BGH, Urteil vom 21. März 1962 – IV ZR 251/61 –, BGHZ 37, 58-69 Die Pflichtteilsansprüche der Abkömmlinge berechnen sich unter Berücksichtigung des nach BGB § 1371 Abs 1 erhöhten gesetzlichen Erbteils des überlebenden Ehegatten, wenn dieser mit dem Erblasser bei dessen Tode im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt und ihn allein beerbt hat.

April 20, 2019

BGH, Urteil vom 21. März 1962 – IV ZR 251/61 –, BGHZ 37, 58-69
Die Pflichtteilsansprüche der Abkömmlinge berechnen sich unter Berücksichtigung des nach BGB § 1371 Abs 1 erhöhten gesetzlichen Erbteils des überlebenden Ehegatten, wenn dieser mit dem Erblasser bei dessen Tode im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt und ihn allein beerbt hat.

Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Celle vom 14. März 1961 aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts in Lüneburg vom 7. Oktober 1960 teilweise geändert. Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Am 13. September 198 verstarb der Dr. Ing. Ulrich N., der mit seiner zweiten Ehefrau, der Beklagten, im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt hatte. Aus seiner ersten geschiedenen Ehe hinterließ er ein Kind, nämlich den Kläger, und aus seiner zweiten Ehe mit der Beklagten zwei Kinder. Durch Testament vom 2. April 1958 hatte er die Beklagte ohne jede Beschränkung oder Beschwerung zu seiner alleinigen Erbin eingesetzt. Der Wert seines reinen Nachlasses beträgt 33.688,32 DM. Der Kläger verlangt 1/8 davon als seinen Pflichtteil. Die Beklagte billigt ihm als solchen jedoch nur 1/12 des Nachlaßwertes zu. Demgemäß hat sie an ihn 2.807,36 DM gezahlt.
Der Kläger hat wegen des von ihm beanspruchten Mehrbetrages Klage erhoben.
Er hat im ersten Rechtszug beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.414,72 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Oktober 1958 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 1.403,68 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 8 März 1960 zu zahlen, und im übrigen die Klage abgewiesen.
Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Mit der Revision, die von dem Berufungsgericht zugelassen worden ist, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beklagte hat mit ihrem Ehemann bis zu seinem Tode im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt. Nach § 1371 Abs. 1 BGB erhöht sich daher der gesetzliche Erbteil der Beklagten an dem Nachlaß ihres Ehemannes über den ihr nach § 1931 Abs. 1 BGB zustehenden Erbteil hinaus um 1/4 der Erbschaft, und dementsprechend mindert sich der gesetzliche Erbteil des Klägers, der neben seinen beiden Brüdern zu den gesetzlichen Erben der ersten Ordnung (§ 1927 Abs. 1 BGB) gehört, auf 1/6 (§ 1931 Abs. 1, 3 aaO). Die Entscheidung über die Klage hängt deshalb davon ab, ob die Erhöhung des Erbteils des Ehegatten den Pflichtteil der pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge auch dann mindert (§ 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB), wenn der überlebende Ehegatte auf Grund einer letztwilligen Verfügung des verstorbenen Ehegatten Alleinerbe geworden ist. Ist der Pflichtteil des Klägers nach dem nicht erhöhten gesetzlichen Erbteil der Beklagten zu berechnen, so steht ihm ein Pflichtteilsanspruch in Höhe von 1/8 des Nachlaßwertes zu, während der Anspruch nur in Höhe von 1/12 des Nachlaßwertes, in der er bereits erfüllt ist, gegeben ist, wenn der erhöhte gesetzliche Erbteil der Beklagten für die Berechnung maßgebend ist.
2. a) Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Pflichtteil der Abkömmlinge errechne sich unter Berücksichtigung des nicht erhöhten gesetzlichen Erbteils des Ehegatten, wenn der überlebende Ehegatte durch eine Verfügung des Erblassers von Todes wegen zum Erben eingesetzt worden sei oder eine andere letztwillige Zuwendung erhalten habe. Wie die Ausführungen des angefochtenen Urteils ergeben, will das Berufungsgericht in diesem Fall den Pflichtteil des überlebenden Ehegatten selbst, dessen Höhe unter Umständen auch dann, wenn der Ehegatte Erbe ist, Bedeutung hat, nach dem gemäß § 1371 Abs. 1 BGB erhöhten Erbteil bestimmen. Das ergibt die in dem Urteil enthaltene Wendung, bei Erbfolge auf Grund einer letztwilligen Verfügung erhalte der Ehegatte das ihm vom Erblasser Zugewendete, mindestens aber den um 1/8 erhöhten Pflichtteil.
Demgegenüber ist im Schrifttum die Meinung vertreten worden, die Anwendung des § 1371 Abs. 1 BGB setze die gesetzliche Erbfolge voraus (Krüger/Breetzke/Nowack, GleichBerG § 1371 BGB Anm. 1; Rittner, DNotZ 1957, 483, 487;) Bärmann, AcP 157, 145, 209) derart, daß dann, wenn der überlebende Ehegatte durch Verfügung von Todes wegen zum Erben eingesetzt sei, für die Berechnung der Pflichtteile der Abkömmlinge wie für die Berechnung seines eigenen Pflichtteils sein nicht erhöhter gesetzlicher Erbteil zugrunde zu legen sei. Niederländer (NJW 1960, 1737, 1740) und im Anschluß an ihn Sturm (NJW 1961, 1435, 1439) sind der Ansicht, durch die Vorschrift des § 1371 Abs. 1 BGB seien die Pflichtteilsrechte in keinem Fall geändert.
b) Die Rechtsprechung, soweit sie bisher bekannt geworden ist, und überwiegend das Schrifttum stehen dagegen auf dem Standpunkt, die Erhöhung des gesetzlichen Erbteils des Ehegatten nach § 1371 Abs. 1 BGB wirke sich dahin aus, daß die Höhe der Pflichtteile des Ehegatten selbst und der Abkömmlinge sowie der sonstigen Pflichtteilsberechtigten nach Maßgabe des erhöhten Erbteils des Ehegatten zu bestimmen sei, wenn der überlebende Ehegatte, gleich aus welchen Gründen, Erbe geworden sei oder das ihm zugewendete Vermächtnis angenommen habe (OLG Hamburg FamRZ 1961, 318; Palandt, BGB 21. Aufl. § 2303 Anm. 3 b; Staudinger, BGB 10./11. Aufl. § 2303 Anm. 42 c; RGRK BGB 11. Aufl. § 2303 Anm. 15; Kipp/Coing, Erbrecht 11. Bearb. § 9 II 1 c; Bosch, FamRZ 1960, 96; Hampel, FamRZ 1960, 461; Reinicke, Betrieb 1960, 1445).
3. a) Eine Antwort auf die Rechtsfragen, die sich hier aufwerfen, kann nur im Wege der Auslegung des Gesetzes gefunden werden; davon geht das Berufungsgericht auch zutreffend aus. Für diese Gesetzesauslegung ist der objektivierte Wille des Gesetzes maßgebend, wie er sich aus seinem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt. Nur ergänzend ist auch die Entstehungsgeschichte der einschlägigen Vorschriften heranzuziehen (BVerfGE 1, 299, 312; 10, 234, 244; 11, 126, 130; BGHZ 23, 377, 390; 33, 321, 330). Wie Larenz in seiner „Methodenlehre der Rechtswissenschaft“ (1960, insbesondere S. 240) überzeugend dargelegt hat, ist das Gesetz „ebensowohl eine Manifestation des auf die Schaffung und Erhaltung einer ‘gerechten’ Ordnung gerichteten Willens des historischen Gesetzgebers, wie Ausdruck ‘objektiver’ Rechtsgedanken und Prinzipien, die einer solchen Ordnung von der Sache her notwendig immanent sind.“ Deshalb ist ihm auch darin zuzustimmen, daß die Ermittlung des tatsächlichen Willens des historischen Gesetzgebers ein wichtiges Moment, aber nicht das letzte Ziel der Auslegung ist.
Die Gesetzesmaterialien, vor allem im Gesetzgebungsverfahren erfolgte Äußerungen der an dem Gesetzgebungswerk beteiligten Verfassungsorgane, die die mit der getroffenen Regelung verfolgten gesetzgeberischen Ziele und die für sie maßgebenden Beweggründe hervortreten lassen, sind jedoch von besonderem Wert, wenn es erforderlich ist das Gesetz auf bestimmte Fallgestaltungen anzuwenden, für deren rechtliche Behandlung der Wortlaut und der Sinnzusammenhang des Gesetzes allein, losgelöst von der Entstehungsgeschichte, keine hinreichenden Anhaltspunkte bieten. Nur die Berücksichtigung der von dem Gesetzgeber mit der getroffenen Regelung verfolgten Ziele und Zwecke gewährleistet es bei einer derartigen Sachlage, daß die Anwendung und Fortentwicklung des Rechts sich organisch in der Richtung, auf die hin das Gesetz angelegt ist, vollzieht, und daß dabei Widersprüche und Unzuträglichkeiten vermieden werden. Doch muß sich die Auslegung und Fortbildung des Gesetzes in den Gesamtzusammenhang der Rechtsordnung einfügen, und sie darf nicht Rechtsgrundsätzen widersprechen, die das in Betracht kommende Rechtsgebiet beherrschen und die der Gesetzgeber weiterhin in Geltung gelassen hat.
b) Berücksichtigt man diese Leitgedanken bei der Auslegung des § 1371 in Verbindung mit den §§ 1931, 2203 BGB, so ergibt sich, daß die Ansicht des Berufungsgerichts nicht richtig sein kann, im Falle einer letztwilligen Zuwendung des Erblassers an den überlebenden Ehegatten errechne sich dessen eigener Pflichtteil nach seinem erhöhten gesetzlichen Erbteil, während sich die Pflichtteile der sonstigen Pflichtteilsberechtigten unter Berücksichtigung seines nicht erhöhten Erbteils bestimmten. Diese Ansicht würde nämlich dazu führen, daß die Summe der Pflichtteile aller Pflichtteilsberechtigten mehr als die Hälfte des Wertes des Nachlasses ausmachte. Das widerspricht den im Bürgerlichen Gesetzbuch zum Ausdruck gebrachten Grundsätzen des Pflichtteilsrechts, die von den durch das Gleichberechtigungsgesetz geschaffenen neuen Regelungen nicht betroffen sind. Nach der Auffassung des Berufungsgerichts müßte der Erblasser, wenn er seinem Ehegatten auch nur die geringste Zuwendung machen wollte, in Kauf nehmen, daß seine Testierfreiheit, wirtschaftlich gesehen, weiter eingeschränkt würde, als es den das Erbrecht beherrschenden Grundsätzen entspricht, da dann Pflichtteilsansprüche in einer die Hälfte des Nachlaßwertes übersteigenden Höhe geltend gemacht werden könnten. Schon aus diesem Grunde ist die Ansicht des Berufungsgerichts abzulehnen.
c) Aber auch die Ansicht, daß § 1371 Abs. 1 BGB die Höhe der Pflichtteilsquoten nicht oder nur in dem Fall berühre, in dem der Ehegatte gesetzlicher Erbe werde, ist nicht richtig.
Aus dem Wortlaut des § 1371 Abs. 1 BGB läßt sich nicht entnehmen, daß sich bei der Beendigung des gesetzlichen Güterstandes der Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten nur der Erbteil des auf Grund Gesetzes zur Erbfolge berufenen überlebenden Ehegatten erhöht. Es muß dabei berücksichtigt werden, daß der gesetzliche Erbteil auch dann für die Berechnung der Pflichtteile maßgebend ist, wem der Ehegatte nicht auf Grund gesetzlicher Erbfolge, sondern er auf Grund gewillkürter Erbfolge Erbe geworden oder ihm ein Vermächtnis zugewendet ist. Wenn die Vorschrift von der Erhöhung des gesetzlichen Erbteils spricht, dann ist zu beachten, daß der gesetzliche Erbteil nicht nur bei dem Eintritt der gesetzlichen Erbfolge Bedeutung hat, wie schon die §§ 2305, 2306, 2307 BGB zeigen. Es muß daher auch hier der allgemeine Grundgedanke des deutschen Erbrechts durchgreifen, daß der Pflichtteil stets in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils besteht (§ 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB), ohne Rücksicht darauf, wie es dazu gekommen ist, daß der Pflichtteilsberechtigte von der Erbfolge ausgeschlossen worden ist. Den neu geschaffenen Bestimmungen des § 1931 Abs. 3 und des § 2303 Abs. 2 Satz 2 BGB ist nichts gegenteiliges zu entnehmen, insbesondere kann dem Umstand, daß die zuletzt genannte Vorschrift nicht in einen besonderen Absatz aufgenommen worden ist, für die hier zu entscheidende Frage keine maßgebliche Bedeutung beigemessen werden. Vielmehr spricht gerade § 1931 Abs. 3 aaO dafür, daß der gesetzliche Erbteil der neben dem Ehegatten berufenen gesetzlichen Erben sich durch den erhöhten Erbteil des Ehegatten mindert (so auch Palandt, BGB 21. Aufl. § 1931 Anm. 5).
Bestätigt wird dieses Ergebnis durch den dem Bundestag vor der Verabschiedung des Gleichberechtigungsgesetzes vorgelegten Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (BT-Drucks. 2. Wahlperiode Nr. 3409 Anlage S. 17), gegen den im Bundestag insoweit keine Beanstandungen erhoben worden sind. Darin heißt es ausdrücklich, daß dem überlebenden Ehegatten die Erhöhung des Erbteils und damit des Pflichtteils auch dann zugute kommen solle, wenn der Erblasser testiert habe.
Sowohl der Wortlaut der Vorschrift des § 1371 Abs. 1 BGB wie die für sie in dem genannten Bericht gegebene Begründung lassen ferner erkennen, daß die dort vorgesehene Begünstigung des überlebenden Ehegatten erfolgt, weil damit in schematischer und pauschalierender Weise der Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns, den der überlebende Ehegatte sonst gegebenenfalls hätte, ausgeglichen werden soll. Zwar mag bei dieser Regelung daneben die Absicht, die erbrechtliche Stellung des Ehegatten zu verstärken, mitgewirkt haben; darauf deuten Äußerungen, die in der Bundestagsdebatte gefallen sind, hin (BT-Sitzungsberichte 2. Wahlperiode 206. Sitzung Sp. 11782), auch waren derartige Bestrebungen bereits früher bei den Reformarbeiten hervorgetreten (Rittner, DNotZ 1958, 181, 190 Fußn. 31). Aber es muß doch festgehalten werden, daß die Erhöhung des Ehegattenerbteils nur eintritt, wenn in der Ehe beim Eintritt des Erbfalls nach dem erstversterbenden Ehegatten der Güterstand der Zugewinngemeinschaft galt, und daß sie nach dem unzweideutigen Gesetzeswortlaut vorgenommen wird, weil dadurch der Ausgleich des Zugewinns verwirklicht werden soll. Ob diese Regelung der Mehrzahl der Fälle gerecht wird und sachgemäß ist, ob insbesondere die Zurücksetzung, der Kinder bei der Erbfolge unabhängig davon, ob der überlebende Ehegatte materiell einen Zugewinnausgleich zu beanspruchen hätte, angebracht ist, ist hier nicht zu erörtern. Bei der Anwendung und Auslegung des Gesetzes muß dem mit der Regelung verfolgten Zweck Rechnung getragen werden, wenn er im Gesetz selbst einen verbindlichen Ausdruck gefunden hat.
e) Dabei ist folgendes noch zu bedenken: Wenn im Gesetz für den Fall der Auflösung der Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten nicht die erbrechtliche Lösung vorgesehen wäre, müßten die an dem Nachlaß des erstversterbenden Ehegatten als Erben oder Pflichtteilsberechtigte beteiligten Personen es hinnehmen, daß der überlebende Ehegatte gegebenenfalls zunächst den Ausgleich des Zugewinns beansprucht, wie das auch in dem Regierungsentwurf zum Gleichberechtigungsgesetz vorgesehen war (BT-Drucks. 2. Wahlperiode Nr. 224 § 1378 S. 6, 42), und wie es in den Fällen des § 1371 Abs. 2, 3 BGB zutrifft. Diese Ausgleichsforderung wäre eine Nachlaßverbindlichkeit. Infolgedessen wäre der Nachlaß mit ihr belastet, und zwar auch, wenn der überlebende Ehegatte Alleinerbe wäre, da für die Berechnung der Pflichtteile der anderen Berechtigten die Ausgleichsforderung nicht als erloschen gelten könnte (RGBK BGB 11. Auflage § 2311 Anm. 3).
Es ist dann aber nur folgerichtig und entspricht dem Gesetz, daß auch bei der Benennung der Pflichtteile wegen der vom Gesetzgeber angeordneten pauschalen Abgeltung der Ausgleichsforderungen von dem erhöhten gesetzlichen Erbteil ausgegangen wird, selbst wenn der überlebende Ehegatte auf Grund einer Verfügung von Todes wegen zur Erbfolge berufen ist. Statt der Belastung des Nachlasses mit der Ausgleichsforderung sind dann die Pflichtteile unter Berücksichtigung dieses erhöhten gesetzlichen Erbteils des Ehegatten zu errechnen. Denn es ist der Sinn der gesetzlichen Regelung, daß der Ehegatte anstelle das Ausgleichsanspruchs im Erbwege mehr zu bekommen hat, als er nach den gewöhnlichen erbrechtlichen Bestimmungen zu erhalten hätte. Darauf, ob im Einzelfall eine Ausgleichsforderung besteht oder nicht, kann es nach der vom Gesetzgeber getroffenen Entscheidung, die konsequent durchzuführen ist so wenig ankommen wie sonst, wenn § 1371 Abs. 1 BGB anwendbar ist. Der mit der Vorschrift verfolgte Zwecks den überlebenden Ehegatten am etwaigen Zugewinn des Erblassers zu beteiligen und dabei möglichst zu vermeiden, daß der schwierigen Frage des tatsächlichen Bestehens einer Ausgleichsforderung im Einzelfall nachgegangen werden muß, wäre in vielen Fällen hinfällig, wenn die Regelung nicht für die Berechnung der Pflichtteile in den zahlreichen Fällen anwendbar wäre, in denen der überlebende Ehegatte auf Grund einer Verfügung von Todes wegen Erbe geworden ist. Dagegen läßt sich nicht anführen, daß die gesetzliche Regelung dieses Ziel ohnehin nur in beschränktem Umfang erreiche, denn das gibt nicht das Recht, den Zweck des Gesetzes, wie er in diesem klar zum Ausdruck gekommen ist, bei der Auslegung außer acht zu lassen.
4. a)Es wird demgegenüber geltend gemacht, der Ausgleich des Zugewinns sei bereits durch die Erbeinsetzung geschaffen, wenn der überlebende Ehegatte auf Grund einer Verfügung von Todes wegen zur Erbfolge gelange, eine weitere Berücksichtigung der Ausgleichsforderung komme nicht mehr in Betracht. Der Einwand greift jedoch nicht durch. Es kann nicht schlechthin gesagt werden, daß in einer testamentarischen Erbeinsetzung ein von den Eheleuten freiwillig vorgenommener Zugewinnausgleich zu erblicken ist, wenn man die Fälle in Betracht zieht, in denen der Erblasser bei der Errichtung der Verfügung von Todes wegen gar nicht an einen solchen Ausgleich gedacht hat, und in denen vor allem der andere Ehegatte egelmäßig nicht mitgewirkt hat. Das Gesetz hat eben für den Zugewinnausgleich nur die in den §§ 1371 und 1372 BGB angegebenen Möglichkeiten vorgesehen, eine dritte Möglichkeit, die Regelung durch eine Zuwendung von Todes wegen, gibt es nicht.
b) Unrichtig ist auch der Gedanke, der Gesetzgeber habe dem überlebenden Ehegatten wegen des Zugewinnausgleichs nicht mehr als eine Erhöhung des gesetzlichen Erbteils um 1/4 geben wollen und diesen Anteil könne sich der Ehegatte nach § 1948 Abs. 1 BGB verschaffen. Abgesehen davon, daß die Ausschlagung nicht stets zu einem Anfall der Erbschaft an den Ausschlagenden in seiner Eigenschaft als gesetzlichen Erben führt, so dann nicht, wenn ein Ersatzerbe bestimmt ist (RGRK BGB 11. Auflage § 1948 Anm. 6), ist maßgebend, daß der Gesetzgeber den Ausgleich des Zugewinns pauschaliert hat, indem er den gesetzlichen Erbteil des überlebenden Ehegatten um 1/4 erhöht hat, daß er aber testamentarische Zuwendungen an diesen Ehegatten nicht beschränkt hat. Der Erhöhung des Erbteils die anstelle der dem Ehegatten sonst vorneweg zustehenden Ausgleichsforderung erfolgt, muß dann aber auch durchgehend Rechnung getragen werden, damit der Ausgleich des Zugewinns dem Ehegatten nicht doch entgeht. Die anderen Pflichtteilsberechtigten müssen die Einsetzung des Ehegatten zum Erben durch Verfügung von Todes wegen hinnehmen. Ein Ausgleich derart, daß ihre Pflichtteile sich nach dem nicht erhöhten gesetzlichen Erbteil des Ehegatten bestimmen, ist im Gesetz für sie nicht vorgesehen.
c) Auch aus § 1372 Abs. 2, 3 BGB läßt sich nichts zugunsten einer Erhöhung der Pflichtteile der anderen Pflichtteilsberechtigten herleiten, wenn der überlebende Ehegatte durch Verfügung von Todes wegen alleiniger Erbe geworden ist. Wenn sich in den Fällen des § 1371 Abs. 2, 3 BGB die Pflichtteile nach dem nicht erhöhten gesetzlichen Erbteil des Ehegatten bestimmen, werden die Pflichtteile nach dem um die Ausgleichsforderung verminderten Nachlaßwert berechnet, bei testamentarischer Erbeinsetzung des überlebenden Ehegatten dagegen besteht keine Ausgleichsforderung, um die sich der für die Berechnung der Höhe der Pflichtteile maßgebende Wert des Nachlasses vermindert. Es ist deshalb kein Widerspruch, wenn der Pflichtteil der Kinder in dem einen Fall 3/8 von einem niedrigeren Nachlaßwert in dem anderen Fall 1/4 von einem höheren Nachlaßwert beträgt. Da die Pflichtteile bei der güterrechtlichen und der erbrechtlichen Lösung verschieden sind, läßt sich die gesetzliche Regelung auch nicht mit der Erwägung ausräumen, der zum Alleinerben eingesetzte Ehegatte erhalte schon bei normaler Pflichtteilsregelung mehr, als die güterrechtliche Lösung ergebe, erst recht könne in einem solchen Fall nicht die erbrechtliche Lösung eintreten. Wie in diesem Zusammenhang wiederum betont werden muß, kann nicht in Rechnung gestellt werden, wie sich der Zugewinnausgleich im Einzelfall bei genauer Berechnung gestalten wurdet vielmehr ist von der allgemeinen pauschalierenden und vereinfachenden Regelung auszugehen, die der Gesetzgeber gewollt und bei der er die Beschränkung der Pflichtteile der Abkömmlinge bewußt in Kauf genommen hat.
Wenn die herrschende Meinung demgemäß dem § 1371 Abs. 2 BGB entnimmt, daß nur in den dort geregelten Fällen für die Pflichtteile der nicht erhöhte gesetzliche Erbteil des Ehegatten in Betracht komme, so entspricht das der grundsätzlichen Regelung des Gesetzes, daß der Ausgleich des Zugewinns so erfolgt, daß für den Ehegatten der erhöhte gesetzliche Erbteil zugrunde gelegt wird. Es ist nicht richtig, daß § 1371 Abs. 2 BGB eher dahin deute, die Abhängigkeit des Pflichtteils vom erhöhten gesetzlichen Erbteil gelte auch in anderen Fällen nicht unbedingt.
. Auch die Vorschrift des § 1371 Abs. 4 BGB spricht nicht dafür daß der Pflichtteil der Kinder des Erblassers, wenn der überlebende Ehegatte testamentarischer Alleinerbe ist, sich nach dessen nicht erhöhtem gesetzlichem Erbteil berechnen müsse. Es trifft zu, daß der den erbberechtigten Stiefkindern des überlebenden Ehegatten bei Bedürftigkeit gegebene Ausbildungsanspruch nach der herrschenden Meinung nicht besteht, wenn der Ehegatte durch letztwillige Verfügung als Erbe berufen ist (RGRK BGB 10./11. Aufl. § 1371 Anm. 43; Palandt BGB 21. Aufl. § 1371 Anm. 3) Dazu braucht nicht abschließend Stellung genommen zu werden. Wenn man der herrschenden Auffassung folgt, so läßt sich daraus jedenfalls nicht die Folgerung ziehen, daß sich denn die Pflichtteile dieser Stiefkinder nach dem nicht erhöhten gesetzlichen Erbteil des Ehegatten bestimmen müßten. Die Vorschrift des § 1371 Abs. 4 BGB ist erst im Verlauf der zweiten Beratung des Plenums des Bundestages über das Gleichberechtigungsgesetz in dieses eingefügt worden, dabei war man sich allgemein darüber klar, daß es sich um eine mehr oder weniger unzulängliche und vorweggenommene Teilregelung des noch einer umfassenden Lösung bedürftigen Problems der rechtlichen Sicherstellung der Stiefkinder handele (BT-Sitzungsberichte 2. Wahlperiode 206. Sitzung Sp. 11783, 11784). Diese Teilregelung darf nicht dazu führen, die Konzeption des § 1371 BGB, nach der der Anspruch auf den Ausgleich des Zugewinns durch die Erhöhung des gesetzlichen Erbteils des Ehegatten ausgeglichen werden soll, aus den Augen zu verlieren und damit die Grundlage zu verlassen, auf der das Gesetz den Zugewinnausgleich geordnet hat. Die Entscheidung des Gesetzgebers, der zunächst von einer umfassenden Neuregelung der Stellung der Stiefkinder abgesehen und der Sicherung der Beteiligung des überlebenden Ehegatten am Zugewinn den Vorzug gegeben hat, muß hingenommen werden.
6. Die folgerichtige Durchführung der in § 1371 Abs. 1 BGB getroffenen Regelung widerspricht endlich nicht tragenden durch das Gleichberechtigungsgesetz unbeeinträchtigt gebliebenen erbrechtlichen Grundsätzen in einem solchen Maße, daß diese Auslegung des Gesetzes nicht „verfassungskonform“ sei und daß deswegen eine andere Auslegung geboten wäre. Der Erblasser kann allerdings je nachdem, ob und mit welchem Inhalt er eine letztwillige Verfügung trifft, erreichen, daß der Pflichtteil seiner Kinder sich nach dem erhöhten gesetzlichen Erbteil seines Ehegatten oder nach dessen nichterhöhtem gesetzlichen Erbteil richtet, und die Höhe der Pflichtteile steht auch noch nicht immer mit dem Erbfall fest, sondern spätestens dann, wenn die Frist für die Ausschlagung der Erbschaft abgelaufen ist. Aber diese Abweichungen von den allgemeinen Regelungen erklären sich daraus, daß dem Gesetz die Annahme zugrunde liegt, der Nachlaß sei, wenn der erhöhte gesetzliche Erbteil maßgebend sei, nicht mit dem Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns belastet, während bei der Berechnung nach dem nicht erhöhten gesetzlichen Erbteil des Ehegatten zunächst der Ausgleichsanspruch abzusetzen sei und die Pflichtteile nach einem geringeren Nachlaßwert zu berechnen seien. Es kann nicht anerkannt werden, daß der folgerichtigen Durchführung dieser in § 1371 BGB zum Ausdruck gekommenen Grundsätze allgemeine Regelungen entgegenständen. Anders als die früher erwähnten unberührt gebliebenen Sätze, daß der Pflichtteil in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils besteht, und daß die Pflichtteilsansprüche immer nur die Hälfte des Nachlaßwertes ergreifen, sind diese Regelungen in dem Umfang in dem sich das aus 1371 BGB ergibt, eingeschränkt worden.
7. Aus alledem ergibt sich, daß sich, wenn die Ehegatten in der Zugewinngemeinschaft gelebt haben und der zuerst verstorbene Ehegatte den überlebenden als Alleinerben eingesetzt hat, die Pflichtteile der Abkömmlinge unter Berücksichtigung des erhöhten gesetzlichen Erbteils des Ehegatten bestimmen.
Der Kläger hat mithin keinen Pflichtteilsanspruch mehr gegen die Beklagte, so daß das angefochtene Urteil aufgehoben, das Urteil des Landgerichts geändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen werden muß.
Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO muß der Kläger die Kosten des Rechtsstreits einschließlich derjenigen der Berufung und der Revision tragen.
Ascher Raske Johannsen Wüstenberg Wilden

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