Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 10. März 1993 – 1Z BR 82/92 Wirksamkeit eines Testaments: Testierunfähigkeit bei chronischem Alkoholmißbrauch; erneute Inkraftsetzung eines Testaments durch Widerruf einer späteren letztwilligen Verfügung; Erbeinsetzung unter auflösender Bedingung

April 6, 2019

Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 10. März 1993 – 1Z BR 82/92
Wirksamkeit eines Testaments: Testierunfähigkeit bei chronischem Alkoholmißbrauch; erneute Inkraftsetzung eines Testaments durch Widerruf einer späteren letztwilligen Verfügung; Erbeinsetzung unter auflösender Bedingung
1. Zur Testierfähigkeit bei chronischem Alkoholmißbrauch.
2. Zur erneuten Inkraftsetzung eines Testaments durch Widerruf einer damit in Widerspruch stehenden späteren letztwilligen Verfügung.
3. Erbeinsetzung unter der auflösenden Bedingung, daß die bedachte Stieftochter nicht den Pflichtteil am Nachlaß ihrer vorverstorbenen Mutter beansprucht.
1. Auch dann, wenn ein Erblasser schwerer Alkoholiker war, gilt der Grundsatz, daß er solange als testierfähig anzusehen ist, wie nicht die Testierunfähigkeit zur Gewißheit des Gerichts feststeht, dh es bleibt bei dem Grundsatz, daß die Störung der Geistestätigkeit die Ausnahme bildet (Anschluß BayObLG München, 1989-08-03, BReg 1 a Z 56/88, BayObLGZ 1989, 327). Will das Gericht die Voraussetzungen des BGB § 2229 Abs 4 bejahen, ist in aller Regel ein psychiatrisches Sachverständigengutachten erforderlich (Anschluß BayObLG München, 1990-07-05, BReg 1 a Z 26/90, FamRZ 1990, 1405). Es ist nicht rechtsfehlerhaft, gestützt auf ein entsprechendes Gutachten, die Testierfähigkeit eines alkoholkranken Erblassers zu bejahen, auch wenn er ca 2 Wochen nach der Abfassung des Testaments wegen schwerem Alkoholismus in ein Krankenhaus eingeliefert und dort als geschäftsunfähig beurteilt worden ist; die Beurteilung im Zeitpunkt der Einlieferung läßt keinen Rückschluß auf den geistigen Zustand im Zeitpunkt der Testamentserrichtung zu. Die Annahme der Testierunfähigkeit käme nur in Betracht, wenn sich der Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung im Zustand des Vollrausches oder des Deliriums befunden hätte; enthält dahingehend sichere Hinweise (hier sachlicher Inhalt, gleichmäßige Schriftzüge und parallele Zeilen des Testamentstextes), ist eine Testierunfähigkeit nicht nachgewiesen.
2. Ein Erblasser kann ein Testament durch einen Ungültigkeitsvermerk wirksam widerrufen. Dies hat zur Folge, daß ein früheres Testament erneut in Kraft gesetzt wird.
3. Ordnet der Erblasser an, seine Stieftochter solle den ihr zugedachten Bruchteil des Nachlasses nur bekommen, wenn sie nicht den Pflichtteil am Nachlaß ihrer vorverstorbenen Mutter in Anspruch genommen hat, kann diese Anordnung als Verwirkungsklausel ausgelegt werden. Die Erbeinsetzung stand somit unter einer auflösenden Bedingung. Gegen die Zulässigkeit einer solchen Regelung bestehen keine rechtlichen Bedenken.
vorgehend LG Nürnberg-Fürth, 25. Juni 1992, 13 T 1521/92
vorgehend AG Nürnberg, 18. Dezember 1991, VI 1168/90
Gründe
I.
Der Erblasser war zweimal verheiratet gewesen. Die Beteiligten zu 1 und 2 sind seine Kinder aus der ersten, im Jahr 1960 geschiedenen Ehe. Seine zweite Ehefrau ist am 9.3.1986 vorverstorben; aus ihrer ersten Ehe ist die Beteiligte zu 3 hervorgegangen.
Der Erblasser wurde erstmals am 21.6.1986 wegen chronischem Alkoholismus in einem Fachkrankenhaus für Psychiatrie aufgenommen und behandelt. Von da an bis zu seinem Tod war er wiederholt wegen Alkoholmißbrauchs in geschlossenen Anstalten untergebracht. Seit 15.7.1986 bestand für ihn eine Gebrechlichkeitspflegschaft.
Der Erblasser hat mehrere letztwillige Verfügungen hinterlassen. Mit notariellem Ehe- und Erbvertrag vom 8.3.1973 haben der Erblasser und seine zweite Ehefrau sich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und angeordnet, daß nach dem Tod des Letztversterbenden die Tochter des Ehemanns aus der ersten Ehe (Beteiligte zu 1) sowie die Tochter der Ehefrau aus der ersten Ehe (Beteiligte zu 3) je zur Hälfte Erben werden sollten. Ferner haben die Vertragsteile bestimmt, daß der überlebende Ehegatte jederzeit berechtigt sein solle, die für den zweiten Todesfall getroffenen Bestimmungen einseitig abzuändern oder aufzuheben.
Ein vom Erblasser eigenhändig geschriebenes und unterzeichnetes Testament ist auf den 7.6.1986 datiert und hat folgenden Wortlaut:
“Mein letzter Wille!
Ich … verfüge im Falle meines Todes folgendes:
1/8 meines Vermögens bekommt mein Sohn … (Beteiligter zu 2)
1/4 “meine Stieftochter … (Beteiligte zu 3)
1/4 aber nur, wenn sie den Pflichtteilsanspruch ihrer Mutter noch nicht in Anspruch genommen hat. Den Rest meines Vermögen bekommt mit der Auflage meine Wohnung aufzulösen und meinen Nachlaß zu regeln meine Tochter … (Beteiligte zu 1). Hiermit lösche ich die Ehe und Erbschaftvertrag von 1973 auf.”
In der mit blauem Kugelschreiber niedergeschriebenen Urkunde hatte der Erblasser bei den die Beteiligte zu 3 betreffenden Verfügungen ursprünglich jeweils die Zahl “8” eingesetzt. Er hat mit rotem Stift diese Zahlen in “4” geändert und seinen Namenszug hinzugesetzt. Nach der Unterschrift des Erblassers folgt ein von der Beteiligten zu 1 geschriebener und unterzeichneter Zusatz. Er lautet:
“Dieses Testament wurde in meinem Beisein geschrieben. Ich bestätige, daß mein Vater im Vollbesitz seiner geistigen und körperlichen Kräfte war.”
Der Text eines weiteren handschriftlichen Testaments vom 20.12.1986 ist mehrfach kreuz und quer durchgestrichen. Darunter folgt der vom Erblasser unterzeichnete Zusatz: “ungültig 2.7.87”.
Beim Nachlaßgericht hat die Beteiligte zu 1, zugleich in Vertretung ihres Bruders, einen Erbschein des Inhalts beantragt, daß der Erblasser aufgrund des Testaments vom 7.6.1986 von ihr zu 7/8 und vom Beteiligten zu 2 zu 1/8 beerbt worden sei. Dazu hat sie vorgetragen, die Beteiligte zu 3 habe den Pflichtteilsanspruch am Nachlaß ihrer Mutter geltend gemacht und sei daher als Erbin ihres Stiefvaters ausgeschieden. Die Beteiligte zu 3 hat erklärt, sie widersetze sich der Ausstellung eines Erbscheins, in dem sie nicht als Miterbin zu 1/2 ausgewiesen werde. Das Testament vom 7.6.1986 sei vom Erblasser im Zustand alkoholbedingter Geschäftsunfähigkeit verfaßt worden und daher unwirksam. Im übrigen sei sie durch dieses Testament nicht von der Erbfolge ausgeschlossen, vielmehr solle sie ein Viertel uneingeschränkt und ein weiteres Viertel mit der Einschränkung erhalten, daß sie den Pflichtteil am Nachlaß ihrer Mutter nicht in Anspruch genommen habe. Auf diesen Pflichtteil habe sie lediglich eine Abschlagszahlung erhalten und im übrigen verzichtet.
Das Nachlaßgericht hat die Nachlaßakten der vorverstorbenen zweiten Ehefrau sowie die den Erblasser betreffenden Unterbringungs- und Pflegschaftsakten beigezogen. Zur Testierfähigkeit des Erblassers hat es ein Gutachten des B., leitender Oberarzt einer psychiatrischen Klinik mit Poliklinik eingeholt sowie Äußerungen zweier Hausärzte des Erblassers. Die Beteiligte zu 1 ist mündlich angehört worden. Durch Beschluß vom 18.12.1991 hat das Nachlaßgericht die Erteilung des von der Beteiligten zu 1 beantragten Erbscheins angekündigt. Die Beteiligte zu 3 hat Beschwerde eingelegt, die vom Landgericht am 25.6.1992 zurückgewiesen worden ist. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3, der die Beteiligten zu 1 und 2 entgegentreten.
II.
Die weitere Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Das Testament vom 7.6.1986 sei wirksam. Der Erblasser sei zwar rund zwei Wochen nach seiner Abfassung wegen schwerem Alkoholismus in ein Bezirkskrankenhaus eingeliefert und dort als geschäftsunfähig beurteilt worden. Aus seinem Zustand am 21.6.1986 könne aber nicht auf den Zustand bei der Testamentserrichtung geschlossen werden. Der Erblasser habe zwar in den Monaten vor seiner Einlieferung exzessiv Alkohol getrunken, die Anhörung seiner Tochter habe jedoch keine Anhaltspunkte für eine Trunkenheit am Tag der Testamentserrichtung ergeben. Am 15.7.1986 sei für den Erblasser Gebrechlichkeitspflegschaft angeordnet worden. In der Folgezeit habe sich der Vorgang wiederholt, daß die Behandlung im Bezirkskrankenhaus zu einer Besserung und Erholung geführt habe, der Erblasser sich nach seiner Entlassung oder bei Ausgängen wieder Alkohol beschafft habe und in Kürze ein schwerer Rückfall mit erneuter Behandlungsbedürftigkeit eingetreten sei. Im Jahr 1988 sei der Erblasser vom Sachverständigen B. bereits psychiatrisch begutachtet worden. Damals sei auch ein psychologisches Gutachten eingeholt worden. Beide Gutachten hätten gezeigt, daß der Erblasser bezüglich seines Alkoholismus uneinsichtig gewesen sei und geschäftsunfähig hinsichtlich seiner Krankheit und ihrer Behandlung. Im übrigen habe er sich damals als durchaus geschäftsfähig erwiesen. Im Nachlaßverfahren habe B. bestätigt, daß der Erblasser hinsichtlich seiner Vermögensangelegenheiten nicht geschäftsunfähig gewesen sei. Seine Testierunfähigkeit käme daher nur in Frage, wenn sich der Erblasser bei Abfassung des Testaments in einem Vollrausch befunden hätte. Aus der Sicht des Psychiaters enthalte weder die Form noch der Inhalt des Testaments sichere Hinweise darauf; der Inhalt sei sachlich, die Schriftzüge gleichmäßig, die Zeilen parallel.
Die behandelnde Ärztin W. habe für den 7.6.1986 keine Anhalt für eine Geschäftsunfähigkeit des Erblassers gesehen. Der Arzt H. habe sich für die Zeit ab 15.10.1986 entsprechend geäußert.
Das Testament selbst lasse zwar Konzentrationsschwächen bezüglich Orthographie, Buchstabenform und in geringerem Maß auch im Ausdruck erkennen. Jedoch seien die Zeilen eingehalten und der Gesamteindruck der Schrift sei gleichmäßig. Das Testament wirke als Ausdruck eines individuellen, von den Neigungen und Anschauungen des Erblassers geprägten Willens: Erbin solle die eigene Tochter sein, der Sohn werde wegen der bei ihm aufgetretenen Schwierigkeiten nur mit einem geringen Bruchteil bedacht und die Stieftochter solle zunächst ebensoviel wie der Sohn, nach der Änderung aber 1/4 erhalten. Die Klausel über die Inanspruchnahme des Pflichtteils sei damit zu erklären, daß das Nachlaßgericht dem Erblasser die Niederschrift über die Nachlaßverhandlung seiner Ehefrau übersandt hatte, worin die Beteiligte zu 3 auf ihr Pflichtteilsrecht von 1/4 des Nachlaßwertes hingewiesen worden sei. Möglicherweise habe die Beteiligte zu 3 auch schon mit ihrem Stiefvater über ihren Pflichtteilsanspruch gesprochen gehabt, da sie diesen am 23.6.1986 mittels Anwaltsschreibens geltend gemacht habe.
Insgesamt sei eine Testierunfähigkeit des Erblassers nicht nachgewiesen. Da es auf die Testierfähigkeit am Tag der Testamentserrichtung ankomme, seien weitere Aufklärungsmöglichkeiten nicht ersichtlich. Die pauschalen Behauptungen der Beteiligten zu 3 über das Verhalten des Erblassers im Rausch oder Entzugsdelirium rechtfertigten keine weiteren Ermittlungen. Entscheidend seien die Angaben der Beteiligten zu 1, wonach ihr Vater bei der Errichtung des Testaments nicht betrunken gewesen sei und es aus eigenem Entschluß ohne sie zu fragen niedergeschrieben habe. Der Inhalt des Testaments spreche auch dafür, daß es sich um die persönlichen Entscheidungen des Erblassers handle.
Eine Testierunfähigkeit des Erblassers sei auch für das Testament vom 20.12.1986 und dessen Widerruf vom 2.7.1987 nicht anzunehmen. Jedenfalls für den 2.7.1986 sei die Testierfähigkeit nicht auszuschließen. Der Erblasser sei aufgrund eines vormundschaftsgerichtlichen Beschlusses vom 11.6.1987 in einem geschlossenen Heim untergebracht gewesen. Er habe sich dort so gut erholt. daß er schon nach etwa zwei Wochen in eine offene Abteilung habe verlegt werden können. Laut Schreiben seines Pflegers vom 9.7.1987 habe er sich klar artikulieren können.
Die Beteiligte zu 3 habe ihren Pflichtteilsanspruch geltend gemacht und sei daher nicht Erbin geworden. Insoweit werde auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts verwiesen.
2. Die landgerichtliche Entscheidung ist frei von Rechtsfehlern (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO).
a) Das Landgericht hat festgestellt, das Testament vom 7.6.1986 sei nicht gemäß § 2229 Abs. 4 BGB unwirksam, denn dem Erblasser habe bei seiner Errichtung nicht die Testierfähigkeit gefehlt. Dabei ist es zutreffend davon ausgegangen, daß ein Erblasser solange als testierfähig anzusehen ist, als nicht die Testierunfähigkeit zur Gewißheit des Gerichts feststeht, denn es gilt der Grundsatz, daß die Störung der Geistestätigkeit die Ausnahme bildet (BayObLGZ 1989, 327/329 m.w.Nachw.). Die Frage, ob die Voraussetzungen der Testierfähigkeit gegeben sind, liegt im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet. Das Gericht der weiteren Beschwerde darf die Tatsachenwürdigung des Landgerichts nur in beschränktem Umfang, nämlich auf Rechtsfehler, nachprüfen. Derartige Fehler sind dem Landgericht nicht unterlaufen.
aa) Dem Landgericht lag das Gutachten eines Professors für Psychiatrie vor. Ein Gutachten ist in aller Regel notwendig, wenn das Gericht die Voraussetzungen des § 2229 Abs. 4 BGB bejahen will (BayObLG FamRZ 1990, 1405/1406 m.w.Nachw.). Das Landgericht ist dem Gutachten aufgrund eigener Würdigung gefolgt. Es hat die Ausführungen des Sachverständigen erkennbar auf ihren sachlichen Gehalt, ihre logische Schlüssigkeit und daraufhin überprüft, ob der Sachverständige von dem Sachverhalt ausgegangen ist, den das Landgericht selbst für erwiesen erachtet hat (BayObLGZ 1982, 309/314 m.w.Nachw.). Das Gutachten weist keine Mängel und Widersprüche auf. Der Sachverständige hat die beigezogenen Akten ausgewertet und insbesondere auch die Erkenntnisse berücksichtigt, die er im Jahr 1988 bei seiner persönlichen Untersuchung und Begutachtung des Erblassers im Pflegschaftsverfahren gewonnen hatte. Zum Ergebnis der weiteren Ermittlungen des Nachlaßgerichts hat der Sachverständige in einem Ergänzungsgutachten Stellung genommen. Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler davon abgesehen, ein weiteres Gutachten einzuholen (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 FGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Von den Voraussetzungen für eine solche Maßnahme (vgl. BayObLG FamRZ 1990, 801/802 f.) brauchte es nicht auszugehen.
bb) Das Beschwerdegericht hat sich eingehend mit der äußeren Form und dem sachlichen Inhalt des Testaments vom 7.6.1986 auseinandergesetzt. Es hat dabei keine Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit des Erblassers bei der Testamentserrichtung feststellen können. Diese Tatsachenwürdigung kann vom Gericht der weiteren Beschwerde nur beschränkt, nämlich auf Rechtsfehler, nachgeprüft werden (BayObLGZ 1989, 327/329 m.w.Nachw.). Derartige Fehler sind dem Landgericht nicht unterlaufen. Das Vorbringen der Beteiligten zu 3 läuft auf den Versuch hinaus, ihre eigene Würdigung der Testamentsurkunde an die Stelle derjenigen des Landgerichts zu setzen. Dies muß wegen § 27 Abs. 1 FGG, § 561 Abs. 2 ZPO erfolglos bleiben.
cc) Das Landgericht hat auch nicht wesentliche Umstände außer Betracht gelassen. Es hat die Tatsache gewürdigt, daß der Erblasser nur zwei Wochen nach der Testamentserrichtung in sehr schlechtem Allgemeinzustand in ein Bezirkskrankenhaus eingeliefert worden ist. Das Beschwerdegericht hat auch das Vorbringen der Beteiligten zu 3 berücksichtigt, wonach der Erblasser schon in der Zeit vor seiner Einlieferung in schlechter Verfassung gewesen sei und die Wohnung verunreinigt habe. Im Rahmen der Beweiswürdigung hat das Landgericht diesem Vorbringen geringeres Gewicht beigemessen als dem von der Beteiligten zu 1 geschilderten Verhalten des Erblassers bei der Niederschrift des Testaments. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
(1) Soweit die Beteiligte zu 3 nunmehr geltend macht, der Erblasser habe sich insbesondere auch am 7.6.1986 in einem sehr schlechten Allgemeinzustand befunden und seine Wohnung verunreinigt, trägt sie neue Tatsachen vor, die im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht berücksichtigt werden können (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 561 Abs. 1 ZPO; Jansen FGG 2. Aufl. Rn. 38, Keidel/Kuntze FGG 13. Aufl. Rn. 43, Bassenge/Herbst FGG/RPflG 6. Aufl. Anm. II 5 a, jeweils zu § 27 FGG).
(2) Das Landgericht brauchte den Umstand nicht zu würdigen, daß der Erblasser am 19.8.1988 gegenüber dem Sachverständigen B. erklärt hatte, er habe noch kein Testament errichtet. Eine solche Äußerung kann auf unterschiedlichen Ursachen oder Beweggründen beruhen. Sie läßt nicht den Schluß zu, daß der Erblasser bei der Errichtung des Testaments vom 7.6.1986 oder der späteren letztwilligen Verfügungen testierunfähig gewesen sei.
b) Das Landgericht hat eine Testierunfähigkeit auch für den 20.12.1986 verneint, als der Erblasser ein weiteres eigenhändiges Testament errichtete und darin sein Vermögen neu aufteilte, sowie für den 2.7.1987, als er das Testament vom 20.12.1986 für ungültig erklärte. Auch dies ist frei von Rechtsfehlern. Das Landgericht hat auch insoweit dem Grundsatz Rechnung getragen, daß ein Erblasser solange als testierfähig anzusehen ist, als nicht die Testierunfähigkeit zur vollen Gewißheit des Gerichts nachgewiesen ist (BayObLGZ 1989, 327/329 m.w.Nachw.). Auch die Rechtsbeschwerde bringt hiergegen nichts vor.
c) Im übrigen hat das Landgericht sich die Ausführungen des Nachlaßgerichts zu eigen gemacht, wonach der Erblasser das Testament vom 20.12.1986 durch den Ungültigkeitsvermerk vom 2.7.1987 widerrufen habe. Dies entspricht der Regel des § 2255 BGB (vgl. Palandt/Edenhofer BGB 52. Aufl. § 2255 Rn. 6). Zutreffend haben die Vorinstanzen angenommen, daß der Erblasser durch den Widerruf der späteren letztwilligen Verfügung das Testament vom 7.6.1986 erneut in Kraft gesetzt hat (§ 2257, 2258 Abs. 2 BGB).
d) Das Nachlaßgericht hat in seinem Vorbescheid die Erteilung des von der Beteiligten zu 1 beantragten Erbscheins angekündigt, wonach der Erblasser aufgrund des Testaments vom 7.6.1986 von der Beteiligten zu 1 zu 7/8 und vom Beteiligten zu 2 zu 1/8 beerbt worden sei. Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht diese Entscheidung bestätigt, als es die Beschwerde der Beteiligten zu 3 zurückwies.
aa) Das Nachlaßgericht, auf dessen Ausführungen das Beschwerdegericht verweist, hat festgestellt, der Erblasser sei durch den Ehe- und Erbvertrag vom 8.3.1973 nicht in seiner Testierfähigkeit beschränkt gewesen, weil die Vertragschließenden in § 4 der Urkunde dem Überlebenden das Recht eingeräumt hätten, die für den zweiten Todesfall getroffenen Bestimmungen einseitig abzuändern oder aufzuheben. Dies ist frei von Rechtsfehlern. Die Parteien eines Erbvertrags können sich im Vertrag selbst das Recht vorbehalten, anders als im Vertrag vorgesehen und abweichend von diesem zu testieren (BayObLG FamRZ 1991, 1359/1360 m.w.Nachw.; Palandt/Edenhofer § 2289 Rn. 3).
bb) Bei der Auslegung der die Beteiligte zu 3 betreffenden Verfügungen des Testaments vom 7.6.1986 hat das Landgericht sich dem Nachlaßgericht angeschlossen und ohne Rechtsfehler festgestellt, die Beteiligte zu 3 sei nicht Erbin geworden.
(1) Die Anordnung des Erblassers, die Beteiligte zu 3 solle den ihr zugedachten Bruchteil des Nachlasses nur bekommen, wenn sie “den Pflichtteilsanspruch ihrer Mutter noch nicht in Anspruch genommen hat”, ist von den Vorinstanzen als Verwirkungsklausel ausgelegt worden. Diese Auslegung ist nicht nur möglich, sondern naheliegend. Gegen die Zulässigkeit einer solchen Bestimmung, mit der der Erblasser die Verwirklichung seines letzten Willens sichern will, bestehen keine rechtlichen Bedenken (BayObLGZ 1962, 47/56; Palandt/Edenhofer § 2074 Rn. 6 und 7).
(2) Damit stand die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 3 unter der auflösenden Bedingung (§ 2075 BGB; vgl.BGH FamRZ 1993, 179; BayObLGZ 1990, 58/60; Palandt/Edenhofer § 2074 Rn. 8), daß sie den ihr nach dem Tod ihrer Mutter gemäß § 2303 Abs. 1 BGB zustehenden Pflichtteilsanspruch nicht geltend machte. Den Feststellungen des Nachlaßgerichts zufolge hat die Beteiligte zu 3 im Jahr 1986 den Pflichtteil verlangt und darauf eine Zahlung von 24 500 DM erhalten. Am 28.11.1989 hat sie gegenüber dem Vormundschaftsgericht erklärt, ihre Pflichtteilsansprüche seien damit abgefunden. In Anbetracht dessen haben die Vorinstanzen zutreffend festgestellt, daß die Bedingung eingetreten und die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 3 weggefallen ist. Dies wird von der Rechtsbeschwerde auch nicht mehr angegriffen.
3. Eine Kostenentscheidung unterbleibt, weil sich aus der Kostenordnung ergibt, daß die Beteiligte zu 3 die Gerichtskosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen hat. Gemäß § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG hat die Beteiligte zu 3 den Beteiligten zu 1 und 2 die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
4. Der Geschäftswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1, § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1 KostO festgesetzt worden. Maßgebend ist der Wert des Reinnachlasses nach Abzug des den Beteiligten zu 2 zustehenden Pflichtteils (§ 107 Abs. 2 Satz 1 KostO) sowie die von der Beteiligten zu 3 erstrebte Erbquote von 1/2. Aufgrund der Vermögensaufstellung des Gebrechlichkeitspflegers schätzt der Senat ebenso wie das Landgericht den Wert des Reinnachlasses auf 120 000 DM und den Wert des Rechtsmittels der Beteiligten zu 3 auf 45 000 DM

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