BGH, Beschluss vom 28. September 2011 – IV ZR 146/10 Streitwertbemessung: Klage auf Feststellung der Miterbenstellung mit einer bestimmen Erbquote sowie Widerklage auf Feststellung der gesetzlichen Erbenstellung

März 30, 2019

BGH, Beschluss vom 28. September 2011 – IV ZR 146/10
Streitwertbemessung: Klage auf Feststellung der Miterbenstellung mit einer bestimmen Erbquote sowie Widerklage auf Feststellung der gesetzlichen Erbenstellung
1. Der Streitwert einer Klage auf Feststellung der Miterbenstellung mit einer bestimmten Erbquote (hier: 1/4) bestimmt sich in der Rechtsmittelinstanz nach dem wirtschaftlichen Interesse des unterlegenen Beklagten. Zielt dessen Klageabweisungsantrag darauf ab, die Beteiligung des Klägers am Nachlass zu beseitigen, so ist maßgeblich für den Streitwert der vom Kläger für sich in Anspruch genommene Anteil an dem (um die Verbindlichkeiten) geminderten Nachlass, abzüglich eines Feststellungsabschlags von 20%. Dieser Wert ist nicht deshalb um einen weiteren Abschlag zu mindern, weil der Beklage selbst nur geltend macht, mit einem bestimmten Anteil (hier: 1/3) am Nachlass als gesetzlicher Erbe beteiligt zu sein.
2. Begehrt der Beklagte neben der Klageabweisung mit seiner Widerklage die Feststellung, dass er gesetzlicher Miterbe zu einer bestimmten Erbquote geworden sei, so hat die Widerklage einen Streitwert in Höhe der in Anspruch genommenen Erbquote abzüglich eines 20%-igen Feststellungsabschlags. Der Streitwert von Klage und Widerklage ist nicht nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG zusammenzurechnen, weil die Ansprüche denselben Gegenstand betreffen.
Tenor
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf
199.877,40 €
festgesetzt.
Gründe
Mit ihrer Klage begehren die Kläger Feststellung, dass sie durch letztwillige Verfügung von Todes wegen Miterben zu je 1/4 der am 11. Februar 2001 verstorbenen Erblasserin geworden sind. Die Beklagte verfolgt im Beschwerdeverfahren neben ihrem Klageabweisungsantrag den Widerklageantrag, dass sie kraft gesetzlicher Erbfolge Miterbin zu 1/3 nach der Erblasserin geworden ist. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgeben und die Widerklage (soweit sie nicht zurückgenommen wurde) abgewiesen.
In der Rechtsmittelinstanz ist bei der Bemessung des Streitwerts vom wirtschaftlichen Interesse der unterlegenen Beklagten auszugehen. Ihr Klageabweisungsantrag zielt darauf, dass die Kläger nicht berechtigt sind, die Erbschaft in dem von ihnen behaupteten Umfang für sich in Anspruch zu nehmen. Die Beklagte will mithin die Beteiligung der Kläger am Nachlass beseitigt wissen. Maßgebend hierfür ist der Anteil der Kläger am Nachlass. Der Wert des um die Verbindlichkeiten verminderten Nachlasses beträgt 333.129,18 €. Die Kläger nehmen hiervon 3/4 in Anspruch, woraus sich ein Wert von 249.846,88 € ergibt. Ferner ist wegen der von den Klägern erhobenen positiven Feststellungsklage ein Abschlag von 20% vorzunehmen (Schneider/Herget, Streitwertkommentar 12. Aufl. Rn. 3899). Hieraus ergibt sich ein Wert des Klageantrags von 199.877,51 €.
Von diesem Wert ist nicht deshalb ein weiterer Abschlag vorzunehmen, weil die Beklagte selbst nur geltend macht, mit 1/3 als gesetzliche Erbin am Nachlass beteiligt zu sein. Dies führt entgegen der Ansicht der Beklagten nicht dazu, dass sich der Streitwert nur auf 1/4 (3/4 x 1/3) des Nachlassgesamtwerts richtet. Hierbei wird übersehen, dass die Beklagte mit ihrem Klageabweisungsantrag insgesamt jegliche erbrechtliche Ansprüche der Kläger zu 1 bis 3 ausschließen will. Hierfür kommt es nicht darauf an, in welchem Verhältnis die Beklagte selbst am Nachlass beteiligt ist. Dies spielt vielmehr erst für die von ihr erhobene Widerklage auf Feststellung, dass sie gesetzliche Miterbin zu 1/3 geworden ist, eine Rolle. Diese Widerklage hat einen Streitwert von 88.834,45 € (1/3 des Gesamtnachlasswerts von 333.129,18 € abzüglich eines 20%-igen Feststellungsabschlags).
Klage und Widerklage sind gemäß § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nicht zusammenzurechnen, da die Ansprüche denselben Gegenstand betreffen. Hierfür kommt es nicht auf den zivilprozessualen Streitgegenstandsbegriff an. Maßgebend ist vielmehr eine wirtschaftliche Betrachtungsweise (Senatsbeschluss vom 6. Oktober 2004 – IV ZR 287/03, NJW-RR 2005, 506 unter III). Eine wirtschaftliche Identität von Klage und Widerklage liegt nach der von der Rechtsprechung entwickelten “Identitätsformel” dann vor, wenn die Ansprüche aus Klage und Widerklage nicht in der Weise nebeneinander stehen können, dass das Gericht beiden stattgeben kann, sondern die Verurteilung nach dem einen Antrag notwendigerweise die Abweisung des anderen Antrags nach sich zieht (vgl. auch Hartmann, Kostengesetze 41. Aufl. § 45 GKG Rn. 10). Hier hat die Feststellung, dass die Kläger testamentarische Erben der Erblasserin geworden sind, notwendigerweise die Abweisung der Widerklage zur Folge, mit der die Beklagte die Feststellung begehrt, dass sie gesetzliche Erbin geworden ist. Entsprechend müsste die Klage abgewiesen werden, wenn der Widerklage stattgegeben würde. Anzusetzen ist mithin gemäß § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nur der höhere Wert der Klage von 199.877,51 €.
Aus den genannten Gründen besteht keine Veranlassung, die zutreffende Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren zu ändern.
Wendt Felsch Harsdorf-Gebhardt
Dr. Karczewski Lehmann

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