BGH IV ZR 202/07

Mai 20, 2017

BGH IV ZR 202/07 Verwirkungsklausel im Testament, Erteilung eines Nachlassverzeichnisses, Auskunft über den Bestand der Erbschaft

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 16. Juli 2007 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 8. September 2007 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

BGH IV ZR 202/07

Der Kläger ist ein Enkel des am 22. April 1980 verstorbenen A. v. F. (Erblasser). Der Beklagte zu 1 und der – im Jahre 2003 verstorbene – Vater des Beklagten zu 2 sind Söhne des Erblassers aus erster Ehe. Zu den beiden Söhnen aus zweiter Ehe gehören H. v. F. , der Vater des Klägers, und G. v. F. .

Der Erblasser, der über ein umfangreiches Immobilien- und Betriebsvermögen verfügte, war unter anderem an dem als OHG geführten Bankhaus … (im Folgenden: OHG) beteiligt, deren Gesellschafter auch der Beklagte zu 1 und der Vater des Beklagten zu 2 waren.

Am 10. Dezember 1973 wurde der Gesellschaftsvertrag der OHG neu gefasst und die A. V. KG (im Folgenden: A. KG) als weitere Gesellschafterin aufgenommen.

An dieser Gesellschaft waren nach Neufassung auch deren Gesellschaftsvertrages am 13. Dezember 1973 neben dem Erblasser der Beklagte zu 1 und der Vater des Beklagten zu 2 als persönlich haftende Gesellschafter und die v. F. Verwaltungsgesellschaft mbH als Kommanditistin beteiligt.

Infolge der neu gefassten Gesellschaftsverträge der OHG und der A. KG brachte der Erblasser seine bisherige Kapitaleinlage bei der OHG in die A. KG ein und blieb in der OHG ohne Kapitaleinlage beteiligt.

Die A. KG wurde die einzige Gesellschafterin der OHG mit Kapitaleinlage und Gewinnberechtigung.

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Mit weiteren Verträgen vom 10./13. Dezember 1973 übertrug der Erblasser unter anderem Anteile an der A. KG dem Beklagten zu 1 und dem Vater des Beklagten zu 2.

Dem Vater des Klägers und G. v. F. räumte er in Höhe von jeweils circa 20% seines Kapitalanteils entsprechende Unterbeteiligungen ein, die sich mit seinem Tod in direkte Beteiligungen als persönlich haftende Gesellschafter umwandeln sollten.

Im Anschluss an diese gesellschaftsvertraglichen Umgestaltungen errichtete der Erblasser am 10. April 1974 ein Testament, in dem auszugsweise Folgendes bestimmt ist:

“I. 1.) Ich setze meine Söhne W. , A. , G. und H. v. F. als meine alleinigen Erben nach Stämmen zu gleichen Teilen, d.h. zu je ein, soweit nicht in diesem Testament ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist. Soweit es sich um G. und H. handelt, sollen diese jedoch nur Vorerben sein (…). Nacherben sollen beim Tod des Vorerben seine männlichen blutsmäßigen ehelichen Abkömmlinge – unter sich zu gleichen Teilen – sein (…).

II. 1.) Das Bankhaus … soll als offene Handelsgesellschaft mit meinen erbberechtigten Söhnen und von diesen als persönlich haftenden Gesellschaftern fortgesetzt werden (…).

Sofern meine erbberechtigten Söhne bei meinem Tode noch nicht persönlich haftende Gesellschafter des Bankhauses sind, mache ich ihnen ausdrücklich zur Auflage, dies zu werden und zu bleiben (…).

IX. Wenn einer meiner Erben Ansprüche erhebt, die mit meinen letztwilligen Anordnungen im Widerspruch stehen, oder wenn er sonst meinen letztwilligen Anordnungen zuwiderhandelt, so soll ihm jeglicher Erbteil entzogen und er auf den Pflichtteil gesetzt sein (…).

Es ist dann so zu verfahren, wie wenn der betreffende Erbe vor Eintritt des Erbfalles ohne Hinterlassung von Abkömmlingen weggefallen wäre.”

Nach dem Testament vom 10. April 1974 und einer weiteren letztwilligen Verfügung vom 23. März 1978, mit der G. v. F. enterbt wurde, sowie einem Nachtrag vom 7. November 1978 haben der Vater des Klägers, der Beklagte zu 1 und der Vater des Beklagten zu 2 den Erblasser zu je 1/3 beerbt, und zwar der Vater des Klägers als Vorerbe und seine beiden Halbbrüder als Vollerben.

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Der Vater des Klägers wurde mit dem Erbfall persönlich haftender Gesellschafter der OHG und der A. KG.

Mit notariell beurkundeter Vereinbarung vom 14. Februar 1985 übertrug der Vater des Klägers dem Beklagten zu 1 und dem Vater des Beklagten zu 2 seinen (Vor-)Erbteil am Nachlass des Erblassers sowie Gesellschaftsanteile unter anderem an der A. KG für insgesamt 65.000.000 DM. Zugleich verpflichtete er sich gemäß Ziff. IV der genannten Vereinbarung, aus der OHG auszuscheiden.

Dieser Verpflichtung kam er am selben Tag durch gesonderte Vereinbarung mit sämtlichen Gesellschaftern der OHG nach.

Auf entsprechendes Verlangen des Klägers erteilten der Beklagte zu 1 mit Schreiben vom 28. Mai 2004 und der Beklagte zu 2 mit Schreiben vom 10. November 2005 Auskunft über von ihnen der Nacherbschaft des Klägers zugeordnete Vermögenswerte.

Für die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche auf Erteilung eines Nachlassverzeichnisses und (ergänzende) Auskunft über den Bestand der Erbschaft ist der Kläger nach Ansicht der Beklagten nicht aktivlegitimiert. Jedenfalls seien die Ansprüche erfüllt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen unter anderem mit der Begründung, dass sich die Nacherbschaft nur noch auf das durch den Vater des Klägers erlangte Surrogat beschränke.

Die Berufung des Klägers ist im Ergebnis ohne Erfolg geblieben.

Mit der Revision verfolgt der Kläger seine bisherigen Anträge weiter.

Gründe

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Die Revision hat Erfolg; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

A. I. Dem Kläger steht nach Ansicht des Berufungsgerichts weder ein Anspruch auf Fertigung eines Nachlassverzeichnisses nach § 2121 BGB noch auf Auskunft über den Bestand der Erbschaft nach § 2127 BGB zu.

Die erforderliche Nacherbenstellung habe er verloren, als sein Vater aufgrund der am 14. Februar 1985 getroffenen Vereinbarung mit dem Beklagten zu 1 und dem Vater des Beklagten zu 2 als persönlich haftender Gesellschafter aus der OHG ausgeschieden sei.

Der Vater des Klägers habe damit gegen die testamentarische Auflage, persönlich haftender Gesellschafter des Bankhauses zu werden und zu bleiben, verstoßen mit der Folge, dass er nach § 158 Abs. 2 BGB seine (Vor-)Erbenstellung verloren habe und der Kläger nicht mehr Nacherbe sein könne.

Das in Ziff. IX Satz 1 Alt. 2 des Testaments geregelte Verbot, den letztwilligen Anordnungen des Erblassers zuwiderzuhandeln, stelle keine Verwirkungsklausel im engeren Sinn, sondern nur eine auflösende Potestativbedingung dar.

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Eine Unwirksamkeit der Klausel könne nur vorliegen, wenn die testamentarische Auflage und die mit ihr verknüpfte Bedingung zusammen sittenwidrig seien. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die A. KG, an der die Erben beteiligt gewesen seien, als einzige Gesellschafterin der OHG gewinnberechtigt gewesen sei.

Nach dem Willen des Erblassers sollten die Erben aber nicht nur über die Beteiligung an der A. KG an den Gewinnen des Bankhauses teilnehmen, sondern auch für die finanziellen Verpflichtungen der OHG haften.

Eine Abwägung des legitimen Anliegens, Profit und Verantwortung zu koppeln, gegen die Willensfreiheit der Erben, sich aus der OHG lösen zu können, falle jedenfalls bei Fehlen eines außerordentlichen Kündigungsgrundes zu Gunsten der Erbenbindung aus.

Ob die Auflage im Hinblick darauf, dass sie die Erben entgegen §§ 723 Abs. 3, 724 BGB lebenslang davon abhalten sollte, aus der OHG auszuscheiden oder zu kündigen, unwirksam sei, könne unentschieden bleiben.

Die mit ihr verknüpfte auflösende Bedingung sei jedenfalls wirksam.

Der Zweck der Klausel sei auch nicht dadurch hinfällig geworden, dass der Vater des Klägers mit Vereinbarung vom 14. Februar 1985 zugleich seinen Anteil an der A. KG veräußert habe.

Im Übrigen bedürfe es keiner Entscheidung, ob sich der Vater des Klägers bewusst gegen den Willen des Erblassers aufgelehnt oder das Testament gar nicht gelesen habe.

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Die bewusste Auflehnung des Bedachten werde nur bei einer Verwirkungsklausel, nicht aber bei der bloßen Herbeiführung einer auflösenden Potestativbedingung verlangt.

II. Darüber hinaus könne der Kläger aus der mit dem Beklagten zu 1 und dem Vater des Beklagten zu 2 getroffenen Vereinbarung vom 14. Februar 1985, an der er nicht beteiligt gewesen sei, Auskunftsansprüche nicht herleiten.

B. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

I. Die Auffassung des Landgerichts, die Nacherbschaft beschränke sich infolge der mit dem Beklagten zu 1 und dem Vater des Beklagten zu 2 vereinbarten Übertragung des (Vor-)Erbteils auf den durch den Vater des Klägers erzielten Erlös mit der Folge, dass Auskunftsansprüche gegen die Beklagten nicht gegeben seien, ist nicht haltbar; eine Surrogation findet insoweit nicht statt

(vgl. dazu Staudinger/Martin Avenarius, BGB [2003] § 2111 Rdn. 29;

MünchKomm-BGB/Grunsky, 4. Aufl. § 2100 Rdn. 18;

Planck/Flad, BGB 4. Aufl. § 2111 Anm. 2 a).

Zu Recht wird dies auch von den Parteien nicht wieder aufgegriffen.

Soweit das Berufungsgericht die geltend gemachten Ansprüche aus § 2121 Abs. 1 BGB und § 2127 BGB mit der Begründung des Eintritts der in Ziff. IX Satz 1 Alt. 2 des Testaments vom 10. April 1974 enthaltenen auflösenden Bedingung ablehnt, kann dies ebenfalls keinen Bestand haben.

Die Voraussetzungen für den Eintritt der auflösenden Bedingung infolge Nichterfüllung der testamentarischen Auflage in Ziff. II 1 Satz 3 liegen nicht vor.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist ein Verlust der (Vor-)Erbenstellung des Vaters des Klägers und damit der (Nach-)Erbenstellung des Klägers durch das Ausscheiden seines Vaters als Gesellschafter der OHG infolge der mit dem Beklagten zu 1 und dem Vater des Beklagten zu 2 getroffenen Vereinbarung vom 14. Februar 1985 nicht eingetreten.

1. Zunächst zutreffend hat das Berufungsgericht die Erbeinsetzung als auflösend bedingt nach Ziff. IX Satz 1 Alt. 2 des Testaments angesehen, wobei die Klausel – anders als das Berufungsgericht meint – als Verwirkungsklausel einzustufen ist.

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a) Dass ein Erblasser die Wirksamkeit einer letztwilligen Zuwendung vom Eintritt einer Bedingung abhängig machen kann, ist nicht ausdrücklich geregelt, aber allgemein anerkannt und ergibt sich aus den §§ 158 ff. i.V. mit den §§ 2074 ff. BGB (MünchKomm-BGB/Leipold, aaO § 2074 Rdn. 5; Bamberger/Roth/Litzenburger, BGB 2. Aufl. § 2074 Rdn. 1).

Als Bedingung kann dabei auf ein bestimmtes Verhalten des Bedachten abgestellt werden.

Ist dieses vom Willen des Bedachten abhängig, liegt eine Potestativbedingung vor (Staudinger/Otte, aaO § 2074 Rdn. 27). Hat der Erblasser ein solches Verhalten für eine unbestimmte Zeit auferlegt, handelt es sich im Zweifel um eine auflösende Bedingung (§ 2075 BGB), die Zuwendung soll also mit dem Erbfall anfallen, aber bei Zuwiderhandlung wegfallen

(vgl. Staudinger/Otte aaO § 2075 Rdn. 1;

MünchKomm-BGB/Leipold aaO § 2075 Rdn. 1).

Unter § 2075 BGB fallen vor allem so genannte Verwirkungsklauseln

(Staudinger/Otte aaO § 2075 Rdn. 2;

MünchKomm-BGB/Leipold aaO § 2075 Rdn. 4),

in denen der Erblasser eine Zuwendung unter die Bedingung stellt, dass der Bedachte seinen letzten Willen befolgt oder nicht dagegen vorgeht, und er andernfalls nichts erhält oder auf den Pflichtteil gesetzt wird

(vgl. Soergel/Loritz, BGB 13. Aufl. § 2075 Rdn. 5;

AnwKomm-BGB/Beck, 2. Aufl. § 2074 Rdn. 14).

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b) Nach diesen Kriterien liegt eine Verwirkungsklausel vor, und zwar auch hinsichtlich der in Rede stehenden Bestimmung Ziff. IX Satz 1 Alt. 2 des Testaments (“oder sonst meinen letztwilligen Anordnungen zuwiderhandelt”).

Die Ansicht des Berufungsgerichts, diese Regelung sei keine “Verwirkungsklausel im engeren Sinn”, sondern “nur eine auflösende Potestativbedingung”, ist nicht nachvollziehbar (vgl. auch Kroppenberg, ZEV 2007, 583).

Entgegen seiner Auffassung beziehen sich Verwirkungsklauseln nicht nur auf solche Fälle des Verstoßes gegen den Erblasserwillen, in denen der Bedachte gegen die letztwillige Verfügung vorgeht und deren Gültigkeit in Frage stellt.

Für Verwirkungsklauseln ist kennzeichnend und auch ausreichend, wenn das Verhalten des Bedachten, von dem die Zuwendung abhängen soll, in einem irgendwie gearteten Angriff oder Zuwiderhandeln gegen die Anordnungen des Erblassers besteht (vgl. Staudinger/Otte aaO § 2074 Rdn. 54).

Anderes lässt sich auch nicht der vom Berufungsgericht angeführten Kommentierung von Leipold (MünchKomm-BGB aaO § 2074 Rdn. 29 ff.) entnehmen.

Letztlich maßgebend ist aber, dass die Zuwendung des Erblassers auflösend bedingt erfolgt ist. Diese Feststellung des Berufungsgerichts nehmen die Parteien hin.

c) Darüber hinaus ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass sich die Verwirkungsklausel auf die Anordnung in Ziff. II 1. Satz 3 des Testaments erstreckt, die bestimmt, dass die erbberechtigten Söhne, sofern sie beim Tod des Erblassers noch nicht persönlich haftende Gesellschafter des Bankhauses sind, dies werden und bleiben sollen.

aa) Dass das Berufungsgericht die letztwillige Anordnung als Auflage (§ 1940 BGB) angesehen hat, wird von den Parteien nicht in Frage gestellt und entspricht der ausdrücklichen Bezeichnung im Testament.

Der Inhalt der Anordnung ist im Rahmen einer testamentarischen Auflage zulässig.

Gegenstand einer solchen Auflage kann ein Tun oder Unterlassen jeglicher Art sein, das Gegenstand eines Schuldverhältnisses sein kann (Kipp/Coing, Erbrecht 14. Aufl. § 64 I 3 S. 361; Planck/Flad, BGB 4. Aufl. § 1940 Anm. 3).

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Als zulässig wurde insbesondere die Verpflichtung von Miterben angesehen, eine Gesellschaft zur Fortführung des Unternehmens des Erblassers zu gründen

(vgl. Senat, NA-Beschluss vom 22. April 1998 – IV ZR 186/97 – zu OLG Stuttgart ZEV 1998, 225;

MünchKomm-BGB/Leipold aaO § 1940 Rdn. 6;

Strothmann, Die letztwillige Gesellschaftsgründungsklausel 1983 S. 29 ff., der in einer solchen Verfügung die Verbindung einer Auflage mit einer Teilungsanordnung sieht)

oder das Unternehmen des Erblassers fortzuführen

(vgl. RGZ 171, 358; Soergel/Axel Stein aaO § 1940 Rdn. 3).

Nichts anderes gilt hinsichtlich der Anordnung, als Erbe (persönlich haftender) Gesellschafter einer bestehenden OHG zu werden und zu bleiben.

bb) Hinzunehmen ist auch die Wertung des Berufungsgerichts zur Verknüpfung von Verwirkungsklausel und Auflage in Ziff. II 1. Satz 3 des Testaments dergestalt, dass sich deren Nichterfüllung als Eintritt der auflösenden Bedingung darstellen kann.

Es ist allgemein anerkannt, dass eine letztwillige Zuwendung zugleich unter der Auflage eines bestimmten Verhaltens und der auflösenden Bedingung der Nichterfüllung der Auflage gemacht werden kann (Staudinger/Otte aaO § 2074 Rdn. 15; Soergel/ Loritz aaO § 2074 Rdn. 16).

Eine solche Kombination erbrechtlicher Gestaltungsmittel wird durch die Testierfreiheit (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) garantiert, nach der der Erblasser der zunächst nur verpflichtenden Auflage bindende Wirkung in dem Sinne zuweisen kann, als ein Verstoß dagegen die Sanktionsfolge auslösen soll.

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Gerade durch diese Verknüpfung erhält die Verwirkungsklausel hier ihren speziellen Inhalt.

Begründete Anhaltspunkte dafür, dass die fortdauernde Stellung der Erben als (persönlich haftende) Gesellschafter der OHG nur Gegenstand einer isolierten Auflage sein sollte, deren Erfüllung allein vom Willen der Miterben (§ 2194 BGB) abhängt, ergeben sich entgegen der Ansicht von M. in dem vom Kläger herangezogenen Rechtsgutachten vom 9. Mai 2008 nach dem im Folgenden noch näher dargestellten Willen des Erblassers nicht.

2. Die Revision rügt aber zu Recht, dass das Berufungsgericht die objektiven Voraussetzungen der Verwirkungsklausel aufgrund des Ausscheidens des Vaters des Klägers als Gesellschafter der OHG als gegeben angesehen hat.

Das zugrunde gelegte Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts läuft dem Erblasserwillen zuwider.

a) Es entspricht allgemeiner Meinung, dass es regelmäßig zunächst der Testamentsauslegung bedarf, um zu ermitteln, ob ein sanktionsbewehrtes Verhalten des Bedachten vorliegt

(vgl. Staudinger/Otte aaO Rdn. 57;

MünchKomm-BGB/Leipold aaO § 2074 Rdn. 33;

Bamberger/Roth/Litzenburger, BGB 2. Aufl. § 2074 Rdn. 5;

RGRK/Johannsen, BGB 12. Aufl. § 2074 Rdn. 6).

Allein maßgeblich ist dabei der sich aus den Gesamtumständen ergebende Wille des Erblassers, der im Testament einen, wenn auch unvollkommenen Ausdruck gefunden haben muss (vgl. BGHZ 86, 41, 47).

Der Auslegung bedürfen vor allem allgemein gehaltene Verwirkungsklauseln, die nur an vage Voraussetzungen anknüpfen

(vgl. Staudinger/Otte aaO § 2074 Rdn. 54 ff.;

MünchKomm-BGB/Leipold aaO Rdn. 33),

aber auch solche, die auf ein bestimmtes Verhalten abstellen

(so genannte spezielle Verwirkungsklauseln; Birk, DNotZ 1972, 284, 288, 292;

Rudolf, Handbuch Testamentsauslegung und -anfechtung [2000], § 2 Rdn. 154),

die Verhaltensanforderung aber gleichwohl nicht eindeutig ist.

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So liegt es hier. Der Klausel in Ziff. IX Satz 1 Alt. 2 des Testaments, die über die einbezogene Auflage in Ziff. II 1. Satz 3 an ein bestimmtes Verhalten anknüpft und (jedenfalls insoweit) als Verwirkungsklausel mit speziellem Inhalt anzusehen ist, kann nicht ohne Weiteres entnommen werden, ob das Verhalten des Vaters des Klägers als Bedachtem nach dem Willen des Erblassers die Verwirkung nach sich ziehen soll.

Derartige Unklarheiten gebieten es regelmäßig, zunächst den objektiven Gehalt der vom Erblasser vorgesehenen Verhaltensanordnung im Auslegungswege zu ermitteln.

Das haben das Berufungsgericht und die Beklagten mit den von ihnen zu Rate gezogenen Privatgutachtern weitgehend aus dem Blick verloren.

Zwar ist der Wortlaut der mit der Verwirkungsklausel verknüpften Auflage in Ziff. II 1. Satz 3 des Testaments vermeintlich klar, als es dort heißt, dass die Erben, sofern sie es nicht bereits sind, persönlich haftende Gesellschafter der OHG werden und bleiben sollen.

Danach ist anzunehmen, dass ein Ausscheiden als Gesellschafter grundsätzlich sanktioniert werden soll.

Ob dies nach dem Erblasserwillen aber auch gilt, wenn wie hier ein Miterbe einvernehmlich mit den anderen Miterben zu deren Gunsten bzw. zu Gunsten der bisherigen Gesellschafter aus der OHG ausscheidet und zugleich seine Anteile an der A. KG an diese überträgt, so dass er an den Gewinnen der OHG nicht mehr teilhaben kann, ist gerade nicht eindeutig und bedarf daher der Auslegung.

b) Gemäß § 133 BGB ist bei der Auslegung der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften.

Dieser Aufgabe kann der Richter nur dann voll gerecht werden, wenn er sich nicht auf eine Analyse des Wortlauts beschränkt

(BGHZ 86, 41, 45; 94, 36, 38).

Der Wortsinn der benutzten Ausdrücke muss gewissermaßen “hinterfragt” werden, wenn dem wirklichen Willen des Erblassers Rechnung getragen werden soll

(Senatsurteil vom 28. Januar 1987 – IVa ZR 191/85 – FamRZ 1987, 475 unter 5).

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Es müssen daher der gesamte Text der Verfügung und auch alle dem Richter zugänglichen Umstände außerhalb der Testamentsurkunde ausgewertet werden, die zur Aufdeckung des Erblasserwillens möglicherweise dienlich sind

(vgl. Senatsurteil aaO; MünchKomm-BGB/Leipold aaO § 2084 Rdn. 26 ff.;

Soergel/Loritz aaO § 2084 Rdn. 25 ff.).

Hierzu gehören unter anderem die Vermögens- und Familienverhältnisse des Erblassers, seine Beziehungen zu den Bedachten

(vgl. MünchKomm-BGB/Leipold aaO Rdn. 27;

Soergel/Loritz aaO § 2084 Rdn. 29) und seine Zielvorstellungen

(MünchKomm-BGB/Leipold aaO Rdn. 49).

Auch können weitere Schriftstücke des Erblassers (aaO Rdn. 28) oder die Auffassung der Beteiligten nach dem Erbfall von dem Inhalt des Testaments Anhaltspunkte für den Willen des Erblassers geben (aaO Rdn. 29, 141).

Steht der Erblasserwille fest und ist er formgerecht erklärt, geht er jeder anderen Interpretation, die der Wortlaut zulassen würde, vor (vgl. Senatsurteil vom 7. Oktober 1992 – IV ZR 160/91 – NJW 1993, 256 unter 2).

c) Die Aufgabe der Testamentsauslegung obliegt zwar in erster Linie dem Tatrichter.

Seine Auslegung kann aber mit der Revision angegriffen werden, wenn gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen wurde

(st. Rspr., BGHZ 121, 357, 363;

vgl. BGH, Urteil vom 14. Oktober 1994 – V ZR 196/93 – NJW 1995, 45 unter II 2;

vom 8. Dezember 1989 – V ZR 53/88 – NJW-RR 1990, 455 unter 2),

zu dem vor allem nach dem Berufungsurteil unstreitige Tatsachen gehören

(vgl. BGH, Urteil vom 14. Oktober 1994 aaO).

Eine Auslegung ist auch dann rechtsfehlerhaft, wenn sie in Betracht kommende andere Auslegungsmöglichkeiten nicht in Erwägung gezogen hat

(vgl. Senatsurteil vom 24. Februar 1993 – IV ZR 239/91 – NJW 1993, 2168 unter III 2).

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d) Nach diesem Prüfungsmaßstab ist die Auslegung durch das Berufungsgericht zu beanstanden.

Es hat vorrangig auf den Wortlaut abgestellt, bei seiner Auslegung aber weder den Gesamtzusammenhang des Testaments vom 10. April 1974 – auch im Hinblick auf die weiteren letztwilligen Verfügungen des Erblassers – noch die maßgeblichen Verhältnisse außerhalb der Testamentsurkunde in wirtschaftlicher, sozialer und familiärer Hinsicht umfassend berücksichtigt.

Mit der Feststellung der gewollten Kopplung von Profit und Verantwortung im Hinblick auf die (weitere) Beteiligung der Erben an der A. KG hat das Berufungsgericht den Zweck der Verwirkungsklausel, verknüpft mit der Auflage, lediglich im Ansatz und daher unvollständig ermittelt.

Wie die Revision zu Recht rügt, hätte das Berufungsgericht in seine Erwägungen vor allem den unstreitigen Umstand einbeziehen müssen, dass der Vater des Klägers einvernehmlich mit den anderen Miterben zu deren Gunsten bzw. zu Gunsten der bisherigen Gesellschafter aus der OHG ausgeschieden ist und seinen Anteil an der OHG nicht etwa an familienfremde Dritte veräußert hat.

Es wäre zu klären gewesen, ob auch unter Berücksichtigung dieses Umstandes ein Verhalten des Vaters des Klägers als Bedachtem vorlag, das nach dem Erblasserwillen die angeordnete Verwirkung nach sich ziehen sollte, oder ob damit dem Erblasserwillen nach den gegebenen Umständen gerade entsprochen werden sollte.

Die Testamentsauslegung kann der Senat insoweit selbst vornehmen, weil die hierfür neben dem Text und dem Gesamtzusammenhang der letztwilligen Verfügung maßgebenden Umstände unstreitig sind und Anhaltspunkte dafür, dass weiterer für die Auslegung relevanter Vortrag zu erwarten ist, nicht vorliegen

(vgl. BGHZ 122, 308, 316; BGH, Urteil vom 4. Februar 2009 – VIII ZR 66/08 – WuM 2009, 228 unter II 2 b).

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aa) In Ziff. II 1. Satz 1 des Testaments vom 10. April 1974 ist zunächst ausdrücklich bestimmt, dass das Bankhaus – sofern es nicht beim Erbfall bereits als Kapitalgesellschaft besteht (Ziff. II 1. Satz 5) – als OHG mit den erbberechtigten Söhnen des Erblassers fortgeführt werden soll.

Dem Erblasser, der jahrzehntelang Gesellschafter des Bankhauses war, kam es danach darauf an, dass dieses der Tradition gemäß als Privatbank mit der entsprechenden persönlichen Haftung der Gesellschafter (§ 128 HGB) erhalten bleibt und damit insoweit eine – für Ansehen und Ruf des Bankhauses grundlegend bedeutsame – Kontinuität besteht.

Dass es dem Erblasser dabei besonders auch um die Beteiligung von Familienangehörigen – vorrangig seiner erbberechtigten Söhne – ging und dynastische Erwägungen durchaus eine wesentliche Rolle spielten,

zeigt sich unter anderem in der Nacherbenregelung in Ziff. I 1. Satz 3, 4 des Testaments, nach der als Nacherben nur die männlichen, blutsmäßigen und ehelichen Abkömmlinge bzw. ersatzweise die entsprechenden Personen der anderen Stämme in Betracht kommen.

Auch nach Ziff. I 4. Satz 1 des Testaments sollen Ersatzerben nur die blutsmäßigen, ehelichen Abkömmlinge sein können.

Das dabei für die vom Erblasser angeordnete Stellung als Privatbankier nötige Vermögen wurde unter anderem durch Gesellschaftsbeteiligungen und Zuwendungen des Erblassers an die Erben bereits zu dessen Lebzeiten zur Verfügung gestellt.

So hatte der Erblasser unter anderem Anteile seiner Beteiligung an der A. KG an den Beklagten zu 1 und den Vater des Beklagten zu 2 übertragen bzw. dem Vater des Klägers und G. v. F. entsprechende Unterbeteiligungen eingeräumt, die sich mit dem Erbfall in Hauptbeteiligungen umwandelten.

BGH IV ZR 202/07

Die A. KG war seit Neufassung ihres Gesellschaftsvertrages und desjenigen der OHG vom 10./13. Dezember 1973 die einzige Gesellschafterin der OHG mit Kapitaleinlage und allein gewinnberechtigt.

Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, sollten die Erben indes über die Beteiligung an der A. KG nicht nur von den Gewinnen des Bankhauses profitieren können.

Sie sollten zugleich haftungsrechtlich Verantwortung tragen müssen, Profit und Verantwortung sollten gekoppelt werden.

Der Erblasser wollte sicherstellen, dass derjenige, der als Gesellschafter an der A. KG beteiligt ist, zugleich (persönlich haftender) Gesellschafter der OHG ist.

Eine gesellschaftsvertragliche Entsprechung hierzu findet sich in § 4 Abs. 6 des Gesellschaftsvertrages der A. KG, wonach ihr Gesellschafter nur werden und sein darf, wer zugleich (persönlich haftender) Gesellschafter der OHG ist.

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Dass der Erblasser eine Übereinstimmung zwischen gesellschaftsvertraglicher Regelung und erbrechtlicher Gestaltung herstellen wollte, folgt bereits aus der Vorbemerkung im Testament vom 10. April 1974 und der Ziff. 1. Satz 1 des Nachtrages vom 7. November 1978.

bb) Das sich aus den genannten Zielen des Erblassers ergebende “Gesamtkonzept” zur Fortführung der OHG ist durch das Ausscheiden des Vaters des Klägers nicht beeinträchtigt worden. Das Bankhaus konnte auch danach durch die bisherigen Gesellschafter und Miterben als OHG fortgeführt werden.

Es ist nicht erkennbar, dass dem Erblasser etwa daran lag, dass das Bankhaus in der konkreten personellen Besetzung durch sämtliche erbberechtigten Söhne fortgeführt wird. Zudem kam bereits durch die Nach- und Ersatzerbenregelung eine Beteiligung anderer Personen (aus der Familie) in Betracht.

Der Erblasser hat ferner nicht etwa ausgeschlossen, dass die Miterben ihre Anteile an der OHG unter sich aufteilen.

Er hat lediglich im Hinblick auf deren Beteiligungen an der I. W. GmbH angeordnet, dass die Erben diese während eines Zeitraumes von 25 Jahren ab dem Erbfall nicht unter sich aufteilen dürfen (Ziff. II 6. des Testaments).

Wie die Revision zu Recht anführt und vom Berufungsgericht nicht berücksichtigt wurde, findet sich eine vergleichbare Regelung für die v. F. Verwaltungsgesellschaft mbH (Ziff. VI 2. c des Testaments; Ziff. 2. b des Nachtrags vom 7. November 1978), im Hinblick auf die Beteiligungen der Erben an der OHG aber gerade nicht.

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Dass der Erblasser eine Aufteilung der Anteile der Erben an der OHG nicht ausdrücklich für zulässig erklärt hat, ist insoweit unerheblich.

Darüber hinaus sollten bereits nach § 4 b des Vertrages vom 13. Dezember 1973 zwischen dem Erblasser und dem Vater des Klägers über die Unterbeteiligung an der A. KG rechtsgeschäftliche Verfügungen jedenfalls dann wirksam sein, wenn sie zu Gunsten eines männlichen ehelichen Abkömmlings des Unterbeteiligten oder eines Bruders erfolgten.

Danach könnte allenfalls zweifelhaft sein, ob es dem Erblasserwillen entsprochen hätte, wenn familienfremde Dritte an der OHG beteiligt worden wären.

Dies könnte aber lediglich den Beklagten zu 1 und den Vater des Beklagten zu 2 betreffen, als diese im Jahre 1990 das Bankhaus an die B. Bank PLc veräußert haben und selbst als Gesellschafter ausgeschieden sind, und bedarf daher keiner Entscheidung.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Vater des Klägers nicht allein sein Ausscheiden aus der OHG erklärt hat, sondern mit der Vereinbarung vom 14. Februar 1985 auch seine Anteile an der A. KG auf die Miterben übertragen hat, wobei die Wirksamkeit dieser Verfügung von den Parteien nicht in Frage gestellt wird.

Anders als das Berufungsgericht meint, ist dadurch der benannte Zweck der Kopplung von Profit und Verantwortung nicht hinfällig geworden.

Auf diese Weise war vielmehr sichergestellt, dass der Vater des Klägers nicht allein über die Beteiligung an der A. KG von den Gewinnen des Bankhauses profitieren konnte, ohne zugleich haftungsrechtliche Verantwortung als Gesellschafter zu tragen.

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Für einen solchen Fall, in dem ein Miterbe seine Beteiligung an der A. KG (wirksam) übertragen hatte, kann es dem Willen des Erblassers als erfahrenem Bankier und Kaufmann nicht entsprochen haben, diesen auf Dauer an der Position als (persönlich haftender) Gesellschafter der OHG – ohne Kapitalanteil und mögliche Gewinnbeteiligung – festzuhalten.

Die nicht näher begründete Ansicht des Berufungsgerichts, die Erben hätten “offenkundig” auch davon abgehalten werden sollen, durch Verkauf beider Anteile sich nur die finanziellen Vorteile der Erbschaft ohne die haftungsrechtliche Verantwortung zu sichern, ist nicht nachvollziehbar. Entsprechende Anhaltspunkte lassen sich dem Testament nicht entnehmen.

Hinzukommt, dass der Vater des Klägers mit der Vereinbarung vom 14. Februar 1985 zugleich neben weiteren Gesellschaftsbeteiligungen auch seinen (Vor-)Erbteil an die Miterben übertragen hat und daher von dem Nachlass des Erblassers nicht mehr profitieren konnte.

Der Auffassung der Beklagten, der Erblasser habe mit der Anordnung zur Stellung der Erben als (persönlich haftende) Gesellschafter vorrangig die Sicherung der Haftungsmasse der OHG bezweckt, kann nicht beigetreten werden.

Es sind schon keine Anhaltspunkte für einen über die persönliche Haftung der Erben als solche hinausgehenden Willen des Erblassers, einen bestimmten Bestand der Haftungsmasse der OHG zu sichern, gegeben.

BGH IV ZR 202/07

Die Erben und persönlich haftenden Gesellschafter waren auch nicht gehindert, ihr eigenes Vermögen zu verbrauchen; testamentarischen Beschränkungen unterlagen sie insoweit nicht.

Im Übrigen ist nicht zwangsläufig mit einer Verringerung der Anzahl der persönlich haftenden Gesellschafter auch eine dem Erblasserwillen entgegenstehende Verkürzung der Haftungsmasse verbunden.

cc) Danach ist im Hinblick auf das Ausscheiden des Vaters des Klägers aus der OHG ein Handeln gegen den Erblasserwillen objektiv nicht erkennbar.

Dies wird auch dadurch gestützt, dass nach dem Vortrag des Klägers – dem die Beklagten nicht entgegen getreten sind – diejenigen, die an den Vereinbarungen vom 14. Februar 1985 beteiligt gewesen seien, zu denen neben dem Beklagten zu 1 und dem Vater des Beklagten zu 2 auch der amtierende Notar sowie der Vorsitzende des Testamentsvollstreckergremiums,

der mit dem Erblasser persönlich bekannt gewesen sei, gehört hätten, weder bei Anschluss der Vereinbarungen noch über Jahre danach davon ausgegangen seien, dass der Vater des Klägers einer letztwilligen Anordnung des Erblassers zuwider gehandelt haben könnte mit der Folge des Verlusts der Erbenstellung für seinen gesamten Stamm.

Hierfür spricht, dass sich der getroffenen Vereinbarung vom 14. Februar 1985 zwischen dem Vater des Klägers und dem Beklagten zu 1 sowie dem Vater des Beklagten zu 2 eine Belehrung des amtierenden Notars über eine mögliche Verwirkung der Erbeinsetzung nicht entnehmen lässt (vgl. Ziff. IX der Vereinbarung).

dd) In der Revisionserwiderung des Beklagten zu 1 wird im Übrigen zugestanden, ein Ausscheiden des Vaters des Klägers sei vor dem Hintergrund eines am 1. Februar 1984 in der Presse veröffentlichten Artikels zu Verbindungen des Vaters des Klägers zur … -Sekte für den Erhalt des Bankhauses zwingend erforderlich gewesen; durch die Übernahme des Erbteils des Vaters des Klägers durch den Beklagten zu 1 und den Vater des Beklagten zu 2 sei der Erblasserwille verwirklicht worden.

BGH IV ZR 202/07

Soweit gleichwohl der Eintritt der Verwirkungsfolge damit begründet werden soll, dass der Erblasser, hätte er Verbindungen des Vaters des Klägers zu der genannten Sekte – die in der Klageschrift bereits eingeräumt worden sind – vorhergesehen, diesen enterbt hätte, ist dem nicht zuzustimmen.

Letztwillige Anordnungen des Erblassers zu einer bestimmten Lebensweise, gegen die der Vater des Klägers dann mit der Sanktionsfolge verstoßen haben könnte, sind nicht geltend gemacht und auch nicht ersichtlich.

Im Übrigen folgt allein aus dem Umstand, dass der Erblasser mit letztwilliger Verfügung vom 23. März 1978 G. v. F. wegen unehrenhafter Lebensführung enterbt hatte, nicht zwingend, dass auch die Enterbung des Vaters des Klägers seinem Willen entsprochen hätte.

Entsprechende Anhaltspunkte sind dem Testament nicht zu entnehmen. Der Erblasser hat dagegen Vorkehrungen insoweit getroffen, als besondere Anordnungen für die Testamentsvollstreckung erfolgt sind (Ziff. VI des Testaments i.V. mit Ziff. 2 des Nachtrages vom 7. November 1978)

und er genaue Vorgaben dafür gemacht hat, unter welchen Voraussetzungen der Vater des Klägers bei der OHG Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse erhalten sollte (Ziff. II 4. des Testaments).

Die Übertragung dieser Befugnisse sollte unter anderem solange ausgeschlossen sein, wie der Vater des Klägers wegen schwerer charakterlicher Mängel nicht geeignet ist, diese auszuüben.

Die entsprechende Entscheidungsbefugnis sollte bei dem Beirat der OHG liegen (Ziff. II 4. Satz 6 des Testaments).

BGH IV ZR 202/07

e) Nach allem ist die Klausel in Ziff. IX Satz 1 Alt. 2 i.V. mit Ziff. II 1. Satz 3 des Testaments unter Berücksichtigung ihres Sinns im Gesamtzusammenhang des Testaments dahingehend einschränkend auszulegen, dass jedenfalls der Fall,

in dem wie hier ein Miterbe seine Beteiligung nicht an familienfremde Dritte veräußert, sondern einvernehmlich mit den anderen Miterben zu deren Gunsten bzw. zu Gunsten der bisherigen Gesellschafter aus der OHG ausscheidet und zugleich seine Anteile an der A. KG an die Miterben überträgt, nach dem Erblasserwillen nicht als objektiv sanktionsbewehrtes Handeln erfasst sein sollte.

Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass als Verwirkungsfolge der Verlust der Erbenstellung betreffend den gesamten Stamm vorgesehen war.

Ein Verhalten, das von allen Miterben einverständlich gewollt ist und dem Erblasserwillen entspricht, kann den Verlust der Erbenstellung nicht auslösen.

Der Vater des Klägers hat daher durch sein Ausscheiden als Gesellschafter der OHG infolge der mit dem Beklagten zu 1 und dem Vater des Beklagten zu 2 getroffenen Vereinbarung vom 14. Februar 1985 bereits den objektiven Tatbestand der Verwirkungsklausel nicht verletzt.

3. Danach kommt es nicht mehr darauf an, ob ein Eingreifen der Verwirkungsklausel neben Verwirklichung des objektiven Tatbestandes auch die Erfüllung (weiterer) subjektiver Voraussetzungen verlangt.

BGH IV ZR 202/07

Für die Annahme solcher – subjektiven – Voraussetzungen ist allerdings regelmäßig Anlass gegeben, wobei das entscheidende Gewicht – wie auch Otte (Staudinger, BGB [2003] § 2074 Rdn. 60 f. und Rechtsgutachten vom 27. April 2008 S. 9) nicht verkennt – wiederum auf der Auslegung der individuellen Klausel liegt.

Das betrifft auch die Anforderungen, die in diesem Rahmen zu stellen sein können, insbesondere ob über das bloße Bewusstsein vom Verstoß gegen die Verwirkungsklausel und dessen Folgen weitere Qualifizierungen zu verlangen sind.

Daneben bedurfte es auch zur Wirksamkeit der Verwirkungsklausel, die die Revision mit Blick auf die Bestimmungen der §§ 723 Abs. 3 BGB, 133 Abs. 3 HGB in Zweifel ziehen will, keiner weiteren Erörterungen.

II. Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben und ist aufzuheben.

Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (vgl. § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Das Berufungsgericht wird sich mit den (weiteren) Voraussetzungen der geltend gemachten Ansprüche auch unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben nach § 242 BGB und mit der darauf bezogenen Antragsstellung zu befassen haben.

Im Hinblick auf die Schreiben des Beklagten zu 1 vom 28. Mai 2004 und des Beklagten zu 2 vom 10. November 2005 werden ferner Feststellungen zur Erfüllung zu treffen sein.

LG München I, Entscheidung vom 19.12.2006 – 23 O 4804/06 –

OLG München, Entscheidung vom 16.07.2007 – 21 U 1836/07 –

BGH IV ZR 202/07

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