OLG Frankfurt am Main, 05.01.2016 – 20 W 393/15

März 23, 2019

OLG Frankfurt am Main, 05.01.2016 – 20 W 393/15
Tenor:

Der Beschluss des Amtsgerichts vom 03.12.2015 wird aufgehoben und das Verfahren zur weiteren Bearbeitung an das Amtsgericht zurückgegeben.
Gründe

I.

Die Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführerin hat mit Schriftsatz vom 08.09.2015, auf den Bezug genommen wird (Bl. 1 ff der Nachlassakte), unter Bezugnahme auf die bei dem Amtsgericht O1 zu Az. …(Testamentsakte) geführte Nachlasssache nach der Erblasserin das Aufgebot der Nachlassgläubiger und danach den Erlass des entsprechenden Ausschließungsbeschlusses beantragt.

Die nach dem gültigen Geschäftsverteilungsplans des Amtsgerichts Lampertheim für die Rechtspfleger – gültig ab dem 19.10.2015 – für “Nachlasssachen” auch mit dem Anfangsbuchstaben (der Erblasserin) … zuständige Rechtspflegerin Frau A hat daraufhin mit Schreiben vom 20.11.2015 dem Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin mitgeteilt, es sei beabsichtigt, den Antrag an das “Zivilgericht” abzugeben. Zu Begründung hat sie angeführt, dass § 454 Abs. 2 FamFG nur die örtliche, nicht jedoch die funktionale Zuständigkeit regele. Nach der FGG-Reform sei § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO bei einem Streit zwischen der streitigen Gerichtsbarkeit und den nach dem FamFG zu regelnden Streitigkeiten unanwendbar geworden, da der zum 01.09.2009 neu eingeführte § 17 a VI GVG eine gesonderte Regelung kenne. Ein sachlicher Zusammenhang mit dem bereits abgeschlossenen Nachlassverfahren bestehe nicht, da das Aufgebotsverfahren von Nachlassgläubigern ein eigenständiges Verfahren darstelle (Bl. 36 der Akte).

In Antwort darauf hat der Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 01.12.2015 (Bl. 37 der Akte) mitgeteilt, er sei der Auffassung, dass ein sachlicher Zusammenhang zwischen Nachlassverfahren und Aufgebotsverfahren bestehe, da das Nachlassverfahren wegen des Aufgebotsverfahrens gerade nicht beendet sei und seine Fortsetzung im Aufgebotsverfahren finde. Insofern sei das Nachlassgericht funktionell zuständig.

Mit Beschluss vom 03.12.2015, auf den Bezug genommen wird (Bl. 38 f d.A.), hat die Rechtspflegerin Frau A sodann unter Wiederholung ihrer Argumentation aus ihrem Hinweisschreiben vom 20.11.2015 den “Antrag vom 08.09.2015 … an das Zivilgericht Lampertheim abgegeben, das das Nachlassgericht sich für funktionell nicht als zuständig ansieht”.

Diesen Beschluss hat die Rechtspflegerin A nicht nur dem Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin zustellen lassen – dort eingegangen am 08.12.2015 – sondern auch der Rechtspflegerin des Amtsgerichts Lampertheim Frau B. Diese ist nach dem oben in Bezug genommenen Geschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts Lampertheim für die Rechtspfleger nach X Nr. 3 für die “Aufgebotsverfahren UR II” zuständig.

Mit Schriftsatz vom 11.12.2015 an das Amtsgericht – dort eingegangen am 14.12.2015 – hat der Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführerin Beschwerde gegen den Beschluss vom 03.12.2105 eingelegt und zur Begründung auf seinen Schriftsatz vom 01.12.2015 Bezug genommen (Bl. 42 der Akte).

Mit weiterem Beschluss vom 15.12.2015 hat die Rechtspflegerin Frau A sodann der Beschwerde aus den Gründen des vorgenannten Beschlusses nicht abgeholfen und diese dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main zur Entscheidung übersandt (Bl. 43 d.A.).

II.

Der angefochtene Beschluss der Rechtspflegerin A ist aufzuheben, da dessen Tenor nebst Begründung, insbesondere verbunden mit dem weiteren Vorgehen der Rechtspflegerin Frau A mit der Zustellung ihres Beschlusses auch an die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Lampertheim Frau B, es dem Senat als Rechtsmittelgericht nicht ermöglicht, die Entscheidung auf ihre inhaltliche Richtigkeit in verfahrensrechtlicher und materiellrechtlicher Hinsicht zu prüfen (zu diesem Gesichtspunkt vgl. Meyer-Holz in Keidel, FamFG, 18. Aufl., 2014, § 38, Rn. 64, m.w.N. zur Rspr. des BVerfG).

Es besteht nämlich trotz der tenorierten Abgabe von dem Nachlassgericht an das “Zivilgericht Lampertheim” und des in der Begründung angeführten Aspekts, wonach bei einem Streit zwischen der streitigen Gerichtsbarkeit und den nach dem FamFG zu regelnden Streitigkeiten § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO unanwendbar geworden sei, da der zum 01.09.2009 neu eingeführte § 17 a VI GVG eine gesonderte Regelung kenne, eine auch nicht durch Auslegung sicher zu klärende Unklarheit, ob die Rechtspflegerin Frau A das Verfahren tatsächlich an die Abteilung des Amtsgerichts Lampertheim für “Zivilprozesssachen”, also in die streitige Zivilgerichtsbarkeit, oder aber an die nach dem Geschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts Lampertheim ausdrücklich für Aufgebotsverfahren zuständige Rechtspflegerin Frau B abgeben wollte, und damit tatsächlich eine Abgabe innerhalb der für Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständigen Spruchkörper erfolgen sollte. Diese Unsicherheit gründet zum einen darauf, dass Frau Rechtspflegerin A in der weiteren Begründung darauf abstellt, dass das “Aufgebotsverfahren von Nachlassgläubigern ein eigenständiges Verfahren darstellt” und zum anderen auf der Zustellung ihres Beschluss an die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Lampertheim Frau B, die nach dem dortigen Geschäftsverteilungsplan gerade ausdrücklich für “Aufgebotsverfahren” zuständig ist und nicht für “Zivilprozesssachen”.

Diese Unklarheit führt somit auch zur Unsicherheit des anzuwendenden Rechtsmittels, da der Senat für eine Überprüfung dieser Entscheidung nur dann nach §§ 17 a Abs. 6, Abs. 4 S. 3, 23 a Abs. 2 Nr. 2 und 7 GVG i.V.m. § 119 Abs. 1 Nr. 1 b) GVG zuständig wäre, wenn nicht eine Abgabe an die Rechtspflegerin Frau B als für die nach dem Geschäftsverteilungsplan für Aufgebotsverfahren zuständige Rechtspflegerin hätte erfolgen sollen, sondern an die “Zivilprozessabteilung”. Da es sich bei der Aufgebotsabteilung und der Nachlassabteilung im Hinblick auf § 23 a Abs. 2 Nr. 2 und 7 GVG jeweils um Abteilungen für Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt, und es damit nicht, wie vom Gesetz für die Anwendung von § 17a Abs. 6 GVG vorausgesetzt, um eine Zuständigkeitsfrage zwischen den Spruchkörpern für die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Familiensachen und der freiwilligen Gerichtsbarkeit in ihrem Verhältnis zueinander gehen würde(vgl. hierzu auch BT-Drucksache 16/6308, S. 318), würde es sich bei einer gewollten Abgabe an die von der Rechtspflegerin Frau B geführte Aufgebotsabteilung vielmehr um eine bloße Frage der Geschäftsverteilung des Amtsgerichts Lampertheim handeln. Diese wäre nach herrschender Meinung aber durch dessen Präsidium zu entscheiden, welches über Auslegung und Anwendung des Geschäftsverteilungsplans mit bindender Wirkung für die jeweiligen Spruchkörper entscheidet und gegen dessen Entscheidung eine Anfechtung jedenfalls dann nicht stattfinden soll, wenn diese Entscheidung nicht willkürlich ist (vgl. Zimmermann, a.a.O., § 21e GVG, Rn. 46 m.w.N. zur Rechtsprechung auch des BGH).

Somit ist auch die Statthaftigkeit des erfolgreichen Rechtsmittels der Beschwerdeführerin unter Anwendung des Grundsatzes der Meistbegünstigung (vgl hierzu Meyer-Holz, a.a.O., § 58, Rn. 109 ff) als “sofortige Beschwerde” nach § 17 Abs. 6, 4 S. 3 GVG i.V.m.§§ 567 ff ZPO anzunehmen.

Dabei entscheidet der Senat vorliegend entsprechend § 568 Abs. 1 S. 1 ZPO durch den Berichterstatter als Einzelrichter. Auch wenn die Verfahrensordnung des FamFG, die durch den Verweis des § 17 a Abs. 4 S. 3 GVG als “anzuwendende Verfahrensordnung” schon deswegen in Bezug genommen ist, weil es sich bei dem vorliegenden Aufgebotsverfahren nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 23 a Abs. 2 Nr. 7 GVG um eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt, nur in bestimmten Fällen die Anwendung der Bestimmungen der ZPO über die sofortige Beschwerde nach §§ 567 ff ZPO normiert (vgl. u.a. in § 21 Abs. 2 FamFG bei einer Entscheidung über die Verfahrensaussetzung), folgt der Senat der Auffassung, die eine entsprechende Anwendung der §§ 567 ff ZPO auch im Falle von § 17 a Abs. 4 S. 3 GVG befürwortet. Ausweislich der Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drucksache 16/6308, S. 203) wollte der Gesetzgeber bei der Regelung des Rechtsmittelverfahrens in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit bei einer (auch hier vorliegenden) Zwischen- oder Nebenentscheidung, die grundsätzlich nicht selbständig anfechtbar ist, dann, wenn das Gesetz hiervon eine Ausnahme macht, sich an den Verhältnissen der ZPO orientieren. Er hat deswegen für das FamFG an bestimmten Stellen auf die sofortige Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572 ZPO abgestellt, die für die Anfechtung von Zwischen- und Nebenentscheidungen ein geeignetes Verfahren darstelle. Nichts anderes kann aber auch für das Zwischenverfahren nach § 17a Abs. 6 GVG bei der Frage der funktionellen Zuständigkeit eines Spruchkörpers gelten, so dass es naheliegt, insoweit eine planwidrige Regelungslücke anzunehmen, die durch entsprechende Anwendung der §§ 567 ff ZPO zu schließen ist (so Lückemann in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, § 17a GVG, Rn. 14; a.A. Zimmermann in Münchener Kommentar zur ZPO, § 17a GVG, Rn. 31).

Diese sofortige Beschwerde ist auch im Übrigen statthaft und zulässig, da insbesondere keine Bedenken gegen die Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführerin nach § 17 a Abs. 6, Abs. 4 S. 3 GVG, 59 Abs. 1, 2 FamFG, bestehen, da es der nach § 455 Abs. 1 FamFG jedenfalls im Hinblick auf das Testament vom 12.02.2008 (Bl. 20 ff der Testamtensakte, Az. … ) wohl auch antragsberechtigten Beschwerdeführerin möglichkei sein muss, vorab die Frage des richtigen Spruchköpers im Wege der Beschwerde klären zu lassen.

Im Hinblick auf den Erfolg der zulässigen Beschwerde wird die Rechtspflegerin Frau A nunmehr, sollte sie nach wie vor eine Abgabe entweder an die Zivilprozessabteilung des Amtsgerichts Lampertheim oder aber an die Aufgebotsabteilung des Amtsgerichts Lampertheim beabsichtigen, diese in ausreichend klarer Form vorzunehmen haben.

Dabei dürfte nach Ansicht des Senats zu berücksichtigen sein, dass jedenfalls der Geschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts Lampertheim eine ausdrückliche Regelung für die Zuordnung der Aufgebotsverfahren enthält , mit der sich das Präsidium offensichtlich gegen eine Zuordnung der Aufgebotsverfahren für Nachlassgläubiger zum Nachlassgericht oder aber zur Zivilprozessabteilung sondern für eine Zuordnung in eine eigene “Aufgebotsabteilung” entschieden hat. Dies liegt nach der gesetzlichen Unterscheidung in § 23 a Abs. 2 Nr. 2 und 7 GVG und im Hinblick auf § 454 Abs. 2 FamFG, der dem Wortlaut nach nur hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts auf die Zuständig des – Nachlassgerichts abstellt, auch nahe (im Ergebnis so auch bereits OLG Hamm, Beschluss vom 02.12.2011, Az. 15 W 384/11, zitiert nach juris).

Auch die Beschwerdeführerin mag ihre Ansicht zur Zuständigkeit des Nachlassgerichts ggf. noch einmal im Hinblick auf die vorhergehenden Ausführungen des Senats überprüfen.

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