Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 23. Juli 1993 – 1Z BR 26/93 Gemeinschaftliches Testament bei getrennten, am selben Tag auf einem Papierbogen errichteten Verfügungen; Wechselbezüglichkeit der Schlußerbeneinsetzung

April 14, 2019

Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 23. Juli 1993 – 1Z BR 26/93
Gemeinschaftliches Testament bei getrennten, am selben Tag auf einem Papierbogen errichteten Verfügungen; Wechselbezüglichkeit der Schlußerbeneinsetzung
1. Setzen sich Ehegatten in getrennten, am selben Tag auf einem Papierbogen errichteten Verfügungen gegenseitig zu Alleinerben ein und bestimmen sie wenige Tage später in einem auf den selben Bogen gesetzten Nachtrag einen gemeinsamen Schlußerben, so kann darin ein einheitliches gemeinschaftliches Testament gesehen werden.
2. Zur Wechselbezüglichkeit der Schlußerbeneinsetzung in einem solchen Fall.
3. Die Auslegungsregel des BGB § 2270 Abs 2 ist auch dann anzuwenden, wenn die in Frage stehenden Verfügungen zu verschiedenen Zeitpunkten getroffen worden sind, die Auslegung jedoch ergibt, daß die Ehegatten den Willen hatten, die verschiedenen Verfügungen als einheitliches gemeinschaftliches Testament gelten zu lassen.
4. Zur Frage, unter welchen Umständen die Schwägerin als nahestehende Person im Sinn des BGB § 2270 Abs 2 anzusehen ist.
vorgehend LG Nürnberg-Fürth, 17. Dezember 1992, 13 T 4974/92
vorgehend AG Nürnberg, 12. März 1992, VI 4194/90
Tenor
I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 17. Dezember 1992 wird zurückgewiesen.
II. Der Beteiligte zu 2 hat die der Beteiligten zu 1 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 430.000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die 1990 verstorbene Erblasserin war kinderlos. Ihr Ehemann ist bereits im Jahr 1960 in Lissabon, wo das Ehepaar viele Jahre gelebt hatte, vorverstorben. Die Beteiligte zu 1 ist die Schwester der Erblasserin. Der Nachlaß besteht im wesentlichen aus Wertpapieren und Bankguthaben im Wert von ca. 500.000 DM.
Die Erblasserin hat mehrere Testamente hinterlassen. Am 12.9.1957 haben sich die Erblasserin und ihr Ehemann in auf einem Papierbogen räumlich getrennten, jeweils eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Verfügungen gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Zwei Tage später hat der Ehemann auf dem selben Papierbogen handschriftlich folgenden Zusatz angefügt und unterschrieben:
“Nachtrag zum vorstehenden Testament.
Nach dem Tode des Letztverstorbenen setzen wir als Allein Erbin unseres Nachlasses Frau … (Beteiligte zu 1) … ein.
Vorstehendes Testament eigenhändig geschrieben und unterzeichnet
Lisboa, 14. September 1957″
Die Ehefrau hat die Worte “Mit Vorstehendem einverstanden” handschriftlich angefügt und unterschrieben.
In einem weiteren eigenhändigen Testament vom September 1975 hat die Erblasserin für den Fall, daß sie nach ihrer Schwester versterben sollte, den Beteiligten zu 2, eine gemeinnützige Organisation, zum Erben eingesetzt.
In ihrem letzten am 1.12.1984 in Nürnberg errichteten eigenhändigen Testament hat die Erblasserin der Beteiligten zu 1 “als Erbin” 40.000,- DM in Wertpapieren zugewandt und den Beteiligten zu 2 für das Restvermögen unter Vermächtnissen und Auflagen zur “Erbin” eingesetzt.
Der Beteiligte zu 2 ist der Auffassung, daß er aufgrund des Testaments vom 1.12.1984 Alleinerbe geworden sei, und hat einen entsprechenden Erbschein beantragt. Demgegenüber hält die Beteiligte zu 1 dieses Testament für unwirksam, da es sich bei der Erbeinsetzung im Nachtrag zum Testament vom 12./14.9.1957 um eine wechselbezügliche Verfügung gehandelt habe, die nach dem Tod des Ehemannes nicht habe einseitig abgeändert werden können. Demgemäß hat sie einen Erbschein beantragt, der sie als Alleinerbin ausweisen soll.
Das Nachlaßgericht hat mit Beschluß vom 12.3.1992 die Erteilung eines Erbscheins zugunsten der Beteiligten zu 1 als Alleinerbin angekündigt und den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 2 zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Beteiligten zu 2 hat das Landgericht mit Beschluß vom 17.12.1992 zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluß richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2, mit der er sein Ziel, einen Erbschein als Alleinerbe zu erhalten, weiterverfolgt. Die Beteiligte zu 1 tritt dem Rechtsmittel entgegen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Die Schlußerbeneinsetzung der Beteiligten zu 1 im Testament vom 12./14.9.1957 sei für die Erblasserin dann bindend geworden und stehe der Wirksamkeit des abweichenden späteren Testaments im Wege, wenn der Ehemann die Erblasserin – nach Ergänzung des Testaments durch den Nachtrag – nur unter der Voraussetzung als Erbin habe eingesetzt wissen wollen, daß seine Schwägerin, die Beteiligte zu 1, Schlußerbin werde. Eine solche Feststellung des Willens der Testierenden sei aber nicht möglich. Zwar spreche einiges für eine bindende Einsetzung, vor allem das herzliche Verhältnis des Ehemannes zu der Erblasserin, zu deren Mutter und zu der Beteiligten zu 1, sowie die Sorge der Erblasserin um eine gute Versorgung der Beteiligten zu 1 im Alter. Auch liege es angesichts des guten Verhältnisses der Beteiligten und des Wunsches, die Beteiligte zu 1 versorgt zu wissen, nahe, daß beide testierenden Ehegatten die Schlußerbenregelung angestrebt und auf den Bestand dieser Regelung (vorbehaltlich einer Änderung zu Lebzeiten des anderen Ehegatten) vertraut hätten. Es könne aber nicht ausgeschlossen werden, daß der Ehemann bei dem Nachtrag nur einem Wunsch der Erblasserin habe entsprechen und diese in ihren späteren Verfügungen nicht habe beschränken wollen. Es greife daher die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB ein. Im Sinn dieser Bestimmung hätten sich Schwager und Schwägerin (der Ehemann der Erblasserin und die Beteiligte zu 1) angesichts ihrer herzlichen Beziehungen nahe gestanden, wie schon das Amtsgericht ausgeführt habe, so daß von einer Wechselbezüglichkeit der beiden Verfügungen auszugehen sei.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) stand.
a) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Erblasserin den Beteiligten zu 2 in dem formgültig errichteten (§ 2247 BGB) Testament vom 1.12.1984 nur dann wirksam zum Erben eingesetzt hat, wenn sie nicht gemäß § 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB an ihre frühere Verfügung zugunsten der Beteiligten zu 1 im Testament vom 12./14.9.1957 gebunden und damit am Widerruf dieser Verfügung gehindert war. Zutreffend hat es ferner angenommen, daß eine solche Bindung gegeben war, wenn es sich bei dem Testament vom 12./14.9.1957 um ein gemeinschaftliches Testament handelt und die darin enthaltene Verfügung des Ehemannes zugunsten seiner Ehefrau, der Erblasserin, sowie die Schlußerbeneinsetzung der Beteiligten zu 1 durch die Erblasserin als wechselbezüglich im Sinn von § 2270 Abs. 1 BGB anzusehen sind.
b) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht angenommen, daß es sich bei den am 12. und 14.9.1957 von der Erblasserin und ihrem Ehemann auf einem Papierbogen niedergelegten letztwilligen Verfügungen in ihrer Gesamtheit um ein gemeinschaftliches Testament (§ 2265 BGB) handelt.
aa) Bei den jeweils mit “Testament” überschriebenen Verfügungen der Erblasserin und ihres Ehemannes vom 12.9.1957, die auf einem Blatt zusammengefaßt sind, handelt es sich um ein formgültig errichtetes gemeinschaftliches eigenhändiges Testament (§§ 2265, 2247 BGB). Ein gemeinsamer Wille zu letztwilligen Verfügungen wird aus der räumlichen Zusammenfassung und der gleichzeitigen Errichtung beider Verfügungen hinreichend deutlich (vgl. BayObLG FamRZ 1986, 392/393), zumal die Eheleute diese Verfügungen bereits zwei Tage später durch eine gemeinsame Schlußerbeneinsetzung ergänzt haben.
bb) Dieses gemeinschaftliche Testament konnten die Eheleute durch den formgerechten (§§ 2247, 2267 BGB) und jederzeit zulässigen (vgl. Dittmann/Reimann/Bengel Testament und Erbvertrag 2. Aufl. § 2267 Rn. 29 m.w.Nachw.) Nachtrag in der Weise ergänzen, daß die früheren Verfügungen mit den späteren Verfügungen ein gemeinschaftliches Testament darstellen (vgl. BayObLG Rpfleger 1980, 283 und FamRZ 1986, 392/393). Denn die gegenseitige Erbeinsetzung und die Berufung eines Schlußerben müssen nicht in derselben Verfügung getroffen werden (BGBRGRK/Johannsen 12. Aufl. § 2269 Rn. 4). Ob der Wille der gemeinschaftlich testierenden Ehegatten dahin geht, verschiedene Verfügungen als Einheit gelten zu lassen, ist Auslegungsfrage (BayObLGZ 1956, 205/206 und BayObLG Rpfleger 1980, 283).
cc) Einen solchen Willen der Eheleute hat das Landgericht bejaht (S.11 des Beschlusses). Diese Auslegung läßt unter Beachtung der dem Rechtsbeschwerdegericht gesetzten Grenzen der Überprüfung tatrichterlicher Auslegung (vgl. BayObLGZ 1991, 173/176) Rechtsfehler nicht erkennen. Insbesondere aus dem engen zeitlichen Zusammenhang der Verfügungen durfte das Gericht entnehmen, daß die Ehegatten eine einheitliche Regelung von Todes wegen durch das ursprüngliche gemeinschaftliche Testament vom 12.9.1957 und den gemeinsamen Nachtrag vom 14.9.1957 wünschten (vgl. Soergel/Wolf BGB 12.Aufl. § 2270 Rn.6). Dafür spricht auch, daß die spätere Verfügung ausdrücklich als Nachtrag bezeichnet und daß ein gemeinsamer Schlußerbe für den gesamten (“unseren”) Nachlaß beider Ehegatten eingesetzt wurde, so daß sowohl formal wie auch inhaltlich ein enger Bezug zu dem vorangehenden gemeinschaftlichen Testament hergestellt ist (vgl. auch OLG Saarbrücken FamRZ 1990, 1285/1286).
c) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht auch die Wechselbezüglichkeit der letztwilligen Verfügung, durch die die Erblasserin die Beteiligte zu 1 als Alleinerbin eingesetzt hat, zu der Verfügung, durch die sie selbst durch ihren Ehemann als Alleinerbin eingesetzt wurde, bejaht.
aa) Letztwillige Verfügungen, die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament getroffen haben, sind gemäß § 2270 Abs. 1 BGB wechselbezüglich, wenn anzunehmen ist, daß die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre, wenn also jede der beiden Verfügungen mit Rücksicht auf die andere getroffen worden ist und nach dem Willen der gemeinschaftlich Testierenden die eine mit der anderen Verfügung stehen oder fallen soll (BayObLG NJW-RR 1992, 1223/1224 m.w.Nachw.). Enthält ein gemeinschaftliches Testament – wie hier – keine klare und eindeutige Anordnung zur Wechselbezüglichkeit, muß diese nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen und für jede einzelne Verfügung gesondert ermittelt werden (BayObLGZ 1991, 173/176 m.w.Nachw.). Dabei muß der Inhalt der Erklärungen als Ganzes gewürdigt werden, einschließlich der Nebenumstände und zwar auch solcher, die außerhalb der Testamentsurkunde liegen; auch die allgemeine Lebenserfahrung ist zu berücksichtigen (BayObLGZ 1982, 474/477; vgl. auch BayObLG FamRZ 1991, 1232/1234). Die Auslegung selbst obliegt grundsätzlich dem Gericht der Tatsacheninstanz und kann durch das Rechtsbeschwerdegericht nur beschränkt nachgeprüft werden, nämlich ob sie nach den Denkgesetzen und der Erfahrung möglich ist, dem klaren Sinn und Wortlaut des Testaments nicht widerspricht und alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (BayObLGZ 1991, 173/176, ständige Rechtsprechung des Senats).
bb) Das Landgericht hat zutreffend zunächst geprüft, ob durch die Auslegung selbst ein eindeutiges Ergebnis hinsichtlich der Wechselbezüglichkeit der Verfügung der Erblasserin zugunsten der Beteiligten zu 1 gewonnen werden kann (vgl. BayObLG FamRZ 1988, 879 m.w.Nachw.).
(1) Das Landgericht durfte die von ihm festgestellte innere Verbundenheit zwischen dem Ehemann der Erblasserin und der Beteiligten zu 1, insbesondere den Umstand, daß diese längere Zeit für ihren Schwager tätig gewesen war, als Anhaltspunkt für eine Wechselbezüglichkeit der Verfügungen ansehen. Denn ein solcher Umstand legt es nahe, daß dem Ehemann daran gelegen war, das gemeinsame Vermögen – und damit auch sein wenn auch möglicherweise geringes bei seinem Tod an die Erblasserin fallendes Vermögen – letztlich der Beteiligten zu 1 zukommen zu lassen. Selbst wenn man, was nicht abschließend geklärt ist, davon ausgeht, daß der Ehemann bei seinem Tod kein wesentliches Vermögen besessen hätte, so könnte dies zwar als Anhaltspunkt berücksichtigt werden (BayObLG FamRZ 1984, 1154/ 1155), spräche aber nicht unbedingt gegen eine Wechselbezüglichkeit (Palandt/Edenhofer BGB 52. Aufl. § 2270 Rn. 5).
(2) Das Landgericht mußte andererseits nicht davon ausgehen, daß nach der allgemeinen Lebenserfahrung trotz der für eine Bindung der Erblasserin sprechenden Umstände eine Wechselbezüglichkeit der beiden Verfügungen ausscheidet. Zwar ist dem Rechtsbeschwerdeführer zuzugeben, daß im Zeitpunkt der Testamentserrichtung die Annahme nahe lag, beide Schwestern würden ihre wesentlich älteren Ehemänner überleben. Es war aber völlig offen, ob die Erblasserin nicht wesentlich vor ihrer mehrere Jahre jüngeren Schwester, der Beteiligten zu 1 versterben würde. In diesem Fall konnte es durchaus sinnvoll sein, das gesamte Vermögen der Ehegatten der Beteiligten zu 1 zukommen zu lassen, um deren Versorgung sicherzustellen. Der durch das Landgericht festgestellte Wille der Ehegatten widerspricht daher nicht der Lebenserfahrung. Der Umstand, daß die Schlußerbin eine Verwandte der Erblasserin, nicht aber des Ehemanns war, spricht zwar nach der Lebenserfahrung gegen einen Bindungswillen (vgl. BayObLG Rechtspfleger 1985, 445/446). Er schließt aber eine andere Wertung nicht aus, insbesondere wenn, wie das Landgericht festgestellt hat zwischen dem Ehemann und der Beteiligten zu 1 eine innere Verbundenheit bestanden hat.
(3) Auch den Umstand, daß die Erblasserin selbst der Auffassung war, die Verfügung zugunsten der Beteiligten zu 1 im Testamentsnachtrag vom 14.9.1957 sei für sie nicht bindend, mußte das Landgericht angesichts der für eine Wechselbezüglichkeit sprechenden Umstände nicht als “authentische Interpretation” des gemeinschaftlichen Testaments in dem Sinne werten, daß eine Wechselbezüglichkeit der Verfügungen auszuscheiden hätte (BayObLGZ 1991, 173/177). Dafür, daß, wie der Rechtsbeschwerdeführer vorträgt, auch der Ehemann von einer freien Testiermöglichkeit der Erblasserin nach seinem Tod ausgegangen wäre, bieten die festgestellten Umstände keinen Anhaltspunkt.
Die Auslegung, die das Landgericht dem gemeinschaftlichen Testament gegeben hat, ist daher möglich; näherliegend oder gar zwingend braucht sie nicht zu sein (vgl. BayObLGZ 1984, 246/250). Die Angriffe der Rechtsbeschwerde laufen letztlich darauf hinaus, die eigene Tatsachenwürdigung an die Stelle derjenigen des Beschwerdegerichts zu setzen; dies muß wegen § 27 Abs.1 Satz 2 FGG, § 561 Abs. 2 ZPO erfolglos bleiben (BayObLGZ 1991, 173/177).
cc) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht, nachdem die Auslegung des Testaments kein eindeutiges Ergebnis erbracht hat, die Wechselbezüglichkeit aufgrund der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB geprüft und bejaht.
(1) Diese Auslegungsregel ist auch anzuwenden, wenn die in Frage stehenden Verfügungen nicht gleichzeitig getroffen sind, jedoch wie hier (oben b) aufgrund des festgestellten Willens der verfügenden Ehegatten als Einheit im Sinn eines gemeinschaftlichen Testaments anzusehen sind (vgl. BayObLGZ 1956, 205/207; BayObLG Rpfleger 1980, 283/284; OLG Saarbrücken FamRZ 1990, 1285/1286; Staudinger/Kanzleiter BGB 12.Aufl. § 2270 Rn. 3).
(2) Auch die Feststellung, die Beteiligte zu 1 habe dem Ehemann der Erblasserin nahegestanden, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Wie die Bezugnahme auf die Entscheidung des Amtsgerichts (S. 12 des Beschlusses) zeigt, ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, daß an den Begriff des “Nahestehens” im Sinn des § 2270 Abs. 2 BGB ein verhältnismäßig strenger Maßstab anzulegen ist, um die Vermutung nicht zur gesetzlichen Regel werden zu lassen (BayObLG FamRZ 1991, 1232/1234 m.w.Nachw.). Die Frage ob zwischen dem vorverstorbenen Ehegatten und der begünstigten Person eine so enge persönliche Beziehung und innere Bindung bestanden hat, daß ein “Nahestehen” bejaht werden kann (vgl. dazu BayObLGZ 1982, 474/478 m.w.Nachw.), ist nach den Umständen des Einzelfalles zu entscheiden (BayObLG aaO). Ihre Beantwortung liegt im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet. Das Rechtsbeschwerdegericht ist daher an die Feststellungen des Gerichts der Tatsacheninstanz gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 561 Abs. 2 ZPO gebunden, wenn diese Feststellungen nicht verfahrenswidrig zustandegekommen sind, wenn der Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde, wenn alle geeigneten Beweise erhoben wurden (§ 12 FGG) und die Beweiswürdigung rechtsfehlerfrei ist (BayObLG FamRZ 1991, 1232/1234).
Fehler dieser Art sind nicht festzustellen. Eine Schwägerin ist zwar nicht generell als nahestehende Person zu behandeln. vielmehr kommt es auch insoweit auf die Umstände des Einzelfalles an (Soergel/Wolf § 2270 Rn.7 m.w.Nachw.). Die in dem Beschluß des Landgerichts dargestellten weiteren Umstände, vor allem das frühere längere Zusammenleben der Beteiligten zu 1 mit der Erblasserin und deren Ehemann, die berufliche Tätigkeit der Beteiligten zu 1 für den Ehemann und die durch den langjährigen Briefwechsel und die wiederholten Besuche dokumentierten herzlichen Beziehungen, lassen jedoch den Schluß zu, daß zwischen der Beteiligten zu 1 und ihrem Schwager im Zeitpunkt der Testamentserrichtung (vgl. Soergel/Wolf § 2270 Rn. 6) gute und enge persönliche Beziehungen bestanden haben, die deutlich über ein bloßes verträgliches Miteinanderauskommen hinausgingen (vgl. auch BayObLG DNotZ 1977, 40/42). Der Rechtsbeschwerdeführer bringt Anhaltspunkte, die solche Beziehungen in Frage stellen könnten, nicht vor.
3. Aus den vom Senat in seiner Entscheidung vom 28.4.1992 (NJW- RR 1992, 1223/1225) dargelegten Gründen war es verfahrensrechtlich überflüssig, den von dem Beteiligten zu 2 gestellten Erbscheinsantrag im Zusammenhang mit dem Vorbescheid ausdrücklich zurückzuweisen. Durch die Anfechtung des Vorbescheids soll gerade geklärt werden, welcher von mehreren sich widersprechenden Erbscheinsanträgen der materiellen Rechtslage entspricht. Es gibt daher keinen Sinn, einzelne Anträge im Vorbescheid endgültig abzuweisen.
4. Gemäß § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG hat der Beteiligte zu 2 die der Beteiligten zu 1 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
5. Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 31 Abs. 1 Satz 1, § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1 KostO. Bei der Schätzung des von dem Beteiligten zu 2 mit seinem Rechtsmittel verfolgten wirtschaftlichen Interesses ist der Senat von den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten zum Wert des Reinnachlasses (vgl. § 107 Abs. 2 Satz 1 KostO) ausgegangen und hat die in dem Testament vom 1.12.1984 enthaltenen Auflagen und Vermächtnisse berücksichtigt (vgl. BayObLGZ 1993, 115/117). Der festgesetzte Wert entspricht dem Wert, den das Landgericht für das Beschwerdeverfahren angenommen hat.

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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