BGH, Beschluss vom 09.09.2020 – IV ZB 15/20

November 16, 2020

BGH, Beschluss vom 09.09.2020 – IV ZB 15/20

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe – 24. Zivilsenat – vom 9. März 2020 wird auf ihre Kosten verworfen.

Beschwerdewert: bis 500 €
Gründe

I. Der Kläger macht gegen die Beklagten Ansprüche auf die Abgabe einer Versicherung an Eides statt geltend.

Die Parteien sind Geschwister und neben einer am Verfahren nicht beteiligten weiteren Schwester Abkömmlinge und Erben ihrer verstorbenen Mutter. In einem notariellen Teilerbauseinandersetzungsvertrag vom 11. Mai 2015 verpflichteten sich die Beklagten in § 11 dazu, den anderen Miterben “… und zwar jeweils einzeln, bis zum 15.10.2015 Auskunft zu erteilen über die Verwaltung des in § 1 genannten Grundstücks in der Zeit ab dem 09.04.2012 bis zum 31.05.2015 durch Vorlage einer geordneten Aufstellung aller Einnahmen und Ausgaben nebst dazu gehörender Belege”.

Am 9. Dezember 2015 erhielt der Kläger vom Beklagten zu 1 eine CD mit Dateien zu dem Grundstück. Mit seiner Klage begehrte er von den Beklagten zunächst, die Richtigkeit und Vollständigkeit der mit der Übersendung dieser CD erteilten Auskünfte an Eides statt zu versichern. Nach Zustellung der Klage übersandte der Beklagte zu 1 dem Kläger eine weitere CD mit weiteren Kontoauszügen zum Nachlasskonto für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Mai 2013; diese erhielt der Kläger am 1. März 2019.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat der Kläger ausweislich des Protokolls den Antrag aus der Klageschrift mit der Maßgabe gestellt, dass die Abgabe der Versicherung an Eides statt auch hinsichtlich der am 1. März 2019 zugegangenen CD erfolgen solle. Diese Erweiterung des Klageantrags hat das Landgericht nicht in den Tatbestand seines Urteils aufgenommen und hierüber auch nicht entschieden. Hinsichtlich des ursprünglichen Klageantrags hat es die Beklagten antragsgemäß verurteilt bis auf die Einschränkung, dass sie nicht als Gesamtschuldner verurteilt wurden.

Das Oberlandesgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten verworfen und den Streitwert für das Berufungsverfahren auf “bis zu 600 €” festgesetzt. Hiergegen wenden sich die Beklagten mit der Rechtsbeschwerde.

II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist im Übrigen nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist insbesondere nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

1. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteige 600 € nicht.

Er bemesse sich zunächst nach dem Aufwand an Zeit und Kosten, den die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erfordere. Im Streitfall seien die eigenen Aufwendungen der Beklagten insoweit mit 70 € anzusetzen.

Hinzuzurechnen seien zwangsläufig entstehende Kosten für die Hinzuziehung sachkundiger Hilfspersonen. Der zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung Verurteilte sei nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, die erteilte Auskunft auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen und gegebenenfalls zu ergänzen und zu berichtigen. Habe die ausgeurteilte Verpflichtung, gegen die er sich zur Wehr setze, keinen vollstreckbaren Inhalt oder sei sie auf eine unmögliche Leistung gerichtet, so erhöhe sich die Beschwer um die mit der Abwehr einer insoweit ungerechtfertigten Zwangsvollstreckung verbundenen Kosten.

Im Streitfall hätten die Beklagten im Rahmen der von ihnen geschuldeten Berichtigung und Ergänzung bei der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung die Übersendung weiterer Kontoauszüge mittels der CD vom 1. März 2019 und die im Verlauf des Verfahrens erster Instanz vorgenommenen Erläuterungen aufzunehmen. Für diese Berichtigung und Ergänzung könne ihnen aufgrund des Verhaltens des Klägers die Einschaltung eines Rechtsanwalts nicht versagt werden. Damit seien im Rahmen der Beschwer auch die Kosten zur Abwehr einer ungerechtfertigten Zwangsvollstreckung zu berücksichtigen. Diese Rechtsanwaltskosten beliefen sich, ausgehend von einem Wert von 5.000 € gegenüber jedem Beklagten, auf jeweils 240,14 €.

Da sich auch unter Berücksichtigung dieser Kosten eine Beschwer von weniger als 600 € ergebe, könne es dahinstehen, ob der Tenor der landgerichtlichen Verurteilung vollstreckungsfähig oder ob eine hinreichende Bestimmtheit des Urteilsausspruchs nicht gegeben sei.

2. Diese Entscheidung des Berufungsgerichts verletzt die Beklagten nicht in ihrem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) durch unzumutbare Erschwerung des Zugangs zu der an sich gegebenen Berufung (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2015 – VI ZB 29/14, VersR 2015, 471 Rn. 7), weil die Annahme einer Beschwer der Beklagten von weniger als 600 € im Ergebnis zutreffend ist.

a) Hierfür kann es dahinstehen, ob die Rechtsanwaltskosten für eine Abwehr der Zwangsvollstreckung nach einem Wert von 5.000 € – wie vom Berufungsgericht angenommen – oder nach einem Wert von 10.000 € – wie es die Beschwerde geltend macht – zu berechnen wären, weil derartige Kosten hier von vornherein nicht zu berücksichtigen sind.

Denn eine Abwehr der Zwangsvollstreckung aus dem landgerichtlichen Urteil ist im Streitfall nicht geboten. Der Tenor des Urteils ist – was das Berufungsgericht offengelassen hat – vollstreckungsfähig, da von den Beklagten danach (nur) eine eindeutig bezeichnete Erklärung gefordert wird, nämlich die Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der durch den Inhalt der am 9. Dezember 2015 zugegangenen CD erteilten Auskünfte. Für die Vollstreckbarkeit ist es nicht erforderlich, dass der Inhalt dieser Auskünfte im Einzelnen im Titel wiedergegeben wird und dieser sich auf bestimmte erteilte Auskünfte bezieht, sondern es genügt, dass sich aus dem Urteil eindeutig ergibt, welche Auskünfte gemeint sind (vgl. Senatsbeschluss vom 13. September 2017 – IV ZB 21/16, ErbR 2018, 91 Rn. 13).

Die Beklagten können die nach dem Titel von ihnen geforderte eidesstattliche Versicherung auch abgeben, ohne sich einer Gefahr der Strafbarkeit auszusetzen. Sie müssen dazu lediglich – wie vom Berufungsgericht insoweit zutreffend erkannt – die eidesstattliche Versicherung hinsichtlich der am 9. Dezember 2015 zugegangenen CD, die allein den Gegenstand der Verurteilung bildet, auf die Angaben der am 1. März 2019 zugegangenen CD erstrecken. Hierfür ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts die Einschaltung eines Rechtsanwalts nicht notwendig, weil ein Tätigwerden zur Abwehr der Zwangsvollstreckung eben nicht erforderlich ist und es im Übrigen ausreicht, im Rahmen der abzugebenden Versicherung an Eides statt auf die bereits vorgenommenen Ergänzungen zu verweisen bzw. diese zu wiederholen, sofern die erteilten Auskünfte damit nunmehr richtig und vollständig sind. Letzteres wird auch von der Beschwerde nicht in Frage gestellt.

Im Übrigen wäre das Risiko, wegen einer falschen oder möglicherweise falschen eidesstattlichen Versicherung mit einem Strafverfahren überzogen zu werden, bei der Wertbemessung ohnehin nicht zu berücksichtigen (vgl. Senatsbeschluss vom 13. September 2017 aaO Rn. 14).

b) Damit verbleibt für die Beschwer der Beklagten nur der Aufwand an Zeit und Kosten zu berücksichtigen, den sie selbst für die Prüfung der erteilten Auskunft auf Vollständigkeit und Richtigkeit sowie die notwendige Ergänzung und Berichtigung erbringen müssen. Diesen Aufwand hat das Berufungsgericht mit 70 € bemessen. Dass ihm hierbei – vom Rechtsbeschwerdegericht allein nachprüfbare (vgl. Senatsbeschluss vom 13. September 2017 aaO Rn. 10 m.w.N.) – Ermessensfehler unterlaufen wären, ist weder von der Beschwerde dargelegt noch sonst ersichtlich.

Mayen Felsch Harsdorf-Gebhardt Lehmann Dr. Götz

Vorinstanzen:

LG Karlsruhe, Entscheidung vom 02.08.2019 – 7 O 21/19 –

OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 09.03.2020 – 24 U 5/19 –

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