGB sind zwar, wenn der Vorerbfall nach dem Inkrafttreten des ZGB eingetreten ist, diejenigen Verfügungsbeschränkungen des Vorerben unter Lebenden entfallen, die sich aus den bis dahin geltenden Bestimmungen des BGB ergeben (§§ 2113 ff. BGB). Daraus kann aber geschlossen werden, dass sich im übrigen der Inhalt der Vor- und Nacherbschaft aus den Bestimmungen des BGB ergibt. Die Scheidung der Erblasserin führte daher nach der Auslegungsregel des § 2077 Abs. 1 Satz 1 BGB auch zur Unwirksamkeit der im Testament vom 6.6.1957 angeordneten Einsetzung des geschiedenen Ehemanns zum Vorerben.

Die Antwort auf die Frage, wie sich die Unwirksamkeit der Einsetzung des Ehemanns zum Vorerben auf die Einsetzung der Nacherbin und ihrer Ersatzerben auswirkt, läßt sich der Auslegungsregel des § 2102 Abs. 1 BGB entnehmen: Wenn der Vorerbe vor dem Erbfall wegfällt – ein solcher Wegfall liegt auch im Eintritt der Unwirksamkeit einer Einsetzung zum Vorerben nach § 2077 Abs. 1 Satz 1 BGB -, so soll im Zweifel der Nacherbe an seine Stelle treten; denn für den Aufschub des Vermögensanfalls ist dann kein Anlaß mehr gegeben, da die Nacherbeneinsetzung im Regelfall als nur im Interesse des Vorerben verzögerte Erbeinsetzung gewollt ist (Staudinger/Behrends/ Avenarius Rn. 1 und 2, MünchKomm/Grunsky Rn. 2 und 3 jeweils zu § 2102; Diederichsen NJW 1965, 671/675). Dies unterscheidet die Fallkonstellation, dass bei Vor- und Nacherbschaft der Vorerbe wegfällt, von dem anders gelagerten Fall des Wegfalls des Nacherben (vgl. Palandt/Edenhofer Rn. 5, Erman/M. Schmidt Rn. 4, Soergel/Loritz BGB 12. Aufl. Rn. 10 jeweils zu § 2085).

Die Auslegungsregel des § 2102 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass die konkrete Auslegung zu keinem anderen Ergebnis führt (BayObLG FamRZ 1996, 440/441). Insoweit sind die Vorinstanzen einerseits von der Vermutung ausgegangen, dass die Nacherbin M. – und die drei Ersatznacherbinnen – Verwandte des geschiedenen Ehemanns der Erblasserin gewesen seien., dass aber andererseits das Motiv der Erblasserin für die Einsetzung der Nacherbin und der Ersatznacherbinnen nicht ihre Verwandtschaft mit ihrem Ehemann gewesen sei; damit habe vielmehr die Rückführung des von M. aus Anlaß ihrer beabsichtigten Flucht in den Westen “verkauften” Grundstücks in deren Vermögen bzw. in das Vermögen ihrer Verwandten bewirkt werden sollen. Der Vermutung der Vorinstanzen, dass die vorverstorbene Nacherbin M. mit dem Ehemann der Erblasserin verwandt gewesen sei, ist die Beteiligte zu 2 im Rechtsbeschwerdeverfahren entgegengetreten. Das Nachlaßgericht wird seinen Schluß von der Namensgleichheit auf Verwandtschaft daher überprüfen müssen. Auf das eigentliche Motiv der Erblasserin für die Einsetzung der Nacherbin und der Ersatznacherbinnen haben die Vorinstanzen bisher allein aus dem übereinstimmenden Datum von Kaufvertrag und (erstem) Testament der Erblasserin und aus dem Umstand geschlossen, dass die Erblasserin in einer eidesstattlichen Erklärung den Kaufvertrag als “Schein-Vertrag” bezeichnet hat. Auch insoweit bestehen noch nicht ausgeschöpfte Ermittlungsmöglichkeiten. Es liegt nahe, die Beteiligte zu 2 und die Erwerberin des Grundstücks hierzu anzuhören. Letztere hatte bereits zu Lebzeiten der Erblasserin in dem Haus, mit dem das Grundstück bebaut ist, gewohnt; sie soll über die das Grundstück betreffenden Verhältnisse informiert gewesen sein.

4. Eine Entscheidung über die Erstattung von Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde unterbleibt. Es ist dem wieder mit der Sache befaßten Nachlaßgericht überlassen, ob es bei seiner neuerlichen Entscheidung, die hinsichtlich der Kosten nach § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG zu treffen ist, von einer Auferlegung der Kosten der Beschwerdeverfahren absehen oder die Kosten, die einem Beteiligten durch die Beschwerdeverfahren erwachsen sind, einem anderen Beteiligten auferlegen will (Keidel/Zimmermann FGIG 14. Aufl. § 13a Rn. 36 und 37).

Da auch Gerichtskosten nicht anfallen (§ 131 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 KostO), bedarf es keiner Festsetzung des Geschäftswerts der weiteren Beschwerde.

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