Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 05. Februar 1992 – BReg 1 Z 28/91 Erbscheinserteilung: Beschwerdeberechtigung bei Verschollenheit eines Verwandten der vorhergehenden Ordnung; Beweisanforderungen an Eigenhändigkeit und Testierwillen; Kostenerstattung durch mehrere unterlegene Beteiligte

Juni 16, 2019

Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 05. Februar 1992 – BReg 1 Z 28/91
Erbscheinserteilung: Beschwerdeberechtigung bei Verschollenheit eines Verwandten der vorhergehenden Ordnung; Beweisanforderungen an Eigenhändigkeit und Testierwillen; Kostenerstattung durch mehrere unterlegene Beteiligte
1. Beschwerdeberechtigt gegen die Erteilung eines Erbscheins ist ein Verwandter des Erblassers schon dann, wenn keine ernstlichen Zweifel daran bestehen, daß ein kriegsvermißter Verwandter einer vorhergehenden Ordnung den Erbfall nicht erlebt hat.
2. Zu den Beweisanforderungen hinsichtlich der Eigenhändigkeit eines Testaments und des Testierwillens des Erblassers.
3. Mehrere unterlegene Beteiligte haben die einem anderen Beteiligten zu erstattenden Kosten nicht als Gesamtschuldner, sondern zu gleichen Anteilen zu tragen.
1. Die äußere Form einer letztwilligen Verfügung, auch wenn sie sehr ungewöhnlich ist, ist nicht entscheidend. Es kann auch eine auf der Rückseite eines gebrauchten Briefumschlags gesetzte Erklärung als Testament angesehen werden. Auch der Aufbewahrungsort der Erklärung in einem Scheckheft spricht nicht gegen einen Testierwillen des Erblassers (vergleiche BayObLG München, 1991-06-11, BReg 1 Z 31/91, Rpfleger 1991, 355).
vorgehend LG München I, 31. Januar 1991, 16 T 19027/88
vorgehend AG München, 27. März 1991, 91 VI 9417/86

Gründe
I.
Die Erblasserin ist im Oktober 1986 im Alter von 84 Jahren verstorben. Für sie war am 29.8.1986 wegen der Folgen eines am 31.7.1986 erlittenen Schlaganfalls Pflegschaft angeordnet und als Pfleger der Beteiligte zu 1 ausgewählt worden. Er behauptet, ein Großneffe der Erblasserin zu sein. Aus der 1936 geschiedenen ersten Ehe der Erblasserin ist ein am 22.10.1924 geborener Sohn hervorgegangen, der im Zusammenhang mit den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs an der damaligen Ostfront vermißt wurde und beim Deutschen Roten Kreuz als Verschollener registriert ist. Er ist bis heute nicht für tot erklärt worden. Aus der Ehe der Erblasserin mit ihrem am 9.8.1972 verstorbenen zweiten Ehemann sind keine Kinder hervorgegangen. Die Beteiligten zu 2 bis 6 sind Abkömmlinge der Großeltern der Erblasserin. Sie kommen neben anderen Personen als gesetzliche Erbin in Betracht.
Der Nachlaß besteht aus einem Anwesen mit einem Verkehrswert von rund 1,6 Mio. DM, aus Bankguthaben in Höhe von rund 80.000 DM und einem Waldgrundstück, dessen Wert vom Landgericht auf 50.000 DM geschätzt wurde.
Der Beteiligte zu 1 beantragte beim Nachlaßgericht einen Alleinerbschein und stützte sich dabei auf ein handschriftlich verfaßtes Testament vom 15.11.1976 zu seinen Gunsten. Nachdem ein Sachverständiger festgestellt hatte, das Testament sei nicht in allen Teilen von der Erblasserin geschrieben worden, nahm der Beteiligte zu 1 seinen Erbscheinsantrag zurück. Mit der Begründung, er habe nun ein anderes Testament der Erblasserin gefunden, beantragte er mit Schriftsatz vom 13.4.1987 erneut einen Alleinerbschein. Bei dem vorgelegten Schriftstück handelt es sich um einen zurechtgeschnittenen Zettel im Ausmaß von ca. 17,5 mal 10 cm. Er ist in schwarzer Farbe wie folgt beschriftet:
Herrn K. zwei Bücherl neu
Freitag 1/2/4 Uhr 28.Februar
Das Datum ist in blauer Schrift durch die Jahreszahl 1986 ergänzt. Unter der Datumsangabe ist in violetter Farbe geschrieben:
…(= Beteiligter zu 1) ist mein Erbe
… (= Erblasserin)
Die Beteiligte zu 2 wandte ein, daß nur die beiden ersten Zeilen des Zettels von der Erblasserin geschrieben worden seien. Sie beantragte daher einen Erbschein “als gesetzlicher Erbe”. Das Nachlaßgericht holte das Gutachten eines Schriftsachverständigen ein, das dieser nach Vorlage weiteren Vergleichsmaterials ergänzte. Ferner vernahm es zwei Zeuginnen. Mit Beschluß vom 5.8.1988 lehnte das Nachlaßgericht den Antrag ab, “Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge zu erteilen”. Zur Begründung führte es aus, daß die gesetzliche Erbfolge durch Testament zugunsten des Beteiligten zu 1 ausgeschlossen sei. Der Zettel, in dem dieser als Erbe bezeichnet ist, stamme von der Erblasserin. Gegen diese Entscheidung haben der Beteiligte zu 4 und die Beteiligten zu 6 a und 6 b als Rechtsnachfolgerinnen ihrer am 3.10.1988 verstorbenen Mutter Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdekammer des Landgerichts hat durch die beauftragte Richterin die Beteiligten zu 1, 2, 4, 5, 6 a und 6 b angehört und drei Zeuginnen vernommen. Ferner hat es ein “Obergutachten” eines Schrift-Psychologen eingeholt, das dieser unter Einbeziehung weiteren Vergleichsmaterials ergänzt und erläutert hat. Mit Beschluß vom 31.1.1991 wies das Landgericht die Beschwerden zurück und ordnete an, daß die dem Beteiligten zu 1 im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten von den Beteiligten zu 4, 6 a und 6 b zu erstatten seien und daß diese “samtverbindlich” die Gerichtskosten zu tragen hätten. Den Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens setzte das Landgericht auf 650.000 DM fest.
Mit Beschluß vom 27.3.1991 bewilligte das Nachlaßgericht den vom Beteiligten zu 1 beantragten Erbschein. Eine Ausfertigung wurde seinen Verfahrensbevollmächtigten ausgehändigt.
Gegen den Beschluß vom 31.1.1991 richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 4 vom 24.4.1991. Der Beteiligte zu 1 beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Der Senat hat durch einstweilige Anordnung vom 8.5.1991 dem Beteiligten zu 1 aufgegeben, den Erbschein bis zum Abschluß des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu den Nachlaßakten zurückzugeben. Dieser Aufforderung ist der Beteiligte zu 1 nachgekommen.
II.
Die mit dem Ziel der Einziehung des erteilten Erbscheins zulässige weitere Beschwerde (vgl. BayObLGZ 1982, 236/239 m.w.Nachw.) ist nicht begründet.
1. Das Landgericht hat die Zurückweisung der Beschwerden gegen die Ablehnung des von der Beteiligten zu 2 gestellten Erbscheinsantrags im wesentlichen wie folgt begründet:
Die Beschwerden der Beteiligten zu 4, 6 a und 6 b seien zulässig. Sie seien gesetzliche Erben. Beschwerdeberechtigt sei jeder, der einen Erbscheinsantrag hätte stellen können. Die Rechtsmittel seien jedoch unbegründet, denn die Entscheidung des Nachlaßgerichts, aufgrund des Testaments vom 28.2.1986 sei die gesetzliche Erbfolge ausgeschlossen, sei zutreffend.
Das Testament sei von der Erblasserin eigenhändig geschrieben und unterschrieben. Davon sei die Beschwerdekammer aufgrund der Sachverständigengutachten in Verbindung mit anderen Umständen überzeugt. Zwar lasse eine Reihe von Umständen Zweifel an der Redlichkeit und Wahrheitsliebe des Beteiligten zu 1 aufkommen, so daß Anlaß bestehe, die Echtheit des Testaments einer besonders sorgfältigen Prüfung zu unterziehen. Der Beteiligte zu 1 habe insbesondere zu seiner Verwandtschaft mit der Erblasserin die Unwahrheit gesagt. Diesen Angaben komme aber für die Überzeugungsbildung hinsichtlich der Echtheit des Testaments keine wesentliche Bedeutung zu. Ein von vornherein nicht von der Hand zu weisender Verdacht, der Beteiligte zu 1 könnte die Urkunde gefälscht haben, werde jedoch zur Überzeugung der Beschwerdekammer durch die vorliegenden Schriftgutachten ausgeräumt, denen zufolge die Urheberschaft der Erblasserin “wahrscheinlich” sei. Zwar halte der “Obergutachter” in seinen ergänzenden Ausführungen deren Urheberschaft nur mehr mit “einiger Wahrscheinlichkeit” für gegeben, während er zunächst von einer “sehr hohen Wahrscheinlichkeit” ausgegangen sei. Das Ergänzungsgutachten vermeide jedoch die in den vorangegangenen Darlegungen enthaltenen Mängel. Es bestünden sonach keine begründeten Zweifel an der Sachkunde des Gutachters. Er habe sich eingehend mit den Vergleichsschriften auseinandergesetzt. Seine Ausführungen seien nachvollziehbar und überzeugten die Beschwerdekammer davon, daß der Sachverständige die ihm zugänglichen Erkenntnisquellen ausgeschöpft habe. Trotz des “relativ niedrigen Wahrscheinlichkeitsgrades” sei das Gericht davon überzeugt, daß das Testament von der Erblasserin stamme. Auf das Schriftbild habe sich ein Altersabbau der Erblasserin ausgewirkt, die zudem in den letzten Monaten vor ihrem Schlaganfall vergleichsweise wenig geschrieben habe. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, daß der Beteiligte zu 1 sämtliche schriftlichen Unterlagen der Erblasserin beseitigt und vernichtet habe. Für die Echtheit des Testaments sprächen zusätzliche Umstände. Die Tatsache, daß der Beteiligte zu 1 zunächst das Testament vom 15.11.1976 vorgelegt habe, müsse nicht gegen ihn sprechen und nicht darauf hinweisen, daß er für eine Fälschung habe Zeit gewinnen wollen. Das gelte auch dafür, daß er das Testament vom 28. 2.1986 erst fünf Monate nach dem Tod der Erblasserin vorgelegt habe. Seine Erklärung, es habe sich in einem Scheckheft befunden und sei von ihm zunächst übersehen worden, sei nicht unglaubhaft. Die Folgerung der Beschwerdeführer, die Erbeinsetzung auf einem bereits aus anderem Anlaß beschriebenem Blatt spreche für eine Fälschung, sei nicht zwingend. Zwar werde ein Fälscher darauf bedacht sein, einen Text möglichst kurz zu halten, um wenig Fehler zu machen. Andererseits werde er aber bestrebt sein, möglichst wenig Angriffspunkte zu liefern und deshalb ein auch in der äußeren Form völlig unauffälliges und den üblichen Vorstellungen entsprechendes Testament anfertigen. Auch einem Fälscher müsse sich die Frage aufdrängen, ob ein derart auffälliger Zettel als eine mit Testierwillen niedergelegte letztwillige Verfügung angesehen werden würde. Daß er ein solches Risiko eingehen würde, erscheine fernliegend. Die ungewöhnliche Form des Testaments verstärke daher eher die Wahrscheinlichkeit, daß es von der Erblasserin stamme. Es sei auch verständlich, daß die Erblasserin den Beteiligten zu 1 habe bedenken wollen, denn er habe für sie gearbeitet und ständigen Kontakt zu ihr unterhalten.
Bei dem Testament vom 28.2.1986 handle es sich um eine mit Testierwillen niedergelegte letztwillige Verfügung und nicht um einen bloßen Entwurf oder eine “Spielerei” der Erblasserin. Es enthalte alle für eine Erbeinsetzung erforderlichen Angaben. Zwar sei der verwendete Zettel seiner Form nach sehr ungewöhnlich. Die Erblasserin habe aber in ihren letzten Lebensjahren auf die äußere Form auch anderer wichtiger Schreiben nicht mehr besonders geachtet und sogar zusammengeklebte Zettel verwendet.
Es fehle auch an konkreten Anhaltspunkten für eine Testierunfähigkeit der Erblasserin. Die als sachverständig anzusehende Hausärztin der Erblasserin habe sich dahin geäußert, die Verstorbene sei bis zu ihrer Einweisung in das Krankenhaus “absolut” in der Lage gewesen, ein Testament zu verfassen und dessen Bedeutung zu überblicken.
Die Behauptungen der übrigen Beteiligten, das Testament sei unter Zwang errichtet worden, und die Erblasserin sei vom Beteiligten zu 1 “erpreßt” worden, seien in keiner Weise konkretisiert worden.
2. Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht die vom Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen nachzuprüfende (vgl. BayObLGZ 1986, 412/414 m.w.Nachw.) Zulässigkeit der von den Beteiligten zu 4, 6 a und 6 b eingelegten Erstbeschwerden bejaht.
a) Für die Bejahung der Beschwerdeberechtigung dieser Beteiligten genügte allerdings der Hinweis darauf nicht, daß diese einen Erbscheinsantrag hätten stellen können (vgl. BayObLG FamRZ 1990, 649/650 m.w.Nachw.; nunmehr auch KG Rpfleger 1990, 366/367), denn § 20 Abs.2 FGG gibt kein selbständiges Beschwerderecht, sondern stellt lediglich eine Einschränkung der Beschwerdebefugnis aus § 20 Abs. 1 FGG dar (vgl. BayObLGZ 1986, 412/415; Bassenge/Herbst FGG/RPflG 5. Aufl. § 20 FGG Anm.3). Eine Rechtsbeeinträchtigung im Sinn von § 20 Abs.1 FGG liegt aber nur dann vor, wenn die
Beschwerdeführer im Fall der Ungültigkeit des Testaments zugunsten des Beteiligten zu 1 gesetzliche Erben wären. Da sie jedoch der dritten Ordnung angehören (§ 1926 Abs.1 BGB), wären sie gemäß § 1930 BGB nicht berufen, falls der kriegsvermißte Sohn der Erblasserin als Angehöriger der ersten Ordnung (§ 1924 Abs.1 BGB) zur Zeit des Erbfalls gelebt hätte (§ 1923 Abs.l BGB). Hierzu hat das Landgericht keine Feststellungen getroffen. Die Beschwerdeberechtigung der Beteiligten zu 4, 6 a und 6 b konnte daher nicht mit der Begründung bejaht werden, sie seien gesetzliche Erben.
b) Dieser Rechtsfehler führt indessen nicht zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Denn nach den Feststellungen des Senats, zu denen das Rechtsbeschwerdegericht im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung der Erstbeschwerden befugt war (vgl. BayObLGZ 1984, 95/96 und 1986, 412/414; BayObLG NJW 1988, 714; Bassenge/Herbst § 27 FGG Anm. II 5 b aa), ist davon auszugehen, daß der Sohn der Erblasserin den Erbfall nicht erlebt hat.
aa) Nach der vom Beteiligten zu 1 vorgelegten Auskunft des Amtsgerichts München ist der Sohn der Erblasserin nicht für tot erklärt worden. Die hieran anknüpfende Lebensvermutung gemäß § 10 VerschG endete jedoch im Hinblick darauf, daß es sich um einen Kriegsvermißten handelt, gemäß Art. 2 § 2 Abs. 3 Satz 1 VerschÄndG am 31.12.1945 (vgl. MünchKomm/Leipold BGB 2.Aufl. Rn.9 Fn.4, BGB-RGRK/Kregel 12.Aufl. Rn.3, jeweils zu § 1923). Ist die Lebensvermutung abgelaufen, so wird sie nicht durch eine Todesvermutung ersetzt; es tritt vielmehr wieder der allgemeine Zustand der Ungewißheit über Leben oder Tod ein (vgl. BayObLGZ 1952, 129/131; Arnold Rpfleger 1957, 142/146).
bb) Es kann hier offenbleiben, ob die Voraussetzungen des § 1923 Abs.1 BGB bewiesen sein müßten, wenn es um einen Erbschein für den Sohn der Erblasserin ginge (vgl. Staudinger/Coing/Habermann BGB 12.Aufl. § 10 VerschG Rn.9; Staudinger/Otte Rn.10, BGB-RGRK/Kregel Rn.3, jeweils zu § 1923), oder wenn über die Erteilung eines Erbscheins an die Beschwerdeführer entschieden werden müßte. Steht jedoch die Beschwerdeberechtigung eines Erbprätendenten in Frage, der einer ferneren Ordnung als der Vermißte angehört, so reichen ernstliche Zweifel an dessen Fortleben aus. Solche liegen dann vor, wenn sein Tod für einen vernünftig Denkenden mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie sein Fortleben (vgl. BayObLGZ 1964, 17/20 m.w.Nachw.). Das ist hier der Fall. Der Sohn der Erblasserin wurde noch im Erbvertrag vom 15.12.1960 als “kriegsvermißt” bezeichnet, woraus sich ergibt, daß die Erblasserin bis zu diesem Zeitpunkt kein zuverlässiges Lebenszeichen erhalten hatte. Dies gilt auch für den Zeitpunkt des Nachtrags vom 6.4.1967, also fast 22 Jahre nach Kriegsende. Im Jahr 1978 hat die Erblasserin in einem Brief an die Beteiligte zu 2 geäußert, sie wisse nichts von ihrem Sohn. Im Hinblick darauf und auf das Gutachten des Deutschen Roten Kreuzes, wonach der Vermißte mit hoher Wahrscheinlichkeit im Frühjahr 1945 in sowjetische Gefangenschaft geraten und verstorben sei, kann es keinem ernstlichen Zweifel unterliegen, daß er den Erbfall nicht erlebt hat.
3. In der Sache läßt die Entscheidung des Landgerichts, der von der Beteiligten zu 2 beantragte Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge könne im Hinblick auf eine testamentarische Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1 (vgl. § 1937 BGB) nicht erteilt werden, keinen Rechtsfehler (§ 27 FGG, § 550 ZPO) erkennen.
a) Die Frage, ob ein als letztwillige Verfügung in Betracht kommendes Schriftstück vom Erblasser eigenhändig geschrieben und unterschrieben wurde und somit als formgültiges Testament angesehen werden kann (§ 2247 Abs.1 BGB), liegt auf tatsächlichem Gebiet (vgl. BayObLG DNotZ 1984, 47/48 f. und FamRZ 1986, 1043/1044; Senatsbeschluß vom 6.2.1991 BReg. 1 a Z 49/90 S.7). Die hierzu vom Gericht der Tatsacheninstanz getroffenen Feststellungen können im Verfahren der weiteren Beschwerde nur daraufhin überprüft werden, ob der Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt und damit gegen § 12 FGG verstoßen wurde, ob Vorschriften über die Form der Beweisaufnahme (§ 15 FGG) verletzt wurden und ob die Beweiswürdigung fehlerhaft ist. Diese darf nur in beschränktem Umfang nachgeprüft werden, nämlich ob das Beschwerdegericht alle wesentlichen Umstände berücksichtigt, nicht gegen gesetzliche Beweisregeln, gegen die Denkgesetze oder feststehende Erfahrungssätze verstoßen und ob es die Beweisanforderungen zu hoch oder zu niedrig angesetzt hat (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. BayObLG FamRZ 1990, 801/802). Derartige Rechtsfehler sind dem Landgericht nicht unterlaufen.
aa) Die Beschwerdekammer hat ihre Überzeugung, das Schriftstück aus dem Jahr 1986, in dem der Beteiligte zu 1 als “mein Erbe” bezeichnet ist, sei von der Erblasserin eigenhändig geschrieben und unterschrieben, im wesentlichen auf das “Obergutachten” des Sachverständigen A. gestützt. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Auch Sachverständigengutachten unterliegen der freien Beweiswürdigung (BayObLG FamRZ 1985, 314/315), die vom Gericht der weiteren Beschwerde nur auf Rechtsfehler überprüft werden kann (BayObLGZ 1986, 145/147 f.). Solche sind jedoch nicht erkennbar. Das Landgericht hat das Gutachten auf seinen sachlichen Gehalt sowie auf seine logische Schlüssigkeit überprüft (vgl. BayObLGZ 1982, 309/314) und sich mit den Feststellungen des Gutachters und dem von ihm verwendeten Vergleichsmaterial eingehend auseinandergesetzt. Das Gericht der Tatsacheninstanz darf von der Richtigkeit einer Tatsache auch dann überzeugt sein, wenn diese von einem Sachverständigen nur mit “hoher Wahrscheinlichkeit” für gegeben erachtet wird (vgl. BayObLG FamRZ 1985, 314/315). Andererseits braucht es einem Gutachter auch nicht zu folgen, wenn dieser eine Tatsache nur mit “einiger Wahrscheinlichkeit” für erwiesen ansieht (vgl. Senatsbeschluß vom 6.2.1991 aaO S.9). Stützt sich das Gericht auf ein solches Gutachten, so hält es sich im Rahmen der freien Beweiswürdigung, sofern die Gründe hierfür nachvollziehbar dargelegt sind. Das ist hier der Fall. In diesem Zusammenhang hat das Landgericht auch nicht seine Ermittlungspflicht (§ 12 FGG) verletzt. Die Voraussetzungen für die Einholung eines weiteren Gutachtens (§ 15 Abs.1 Satz 1 FGG, § 412 Abs.1 ZPO) brauchte es nicht für gegeben erachten (vgl. dazu BayObLG FamRZ 1989, 550 und 1990, 801/802 f., jeweils m.w.Nachw.).
bb) Das Landgericht hat das Verhalten des Beteiligten zu 1 in seine Überlegungen einbezogen und insbesondere gewürdigt, daß dieser nicht immer die Wahrheit gesagt habe. Wenn es diesem Umstand für seine Überzeugungsbildung keine wesentliche Bedeutung zugemessen hat, so hat es sich auch insoweit im Rahmen der freien Beweiswürdigung gehalten.
cc) Entgegen der Meinung des Rechtsbeschwerdeführers kann nicht festgestellt werden, daß das Landgericht wesentliche Umstände außer Betracht gelassen hätte. Die aus dem Verhalten des Beteiligten zu 1 gezogenen Schlüsse sind jedenfalls möglich; zwingend brauchen sie nicht zu sein (BayObLG FamRZ 1990, 1399/1400 und ständige Rechtsprechung des Senats). Äußerungen der Erblasserin Dritten gegenüber, sie beabsichtige bestimmte Personen als Erben einzusetzen und der Beteiligte zu 1 würde nichts bekommen, können zwar als Anzeichen für eine dahingehende Absicht der Erblasserin angesehen werden. Wenn das Landgericht demgegenüber den objektiven Befunden den Vorzug gegeben hat, so ist dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Personen und der Glaubhaftigkeit ihrer Bekundungen obliegt zudem dem Gericht der Tatsacheninstanz und ist der Nachprüfung des Rechtsbeschwerdegerichts grundsätzlich entzogen (vgl. BayObLG FamRZ 1977, 263/265).
dd) Das Landgericht hat auch nicht verkannt, daß die Feststellungslast für die Echtheit des Testaments den Beteiligten zu 1 trifft, der hieraus Rechte ableitet (vgl. BayObLG Rpfleger 1988, 67/68). Diese gewinnt aber erst dann Bedeutung, wenn ein wesentlicher Umstand nicht zu klären ist (vgl. BayObLGZ 1979, 256/261). Steht die Echtheit des Testaments wie hier zur Überzeugung des Gerichts fest, so spielt sie keine Rolle (Senatsbeschluß vom 6.2.1991 aaO S.10 f.).
b) Auch die Frage, ob eine niedergelegte Erklärung auf einem ernstlichen Testierwillen des Erblassers beruht und ob es sich nicht nur um den Entwurf einer letztwilligen Verfügung handelt, liegt auf tatsächlichem Gebiet, so daß auch die hierzu getroffenen Feststellungen der Tatsacheninstanzen nur auf Rechtsfehler überprüft werden können (vgl. BayObLG FamRZ 1989, 1124/1125 m.w.Nachw.). Solche liegen nicht vor. Das Landgericht hat berücksichtigt, daß der von der Erblasserin verwendete Zettel für ein Testament sehr ungewöhnlich ist. Die äußere Form einer letztwilligen Verfügung ist aber nicht entscheidend (Palandt/Edenhofer BGB 51.Aufl. § 2247 Rn.5). Es kann deshalb auch eine auf die Rückseite eines gebrauchten Briefumschlags gesetzte Erklärung als Testament angesehen werden (Senatsbeschluß vom 11.6.1991 BReg. 1 Z 31/91 – Rpfleger 1991, 355 LS). Auch der Aufbewahrungsort der Erklärung in einem Scheckheft spricht nicht gegen einen Testierwillen der Erblasserin (vgl. Senatsbeschluß vom 11.6.1991 aaO; Palandt/Edenhofer § 2255 Rn.3 m.w.Nachw.). Das vom Landgericht ohne Rechtsfehler festgestellte Verhalten der Erblasserin in den letzten Lebensjahren, nämlich dle Vernachlässigung der äußeren Form bei Schreiben an Dritte, läßt den Schluß zu, daß sie die Urkunde mit Testierwillen errichtet hat. Er ist, wie oben ausgeführt, aus Rechtsgründen nicht angreifbar. Da die letztwillige Verfügung inhaltlich vollständig ist, bestand kein Grund, der Frage weiter nachzugehen, ob das Schriftstück nicht doch nur ein Entwurf sein könnte (Senatsbeschluß vom 11.6.1991 aaO; vgl. auch KG FamRZ 1991, 486/488). Die Bezeichnung “Testament” oder dergleichen ist nicht erforderlich (Soergel/Harder BGB 12.Aufl. § 2247 Rn.9).
c) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht schließlich die Voraussetzungen einer Testierunfähigkeit der Erblasserin (§ 2229 Abs.4 BGB) und einer Testamentsanfechtung gemäß § 2078 BGB verneint. Hiergegen erhebt der Rechtsbeschwerdeführer keine Einwendungen, so daß weitere Ausführungen nicht veranlaßt sind.
4. Die Kostenentscheidung des Landgerichts ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, wenngleich über die Gerichtskosten nicht entschieden werden mußte; wer diese zu tragen hat, ergibt sich unmittelbar aus der Kostenordnung (vgl. Keidel/Zimmermann FGG 12.Aufl. Vorb. zu § 13 a Rn.20). Die Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten folgt aus § 13 a Abs.1 Satz 2 FGG. Zur Klarstellung ist zu bemerken, daß die Beteiligten zu 4, 6 a und 6 b jedoch nicht gesamtschuldnerisch haften, sondern zu gleichen Anteilen (Keidel/Zimmermann Rn.13, Jansen FGG 2.Aufl. Rn.25, Bassenge/Herbst Anm.2 c, jeweils zu § 13 a FGG). Da es eines besonderen Ausspruchs hierüber nicht bedarf (Keidel/Zimmermann aaO) und der Kostenbeamte diese gesetzliche Folge von Amts wegen zu beachten hat (Jansen aaO), war insoweit eine Änderung der landgerichtlichen Entscheidung nicht geboten.
Gemäß § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG hat der Beteiligte zu 4 die dem Beteiligten zu 1 im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen Kosten zu erstatten. Die übrigen Beteiligten sind hier nicht hervorgetreten.
5. Zutreffend hat das Landgericht den Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens auf 650.000 DM festgesetzt (§ 31 Abs.1 Satz 1, § 131 Abs.2, § 30 Abs.l KostO), denn die Beteiligten zu 4, 6 a und 6 b haben mit ihren Rechtsmitteln insgesamt 3/8 des Reinnachlasses (vgl. § 107 Abs.2 Satz 1 KostO) erstrebt (vgl. § 1926 Abs.1 und 5, § 1924 Abs.3 und 4 BGB), den das Landgericht zutreffend auf 1.730.000 DM geschätzt hat.
Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde ist demgemäß auf 216.250 DM festzusetzen, denn der Beteiligte zu 4 erstrebt als Rechtsbeschwerdeführer 1/8 des Reinnachlasses.
III.
Mit dieser Entscheidung endet die Wirksamkeit der einstweiligen Anordnung vom 8.5.1991, ohne daß es deren Aufhebung bedürfte (vgl. Keidel/Kuntze § 24 Rn.17).

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