Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 10. Juli 1979 – BReg 1 Z 28/79 Formmangel eines Testaments – Erbenfeststellung von Amts wegen

Juni 15, 2019

Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 10. Juli 1979 – BReg 1 Z 28/79
Formmangel eines Testaments – Erbenfeststellung von Amts wegen
In Bayern hat das Nachlaßgericht und – nach Beschwerdeeinlegung – das an seine Stelle tretende Beschwerdegericht die Erben von Amts wegen festzustellen und die Erbrechtslage auch im Hinblick auf zu erwartende Erbscheinsanträge anderer Beteiligter zu überprüfen.
Nimmt der Erblasser in einem eigenhändigen Testament hinsichtlich der Bezeichnung der als Erben eingesetzten Personen auf ein mit der Schreibmaschine geschriebenes Schriftstück Bezug (sog testamentum mysticum), so ist die Erbeinsetzung wegen Formmangels nichtig.
Im eigenhändigen Testament kann auf eine maschinenschriftliche Urkunde nur zur Erläuterung und Auslegung der eigenhändig geschriebenen letztwilligen Verfügung, nicht aber zum Zwecke der Bezeichnung der Erben Bezug genommen werden.
Gründe
I.
1. Am 13.4.1975 verstarb in B., seinem letzten Wohnsitz, der kaufmännische Angestellte J. B. (Erblasser) im Alter von 87 Jahren; er war verwitwet und kinderlos.
Als gesetzliche Erben der zweiten Ordnung kommen die Abkömmlinge des einzigen, 11 Jahre älteren, am 3.11.1945 verstorbenen Bruders des Erblassers in Betracht. Dies sind dessen Kinder, die Beteiligten zu 21) bis 24) sowie J. B. (der inzwischen verstorben sein soll) und dessen Enkel R. B. .
Gesetzliche Erben der dritten Ordnung (Abkömmlinge der verstorbenen Großeltern des Erblassers) wären die Beteiligten zu 14), 15) bis 20) und der verstorbene Vater der Beteiligten zu 15).
Der Nachlaß besteht im wesentlichen aus Sparguthaben.
2. Der Erblasser hinterließ folgende von ihm eigenhändig geschriebene und unterschriebene letztwillige Verfügungen, die am 22.4.1975 eröffnet wurden:
a)
“Testament
Nach meinem Tode setze ich die in der Beilage angeführten Erben ein.
Als Bevollmächtigten setze ich A. W., Neffe, (es folgt die Anschrift) ein.
Als Vertreter Herrn W., den gleichen Wohnort.
Für die Instandhaltung des Familien-Grabes sind DM 2.000,–/zweitausend bereit zu stellen.
P. am 18. August 1973
(Zuname und Vorname)”
b)
“P., den 30.1.1974
Nachtrag zu meinen letzten Verfügungen nach meinem Tode
In dem beigefügten Verzeichnis sind alle Erbberechtigten angeführt
Ich hatte auch einen 11 Jahre älteren Bruder mit Familie mit denen ich keinen Kontakt führte daher auch keine Erbfolge nach meinem Tode erfolgen kann. Nach meinem letzten Willen sind nur die im Verzeichnis angeführten Personen erbberechtigt
(Zuname und Vorname)”
Das “Verzeichnis” ist mit der Schreibmaschine geschrieben und vom Erblasser handschriftlich mit Zuname und Vornamen unterzeichnet. Es beginnt mit den Worten:
“P. den 10. August 1973
Beilage zum Testament Namens-Verzeichnis
der berechtigten Erben nach meinem Tode”
Sodann sind die Beteiligten zu 1) bis 13) mit Namen, Anschrift, Verwandtschaftsbezeichnung (Neffe, Nichte, Groß-Neffe, Groß-Nichte) aufgeführt. Es handelt sich hierbei um Verwandte der verstorbenen Ehefrau des Erblassers.
3. Mit Beschluß vom 6.6.1977 wies das Amtsgericht den Antrag des Beteiligten zu 1), der am 24.7.1975 das Amt des Testamentsvollstreckers angenommen hatte, auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses mit folgender Begründung zurück: Der Erblasser habe zwar in dem Testament vom 18.8.1973 Testamentsvollstreckung angeordnet. Da es jedoch in diesem Testament und in der maschinenschriftlichen Beilage vom 10.8.1973 an einer formgültigen Erbeinsetzung fehle und somit gesetzliche Erbfolge eingetreten sei, sei ein Bedürfnis für die Testamentsvollstreckung nicht mehr gegeben und die Einsetzung des Beteiligten A. W. als Testamentsvollstrecker gegenstandslos.
4. a) Das Amtsgericht vertrat mit Verfügungen vom 17.11.1975 und 6.6.1977 die Auffassung, daß der Bruder des Erblassers und dessen Abkömmlinge auf Grund des Testaments vom 30.1.1974 von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen seien. Es kündigte demgemäß mit Verfügung vom 7.7.1977 auf den Antrag der Beteiligten zu 14) vom 11./14.2.1977, dem sich die Beteiligte zu 17) angeschlossen hatte, falls nicht gegen die Verfügung innerhalb von 2 Wochen – bei Wohnsitz im Ausland innerhalb von vier Wochen Beschwerde eingelegt werde, die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins an, in dem bezeugt werde, daß der Erblasser von den Abkömmlingen seiner Großeltern beerbt worden sei, und zwar von
1) T. B. zu 1/2,
2) M. R. und L. W. zu je 2/24,
3) P. K. und C. M. zu je 1/24,
4) T. S. und A. G. zu je 3/24.
Gegen die Verfügung vom 7.7.1977 legten die Beteiligten zu 1) bis 13) Beschwerden ein, denen das Amtsgericht nicht abhalf. Der Beteiligte zu 1) erklärte auf Rückfrage, er habe die Beschwerde sowohl als Testamentserbe als auch als Testamentsvollstrecker eingelegt.
Die Beteiligte zu 14) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
Die Beteiligte zu 23) nahm ihren zunächst eingelegten “Einspruch” zurück. Die Beteiligten zu 21) und 22) machten auf den Hinweis der Beschwerdekammer, daß das Ausschlußtestament vom 30.1.1974 gem § 2085 BGB ebenfalls als nichtig angesehen werden könnte, Erbansprüche geltend.
b) Mit Beschluß vom 23.3.1979 wies das Landgericht die Beschwerden der Beteiligten zu 1) bis 13) zurück.
Dagegen richten sich die mit Anwaltsschriftsatz eingelegten weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 1) bis 13).
Die Beteiligten zu 21) bis 23) erklärten hierauf, daß bei Ungültigkeit der Erbeinsetzung sie sowie die übrigen Abkömmlinge ihres Vaters die nächsten Verwandten und damit gesetzliche Erben seien.
5. Unter dem 11.4.1979 verfügte das Amtsgericht die Erteilung des angekündigten Erbscheins; es übersandte am 12.4.1979 drei Ausfertigungen desselben den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 14).
II.
1. Die mit dem Ziel der Einziehung des inzwischen erteilten Erbscheins zulässigen (BayObLGZ 1957, 292/293; 1968, 268/269) weiteren Beschwerden haben zum Teil Erfolg.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 FGG, § 550 ZPO) nur zum Teil stand:
a) Die Ansicht der Vorinstanzen, die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1) bis 13) sei wegen Formmangels nichtig (§ 2247 Abs 1, § 125 Satz 1 BGB), ist rechtlich bedenkenfrei.
Gemäß § 2247 Abs 1 BGB muß das privatschriftliche Testament in seinem gesamten Wortlaut vom Erblasser eigenhändig geschrieben sein (BGH NJW 1958, 547; BGB-RGRK 12. Aufl, RdNr 7, Palandt BGB 38. Aufl Anm 2a, je zu § 2247 BGB). In der Rechtsprechung und im Schrifttum ist allgemein anerkannt, daß der Erblasser bei Errichtung eines eigenhändigen Testaments hinsichtlich des Inhalts (hier: Bezeichnung der Erben) nicht auf ein mit der Schreibmaschine geschriebenes Schriftstück Bezug nehmen kann (BayObLGZ 1973, 35/38f = DNotZ 1973, 630 mit Nachw; BGB-RGRK RdNr 7, Staudinger BGB 10./11. Aufl RdNrn 31/32, 58 bis 60; Soergel/Siebert BGB 10. Aufl RdNr 36, Erman BGB 6. Aufl RdNr 4, Palandt Anm 2a aa, Dittmann/Reimann/Bengel Testament und Erbvertrag RdNr 33, je zu § 2247 BGB; Kipp/Coing Erbrecht 13. Bearbeitung § 26 I 1 mit Fn 7; Brox Erbrecht 6. Aufl RdNr 124 aE; Schallhorn JurBüro 1974, 1365). Eine solche Bezugnahme ist nur zur Erläuterung (Palandt, Dittmann/Reimann/Bengel, je aaO), wegen der insoweit erhöhten Gefahr einer Fälschung oder Verfälschung der Maschinenschrift (vgl BGHZ 47, 68/70), aber keinesfalls zur inhaltlichen Bestimmung einer letztwilligen Verfügung zulässig.
Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, kann eine in Bezug genommene – als Testament unwirksame – maschinenschriftliche Urkunde zur Auslegung eines (formgültigen: BayObLGZ 1968, 311/315) Testaments mit herangezogen werden (vgl BGH NJW 1966, 201/202; FamRZ 1970, 192/193; RG WarnRspr 1938 Nr 51; BayObLGZ 32, 114/118). Die Auslegung muß allerdings eine, wenn auch noch so geringe, Grundlage in der eigenhändigen und somit formgültigen Erklärung des Erblassers haben (BGH LM § 133 BGB (B) Nr 1; BGH FamRZ 1962, 256f; BayObLGZ 1954, 27/36f; 1964, 6/12 mwN; KG FamRZ 1968, 217/218; OLG Stuttgart Rpfleger 1962, 442f; Johannsen WM 1972, 62; 1977, 270/273). Das ist aber hier, wie die Beschwerdekammer ohne Rechtsfehler ausgeführt hat, nicht der Fall. Der eigenhändig niedergeschriebene Wortlaut der beiden Testamente bietet für sich allein keinen brauchbaren Anhalt dafür, welche Personen oder auch nur welcher Personenkreis (etwa die Verwandten der Ehefrau des Erblassers: vgl RG WarnRspr 1938 Nr 51) Erben sein sollen; die Bestimmung der Person der Erben ist vielmehr ausschließlich der maschinenschriftlichen Beilage zu entnehmen, die nicht nur eine Erläuterung zur Bestimmung der Erben darstellt, sondern in der diese erst originär bezeichnet werden. Die Meinung der Rechtsbeschwerde, aus der eigenhändigen Niederschrift, insbesondere der Begründung der Enterbung des Bruders und dessen Abkömmlinge, ergebe sich, daß der Erblasser nur solche Personen als Erben habe einsetzen wollen, mit denen er zu Lebzeiten Kontakt gehabt habe, mag zutreffen; auch dieser Begründung für die negative Verfügung ist jedoch keine der Auslegung fähige Bezeichnung der in der Maschinenschrift Bedachten zu entnehmen, zumal diejenigen Personen, mit denen der Erblasser zu Lebzeiten Kontakt gehabt hat, nirgends positiv bestimmt sind.
Die maschinenschriftliche Beilage wurde ersichtlich eigens zu dem Zweck gefertigt, um zur Bezeichnung der Bedachten darauf verweisen zu können. Fehlt es aber, wie hier, in der eigenhändig geschriebenen Urkunde überhaupt an einer durch Auslegung ergänzungsfähigen und feststellbaren Bezeichnung der Bedachten und wird zur Vervollständigung des Testaments nach dieser Richtung auf eine besondere Schrift verwiesen, die eigens zum Zwecke der Vollendung der beabsichtigten Verfügung hergestellt ist und die somit gleich dem Testament selbst Verfügungscharakter an sich trägt, so ist dies keine gültige Erbeinsetzung, weil die letztwillige Verfügung ihrem gesamten Inhalt nach in der vom Gesetz vorgeschriebenen Form getroffen sein muß. In diesem Fall liegt ein sog testamentum mysticum vor, das der Gesetzgeber des Bürgerlichen Gesetzbuches (anders in älteren Rechten) bewußt nicht zugelassen hat (Motive V S 294) und das nach richtiger Meinung unwirksam ist (vgl die oben angeführte Rechtsprechung und Literatur, ferner: Kretschmar ZBlFG 14, 565/567ff; Goldmann LZ 1914 Sp 470f; teilw aA Hellmann LZ 1914 Sp 256f; offengelassen in BayObLGZ 32, 114/118f, da dort das handschriftliche Brieftestament selbst zusammen mit der Briefanschrift hinreichende Anhaltspunkte für die Bezeichnung des Bedachten enthielt und die formungültige Urkunde, auf die der Erblasser verwiesen hatte, zur Feststellung der Identität des Erben nur noch unterstützend mitherangezogen zu werden brauchte).
Schließlich bestehen auch keine rechtlichen Bedenken dagegen, daß das Landgericht die Bestellung des Beteiligten zu 1) zum “Bevollmächtigten” nicht als Erbeinsetzung (§ 1937, § 2087 Abs 1 BGB) angesehen hat.
b) Dagegen teilt der Senat nicht die Ansicht des Landgerichts, es habe auf die Beschwerden der Beteiligten zu 1) bis 13) als testamentarische Erbprätendenten nicht zu prüfen brauchen, ob der Inhalt des vom Amtsgericht angekündigten Erbscheins, soweit er die gesetzliche Erbfolge betreffe, richtig sei, ob also der Bruder des Erblassers und dessen Abkömmlinge wirksam von der Erbfolge ausgeschlossen (§ 1938 BGB) worden seien.
aa) Das Landgericht hat sich zur Begründung seiner Ansicht auf Jansen (FGG 2. Aufl § 20 RdNr 7) berufen. Inwieweit die von diesem vertretene Meinung für Erbscheinerteilungsverfahren außerhalb von Bayern maßgeblich ist, kann dahinstehen, denn während nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch die Ermittlung der Erben in der Regel Sache der Beteiligten ist und der Erbe vom Nachlaßgericht nur aus gewissen im Gesetz besonders bestimmten Anlässen, insbesondere im Fall eines Antrags auf Erteilung eines Erbscheins (§ 2353 BGB), ermittelt wird, haben die bayerischen Nachlaßgerichte den Erben stets von Amts wegen festzustellen, gleichgültig, ob es sich um eine gesetzliche Erbfolge oder um eine Erbfolge aufgrund einer Verfügung von Todes wegen handelt (§ 200 FGG, Art 3 BayNachlG, § 42 BayNachlO; vgl BayObLGZ 1968, 68/70f). Der Senat hat demgemäß in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß das Nachlaßgericht und auch das – im Falle der Beschwerde eines Beteiligten an dessen Stelle tretende (vgl BGHZ 24, 47/52; BayObLGZ 1953, 221/223f mwN) – Beschwerdegericht von Amts wegen festzustellen haben, wer Erbe geworden ist, und daß das Beschwerdegericht die Entscheidung des Nachlaßgerichts daher im Hinblick auf die Erbrechtslage in jeder Hinsicht nachzuprüfen hat (§§ 23, 25 FGG; vgl BayObLGZ 1958, 364/369f; 1963, 19/24f; 1968, 68/71; Senatsbeschlüsse vom 16.11.1978 – BReg 1 Z 107/78 und vom 8.2.1978 – BReg 1 Z 131/77). Diese Nachprüfungsbefugnis ist dem Beschwerdegericht, jedenfalls in Bayern, nicht auf Grund einer durch das Beschwerdeziel bestimmten Dispositionsmaxime der Beteiligten (so Jansen aaO aE) entzogen, da die Vorschrift des § 3 BayNachlG, nach welcher die Erben von Amts wegen festzustellen sind, in jeder Lage des Verfahrens, auch im Beschwerdeverfahren und Rechtsbeschwerdeverfahren, zu beachten ist. Ist bei Beschwerdeeinlegung der Erbschein erteilt, so kann mit der Beschwerde nur das Ziel der Einziehung des Erbscheins verfolgt werden. Das Erbscheinseinziehungsverfahren ist aber auch nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch ein Amtsverfahren (§ 2361 Abs 1, 3 BGB) der freiwilligen Gerichtsbarkeit, das (was Jansen aaO wohl nicht genügend berücksichtigt) von der Offizialmaxime beherrscht wird und in dem es das Verbot der reformatio in peius grundsätzlich nicht gibt (BayObLGZ 1956, 51/53; 1970, 89/92; 94/99 mit Nachw; KG NJW 1955, 229; OLG Bremen OLGZ 1977, 281/282; Keidel/Kuntze/Winkler § 19 FGG RdNrn 90ff; einschränkend Jansen § 25 FGG RdNr 10). Das Beschwerdegericht ist zwar nicht befugt, einen bereits erteilten unrichtigen Erbschein selbst einzuziehen (§ 2361 BGB); es muß aber, wenn es auf Grund der ihm nach Beschwerdeeinlegung von Amts wegen obliegenden umfassenden Prüfungspflicht (§ 2361 Abs 3 BGB, § 12 FGG; BGHZ 24, 47/52; BayObLGZ 1958, 364/369; Keidel/Kuntze/Winkler, § 25 FGG RdNr 2) zu der Auffassung gelangt, daß der Erbschein unrichtig ist, dessen Einziehung durch das Nachlaßgericht mit einer dieses bindenden Wirkung anordnen (BayObLGZ 1954, 71/74; 1960, 154/158; 407/411 mit Nachw). Dieses Ziel der Einziehung des – nach ihrer Ansicht unrichtigen – Erbscheins wird von den Beteiligten zu 1) bis 13) mit der Rechtsbeschwerde nunmehr primär verfolgt. Auch im Hinblick auf dieses schon in der Beschwerdeinstanz als möglich erkennbare Ziel konnte das Landgericht die Frage nicht offen lassen, ob der vom Nachlaßgericht angekündigte Erbschein aus anderen als den von den Beschwerdeführern vorgebrachten Gründen unrichtig ist. Denn die von dieser Frage mit betroffenen Beteiligten zu 20) bis 24) hatten sich zum Teil ausdrücklich auf ihr Erbrecht berufen und ein diesem entsprechender Erbscheinsantrag konnte von ihnen erwartet werden (vgl BayObLGZ 1963, 19/24f sowie die oben bezeichneten Senatsbeschlüsse vom 16.11.1978 und 8.2.1978); zudem beruhte der vom Amtsgericht angekündigte Erbschein auf der von ihm mit Verfügungen vom 17.11.1975 und 6.6.1977 ausgesprochenen Wirksamkeit der Enterbung.
bb) Auf der aufgezeigten Gesetzesverletzung kann die angefochtene Entscheidung beruhen. Wie schon der vorsorgliche Hinweis der Beschwerdekammer vom 11.10.1978 an die Beteiligten ergibt, hat sie zwar in Erwägung gezogen, daß das Ausschlußtestament vom 30.1.1974 gem § 2085 BGB ebenfalls nichtig sein könnte, wenn die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1) bis 13) ungültig ist, und demnach als gesetzliche Erben die Abkömmlinge des Bruders des Erblassers (Erben zweiter Ordnung: § 1925 BGB) vor den Abkömmlingen der Großeltern (Erben dritter Ordnung: § 1926 BGB) in Betracht kommen könnten; sie hat aber dann zu Unrecht angenommen, diese Frage nicht weiter prüfen zu brauchen. Sie wird nunmehr diese Prüfung nachzuholen haben. Die Entscheidung des Landgerichts muß daher in dem oben bezeichneten Umfang aufgehoben und die Sache insoweit an dieses Gericht zurückverwiesen werden. Zu einer eigenen Entscheidung ist der Senat insoweit schon deshalb nicht befugt, weil hierzu weitere Ermittlungen (§ 12 FGG) erforderlich erscheinen, die das Rechtsbeschwerdegericht nicht vornehmen darf.
Sollten die vom Landgericht durchzuführenden Ermittlungen ergeben, daß der Erblasser mit den im Erbschein genannten Erben dritter Ordnung ebensowenig oder gar noch weniger Kontakt gehabt hat wie mit den Erben der zweiten Ordnung, so könnte die Annahme gerechtfertigt sein, daß der Erblasser bei Kenntnis der Unwirksamkeit der Erbeneinsetzung die gesetzlichen Erben zweiter Ordnung nicht von der Erbfolge habe ausschließen wollen mit der Folge, daß die gesetzlichen Erben dritter Ordnung Erben werden, und daß sonach die Enterbung nach § 2085 BGB unwirksam ist. Erachtet es das Beschwerdegericht für zweifelhaft, ob die dem erteilten Erbschein zugrunde liegende Auffassung, daß die Enterbung der Verwandten der zweiten Ordnung wirksam sei, richtig ist, so hat es unter Vornahme der erforderlichen Aufklärung selbst endgültig darüber zu befinden, ob der Erbschein unrichtig ist (BGHZ 40, 54ff; BayObLGZ 1966, 233/234/236; OLG Frankfurt Rpfleger 1973, 95). Kommt es zu dem Ergebnis der Unrichtigkeit des Erbscheins, so wird es entsprechend dem mit den Beschwerden nunmehr zunächst verfolgten Ziel die Einziehung des Erbscheins durch das Nachlaßgericht anzuordnen haben. Vor seiner Entscheidung wird es unter Umständen eine einstweilige Anordnung nach § 24 Abs 3 FGG in Betracht zu ziehen haben (Keidel/Kuntze/Winkler § 24 FGG RdNr 14a mwN).
c) Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Landgerichts, die Einsetzung des Beteiligten zu 1) als Testamentsvollstrecker sei gem § 2085 BGB unwirksam. Nach dieser Vorschrift hat die Unwirksamkeit einer von mehreren in einem Testament enthaltenen Verfügungen (hier: Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1) bis 13) die Unwirksamkeit der übrigen Verfügungen nur zur Folge, wenn anzunehmen ist, daß der Erblasser diese ohne die unwirksame Verfügung nicht getroffen haben würde. Die Ausführungen des Landgerichts, wonach seine Auslegung der letztwilligen Verfügung vom 18.8.1973 ergebe, daß der Beteiligte zu 1) nur für den Fall der gewillkürten Erbfolge als Testamentsvollstrecker bzw Bevollmächtigter bestellt werden sollte, sind frei von Rechtsfehlern. Diese tatrichterliche Würdigung ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nur dahin nachprüfbar, ob der Tatrichter den maßgebenden Sachverhalt ausreichend erforscht (§ 12 FGG), bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (§ 25 FGG) und hierbei nicht gegen Denkgesetze und feststehende (zwingende) Erfahrungssätze verstoßen hat. Mit der Rechtsbeschwerde kann aber nicht geltend gemacht werden, daß die tatsächlichen Folgerungen der Tatrichter nicht die einzig möglichen, nicht schlechthin zwingend sind; es kann auch nicht beanstandet werden, daß eine andere Schlußfolgerung ebenso nahe oder noch näher gelegen hätte (BGH FamRZ 1972, 561/562; BayObLGZ 1976, 67/75f; 1971, 147/154; Keidel/Kuntze/Winkler RdNrn 42/47, Jansen RdNrn 19, 21 je zu § 27 FGG und je mwN).
Die landgerichtliche Entscheidung läßt in dieser Richtung keinen Rechtsfehler erkennen; ein solcher wird auch von der Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt.
Soweit somit der Beteiligte zu 1) die weitere Beschwerde auch in seiner Eigenschaft als (vermeintlicher) Testamentsvollstrecker eingelegt hat, ist das Rechtsmittel unbegründet und daher zurückzuweisen. Denn, da er nicht Testamentsvollstrecker ist, hat er als solcher kein materiellrechtliches Interesse an der Einziehung eines Erbscheins, der wegen des fehlenden Testamentsvollstreckervermerks oder/und einer falschen Erbenbezeichnung unrichtig sein könnte (Jansen § 20 FGG RdNr 7 bei Fn 32).

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