BGH, Urteil vom 06. Mai 1981 – IVa ZR 170/80 –, BGHZ 80, 269-279 Wirksames Inverzugsetzen durch unbezifferte Mahnung – Tilgungsreihenfolge bei einer durch Aufrechnung bewirkten Teilleistung

Juli 15, 2019

BGH, Urteil vom 06. Mai 1981 – IVa ZR 170/80 –, BGHZ 80, 269-279
Wirksames Inverzugsetzen durch unbezifferte Mahnung – Tilgungsreihenfolge bei einer durch Aufrechnung bewirkten Teilleistung
1. Durch eine unbezifferte, einem zulässigen Antrag in einer Stufenklage (ZPO § 254) entsprechende Mahnung gegenüber dem auskunftspflichtigen Schuldner kommt dieser grundsätzlich in Verzug. Das gilt nicht, soweit der insoweit beweispflichtige Schuldner hinsichtlich eines von einer Wertermittlung abhängigen Betrages die Verzögerung nicht zu vertreten hat.
2. Eine Aufrechnung “gegen die Pflichtteilsforderung” ohne weitere Bestimmung tilgt – wenn Kosten nicht zu entrichten sind – zunächst die auf diese Forderung geschuldeten (Verzugszinsen) Zinsen. Offen bleibt, welche Wirkung eine abweichende Bestimmung für die Aufrechnung hätte.
vorgehend OLG München, 23. Januar 1980, 10 U 2259/79
vorgehend LG München I, 30. März 1979, 10 O 15852/78

Tatbestand
Die Klägerin fordert ihren Pflichtteil in Höhe von einem Viertel des Wertes des Nachlasses ihres am 15. Mai 1975 verstorbenen Vaters R H.
Die Beklagte ist die Witwe des Verstorbenen. Sie hat diesen aufgrund Testaments (zusammen mit dem Sohn der Klägerin), beerbt und das Privatvermögen sowie den gesamten Grundbesitz des Erblassers als Vorausvermächtnis zugewendet erhalten.
Der Sohn der Klägerin hat deren Pflichtteilsanspruch anerkannt.
Die Klägerin forderte mit Schreiben ihres Anwalts vom 23. Juli 1975 die Beklagte auf, bis zum 31. Juli 1975 zu erklären, ob sie den Pflichtteilsanspruch dem Grunde nach anerkenne. Am 8. August 1975 ließ die Beklagte durch ihren Anwalt erklären, der Pflichtteilsanspruch werde dem Grunde nach insoweit anerkannt, als er aus den gesetzlichen Vorschriften herzuleiten sei.
Bei einer Besprechung der Anwälte der Parteien lehnte der Vertreter der Beklagten am 19. August 1975 nach Behauptung der Klägerin jegliche Teilzahlungen auf den Pflichtteil ab. Der Vertreter der Klägerin schrieb am 20. August 1975, er habe bei der Besprechung darauf hingewiesen, daß ein Teil des Pflichtteilsanspruches schon jetzt feststehe; mit der Erklärung vom Vortage habe die Beklagte die Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs verweigert. Damit sei Verzug eingetreten. Die Verzugsfolgen seien der Beklagten bekannt.
Im Juli 1978 anerkannte der Vertreter der Beklagten als Wert des Grundstücksvermögens DM 4.357.000 und als “Firmenwert” DM 4.600.000. Die Klägerin schätzt diese Werte weiterhin erheblich höher.
Mit Anwaltsschreiben vom 10. Oktober 1978 – dem Anwalt der Beklagten zugegangen am 12. Oktober 1978 – ließ die Klägerin die Beklagte auffordern, den Betrag von DM 2.239.250, auf den sich der Pflichtteil nach den eigenen Berechnungen der Beklagten belaufen würde, nebst 6% Zinsen hieraus seit dem Erbfall baldmöglichst zu berichtigen; einer verbindlichen Erklärung, einem Vorschlag oder der Zahlung werde bis 31. Oktober 1978 entgegengesehen.
Der Wert des Grundstücksvermögens des Erblassers ist durch ein im Oktober 1978 erstattetes Gutachten des Sachverständigen Dr. G für den Zeitpunkt des Erbfalles auf DM 4.794.000 geschätzt worden.
Der auf Antrag der Klägerin erlassene Mahnbescheid über einen Teil ihres Pflichtteilsanspruchs in Höhe von DM 2.000.000 nebst 6% Zinsen hieraus seit dem 15. Mai 1975 ist der Beklagten am 23. November 1978 zugestellt worden.
Mit Anwaltsschreiben vom 15. Februar 1979 – dem Vertreter der Klägerin zugegangen am 16. Februar 1979 – erklärte die Beklagte “gegen die Pflichtteilsforderung der Klägerin” Aufrechnung mit einem Anspruch der Firma R H GmbH auf Rückzahlung eines Darlehens nebst Zinsen. Dieses Darlehen war der Klägerin aufgrund Darlehensvertrages vom 20. Februar 1976 gewährt worden; es sollte mit 6% verzinst und später durch Verrechnung mit dem Pflichtteilsanspruch der Klägerin “gegen den Nachlaß von Herrn R H” getilgt werden. Die Darlehenssumme von zunächst DM 300.000 war später auf insgesamt 1.600.000 erhöht worden. Die Schuld der Klägerin aus diesem Darlehen einschließlich Zinsen bis 15. Februar 1979 betrug unstreitig DM 1.819.968. Im Aufrechnungsschreiben, das keine weitere Verrechnungsbestimmung enthielt, war sie irrtümlich mit DM 1.937.201 beziffert worden. Die Darlehensgläubigerin hatte ihre Forderung am 13. Februar 1979 an die Beklagte abgetreten.
Im Hinblick auf diese Aufrechnung hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 23. Februar 1979 vor dem Landgericht beantragt, die Beklagte zur Zahlung von DM 2 Millionen nebst 6% Zinsen hieraus seit 1. August 1975 abzüglich am 16. Februar 1979 durch Aufrechnung getilgter DM 1.819.968 zu verurteilen; im übrigen hat sie die Hauptsache für erledigt erklärt. Dieser Erledigungserklärung hat die Beklagte zugestimmt und danach hinsichtlich eines Betrages von DM 180.032 den Klageanspruch anerkannt. Zur Zahlung dieses Betrages ist sie durch Teilanerkenntnisurteil des Landgerichts vom gleichen Tage verurteilt worden.
Im übrigen hat das Landgericht durch Urteil vom 30. März 1979 die Beklagte zur Zahlung von DM 422.666,66 (nicht von der Erledigungserklärung und dem Teilanerkenntnisurteil erfaßter Teil der Hauptsache der Pflichtteilsforderung) nebst 6% Zinsen aus DM 602.698,66 (Summe der zuerkannten Hauptsache und des durch Teilanerkenntnisurteil zuerkannten Betrages) seit 16. Februar 1979 sowie zu den Kosten verurteilt; im übrigen (wegen der Zinsforderung für die Zeit vom 1. bis 7. August 1975) hat es die Klage abgewiesen.
Nach Zustellung dieses Urteils hat die Beklagte an die Klägerin durch Verrechnungsscheck ohne weitere Erklärungen oder Erläuterungen DM 428.291,30 (vom Landgericht zuerkannte Hauptsache zuzüglich Zinsen bis 11. April 1979) bezahlt.
Auf die nach dieser Zahlung eingelegte Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das vorgenannte Urteil mit Ausnahme der Kostenentscheidung aufgehoben. Es hat die Beklagte lediglich zur Zahlung von Zinsen in Höhe von 4% aus DM 180.932 seit 16. Februar 1979 und von 6% aus DM 2 Millionen für die Zeit vom 12. Oktober 1978 bis einschließlich 15. Februar 1979 verurteilt; im übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen. Von den Kosten des Berufungsrechtszuges hat es der Klägerin 71/72 und der Beklagten 1/72 auferlegt.
Mit der Revision erstrebt die Klägerin Aufhebung des Urteils des Oberlandesgerichts, soweit zu ihrem Nachteil erkannt wurde, und die Verwerfung der Berufung der Beklagten als unzulässig, hilfsweise deren Zurückweisung als unbegründet.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit es zum Nachteil der Klägerin erkannt hat.
I.
Das Berufungsgericht hat Beschwer und Rechtsschutzbedürfnis der Beklagten für die Berufung bejaht und in der kommentarlosen Zahlung des durch das Urteil des Landgerichts zugesprochenen Betrages einschließlich Zinsen auch keinen Verzicht auf Rechtsmittel gesehen.
Demgegenüber bezweifelt die Revision, daß die Beklagte materiell beschwert gewesen sei; sie sieht in der Zahlung des Urteilsbetrages durch die Beklagte ein Anerkenntnis der Klageforderung. Die Zahlung sei nicht zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolgt; diese sei weder angedroht noch eingeleitet worden, im übrigen auch von einer Sicherheitsleistung abhängig gewesen.
Diese Rüge greift nicht durch. Das Berufungsgericht hat die Möglichkeit erwogen, daß ein Verzicht auf das Rechtsmittel der Berufung von der Beklagten auch durch schlüssige Handlung erklärt werden konnte. Es hat jedoch festgestellt, daß die Übersendung des Verrechnungsschecks durch die Beklagte unter Berücksichtigung der Umstände des Falles nicht den Willen zum Rechtsmittelverzicht ausgedrückt habe und von der Klägerin auch nicht mit der erforderlichen Sicherheit als ein solcher Verzicht aufgefaßt werden konnte. Die Zahlung sei unter dem erkennbaren Vorbehalt der Richtigkeit des Urteils und zur Abwendung der Zwangsvollstreckung geleistet worden. Diese Auslegung hält sich im Rahmen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 31. Mai 1965 – VII ZR 159/64, WM 1965, 1022; Urteil vom 22. April 1968 – III ZR 137/65, WM 1968, 923; Beschluß vom 25. Mai 1976 – III ZB 4/76, LM ZPO § 511 Nr. 31). Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß das Berufungsgericht den Sachverhalt nicht vollständig gewürdigt hätte. Die Feststellung, die Beklagte habe mit der Zahlung keinen Verzicht auf das Rechtsmittel der Berufung erklärt, ist nicht zu beanstanden.
II.
Das Berufungsgericht hat als Gegenstand des Berufungsverfahrens nur noch den von der Klägerin geltend gemachten Zinsanspruch angesehen, weil der Rechtsstreit durch die übereinstimmende Erklärung der Parteien und das Teilanerkenntnisurteil schon in erster Instanz in der Hauptsache erledigt sei. Es hat – insoweit zutreffend – zunächst ausgeführt: In Höhe des Zinsanspruchs bestehe das über DM 2 Millionen hinausgehende Klagebegehren fort, und zwar, wenn dieser Betrag von der Hauptforderung einschließlich Zinsen abgezogen werde, in Höhe des Restes der Hauptforderung (DM 2 Millionen plus Zinsen abzüglich DM 2 Millionen), oder – wenn der Betrag von der Pflichtteilsforderung “ausschließlich” abgezogen werde – als reiner Zinsanspruch, der “nach Erledigung des Rechtsstreits in Höhe von DM 2 Millionen” nunmehr zur Hauptforderung geworden sei.
Seinen folgenden Ausführungen hat das Berufungsgericht sodann jedoch nur die zweite der genannten Verrechnungsmöglichkeiten zugrunde gelegt. Es hat lediglich ausgeführt, nachdem die (Rest-) Hauptforderung wegen des Teilanerkenntnisurteils nicht mehr zur Entscheidung stehe, seien die Zinsen zur Hauptsache geworden. Dementsprechend hat es der Klägerin nicht eine restliche Hauptsache nebst Zinsen, sondern nur Zinsen zugesprochen, und zwar auch soweit es den Zinsanspruch für die Zeit bis 15. Februar 1979 für begründet gehalten hat.
Diese Ausführungen sind mit § 367 BGB nicht in Einklang zu bringen. Diese Bestimmung ist gemäß § 396 Abs. 2 BGB im Falle des Erlöschens eines Schuldverhältnisses durch Aufrechnung entsprechend anzuwenden, wenn – wie hier – der aufrechnende Teil dem anderen außer der Hauptleistung auch Zinsen auf diese schuldet (zu der Bedeutung des § 389 BGB in diesem Zusammenhang vgl. unten IV.).
Eine zur Aufrechnung gestellte, zur Tilgung der gesamten Forderung des Aufrechnungsgegners einschließlich Zinsen nicht ausreichende Gegenforderung wird daher zunächst auf die Zinsen angerechnet (§ 367 Abs. 1 BGB). Der aufrechnende Teil kann allerdings eine andere Anrechnung bestimmen; dann könnte aber der Aufrechnungsgegner ebenso widersprechen wie in dem (hier nicht vorliegenden) Fall der Mehrheit von Forderungen bei der Aufrechnung nach § 396 Abs. 1 BGB (§ 367 Abs. 2 BGB). Ob die Folge eines solchen Widerspruchs die Unwirksamkeit der Aufrechnung oder die Verrechnung nach der gesetzlichen Regel des § 367 Abs. 1 BGB wäre, bedarf hier keiner Entscheidung, denn eine abweichende Bestimmung der aufrechnenden Beklagten lag nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht vor.
Die Beklagte hat aufgerechnet “gegen die Pflichtteilsforderung”. Die wegen Verzugs der Beklagten mit der Erfüllung dieser Forderung von der Klägerin im bereits anhängigen Rechtsstreit geltend gemachten Zinsen hat die Beklagte dabei nicht erwähnt. Ihr Aufrechnungsschreiben enthält auch sonst keinen Hinweis auf einen etwa vorhandenen Willen, eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Anrechnung zu bestimmen. Der Umstand, daß die zur Aufrechnung gestellte Forderung ebenfalls Zinsen umfaßte, spräche allenfalls für die vom Gesetz vorgesehene Verrechnungsweise. Das angefochtene Urteil enthält hierzu weder tatsächliche Feststellungen noch irgendeine Begründung für die vom Berufungsgericht durchgeführte, vom Gesetz abweichende Anrechnung.
Das Berufungsgericht hat auch die Formulierung der Erledigungserklärungen der Parteien zur Hauptsache in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 23. Februar 1979 nicht beachtet. Die Klägerin, die in ihrem vorbereitenden Schriftsatz vom 22. Februar 1979 ausdrücklich auf die gesetzliche Verrechnungsweise sowie darauf hingewiesen hatte, daß deshalb durch die Aufrechnung nur ein Teilbetrag von DM 1.394.634,72 der Pflichtteils- (Haupt-) Forderung getilgt sei, hat durch die Fassung ihres Antrages (Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von DM 2 Millionen nest 6% Zinsen hieraus seit 1. August 1975 abzüglich der zur Verrechnung gestellten Gegenforderung) die gesetzliche Verrechnungsregel des § 367 Abs. 1 BGB ausdrücklich übernommen. Sie hat nur “im übrigen” die Hauptsache für erledigt erklärt. Die Erledigungserklärung bezog sich also eindeutig nicht auf DM 1.819.968 der Pflichtteils- (Haupt-) Forderung, sondern nur auf denjenigen Teil davon, der durch die Aufrechnung mit dem die Zinsforderung der Klägerin übersteigenden Teil der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung getilgt war. Dieser Erledigungserklärung hat die Beklagte zugestimmt. Nach den übereinstimmenden Erklärungen der Parteien war somit die (prozessuale) Hauptsache wegen der Zinsansprüche der Klägerin bis 15. Februar 1979 in vollem Umfang erledigt, nicht jedoch der durch diese Art der Anrechnung nicht getilgte Teil der Hauptforderung. Das Berufungsgericht hat daher verkannt, daß das Landgericht zu Recht über diese restliche Hauptforderung entschieden hatte und daß diese – und nicht etwa nur eine zur Hauptsache gewordene Zinsforderung – auch Gegenstand des Berufungsverfahrens war.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, daß der nach der Abgabe der Erledigungserklärungen von der Beklagten anerkannte Teilanspruch zusammen mit dem Betrag der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung rechnerisch genau DM 2 Millionen, also den Betrag der im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten Hauptforderung ausmacht. Das Anerkenntnis lag nämlich zeitlich sowohl nach der Aufrechnungserklärung als auch nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen. Es kann deshalb nicht zu deren Auslegung herangezogen werden. Eine Bestimmung über eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Anrechnung nach § 367 Abs. 2 BGB hätte spätestens zugleich mit der Aufrechnung erfolgen müssen. Außerdem konnte die Beklagte den prozeßbestimmenden, übereinstimmenden Erklärungen beider Parteien über die Erledigung eines Teils der Hauptsache nicht nachträglich durch eine einseitige Erklärung einen anderen Inhalt geben.
III.
Zum Beginn des Verzuges der Beklagten hat das Berufungsgericht ausgeführt: Weder durch die Erklärungen des Anwalts der Beklagten bei der Besprechung vom 19. August 1975 noch durch das Schreiben des Anwalts der Klägerin vom 20. August 1975 sei die Beklagte in Verzug geraten. Die Klägerin habe nicht vorgetragen, wie hoch der Pflichtteilsanspruch sei und welche tatsächlichen für die Bewertung maßgeblichen Grundlagen damals schon vorhanden waren. Zu Teilleistungen sei die Beklagte nicht verpflichtet gewesen. Die Feststellung des Anwalts der Klägerin, es sei Verzug der Beklagten eingetreten, sei nur eine rechtliche Schlußfolgerung; ein Schweigen der Beklagten darauf könne nicht als Anerkenntnis des Verzugs gesehen werden. Der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten gegen den Erben auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses und auf Ermittlung von dessen Wert befreie ihn nicht von der Pflicht, den Pflichtteilsanspruch konkret zu beziffern. Der Erbe könne, ohne in Verzug zu geraten, abwarten, bis der Pflichtteilsberechtigte die nötigen Ermittlungen angestellt habe.
Diese Ausführungen enthalten Rechtsfehler. Abgesehen davon, daß der Pflichtteilsberechtigte Ermittlungen über den Wert eines Unternehmens durch Sachverständige vom Erben verlangen kann (BGH Urteil vom 30. Oktober 1974 – IV ZR 41/73 = NJW 1975, 258 = LM BGB § 2314 Nr. 9) und insoweit nicht auf eigene Ermittlungen angewiesen ist, hat das Berufungsgericht die Anforderungen an die verzugsauslösende Mahnung des Pflichtteilsberechtigten überspannt. Auch die Mahnung wegen eines nicht bezifferten Geldbetrages kann wirksam sein, wenn konkrete Tatsachen zur Berechnung ihrer Höhe vorgebracht sind. Zwar hat der VI. Zivilsenat im Urteil vom 1. Dezember 1961 – VI ZR 60/61 – einem Gläubiger Verzugszinsen insoweit nicht zuerkannt, als er nicht bekannt gegeben hatte und auch den Umständen nicht zu entnehmen war, welche Leistungen er von dem Schuldner forderte. Das gelte insbesondere, wenn ein Haftpflichtversicherer beteiligt und ihm die Ermittlung eines unbezifferten Schadens nicht anzusinnen sei. Der vorliegende Fall liegt indessen ganz anders: Hier hatte allein die auskunftspflichtige Beklagte nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Pflicht, durch Feststellung des Bestandes und des Wertes des Nachlasses die Höhe des Pflichtteilsanspruchs der Klägerin zu ermitteln. Mit ihrer Auskunftspflicht gemäß § 2314 BGB wäre es nach Treu und Glauben nicht zu vereinbaren, wenn die Beklagte durch eine Verzögerung dieser Auskunft sich den Vorteil verschaffen könnte, den Beginn eines Verzuges mit der Erfüllung der Pflichtteilsforderung hinauszuziehen (vgl. das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil des Senats vom 9. April 1981, IV a ZR 144/80). Es wäre auch unverständlich, wenn die Klägerin zur Erhebung einer Stufenklage gemäß § 254 ZPO, die auch ohne bezifferten Leistungsantrag die Beklagte in Verzug setzen würde, gezwungen sein sollte, weil sie dieses Ergebnis durch eine außerprozessuale Mahnung gleichen Inhalts nicht erreichen könnte. Durch eine unbezifferte, einem zulässigen Antrag in einer Stufenklage entsprechende Mahnung gegenüber dem auskunftspflichtigen Schuldner kommt dieser vielmehr grundsätzlich in Verzug. Allerdings wird hinsichtlich der Leistung eines von einer Wertermittlung abhängigen Betrages eine Verzögerung häufig vom Schuldner nicht zu vertreten sein (§ 285 BGB). Das gilt jedoch nicht, wenn sich aus den eigenen Wertangaben des Erben bereits ein höherer Pflichtteilsanspruch ergibt als die eingeklagte Hauptforderung. Die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat jedoch nichts dafür vorgetragen, daß sie den Verzug nicht zu vertreten gehabt hätte (§ 285 BGB).
Zu Unrecht hat daher das Berufungsgericht in dem Schreiben des Vertreters der Klägerin vom 20. August 1975 (möglicherweise bereits in den – nicht festgestellten – mündlichen Erklärungen in der Besprechung vom Vortage) keine wirksame Mahnung gemäß § 284 Abs. 1 Satz 1 BGB gesehen. Daß der formale Wortlaut dieses Schreibens nur eine Feststellung des Verzuges als Rechtsfolge ergibt, ist nicht entscheidend; der Wille, die Beklagte – wenn auch unter Vorbehalt höherer Ansprüche – zur Zahlung des Pflichtteiles in der Höhe aufzufordern, wie er sich aus den eigenen Wertangaben oder Wertvorstellungen der Beklagten mindestens ergab, war offensichtlich (§ 133 BGB).
Eine Forderung einer Teilleistung lag darin nicht. Die Klägerin forderte den ganzen Pflichtteil. Sie hatte lediglich erklärt, daß sie dasjenige, was die Beklagte nach eigener Bewertung als Ganzes ansah, unter Vorbehalt weiterer Ansprüche annehmen und nicht etwa als unzulässige Teilleistung (§ 266 BGB) zurückweisen würde. Zu Teilleistungen soll zwar der Schuldner im Interesse des Gläubigers nicht berechtigt sein; daraus kann der Schuldner aber nicht das Recht herleiten, die Erfüllung der Leistung in dem mindestens geschuldeten Umfange gegenüber dem annahmebereiten Gläubiger zurückzuhalten (§ 242 BGB).
Sollte der Vertreter der Klägerin gegenüber dem Anwalt der Beklagten bereits bei der Besprechung vom 19. August 1975 eine wirksame Mahnung mündlich ausgesprochen haben oder sollte die im Schreiben vom 20. August 1975 erwähnte Ablehnung jeglicher Teilleistungen sich als die endgültige Ablehnung der Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs in dem auch nach den Wertvorstellungen der Beklagten mindestens geschuldeten Umfange darstellen, so ist die Beklagte bereits am 19. August 1975 in Verzug geraten.
Dies hat das Berufungsgericht verkannt. Seine Ausführungen darüber, daß die Beklagte nicht bereits durch das Schreiben des Vertreters der Klägerin vom 23. Juli 1975 in Verzug geraten sei, begegnen dagegen keinen rechtlichen Bedenken.
IV.
Das Berufungsgericht hat ferner die Bestimmung des § 389 BGB nicht beachtet. Danach bewirkt die Aufrechnung, daß die Forderungen, soweit sie sich decken, bereits (rückwirkend) in dem Zeitpunkt als erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind. Das war hier der 13. Februar 1979, denn an diesem Tage hatte die Beklagte die Gegenforderung durch Abtretung erworben. Von diesem Zeitpunkt an konnte die Klägerin insoweit keine Verzugszinsen mehr fordern, als ihre Forderung durch die am 15. Februar 1979 erklärte Aufrechnung erloschen war.
Allerdings stand auch der Beklagten ein Anspruch auf Zinsen aus der abgetretenen Darlehensforderung für den 14. und 15. Februar 1979 nicht mehr zu; auch diese Zinsen sind in der Aufrechnungserklärung mit enthalten und von der Erledigungserklärung beider Parteien mit umfaßt.
V.
Das Berufungsgericht hat der Klägerin für die Zeit ab 16. Februar 1979 nur den gesetzlichen Zinssatz von 4% zuerkannt. Es hat dazu ausgeführt, die bloße Behauptung der Klägerin, sie hätte das Geld zu 6% Zinsen anlegen können, reiche nicht aus. Die Klägerin habe nicht einmal behauptet, daß sie in der Lage gewesen wäre, den anerkannten Restbetrag von DM 180.032 so anzulegen, daß ihr dafür ein Zinssatz von 6% eingeräumt worden wäre.
Auch diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsirrtum. Das Berufungsgericht hat verkannt, daß es über die Höhe eines den gesetzlichen Zinssatz übersteigenden Verzugsschadens der Klägerin gemäß § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu entscheiden hatte (vgl. Urteil des Senats vom 9. April 1981 – IV a ZR 144/80). Sollte die allgemeine Erfahrung ergeben, daß in der fraglichen Zeit Beträge der streitigen Größenordnung von geschäftserfahrenen Personen zu höheren Zinssätzen als 4% angelegt werden konnten und angelegt zu werden pflegten, so hätte das Berufungsgericht dies auch dann berücksichtigen müssen, wenn die Klägerin dazu keine konkreten Tatsachen vorgetragen hatte. Es hätte sich die Frage stellen müssen, ob insoweit mit der Zinsforderung nicht ein Schaden geltend gemacht wurde, wie er sich typisch daraus ergibt, daß Eigenkapital in solcher Höhe erfahrungsgemäß nicht ungenutzt geblieben, sondern zu einem allgemein üblichen Zinssatz angelegt worden wäre (BGH Urteil vom 30. November 1979 – V ZR 23/78 = VersR 1980, 194).
VI.
Nach allem ist das angefochtene Urteil im Kostenpunkt sowie insoweit aufzuheben, als es zum Nachteil der Klägerin erkannt hat. Der Senat kann die erforderlichen, vom Berufungsgericht unterlassenen Feststellungen nicht selbst treffen. Der Rechtsstreit war daher im Umfange der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Schlagworte

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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