FG Berlin 5 K 5035/02

Juli 25, 2017
FG Berlin 5 K 5035/02 Urt. v. 09.09.2003, Rechtmäßigkeit einer Erbschaftssteuerfestsetzung, Beschränkte Steuerpflicht bei Wohnsitz in Österreich,
Anwendung eines einheitlichen Freibetrags bezogen auf die Besteuerung des inländischen Vermögens,Besteuerung des inländischen Vermögens beschränkt Steuerpflichtiger

Die Besteuerung des inländischen Vermögens beschränkt steuerpflichtiger Personen nach den Vorschriften des ErbStG verstößt nicht gegen verfassungsrechtliche Grundsätze.

FG Berlin 5 K 5035/02

Die Klägerin ist Erbin zu 3/4 nach ihrem am 3. Mai 2000 verstorbenen Ehemann -Erblasser-. Sie ist und der Erblasser war deutscher Staatsangehöriger; beide lebten bis zum Tod des Ehemanns in /Österreich und hatten zuvor innerhalb der letzten fünf Jahre keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.

Die Klägerin und der Erblasser waren jeweils zur Hälfte Eigentümer des Grundstücks …

Mit Bescheid vom 7. November 2001 stellte das Finanzamt -FA- den auf den Erblasser entfallenden Grundstückwert zum Todeszeitpunkt mit 60.500,00 DM fest. Zuletzt mit Bescheid vom 20. November 2001 setzte der Beklagte gegen die Klägerin als beschränkt Steuerpflichtige nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz -ErbStG- ausgehend von diesem Wert und einem Freibetrag nach § 16 Abs. 2 ErbStG von 2.000,00 DM Erbschaftsteuer in Höhe von 3.031,00 DM fest. Der gegen die Steuerfestsetzung dem Grunde nach gerichtete Einspruch blieb erfolglos. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Verwaltungsverfahren wird auf die Ablichtung der Einspruchsentscheidung vom 4. Januar 2002 (Bl. 3 – 5 der Streitakte) Bezug genommen.

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Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf ersatzlose Aufhebung der Steuerfestsetzung weiter und trägt vor, die Regelung in § 16 Abs. 2 ErbStG sei verfassungswidrig, weil sie gegen Art 6 Abs. 1 Grundgesetz -GG- verstoße. Der besondere verfassungsrechtliche Schutz der Ehe und Familie könne nicht dadurch verloren gehen, dass eine Person ihren Wohnsitz im Ausland nehme. Jedenfalls seien die §§ 16 Abs. 2, 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG dahingehend auszulegen, dass dem Steuerpflichtigen der Nachweis möglich sein müsse, dass der Gesamtnachlass die Grenzen der Freibeträge nach § 16 Abs. 1 ErbStG nicht übersteige. Im Übrigen widerspreche die Regelung auch dem Freizügigkeitsprinzip innerhalb der Europäischen Gemeinschaft -EU- und verstoße gegen die Niederlassungsfreiheit, da diese durch die verschiedene Besteuerung in Abhängigkeit vom Wohnsitzstaat erschwert werde.

Die Klägerin beantragt,

die Erbschaftsteuerbescheide vom 24. Oktober 2000 und vom 20. November 2001 sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 4. Januar 2002 aufzuheben,

hilfsweise,

das Verfahren gemäß Art 100 Abs. 1 GG auszusetzen und den Rechtsstreit dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, weiter hilfsweise,

den Rechtsstreit dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, weiterhin hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

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Er hält an seiner in der Einspruchsentscheidung vertretenen Auffassung fest und weist ergänzend darauf hin, dass der grundgesetzlich gewährleistete Schutz von Ehe und Familie durch die

Anwendung der Steuersätze der Steuerklasse I auf den Erwerb der Klägerin hinreichend beachtet sei. Eine Gleichbehandlung hinsichtlich des Freibetrags bei beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtigen sei nicht erforderlich, da, sich der Umfang des besteuerten Erwerbs erheblich unterscheide. Eine Verletzung des Prinzips der Freizügigkeit sei nicht erkennbar, zumal viele Deutsche die Bundesrepublik Deutschland verließen, um nicht mehr der deutschen Steuergesetzgebung zu unterfallen.

Dem Gericht hat ein Band Erbschaftsteuerakten des Beklagten zur Hinweis-Nr.vorgelegen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Erbschaftsteuerfestsetzung des Beklagten, die er im Einverständnis mit der Klägerin in der mündlichen Verhandlung aufgrund des Beschlusses des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 22. Mai 2002 (II R 61/99, Bundessteuerblatt -BStBl- 2002 II, 598) insoweit für vorläufig gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Abgabenordnung -AO- erklärt hat, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-.

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Das Gericht hält eine Aussetzung des Verfahrens nach§ 74 FGO und eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht -BVerfG- nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht für erforderlich, weil es die im Streitfall anzuwendenden Vorschriften des ErbStG nicht für verfassungswidrig erachtet. Auch ein an den Europäischen Gerichtshof -EuGH- gerichtetes Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 des Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft – EGV- ist nicht notwendig, weil sich keine noch nicht von der Rechtsprechung des EuGH geklärten Fragen bei der Auslegung des im Streitfall ggf. einschlägigen Gemeinschaftsrechts stellen.

Die Klägerin ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG beschränkt steuerpflichtig. Sie und der Erblasser waren aufgrund ihres Wohnsitzes in Österreich keine sog. Inländer i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG; bei dem ererbten Grundstücksanteil handelt es sich um Inlandsvermögen gemäß § 121 Bewertungsgesetz -BewG-, das der Besteuerung im Inland unterliegt. Nach der Gesetzeslage ist gemäß § 16 Abs. 2 ErbStG von dem Wert des Vermögensanfalls nur ein Freibetrag von 2.000,00 DM abzuziehen. Eine Auslegung dieser Vorschriften in dem von der Klägerin für richtig erachteten Sinn, dass die für den Fall der unbeschränkten Steuerpflicht geltenden Freibeträge des § 16 Abs. 1 ErbStG – und ggf. zusätzlich des Versorgungsfreibetrags nach § 17 ErbStG –

auch auf den Erwerb beschränkt Steuerpflichtiger Anwendung finden, sofern der im In- und Ausland befindliche Gesamtnachlass deren Werte nicht übersteigt, ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Regelungen nicht möglich. Sie widerspräche dem Wortsinn und wäre damit nicht mehr als Rechtsanwendung zu beurteilen. Auch eine analoge Anwendung der Regelungen auf Erwerbe beschränkt Steuerpflichtiger kommt nicht in Betracht, weil die rechtliche Situation bei der Erbschaftbesteuerung sog. Inländer und beschränkt Steuerpflichtiger nicht vergleichbar ist.

Die von der Klägerin gerügte Verfassungswidrigkeit der Regelung liegt nach Auffassung des Gerichts im Ergebnis nicht vor. Ein Verstoß gegen Art 3 Abs. 1 GG scheidet aus, weil die unterschiedliche Besteuerung unbeschränkt bzw. beschränkt Steuerpflichtiger durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Wird nur das Inlandsvermögen i.S.d. § 121 BewG der Besteuerung unterworfen, gebietet der Gleichheitssatz nicht die Anwendung entsprechend differenzierter Freibeträge wie sie für den Fall der unbeschränkten Steuerpflicht, d.h. der Besteuerung des sog. Weltvermögens, vorgesehen sind.

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Insoweit wird zur Begründung zunächst auf das Urteil des Finanzgerichts -FG- Düsseldorf vom 3. Juli 1996 (4 K 5910/91 Erb, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 1996, 1166), dem der Senat zustimmt, Bezug genommen. Aufgrund der Anknüpfung an den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Vermögensanfall für die beschränkte Steuerpflicht in § 2 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3 ErbStG bestehen nahezu keine Aufklärungsmöglichkeiten der Finanzbehörden über den tatsächlichen Umfang etwaigen Auslandsvermögens.

Insoweit kommt hinzu, dass nach der Rechtsprechung des BVerfG eine dem Gleichheitssatz entsprechende Besteuerung auch eine Belastungsgleichheit bei der Steuererhebung erfordert, so dass für eine aufgrund einer Erklärung des Steuerpflichtigen festgesetzte Steuer der Gesetzgeber neben der Erklärungspflicht grundsätzlich hinreichende Kontrollmöglichkeiten zur Verifikation der Angaben vorsehen muss (vgl. Urteil vom 27. Juni 1991 – 2 BvR 1493/89 -, Bundessteuerblatt -BStBl- 1991 II, 654) . Die Anwendung des einheitlichen Freibetrags bezogen auf die Besteuerung des inländischen Vermögens ist auch unter diesem Gesichtspunkt gerechtfertigt, da eine solche Kontrolle bei Auslandsachverhalten, wie er auch im Streitfall gegeben ist, ausscheidet.

Die Regelungen über die Besteuerung des inländischen Vermögens beschränkt Steuerpflichtiger verstoßen auch nicht gegen die Art. 6 Abs. 1, 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Zu dem verfassungsrechtlichen Schutz der Testierfreiheit und dem Schutz von Ehe und Familie hat das BVerG ausgeführt, dass beide Grundsätze es gebieten, Familienangehörige i.S.d. Steuerklasse I nach § 15 Abs. 1 ErbStG a.F. von einem erbschaftsteuerlichen Zugriff insoweit zu verschonen, als ihnen der überkommene Nachlass – je nach dessen Größe – zumindest zum deutlich überwiegenden Teil oder, bei kleineren Vermögen, völlig steuerfrei zugute kommen muss (vgl. Beschluss vom 22. Juni 1995 – 2 BvR – 552/91 -, BStBl 1995 II, 671).

Der Nachlasswert, der nach Auffassung des BVerG für diese Erben von der Besteuerung freizustellen sei, sei das persönliche Gebrauchsvermögen, mithin die der persönlichen Lebensführung des Steuerpflichtigen” und seiner Familie dienenden Wirtschaftsgüter (vgl. Beschluss vom 22. Juni 1995, a.a.O. unter Hinweis auf den Beschluss vom gleichen Tage zu 2 BvL 37/91, BStB1 1995 II, 656) .

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Im Streitfall handelt es sich bei dem der Besteuerung unterworfenen Grundstück zwar ersichtlich um keinen wertvollen Grundbesitz. Das Grundstück befindet sich nach Angaben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin in einer einem Kleingarten ähnlichen Gesamtanlage, wenn auch die Grundstücksgröße mit 685 m2 deutlich über entsprechenden Parzellen liegt. Dennoch hält es das Gericht für noch gerechtfertigt, den Wert des Grundstücks von Verfassungs wegen nicht völlig von der Besteuerung freizustellen.

Wie ausgeführt, folgt aus dem Auslandswohnsitz eines Steuerpflichtigen, dass seine Angaben tatsächlich nichtüberprüfbar sind, wobei insoweit bereits die Durchsetzung seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nach§ 31 ErbStG nicht gewährleistet ist. Zwar ist der Freibetrag nach § 16 Abs. 2 ErbStG sehr gering und beruht grundsätzlich auf der Überlegung, dass eine geringere Besteuerung des Inlandsvermögens letztlich nicht dem Steuerpflichtigen zugute käme, weil diese Steuer von der im Wohnsitzstaat entstehenden Steuer abzugsfähig ist und mithin ein geringerer Abzugsbetrag lediglich in dem anderen Staat ein höheres Steueraufkommen bewirken würde (siehe dazu Meincke, ErbStG, 13. Aufl. 2002, § 16 Rz. 2).

Meincke hält die Regelung daher auch für ungerecht, wenn im Wohnsitzstaat nur eine geringe Steuer anfällt, weil der Vermögenserwerb tatsächlich (fast) nur aus im Nicht-Wohnsitzstaat zu besteuerndem Vermögen besteht. Ausgehend davon, dass im Streitfall das inländische Grundstück tatsächlich nahezu den gesamten Wert des Vermögensanfalls der Klägerin darstellt, wird der Zweck der gesetzlichen Regelung dem konkreten Sachverhalt insoweit nicht gerecht. recht. Andererseits bewirkte die von der Klägerin erstrebte Anwendung des Freibetrags nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG aber nicht zwingend die Gleichstellung mit einem Steuerinländer.

Im Fall einer unbeschränkten Steuerpflicht unterläge der Gesamterwerb i.S.d. § 14 ErbStG der Erbschaftsteuer, wobei der Freibetrag nach § 16 Abs. 1 ErbStG nur einmal zur Anwendung gelangen könnte. Etwaige Vorschenkungen des Erblassers blieben jedoch im Streitfall, sofern nach § 2 Abs. 1 Nr. lb) ErbStG nicht steuerbar, außer Ansatz. Eine Gleichstellung wäre mithin nur durch eine Zusammenfassung aus- und inländischer Erwerbe zu erreichen, die jedoch aufgrund der jeweiligen Besteuerungsrechte der beteiligten Staaten nicht möglich ist.

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Auch wenn danach die absolute Höhe des Freibetrags nach§ 16 Abs. 2 ErbStG im Streitfall zwar als zweifelhaft erscheint, wird durch dessen Anwendung noch nicht in erheblicher Weise in die Testierfreiheit oder in den grundgesetzlichen Schutzbereich von Ehe und Familie eingegriffen, weil mit der Anwendung des Steuersatzes von 7 v.H. auf den inländischen Erwerb der Grundrechtsschutz ausreichend gewahrt ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das Grundstück der Klägerin bzw. dem Erblasser jedenfalls innerhalb der letzten fünf Jahre nicht zu eigenen Wohnzwecken diente, so dass es sich dabei nicht um typisches Gebrauchsvermögen in Form eines selbstgenutzten Einfamilienhauses handelt. Unter Berücksichtigung des auf die Klägerin entfallenden Steuerwerts des Grundstücks von 45.375,00 DM verbleibt ihr mit der Steuerfestsetzung auf 3.031,00 DM der ganz überwiegende Vermögenswert erhalten. Es handelt sich mithin nicht um eine Steuerbelastung, aufgrund derer die Klägerin aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen sein könnte, das Grundstück zu veräußern.

Auch den von der Klägerin gerügten Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht hält das Gericht nicht für gegeben. Die Arbeitnehmer- bzw. Niederlassungsfreiheit (Art. 39, 43 EGV) wird durch die beschränkte Steuerpflicht i.S.d. §§ 2 Abs. 1 Nr. 3, 16 Abs. 2 ErbStG bereits sachlich nicht betroffen. Denn die nach einem Wegzug in das Gemeinschaftsgebiet aus dem deutschen ErbStG ggf. folgende höhere Steuerbelastung im Erb- oder Schenkungsfall bewirkt keine Einschränkung dieser Freiheiten.

Die Annahme, dass das Recht auf Arbeitsaufnahme bzw. auf Aufnahme und Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit im Gemeinschaftsgebiet dadurch auch nur behindert wird, dass der Wegzügler mit einer höheren Steuerbelastung im Fall der Erbschaft oder Schenkungrechnen muss, scheint fernliegend (a.A. Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, Stand: Mai 2002, § 16 Rz. 21 unter Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 14. Februar 1995 – Rs. C-279/93, Der Betrieb -DB- 1995, 407 und wohl Dautzenberg/Brüggemann, Betriebs-Berater – BB- 1997, 123). Die von Jülicher insoweit herangezogene Entscheidung des EuGH ist jedoch nicht dahingehend zu verstehen, dass sämtliche nationalen Regelungen im Bereich der direkten Steuern an den Art. 39 und 43 EGV zu messen wären.

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Denn während die Besteuerung des durch die Arbeit oder die selbständige Tätigkeit erzielten Einkommens unmittelbar den Bereich der Gleichbehandlung von Steuerin- und ausländern betrifft, besteht mit der Erbschaft- und Schenkungsteuer nur insoweit ein Zusammenhang, als die jeweiligen nationalen Regelungen ein Kriterium unter vielen bei der Vermögensdisposition des Einzelnen sein mögen (siehe auch Finanzgericht -FG- Düsseldorf, Urteil vom 3. Juli 1996, a.a.O.).

Hinzu kommt, dass der EuGH die Schwierigkeiten bei der Erfassung und Nachprüfung von Einkünften durch die Finanzbehörden des Beschäftigungsstaats – im Streitfall also des Belegenheitsstaats -, die ein auf seinem Gebiet tätiger Steuerpflichtiger im Wohnsitzstaat erzielt, unter Hinweis auf die rechtlichen Möglichkeiten zur Erlangung notwendiger Auskünfte im Rahmen gegenseitiger Amtshilfe zwischen den Mitgliedstaaten (Richtlinie des Rates vom 19. Dezember 1977 – 77/799/EWG -, Amtsblatt. der Europäischen Gemeinschaften -AB1EG- 1977 Nr. L 336/15) nicht als eine Rechtfertigung der in der Entscheidung festgestellten Diskriminierung beurteilt hat (Urteil vom 14. Februar 1995 ,a.a.O., Rz. 45). Die Richtlinie77/799/EWG betrifft zwar den Bereich der direkten Steuern, umfasst insoweit jedoch gerade nicht die Erbschaft- und Schenkungsteuer, Art. 1 Abs. 3.

Der Schutz der allgemeinen Freizügigkeit nach Art. 18 EGV steht ausdrücklich unter dem Vorbehalt der in dem Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen. Selbst wenn die unterschiedliche Erbschaftsbesteuerung unbeschränkt bzw. beschränkt Steuerpflichtiger insoweit in das Freizügigkeitsrecht eingreifen würde, dass dadurch ein Wegzug in einen Mitgliedstaat erschwert würde, scheidet eine unzulässige Diskriminierung aus. Denn zu den vertragsimmanenten Beschränkungen gehört auch Art. 58 Abs. 1 Buchst. a) EGV.

Danach bleibt das Recht der Mitgliedstaaten, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln, unberührt. Unabhängig davon, dass diese Vorschrift eng auszulegen ist (siehe Dautzenberg/Brüggemann, a.a.O.) und sowohl willkürliche Diskriminierungen als auch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapitalverkehrs verbietet (Art. 58 Abs. 3 EGV), ist die Anknüpfung an den Wohnort in den §§ 2 Abs. 1 Nr. 3, 16 Abs. 2 ErbStG nicht zu beanstanden. Die Regelungen im Bereich der direkten Steuern sind in der EU nicht harmonisiert.

FG Berlin 5 K 5035/02

Daher mögen steuerliche Überlegungen u.a. ein Kriterium sein, um eine Wohnsitzverlegung vorzunehmen (siehe dazu Ostendorf/Lechner, Der Betrieb -DB- 1996, 799 betreffend die Wohnsitzverlegung nach Österreich). Eine solche Wohnsitzverlegung wird durch Art. 18 EGV geschützt und ist in beiden betroffenen Mitgliedstaaten hinzunehmen. Im Hinblick auf die bislang nicht erfolgte Steuerharmonisierung besteht jedoch kein Anlass im Gegensatz zu der ertragsteuerlichen Beurteilung für den Fall der Erbschaft bzw. Schenkung die Wohnsitzverlegung außer Betracht zu lassen.

Die Regelung der §§ 2 Abs. 1 Nr. 3, 16 Abs. 2 ErbStG, keine familienbezogenen Freibeträge im Fall der beschränkten Steuerpflicht zu berücksichtigen, sondern deren Anwendung ggf. dem Wohnsitzstaat zu überlassen, ist daher als sachgerecht und gemeinschaftskonform zu beurteilen.

Auch wenn sich die Regelung in Art. 58 Abs. 1 Buchst. a) EGV nur auf die nationalen Vorschriften beziehen soll, die bis zum Ende des Jahres 1993 bestanden (siehe Geiger, EU/EGV, 3. Aufl. 2000, § 58 EGV Rz. 2), sind die Regelungen der ErbStG 1997 nicht zu beanstanden (a.A. Dautzenberg/Brüggemann, a.a.O.). Denn bereits das ErbstG 1974 enthielt gleichlautende Vorschriften, so dass die Differenzierung nach dem Wohnsitz bereits zum Ende des Jahres 1993 existierte.

Nach den dargestellten Grundsätzen scheidet im Streitfall auch eine ungerechtfertigte Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs nach Art. 56 EGV aus.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision hat das Gericht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, weil es der Frage, ob die§5 2 Abs. 1 Nr. 3, 16 Abs. 2 ErbStG den verfassungsrechtlichen Anforderungen noch genügen, grundsätzliche Bedeutung beimisst.

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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