OLG Brandenburg, 13 U 42/10

Mai 30, 2021

OLG Brandenburg, 13 U 42/10

Bei dem Vergleich der hinterlassenen mit den gesetzlichen Erbteilen war im Rahmen des § 2306 BGB aF grundsätzlich auf die Quote, also die Bruchteilsgröße, und nicht auf den Wert des Hinterlassenen abzustellen (vgl. Palandt/Edenhofer, BGB, 68. Aufl., § 2306, Rn. 3 m.w.N.). Einen Wertvergleich hat die höchstrichterliche Rechtsprechung, ebenso wie die herrschende Meinung in Literatur (für alle J. Mayer, in: Hdb. PflichtteilsR, 2003, § 2 Rn. 57 und § 8 Rn. 149), als Ausnahme nur für die Anrechnungs- und Ausgleichsfälle der §§ 2315, 2316 BGB zugelassen.

Tenor

Der Antrag der Kläger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 26.03.2010 – 1 O 26/08 – wird zurückgewiesen.

Gründe

1. Die Kläger erbitten Prozesskostenhilfe für die Berufung gegen die Abweisung einer Klage, mit der sie als Eigentümer eines Grundstücks vom Beklagten, der es inne hat und nutzt, Herausgabe und Nutzungsentschädigung verlangen.

Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks war H…-J… W…, aus dessen Ehe mit U… W… die 1967 und 1968 geborenen Kläger hervorgingen, der 1976 verstarb, und den die Kläger und U… W… zu je 1/3 beerbten. Der Beklagte lebte seit 1978 als Lebensgefährte im Haushalt der U… W…, den die Kläger mit Erreichen ihrer Volljährigkeit verließen.

Am 21.11.1996 errichtete U… W… ein Testament, demzufolge sie dem Beklagten ein lebenslanges Wohnrecht an dem Grundstück einräumte (vgl. K1, 12 GA). Wie von ihrer Mutter erbeten, erklärten die Kläger hierzu unter dem 12.01.1997 ihr Einverständnis (vgl. K1, 13 GA).

Gemäß Notarvertrag vom 14.01.1997 (Urk.-Nr. 41/1997) schenkte U… W… dem Beklagten die Hälfte ihres Ein-Drittel-Miteigentumsanteils an dem streitgegenständlichen Grundstück – so der Urkundentext –, wobei die Übertragung wegen der bisher erbrachten finanziellen und Arbeitsleistungen auf dem Grundstück erfolgen sollte (vgl. 86 GA). Eine Grundbucheintragung des Beklagten unterblieb mangels Existenz eines eintragungsfähigen Miteigentumsanteils am Grundstück (vgl. 95 GA).

U… W… verstarb am 05.12.2003 und wurde von den Klägern beerbt. Diese beanspruchten mit Anwaltsschreiben vom 24.07.2006 (vgl. K6, 29 GA) gegenüber dem Beklagten unter anderem Herausgabe- und Vergütungsansprüche wegen der Grundstücksnutzung.

Die Kläger haben gemeint, das Wohnrechtsvermächtnis gelte nach § 2106 Abs. 1 BGB als nicht angeordnet.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die Ansprüche der Kläger hat es an der Wirksamkeit des Wohnrechts des Beklagten scheitern lassen. Entgegen der Ansicht der Kläger greife § 2306 Abs. 1 BGB nicht zu ihren Gunsten ein, da ihre Erbquote dem gesetzlichen Erbteil entspreche, die Ausnahmevoraussetzungen für einen Wertvergleich nicht vorlägen und die Kläger ihren Erbteil nicht ausgeschlagen hätten.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgen die Kläger ihre erstinstanzlichen Herausgabe- und Zahlungsansprüche, letztere verbunden mit einer Klageerweiterung, weiter. Sie halten einen Wertvergleich für geboten und machen geltend, der Wert ihres Nachlasses betrage 1/6 des Anteils an dem Grundstück, während sich ihr hälftiger Pflichtteilsanspruch aus 2/6 des Wertes des Grundstücks errechne.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

2. Die beabsichtigte Berufung hat keine Erfolgsaussicht (§§ 114, 119 Abs. 1 S. 1 ZPO).

Die Kläger, die als nunmehr einzige und personenidentische Mitglieder der Erbengemeinschaften nach H….J… W… und U… W… sowie mangels Grundbucheintrages des Beklagten alleinige Eigentümer des streitgegenständlichen Grundstücks sind, haben gegen den Beklagten keinen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB, der mangels Erbrechtsanmaßung des Beklagten insoweit einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage.

Der Beklagte hat ein Besitzrecht, § 986 Abs. 1 S. 1 BGB, denn er ist, nicht anders als es die Erblasserin, mit der er bis zu ihrem Tode zusammen lebte, war, Entleiher des streitgegenständlichen Grundstücks; die Erbengemeinschaft nach H….J… W… ist Verleiher (§ 598 BGB).

Soweit man das Anwaltsschreiben vom 24.07.2006 (vgl. K6, 29 GA) als Kündigung der Leihe durch die Erbengemeinschaft nach H….J… W…, nunmehr verkörpert durch die Kläger, auslegt, hat es den Leihvertrag nicht beendet, denn das Kündigungsrecht des § 605 BGB steht den Klägern gegenüber dem Beklagten aufgrund des zu seinen Gunsten lautenden Wohnrechtsvermächtnisses vom 21.11.1996 im Testament der Erblasserin (vgl. K1, 12 GA) nicht zu. Vielmehr sind die Kläger nach § 2174 BGB verpflichtet, in Erfüllung dieses Vermächtnisses das Leihverhältnis an dem Grundstück mit dem Beklagten aufrecht zu erhalten. Es handelt sich, da die Erblasserin die Zugehörigkeit des Grundstücks zum Vermögen der Erbengemeinschaft nach H….J… W… kannte, woran schon ihre Bitte um das Einverständnis der Kläger mit der Wohnrechtsregelung keine Zweifel lässt, um ein Verschaffungsvermächtnis nach §§ 2169 Abs. 1 Fall 2, 2170 BGB.

Das Vermächtnis der Erblasserin zugunsten des Beklagten ist von den Klägern, deren Erbenstellung unstreitig ist, zu erfüllen, da sie weder die Erbschaft ausgeschlagen haben, § 2306 Abs. 1 S 2 BGB aF, noch ein Fall des § 2306 Abs. 1 S 1 BGB aF vorlag. Anders als in dieser zuletzt genannten Bestimmung vorausgesetzt, überstieg der den Klägern jeweils hinterlassene Erbteil die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, denn die Kläger waren Alleinerben und haben damit jeweils ihren vollen gesetzlichen Erbteil hinterlassen erhalten. Bei dem Vergleich der hinterlassenen mit den gesetzlichen Erbteilen war im Rahmen des § 2306 BGB aF grundsätzlich auf die Quote, also die Bruchteilsgröße, und nicht auf den Wert des Hinterlassenen abzustellen (vgl. Palandt/Edenhofer, BGB, 68. Aufl., § 2306, Rn. 3 m.w.N.). Einen Wertvergleich hat die höchstrichterliche Rechtsprechung, der der Senat folgt ebenso wie die herrschende Meinung in Literatur (für alle J. Mayer, in: Hdb. PflichtteilsR, 2003, § 2 Rn. 57 und § 8 Rn. 149), als Ausnahme nur für die Anrechnungs- und Ausgleichsfälle der §§ 2315, 2316 BGB, von denen hier keiner vorliegt, zugelassen.

Überdies würde eine von den Klägern gewünschte Wertbetrachtung unter Einbeziehung möglicher Pflichtteilsergänzungsansprüche (§§ 2325 ff BGB) ihnen auch nicht weiterhelfen. Die Regeln über die Pflichtteilsergänzung lassen vorliegend den Wert des ihnen Hinterlassenen unverändert, denn sie begründen für die Kläger weder Rechte noch Pflichten. Die Kläger sind als Erben mangels Vorhandenseins weiterer Pflichtteilsberechtigter keinerlei Pflichtteilsergänzungsansprüchen ausgesetzt und eigene Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen den Beklagten machen sie selbst schon nicht geltend und stehen ihnen nach eigenem Vorbringen auch nicht zu.

Für einen eigenen Ergänzungsanspruch der Kläger gegen den Beklagten aus § 2326 BGB müsste zunächst die lebzeitige Schenkung der Erblasserin wirksam sein. Wäre die Schenkung wirksam, so drängt sich hier schon nach dem Wortlaut der Notarurkunde vom 14.01.1997 (Ur. Nr. 41/1997) die Erfüllung einer sittlichen Pflicht der Schenkenden gegenüber ihrem Lebensgefährten im Hinblick auf dessen finanzielle Aufwendungen und Arbeitsleistungen in der Zeit von 1978 bis 1997 für das Grundstück auf; eine solche Schenkung führt nach § 2330 BGB zur Unanwendbarkeit der §§ 2325 ff BGB, ist also auch und insbesondere pflichtteilsrechtlich zu respektieren, nicht aber zu korrigieren. Hielte man dessen ungeachtet die §§ 2325 ff BGB für anwendbar, so ergäben sich noch immer keine berücksichtigungsfähigen Ansprüche, da der Wert des ihnen Hinterlassenen mit 1/6 des Grundstücksanteils ohnehin dem Wert ihres Pflichtteilsanspruch an 2/6 des Grundstücksanteils entspricht, wie sie selbst ausführen (vgl. 180 GA).

Im Übrigen würde eine wirksame Schenkung – selbst wenn man die Wertung des § 2330 BGB unberücksichtigt ließe – des hälftigen Immobiliarvermögens der Erblasserin an den Beklagten den Wert ihres Nachlasses nur dann halbieren können, wenn ihr gesamter übriger Nachlass wertlos wäre. Auch das lässt sich schon in Anbetracht des unstreitig werthaltigen Hausrates der Erblasserin nicht feststellen.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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