OLG Düsseldorf I-3 Wx 294/15

Juli 20, 2017

OLG Düsseldorf I-3 Wx 294/15, Erteilung eines Erbscheins, rechtliche Vaterschaft, Nachlassgericht, mit der Eheschließung ehelich

Vorinstanz:
Amtsgericht Duisburg, 42a VI 277/14

Tenor:

Die Beschwerde wird auf Kosten der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.

Geschäftswert: 95.000,00 €

G r ü n d e

I.

Der Erblasser wurde am 4. Oktober 1944 geboren. Er trug zunächst den Namen J. F. R.. Am 18. November 1944 heiratete seine Mutter F. H. A. R1.

Ausweislich eines Randvermerks zur Geburtsurkunde (Bl. 60 d. A.) stellte das Amtsgericht Stendal durch Beschluss vom 16. Januar 1948 fest, dass der Erblasser mit der Eheschließung ehelich geworden sei.

Seit der Eheschließung führte der Erblasser den Namen J. F. R1.

Im Jahre 1949 ließen sich die Mutter des Erblassers und F. H. A. R1. scheiden.

Die Mutter des Erblassers heiratete am 27. Mai 1950 A. F., der den Erblasser mit Wirkung vom 6. Oktober 1958 adoptierte, was ebenfalls in einem Randvermerk zur Geburtsurkunde dokumentiert ist.

Seither führte der Erblasser den Namen J. F. F.. Der Erblasser verstarb unverheiratet und kinderlos.

OLG Düsseldorf I-3 Wx 294/15

Die Beteiligte zu 1 ist eine Cousine des Erblassers mütterlicherseits. Im Verlauf des Verfahrens hat sich herausgestellt, dass es zwei weitere Kinder des F. H. A. R1. aus erster Ehe gibt, den Beteiligten zu 2 und B. B., die das Erbe ausgeschlagen hat.

Die Beteiligte zu 1 beantragt die Erteilung eines Erbscheins, der sie, einen Cousin, eine weitere Cousine und den Sohn eines vorverstorbenen Cousins des Erblassers – alle mütterlicherseits – als Miterben ausweist. Sie macht geltend, der Beteiligte zu 2 sei nicht erbberechtigt, weil der Erblasser kein leibliches Kind des F. H. A. R1. gewesen sei. Leiblicher Vater des Erblassers sei vielmehr ein namentlich nicht bekannter sowjetischer Soldat. Die Beteiligte zu 1 beantragt, dies durch eine DNA-Analyse überprüfen zu lassen.

Der Beteiligte zu 2 beantragt Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerben ausweist. Er macht geltend, er sei als Halbbruder des Erblassers dessen Alleinerbe geworden. Wer leiblicher Vater des Erblassers gewesen sei, sei ohne Belang. Maßgeblich sei allein die sich aus der Geburtsurkunde ergebende rechtliche Vaterschaft.

Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 19. Oktober 2015 den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Vaterschaft des F. H. A. R1. sei belegt durch einen Randvermerk zur Geburtsurkunde des Erblassers. Daraus ergebe sich, dass F. H. A. R1. die Vaterschaft anerkannt habe, was durch rechtskräftigen Beschluss des Amtsgerichts Stendal vom 16. Januar 1948 festgestellt worden sei.

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Das Gericht sehe keine Veranlassung, die Richtigkeit des Randvermerks zur Geburtsurkunde des Erblassers in Frage zu stellen und eine DNA-Analyse in Auftrag zu geben, da die bloße Behauptung der Beteiligten zu 1, der leibliche Vater des Erblassers sei „ein Russe“ völlig unbewiesen sei.

Gegen diesen ihr am 23. Oktober 2015 zugestellten Beschluss wendet sich die Beteiligte zu 1 mit ihrer am 13. November 2015 bei Gericht eingegangenen Beschwerde. Sie macht geltend, der Randvermerk zur Geburtsurkunde sei inhaltlich unrichtig, weil F. H. A. R1. nicht der leibliche Vater des Erblassers gewesen sei, was durch Zeugenaussagen belegt werden könne.

Der Beteiligte zu 2 bestreitet mit Nichtwissen, dass der leibliche Vater des Erblassers ein namentlich nicht bekannter sowjetischer Soldat gewesen sei.

Er vertritt die Auffassung, letztlich komme es darauf aber nicht an, weil Vater eines Kindes der Mann sei, der die Vaterschaft anerkannt habe, hier also F. H. A. R1. Danach sei der Erblasser als Abkömmling von F. H. A. R1. zu behandeln, solange nicht rechtskräftig festgestellt werde, dass dieser nicht der Vater sei. Demnach sei auch der Randvermerk auf der Geburtsurkunde des Erblassers nicht inhaltlich unrichtig.

Im Übrigen gelte für die Geburtsurkunde mit dem Randvermerk als öffentliche Urkunde die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit. Die Beteiligte zu 1 sei nicht berechtigt, die Vaterschaft des F. H. A. R. anzufechten. Dann dürfe aber auch nicht die Möglichkeit einer Inzidentprüfung im Rahmen eines Erbscheinsverfahrens bestehen.

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Das Nachlassgericht hat der Beschwerde mit weiterem Beschluss vom 16. November 2015 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Nachlassakte sowie der Testamentsakten Amtsgericht Duisburg, Az. 42a IV 34/15, Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 58 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 1 ist nach der vom Nachlassgericht ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. FamFG dem Senat zur Entscheidung angefallen.

In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg. Der Beteiligten zu 1 ist ein Erbschein entsprechend ihrem Antrag nicht zu erteilen.

Die Beteiligte zu 1 und die weiteren in ihrem Antrag bezeichneten Personen sind gem. § 1926 Abs. 1 BGB Erben dritter Ordnung. Diese sind gem. § 1930 BGB nicht zur Erbfolge berufen, solange ein Verwandter der vorhergehenden Ordnung vorhanden ist. Das ist hier der Fall, da der Beteiligte zu 2 Halbbruder des Erblassers und damit gesetzlicher Erbe zweiter Ordnung (§ 1925 Abs. 1 BGB) ist.

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Dieses Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Erblasser und dem Beteiligten zu 2 ist nicht infolge der Adoption des Erblassers durch A. F. erloschen. Zwar erlöschen gem. § 1755 BGB mit der Annahme eines Minderjährigen als Kind die Verwandtschaftsverhältnisse des Kindes zu den bisherigen Verwandten und die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten. Danach wären mit der Adoption auch mögliche Erbschaftsansprüche von Halbgeschwistern des Erblassers nach F. H. A. R1. erloschen. Etwas anderes ergibt sich für den vorliegenden Fall aber aus Art. 12 § 1 Abs. 1 Adoptionsgesetz.

Danach werden, wenn der nach den bisher geltenden Vorschriften an Kindes Statt Angenommene – wie hier – im Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Adoptionsrechts (1. Januar 1977) volljährig ist, auf das Annahmeverhältnis die Vorschriften dieses Gesetzes über die Annahme Volljähriger angewandt. Es gilt dann § 1770 Abs. 2 BGB, wonach die Rechte und Pflichten aus dem Verwandtschaftsverhältnis des Angenommenen durch die Annahme nicht berührt werden.

Über den Wortlaut hinaus bleiben nach dieser Vorschrift die Verwandtschaftsbeziehungen des Angenommenen zu seinen bisherigen Verwandten erhalten (Enders, in: Bamberger/Roth, Beck´scher Online-Kommentar BGB, Stand: 1. August 2016, § 1770 Rn. 3), so dass die Adoption Erbansprüchen der Verwandten bei Versterben des Angenommenen nicht entgegensteht.

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Der Beteiligte zu 2 ist Halbbruder des Erblassers, weil beide Söhne des F. H. A. R1. sind. Die Vaterschaft des F. H. A. R1. in Bezug auf den Erblasser folgt aus § 1592 Nr. 2 BGB, wonach Vater eines Kindes der Mann ist, der die Vaterschaft anerkannt hat. Eine Anerkennung der Vaterschaft durch F. H. A. R1. liegt ausweislich des Randvermerks der Geburtsurkunde vor. Dabei kann dahinstehen, ob F. H. A. R1. auch der leibliche Vater des Erblassers gewesen ist.

Denn aus § 1599 Abs. 1 BGB ergibt sich, dass der Vaterschaftstatbestand des § 1592 Nr. 2 BGB mit Wirkung für und gegen alle gilt und man sich nur und erst dann auf deren Nichtgeltung bzw. die Vaterschaft eines anderen Mannes berufen kann, wenn der Tatbestand aufgrund einer wirksamen Anfechtung beseitigt ist.

Schutzzweck der Vorschrift, die eine Sperrwirkung für das gesamte Zivilrecht entfaltet, ist es, zu Gunsten des Kindeswohls den Familienfrieden zu erhalten und für Klarheit in der personenstandsbestimmenden Zuordnung zu sorgen.

Eine inzidente Vaterschaftsfeststellung innerhalb eines anderen Verfahrens kommt danach grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. BGH ZEV 2013, 388; OLG Koblenz NJOZ 2009, 4509; Wellenhofer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 1599 Rn. 2; Karczewski, ZEV 2014, 641).

Ausnahmen von diesem Grundsatz gelten allenfalls dann, wenn nicht Ansprüche des Kindes (z.B. auf Unterhalt oder aus Erbrecht) betroffen sind, sondern Ansprüche zwischen anderen Personen, z.B. zwischen den Eltern oder einem Elternteil und einem Dritten.

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Dabei kann im Einzelfall ein Widerstreit entstehen zwischen dem Interesse des Kindes an der Unantastbarkeit seines Familienstandes einerseits und den rechtlichen Interessen von Einzelpersonen oder der Allgemeinheit andererseits, vor allem wenn sie außerhalb der Eltern-Kind-Beziehung liegen. Tendenziell erscheinen Ausnahmen dort möglich, wo es nicht um den Status selbst und seine unmittelbaren Rechtsfolgen für das Kind, sondern um andere Fragen geht (Wellenhofer, a.a.O., § 1599 Rn. 6).

In diesem Sinne sind bislang in engen Grenzen Ausnahmen für Verfahren des Ehegattenunterhalts, des Auskunftsanspruchs des Kindes gegen seine Mutter, des Arzthaftungsprozesses, bei Scheidungsverfahren oder bei Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Anwalt wegen Versäumung der Vaterschaftsanfechtung zugelassen worden

(vgl. BGH NJW 1985, 428;

OLG Koblenz NJOZ 2009, 4509;

Nickel, in: jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 1599 Rn. 11 ff.;

Karczewski, a.a.O.).

Im vorliegenden Fall besteht keine Veranlassung, eine Ausnahme von der Sperrwirkung des § 1599 Abs. 1 BGB anzunehmen.

Zwar geht es hier nicht um Erbansprüche des Kindes gegen den Vater bzw. dessen Verwandte, sondern um Erbansprüche von Verwandten des Vaters nach dem Versterben des Kindes. Letztlich hängt aber auch die Frage, wer Erbe des Kindes wird, von dessen familiärem Status ab.

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Dass hier die Interessen der möglichen Erben dritter Ordnung gegenüber denjenigen zweiter Ordnung, die ihr Erbrecht aus der Vaterschaft ableiten, besonders schützenswert wären, ist nicht erkennbar.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Erblasser offenbar keinen Kontakt zu seinen Halbgeschwistern hatte. Vielmehr ist es zu respektieren, dass der Erblasser zu Lebzeiten keine Veranlassung gesehen hat, die Vaterschaft des F. H. A. R1. in Zweifel zu ziehen bzw. seinen Nachlass anderweitig zu regeln.

Es ist daher davon auszugehen, dass der Beteiligte zu 2 Halbbruder des Erblassers ist, ohne dass dem Vortrag der Beteiligten zu 1, Vater des Erblassers sei in Wirklichkeit ein sowjetischer Soldat gewesen, nachzugehen wäre.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG. Danach soll das Gericht die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels demjenigen Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat. Für einen Ausnahmefall ist hier nichts ersichtlich.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG besteht kein Anlass.

Die Wertfestsetzung stützt sich auf §§ 40 Abs. 1 Nr. 2, 61 GNotKG.

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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