BGH, Urteil vom 13. Juli 1983 – IVa ZR 15/82 –, BGHZ 88, 102-112 Zur Frage, ob im Falle eines gemeinschaftlichen Testamentes iSv BGB § 2269 das vom vorverstorbenen Vater erhaltene Geschenk gemäß BGB § 2327 auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch nach der Mutter anzurechnen ist

Dezember 22, 2019

BGH, Urteil vom 13. Juli 1983 – IVa ZR 15/82 –, BGHZ 88, 102-112
Zur Frage, ob im Falle eines gemeinschaftlichen Testamentes iSv BGB § 2269 das vom vorverstorbenen Vater erhaltene Geschenk gemäß BGB § 2327 auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch nach der Mutter anzurechnen ist
Als Erblasser im Sinne von BGB § 2327 kann auch im Falle eines Berliner Testamentes nicht der vorverstorbene Ehegatte angesehen werden.
Entgegen KG Berlin, 1974-03-21, 12 U 2102/73, NJW 1974, 2131.
vorgehend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 17. Dezember 1981, 7 U 26/81
vorgehend LG Itzehoe, 23. Dezember 1980, 3 O 413/80

Tatbestand
Die Parteien – Geschwister – streiten darüber, ob nach dem Tode ihrer Mutter auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch des Klägers eine Leistung anzurechnen ist, die dieser von dem vorverstorbenen Vater erhalten hat.
Der Vater der Parteien war Eigentümer eines Wohnhausgrundstückes und eines weiteren bebauten Grundstückes, auf dem er sein Installationsgeschäft betrieb. Durch Vertrag vom 10. Januar 1966 übertrug er dem Kläger unter Zustimmung der Mutter der Parteien das Betriebsgrundstück nebst Installationsgeschäft. Der Kläger übernahm die Verbindlichkeiten des Geschäfts, die Belastungen des Grundstücks und die Verpflichtung, an seine Eltern als Gesamtgläubiger bis zum Tode des Längstlebenden eine monatliche Rente von 400,– DM zu zahlen, die der Invaliditätsrente des Vaters prozentual stets angepaßt werden sollte.
Am 20. Januar 1966 setzten die Eltern in einem gemeinschaftlichen Testament sich gegenseitig zu alleinigen Erben und die Beklagten als Schlußerben je zur Hälfte ein, falls nicht der Längstlebende anders verfügen würde, was nicht geschehen ist. Der Kläger wurde im Hinblick auf die Zuwendung vom 10. Januar 1966 im Testament für abgefunden erklärt.
Nachdem der Vater am 11. Dezember 1976 verstorben war, übertrug die Mutter der Parteien mit Wirkung vom 1. Januar 1979 gegen Einräumung eines lebenslangen Nießbrauchsrechts den Beklagten je zur ideellen Hälfte das verbliebene Wohnhausgrundstück. Den bei ihrem Tod am 8. April 1980 lediglich noch vorhandenen Hausrat teilten die Parteien unter sich auf.
Von dem ihm seiner Meinung nach zustehenden Pflichtteilsergänzungsanspruch macht der Kläger einen Teilbetrag von 5.000,– DM geltend. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht sie abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Der Kläger könne als Pflichtteilsergänzung ein Sechstel des Betrages verlangen, der als Geschenk der Mutter der Parteien gemäß § 2325 BGB deren Nachlaß hinzuzurechnen sei. Als einer von drei Abkömmlingen sei er durch Testament von der Erbfolge ausgeschlossen worden. Die Übertragung des Hausgrundstückes auf die Beklagten sei eine gemischte Schenkung gewesen. Deren Wert übersteige jedenfalls 30.000,– DM, sei aber nach den Angaben des Klägers nicht höher als mit 250.000,– DM anzunehmen. Danach sei der geforderte Teilbetrag von 5.000,– DM nur dann nicht gerechtfertigt, wenn der Kläger den von ihm selbst nach Abzug aller Belastungen mit 50.000,– DM angegebenen Wert des Betriebsgrundstückes und des Geschäftes sich als Eigengeschenk anrechnen lassen müsse. Da ein niedrigerer Wert nach dieser Angabe des Klägers auszuschließen sei, stehe fest, daß dem Kläger von seinem Vater ebenfalls eine gemischte Schenkung zuteil geworden sei. Von dem Gesamtbetrag der beiden Schenkungen in Höhe von 300.000,– DM habe der Kläger mit 50.000,– DM schon ein Sechstel erhalten.
Die Frage, ob im Falle eines gemeinschaftlichen Testamentes das i.S. von § 2269 BGB das vom vorverstorbenen Vater erhaltene Geschenk gemäß § 2327 BGB auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch nach der Mutter anzurechnen ist, hat das Berufungsgericht im Gegensatz zum Landgericht und im Anschluß an das Urteil des Kammergerichts vom 21. März 1974 (NJW 1974, 2131 = OLGZ 1974, 257) bejaht.
II.
Die Frage ist im Schrifttum streitig (dem Kammergericht folgen Palandt/Edenhofer, 42. Aufl. Anm. 1, Erman/Schlüter, 7. Aufl. Rdn. 2, RGRK/Johannsen, 12. Aufl. Rdn. 1, Staudinger/ Ferid/Cieslar, 12. Aufl. Rdn. 5 – sämtlich zu § 2327 BGB, Kipp/Coing, § 13 IX Fn. 36; a.A. Soergel/Dieckmann, 11. Aufl. Rdn. 1 und MK/Frank, Rdn. 4, jeweils zu § 2327 BGB). Sie ist nach Ansicht des Senats zu verneinen. Der 1976 verstorbene Vater der Parteien war bei dem Erbfall im Jahre 1980 nicht Erblasser; eine entsprechende, ihn als den Vorverstorbenen in den Regelungszweck einbeziehende Anwendung dieser Vorschrift kommt nicht in Betracht.
1. Gegen die Lösung des Kammergerichts und des Berufungsgerichts spricht der Wortlaut des Gesetzes.
a) § 2327 Abs. 1 Satz 1 BGB bestimmt, daß ein Geschenk des Erblassers an denjenigen Pflichtteilsberechtigten, der wegen eines Geschenkes an einen Dritten Ergänzung seines Pflichtteils nach § 2325 BGB fordert, in gleicher Weise wie das dem Dritten gemachte Geschenk dem Nachlaß hinzuzurechnen und dann auf die Ergänzungsforderung anzurechnen ist. Dieser Wortlaut der Bestimmung ist eindeutig: Schenker und Erblasser müssen identisch sein. Erblasser ist nach dem durchgehenden Wortlaut des Gesetzes, der den Definitionen der §§ 1922, 1924 BGB strikt folgt, diejenige Person, deren Tod Erbfall genannt wird und den Übergang des Vermögens dieser Person, der Erbschaft, als Ganzes auf die Erben zur Folge hat. Erblasser kann demgemäß nicht eine schon vor dem Erbfall verstorbene Person sein. Die Rechtfertigung für einen davon abweichenden Gebrauch des Begriffs Erblasser kann insbesondere den Vorschriften über das gemeinschaftliche Testament nicht entnommen werden. Darin wird dieser Begriff überhaupt nicht verwendet.
b) Nach § 2317 Abs. 1 BGB entsteht mit dem – also mit jedem – Erbfall der Anspruch des durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossenen Abkömmlings gegen den Erben auf Auszahlung des Pflichtteils. Jedes von seinen Eltern enterbte Kind hat danach zwei Pflichtteilsansprüche, je einen beim Tode jedes Elternteils. Daran ändert sich nichts durch die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testamentes. Auch dann sind die Erbfolge nach der Mutter und diejenige nach dem Vater deutlich auseinanderzuhalten (vgl. Senatsurteil vom 22. 9. 1982 – IVa ZR 26/81 – WM 1982, 1254 = NJW 1983, 277, 278). Wird Vor- und Nacherbschaft angeordnet, dann treten bei dem Tode des überlebenden Elternteiles gleichzeitig der Nacherbfall bezüglich des Vorverstorbenen und der Erbfall hinsichtlich des Überlebenden ein. Auch das Berliner Testament regelt nach dem eindeutigen Wortlaut der §§ 2269, 2273 BGB nicht einen, sondern zwei Erbfälle, ebenso der Ehegattenerbvertrag (§§ 2280, 2300 BGB). Der Tod des erstversterbenden Ehegatten hat zur Folge, daß sein Vermögen als Ganzes auf den überlebenden Ehegatten übergeht. Stirbt später dann der überlebende Ehegatte, so wird bei diesem zweiten Erbfall der im Berliner Testament als Schlußerbe eingesetzte Dritte in der Regel dessen Erbe. Jeder dieser beiden Erbfälle löst für den Enterbten, wie ausgeführt, einen Pflichtteilsanspruch aus.
Der Gesetzgeber hat der Erfahrungstatsache, daß Eheleute über den Tod hinaus ihr Vermögen als Einheit erhalten wollen (vgl. Prot. V, 406), in § 2269 BGB zwar durch eine Auslegungsregel Rechnung getragen. Er hat aber nicht etwa – entgegen der Systematik der erbrechtlichen Begriffe – die beiden Erbfälle “zusammengezogen” oder den eindeutigen Begriff des Erblassers verwischt.
2. Allerdings zwingt die Bindung des Richters an das Gesetz ihn nicht zur reinen Wortinterpretation. Vielmehr ist bei der vom Richter vorzunehmenden Auslegung des Gesetzes in erster Linie dessen Sinn zu erforschen. In der hier zu beantwortenden Rechtsfrage haben das Kammergericht und das Berufungsgericht sich im Wege richterlicher Rechtsfortbildung aus Gründen der Billigkeit gegen den Wortlaut entschieden.
Anzuerkennen ist, daß für § 2327 BGB die Billigkeit der tragende Gesichtspunkt ist (vgl. die Nachweise bei Sturm/ Sturm in “De iustitia et iure”, Festgabe für Ulrich von Lübtow S. 608 Fn. 43, weiter Erman/Schlüter, 7. Aufl. Rdn. 1 und MK/Frank, Rdn. 1 jeweils zu § 2327 BGB) Indessen zwingt dieser Gesichtspunkt nicht zur Anwendung dieser Bestimmung auch in dem Fall, daß der vorverstorbene Ehegatte den durch gemeinschaftliches Testament enterbten Abkömmling mit einer Schenkung bedacht hat, der nach dem Tode des überlebenden Ehegatten Pflichtteilsergänzung fordern kann.
a) Für eine solche Korrektur des Gesetzes aus Billigkeitsgründen ist in dem formalen und starren Pflichtteilsrecht kein Raum; sie würde weitreichende Wirkungen haben.
Zweck des Pflichtteilsrechtes ist es, sogar gegen den Willen des Erblassers einen billigen Ausgleich für die von ihm bewußt übergangenen nächsten Angehörigen zu schaffen. Für Abkömmlinge, Ehegatte und Eltern des Erblassers soll ihre Beteiligung am Nachlaß zumindest in Gestalt einer Geldforderung sicher sein. Demgemäß wird im Zusammenhang mit dem Pflichtteilsrecht von der “Notwehr gegen die Testierfreiheit” gesprochen (Lange/Kuchinke, 3. Aufl. § 39 I 1 b, S. 579). Die Notwendigkeit, die nächsten Angehörigen zu schützen, stuft das Gesetz hoch ein. Nicht nur Beschränkungen und Beschwerungen wehrt es durch § 2306 BGB ab. Es trachtet sogar danach, den durch Zuwendungen geschmälerten Nachlaß mit der Ausgleichungspflicht des § 2316 und den Ergänzungsansprüchen der §§ 2325 ff. BGB wieder aufzufüllen, um jedenfalls auf diese Weise die genannte Beteiligung sicher und vorhersehbar zu machen.
Demgegenüber würde die vom Berufungsgericht befürwortete Korrektur des Begriffes “Erblasser” auf eine einschneidende Veränderung des gesetzlichen Pflichtteilsrechtes und des Grundsatzes hinauslaufen, daß jeder Erbfall mit der bei Enterbung ihm innewohnenden Pflichtteilsfolge gesondert zu betrachten ist.
Es ließe sich kaum vermeiden, den Begriff Erblasser nicht nur in § 2327 und dann weiter in § 2325, sondern auch z.B. in den Bestimmungen der §§ 2315, 2316 BGB auf den vorverstorbenen Ehegatten auszuweiten. Demgemäß scheidet eine Beschränkung der Korrektur auf § 2327 BGB aus. Die in dieser Bestimmung getroffene Anrechnungsregelung unterliegt zwar keiner zeitlichen Schranke (BGH Urteil vom 21. 3. 1962 – V ZR 169/60 – LM BGB § 2327 Nr. 1) und erfaßt mehr und andere Zuwendungen als z.B. § 2316 BGB. Gleichwohl ließe sich aus dieser großzügigeren Anrechnung kein tragender Grund entnehmen, die gewünschte Ausweitung des Begriffs Erblasser auf § 2327 BGB zu beschränken. Soweit nämlich die Anrechnung in § 2316 BGB von geringerem Umfang angeordnet wird, lassen sich die in den beiden Bestimmungen aufgestellten Anrechnungsvoraussetzungen nicht “personal” unterscheiden; hinsichtlich der “Herkunft” der auszugleichenden Zuwendung und des Nachlasses besteht nämlich zwischen beiden Bestimmungen kein Unterschied.
Die möglichen Lebenssachverhalte und die Versuche zu ihrer Gestaltung durch letztwillige Verfügungen des Erblassers sind vielfältig. Im Hinblick darauf wären Ausmaß und Auswirkungen einer das gesamte Pflichtteilsrecht ergreifenden Korrektur nicht in dem Maße zu überschauen, wie es erforderlich wäre, um auch nur für die Mehrzahl der daraus folgenden Ergebnisse die im Pflichtteilsrecht unverzichtbare Vorhersehbarkeiten gewährleisten.
b) Aber sogar die eigentlich angestrebte Billigkeit der sich ergebenden Lösungen erscheint fraglich.
Was nach Meinung des Kammergerichts eine doppelte Pflichtteilsforderung verhindern soll, kann sich ebenso als unbillige Doppelanrechnung des Geschenkes auswirken. Hält sich beim Tode des erstversterbenden Ehegatten der von diesem beschenkte Abkömmling mit dem Geschenk für ausreichend bedacht und verlangt er deshalb nicht seinen Pflichtteil, so würde ihm bei der vom Kammergericht vertretenen Lösung nach dem Tode des letztversterbenden Ehegatten die nach seinem Verständnis doch schon “verbrauchte” Anrechnung erneut entgegengehalten werden können. Den auf den ersten Erbfall bezogenen Pflichtteilsforderungen dieses Abkömmlings könnte dann der vom letztversterbenden Ehegatten beschenkte Abkömmling, der als Schlußerbe eingesetzt ist, u.U. die Verjährung entgegensetzen. Sein eigenes auf den ersten Erbfall bezogenes Pflichtteilsverlangen könnte er jedoch erfüllen, weil er als Schlußerbe zugleich Gläubiger und Schuldner ist. So könnte er außerdem noch den aus dem zweiten Erbfall herrührenden Nachlaß vorweg vermindern, aus dem sich der Pflichtteilsanspruch des vom Erstverstorbenen beschenkten Abkömmlings errechnet.
Allerdings könnte man der Gefahr einer Doppelanrechnung dadurch zu begegnen versuchen, daß man beim zweiten Erbfall ein Geschenk des Erstverstorbenen nur insoweit berücksichtigt, als es nicht schon bei der Pflichtteilsberechnung anläßlich des ersten Erbfalles geltend gemacht worden ist oder hätte geltend gemacht werden können. Bei einer solchen Lösung wurden Unbilligkeiten vermieden, die sowohl mit der völligen Nichtanrechnung als auch mit der völligen Anrechnung verbunden sind. Für sie fehlt es jedoch an einer Grundlage im Gesetz; sie wäre mit dem formalen Charakter des Pflichtteilsrechts unvereinbar und würde die Berechnung des Pflichtteils komplizieren.
c) Zugegeben ist dem Kammergericht allerdings, daß bei der Auseinandersetzung unter Miterben im Falle eines Berliner Testaments Zuwendungen des vorverstorbenen Ehegatten berücksichtigt worden sind. Das Reichsgericht hat diese Frage schon 1914 für einen Fall der Gütergemeinschaft bejaht (im Urteil vom 26. 3. 1914 – IV 686, 13, veröffentlicht LZ 1914, 1362 Nr. 19) und dabei auf die Einheitlichkeit des Vermögens der Ehegatten abgestellt. Ganz allgemein hat es unter Bezugnahme auf diese Entscheidung später die Frage dahin beantwortet, daß im Falle eines gemeinschaftlichen Testamentes als Erblasser im Sinne des § 2052 (und ebenso im Sinne der §§ 2066 – 2069, vgl. die Bezugnahme auf RGRK, 8. Aufl. § 2052 Anm. 1 a) auch der zuerst verstorbene Ehegatte gelte (RG WarnRspr 1938 Nr. 22 S. 52). Hiergegen hat sich im Schrifttum Widerspruch nicht erhoben (vgl. z.B. Staudinger/Werner 12. Aufl. Rdn. 6; RGRK/Kregel, 12. Aufl. Rdn. 4 jeweils zu § 2052). Vielmehr folgen auch diejenigen Kommentare uneingeschränkt dieser Ansicht, die zu § 2327 BGB Bedenken äußern (MK/Dütz, § 2052 Rdn. 2 und § 2050 Rdn. 6; Soergel/Wolf, 11. Aufl. § 2052 Rdn. 4 und § 2050 Rdn. 9).
Das zwingt jedoch nicht dazu, auch in § 2327 BGB an dieses Verständnis anzuknüpfen und den vorverstorbenen Ehegatten als Erblasser anzusehen. Deshalb bedarf hier keiner Entscheidung, ob der nicht näher begründeten Ansicht des Reichsgerichts im Falle der Auseinandersetzungsregelung zu folgen ist und ob dort die Ausweitung des Erblasserbegriffs anders als im Pflichtteilsrecht hingenommen werden kann. Die Regelung der Auseinandersetzung hat einen anderen Ausgangspunkt als das Pflichtteilsrecht. Während letzteres bewußt unabhängig von der Testierfreiheit ausgestaltet ist, sich sogar gegen sie wendet, geht das Auseinandersetzungsrecht grundsätzlich vom geäußerten oder vermuteten Erblasserwillen aus. Es erfaßt außerdem bei der Anrechnung und Ausgleichung die Zuwendungen in einem anderen, engeren Rahmen als das Pflichtteilsrecht.
4. Überdies besteht auch kein genügendes Bedürfnis für die generalisierende Lösung des Kammergerichts gegen den Wortlaut des Gesetzes. Wollen Ehegatten, die ihre rechtlich getrennten Vermögensmassen als Einheit betrachten, diese Einheit über den Tod hinaus erhalten, und wollen sie ein Berliner Testament errichten, so können sie die Schwierigkeiten bedenken und ausräumen, die angesichts der grundsätzlich gegenläufigen, nämlich auf nur einen Erblasser und nur einen Erbfall aufbauenden Regelung des Erbrechts ihrem Vorhaben entgegenstehen. Sie können durch testamentarische Sanktionen oder ausdrückliche Ausgleichungs- und Anrechnungsregelungen und auch durch die Aussetzung von Vorausvermächtnissen einer etwaigen Illoyalität eines Abkömmlings gegenüber ihrem Elternwillen begegnen. Sie können schon bei der Zuwendung zu ihren Lebzeiten mit dem bedachten Abkömmling einen Erbverzicht oder sogar einen Pflichtteilsverzicht aushandeln. Sie haben es also jedenfalls weitgehend in der Hand, durch ihre Gestaltung die vom Kammergericht befürchteten Zufallsergebnisse zu verhindern oder die in § 2327 BGB vorausgesetzte Identität von Erblasser und Schenker herzustellen. Ihrem Willen sucht die Rechtsprechung aufgrund von § 2084 BGB in jeder Weise Rechnung zu tragen. Allein die Möglichkeit, daß dies im Einzelfall vielleicht nicht gelingt, rechtfertigt nicht eine weitreichende und in ihren Auswirkungen auf die Praxis der Nachlaßabwicklung kaum überschaubare Billigkeitskorrektur.
5. Letztlich liegt die dem Wortlaut folgende “Trennungs-” Lösung auf der Linie des Gesetzes, wie sie in gewisser Weise auch durch § 2331 Abs. 1 Satz 1 BGB vorgezeichnet ist. Selbst in diesem Falle, in dem das Vermögen der Eheleute durch das Gesetz rechtlich als einheitlich anerkannt und grundsätzlich auch so behandelt wird, tritt bei der Berücksichtigung von Zuwendungen im Pflichtteilsrecht eine auf das Herkunftsvermögen abstellende Fiktion in Kraft, nach welcher jedem Ehegatten getrennt die Hälfte der Zuwendung zugeordnet wird.
III.
Obwohl der Kläger nur einen Teilbetrag der Pflichtteilsergänzung verlangt, kommt die von ihm begehrte Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils durch den Senat nicht in Betracht. Einmal ist der Wert der Nachlässe und der Zuwendungen in den jeweils maßgeblichen Zeitpunkten aus den tatrichterlichen Feststellungen oder auch nur aus dem Vortrag der Parteien nicht zu entnehmen, auch nicht in einer für die Zuerkennung des geforderten Teilbetrages ausreichenden Weise. Weiter ist ungewiß, ob der gestellte Antrag nicht einer Korrektur bedarf. Deshalb muß der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden.
1. Allerdings spricht alles dafür, daß der Kläger ein Geschenk erhalten hat. Ein Vertrag, durch den der Eigentümer einem seiner gesetzlichen Erben Grundstück und Betrieb zur Begründung einer selbständigen Lebensstellung überträgt, enthält in aller Regel eine wenigstens teilweise unentgeltliche Zuwendung (BGHZ 3, 206, 211). Deshalb kann regelmäßig auch in einem solchen Fall vom Einigsein der Vertragsparteien über die – jedenfalls teilweise – Unentgeltlichkeit ausgegangen werden. Die der Altenteilsleistung ähnliche Rente wurde ersichtlich auch hier nicht versprochen, damit der Kläger Betrieb und Grundstück erlangte, also zur “Bezahlung” dieser Leistung. Das gilt umso mehr, als der Kläger nach der ausdrücklichen Feststellung des Berufungsgerichts in dem zehn Tage nach dem Übertragungsvertrag errichteten Testament deshalb unberücksichtigt blieb, weil ihm der Betrieb und das Betriebsgrundstück überlassen worden waren. Darüber hinaus ist das Berufungsgericht mit seiner der Angabe des Klägers entnommenen Bewertung ersichtlich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gefolgt, nach welcher bei einem auffallenden, groben Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung eine tatsächliche Vermutung dafür spricht, daß die Parteien dies erkannt haben und über die Unentgeltlichkeit einig waren (BGHZ 59, 132, 136). Allerdings hat das Berufungsgericht nicht, wie es zur Feststellung eines solchen Mißverhältnisses erforderlich wäre (Senatsurteile vom 26.3. und 27. 5. 1981 – IVa ZR 154 und 132/80 – WM 1981, 623 und 909 = LM BGB § 516 Nr. 14 und LM ZPO § 282 Nr. 18), die Werte der beiderseitigen Leistungen einander ausdrücklich gegenübergestellt. Dem Vorbringen des Klägers zu den von ihm anläßlich des Übergabevertrages übernommenen Belastungen ist jedoch zu entnehmen, daß diese sich aus 25.000,– DM Grundstückslasten, 6.650,– DM Steuerschulden und dem Kapitalisierungsbetrag der Rente von 72.000,– DM zusammensetzten. Weil danach dem bei dem Kläger verbliebenen Nettoüberschuß von 50.000,– DM Gesamtverbindlichkeiten von etwas mehr als 100.000,– DM und demgemäß ein Gesamtübertragungswert von gut 150.000,– DM gegenüberzustellen ist, liegt das auffallende grobe Mißverhältnis mit 1:2 offen zutage.
2. Den Feststellungen des Berufungsurteils und dem Vortrag der Parteien kann aber nicht entnommen werden, ob diese Zuwendung als Ausstattung im Sinne von § 1624 BGB anzusehen ist, und ob und in welchem Umfang sie gegebenenfalls deren Maß übersteigt. Deshalb bleibt offen, ob und in welchem Umfang die Beklagten wegen dieser Zuwendung an den Kläger irgendwelche Beträge für eine etwa von ihnen in die Berechnung gemäß § 2316 BGB einzuführende Ausgleichung nach dem Tode des Vaters auch im Verhältnis zur Mutter einbeziehen können. Aber nicht einmal der den Beklagten nach dem Tode des Vaters zustehende und von ihnen etwa noch jetzt geltend gemachte ordentliche Pflichtteil kann der Höhe nach bestimmt werden, weil es an jeglichen Angaben zum Wert des Nachlasses im Dezember 1976 fehlt.
3. Erst der um die etwa erhobenen und erfüllten Pflichtteilsforderungen nach dem Vater verminderte Wert des elterlichen Nachlasses kann aber gegebenenfalls der Berechnung der Pflichtteilsforderung des Klägers als Wert des Nachlasses der Mutter der Parteien zugrunde gelegt werden. In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, daß der Kläger Pflichtteilsergänzung verlangt, weil der Nachlaß der Mutter nur aus anscheinend geringwertigem und schon verteiltem (aber eventuell noch bei der Wertfeststellung zu berücksichtigendem) Hausrat bestand. Berufen sich die Beklagten aus diesem Grund auf die Dürftigkeit des Nachlasses oder auf § 2328 BGB, dann geht es bei der Forderung des Klägers (wie im Falle des Senatsurteils BGHZ 80, 205) um einen subsidiären Pflichtteilsergänzungsanspruch aus § 2329 BGB. Dieser aber ist geltend zu machen, indem Herausgabe des Geschenkes zum Zwecke der Befriedigung wegen des fehlenden Betrages verlangt wird; gemäß Absatz 2 dieser Bestimmung hätten es die Beklagten in der Hand, die Herausgabe durch Zahlung abzuwenden.

Schlagworte

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