OLG Frankfurt, Beschluss vom 22. Februar 1995 – 20 W 581/94

August 17, 2020

OLG Frankfurt, Beschluss vom 22. Februar 1995 – 20 W 581/94
Erbrecht des nichtehelich geborenen, durch Dritte vor Inkrafttreten des Adoptionsgesetzes adoptierten Kindes bei späterer Eheschließung der Eltern
Tenor
Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird als unzulässig verworfen.
Die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 2) bis 4) werden als unbegründet zurückgewiesen.
Die Beteiligten zu 1) bis 4) haben die der Beteiligten zu 5) im Verfahren der weiteren Beschwerde etwa entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde beträgt für die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) 5.000 DM und für jede der drei weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 2) bis 4) je 16.666,66 DM.
Gründe
Der Erblasser war seit dem 18.7.1958 mit der Beteiligten zu 1) verheiratet. Aus dieser Ehe sind die drei Beteiligten zu 2) bis 4) hervorgegangen. Die Beteiligte zu 5) ist am 28.1. 1953 als nichteheliches Kind der damals noch ledig gewesenen Beteiligten zu 1) geboren worden. Der Erblasser hat durch Erklärung vor dem Stadtjugendamt … am 4.3.1953 die Vaterschaft zu der Beteiligten zu 5) anerkannt. Durch den am 14.7.1953 von dem Amtsgericht – Vormundschaftsgericht – Braunschweig rechtskräftig bestätigten notariellen Annahmevertrag vom 5.6.1953 haben die Eheleute … und … in … die Beteiligte zu 5) als gemeinschaftliches Kind angenommen.
Der Erblasser ist am 25.11.1984 verstorben. Er hat keine die Erbfolge regelnde Verfügung von Todes wegen hinterlassen. Das Nachlaßgericht hat der Beteiligten zu 1) auf deren Anträge am 13.2.1985 einen gemeinschaftlichen Erbschein und am 16.5.1991 einen gegenständlich beschränkten gemeinschaftlichen Erbschein für den in der ehemaligen DDR belegenen Grundbesitz gemäß Erbrecht der DDR des Inhalts erteilt, daß der Erblasser von den Beteiligten zu 1) bis 4) entsprechend den in den Erbscheinen aufgeführten Anteilen beerbt worden sei.
Die Beteiligte zu 5) hat unter dem 12.6.1992 beantragt, die beiden gemeinschaftlichen Erbscheine vom 13.2.1985 und 16.5.1991 wegen Unrichtigkeit einzuziehen und ihr neue gemeinschaftliche Erbscheine zu erteilen, in denen sie als eheliches Kind des Erblassers berücksichtigt wird. Die Rechtspflegerin des Nachlaßgerichts hat durch Beschluß vom 28.4.1994 die Anträge auf Einziehung des gemeinschaftlichen Erbscheins vom 13.2.1985 und auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, der als Miterben die Beteiligte zu 1) zu 1/2 und die Beteiligten zu 2) bis 5) zu je 1/8 Anteil ausweist, zurückgewiesen. Sie hat die Ansicht vertreten, die Beteiligte zu 5) würde die erbrechtliche Stellung eines ehelichen Kindes des Erblassers nur dann erlangt haben, wenn das 1953 begründete Annahmeverhältnis zu den Adoptiveltern aufgehoben worden sei.
Der gegen den Beschluß der Rechtspflegerin gerichteten Erinnerung der Beteiligten zu 5) haben die Rechtspflegerin und der Richter des Nachlaßgerichts nicht abgeholfen. Das Landgericht hat nach Vorlage der Sache auf die jetzt als Beschwerde geltende Erinnerung der Beteiligten zu 5) durch Beschluß vom 28.10.1994 die Entscheidung der Rechtspflegerin vom 28.4.1994 aufgehoben, die Einziehung des gemeinschaftlichen Erbscheins vom 13.2.1985 angeordnet und das Amtsgericht angewiesen, der Beteiligten zu 5) einen gemeinschaftlichen Erbschein zu erteilen, wonach der Erblasser von der Beteiligten zu 1) zu 1/2 und den Beteiligten zu 2) bis 5) zu je 1/8 beerbt worden ist. Es hat auf der Grundlage der §§ 1719, 1764 BGB a.F. und des Art. 12 § 1 Abs. 1 AdoptG die Auffassung vertreten, die Beteiligte zu 5) sei als eheliches Kind des Erblassers mit erbberechtigt. Gegen den landgerichtlichen Beschluß richten sich die mit Anwaltsschriftsatz vom 18.11.1994 eingelegten weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 1) bis 4).
Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) ist zwar statthaft (§ 27 Abs. 1 FGG), aber gleichwohl unzulässig, weil der Beteiligten zu 1) die Berechtigung zur Einlegung der weiteren Beschwerde fehlt. Diese Berechtigung bestimmt sich gemäß § 29 Abs. 4 FGG nach § 20 FGG. Danach steht das Beschwerderecht demjenigen zu, der durch die Entscheidung des Beschwerdegerichts in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Das trifft hier auf die Beteiligte zu 1) deshalb nicht zu, weil ihr Erbanteil von 1/2 nicht dadurch geschmälert wird, daß das Landgericht angenommen hat, die Beteiligte zu 5) sei gesetzliche Miterbin zu 1/8. Die der Beteiligten zu 1) zustehende Erbquote bleibt vielmehr unverändert.
Die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 2) bis 4) sind statthaft, auch sonst zulässig, aber nicht begründet. Mit Recht hat das Landgericht angenommen, daß die Beteiligte zu 5) als eheliches Kind des Erblassers kraft Gesetzes (mit-) erbberechtigt ist (§ 1924 Abs. 1 BGB).
Nach der Rechtslage im Zeitpunkt des Erbfalls – hier: am 24.11.1984 – entscheidet sich sowohl die Frage, ob jemand Abkömmling eines anderen ist, als auch die weitere Frage, ob der Abkömmling ehelich oder nichtehelich ist (Soergel/Stein BGB 12. Aufl. § 1924 Rn. 22, 23). Die im Jahre 1953 geborene Beteiligte zu 5) galt zunächst als nichteheliches Kind des Erblassers mit diesem als nicht verwandt (§ 1589 Abs. 2 BGB in der bis zum 30.6.1970 geltenden Fassung). Mit der Eheschließung ihrer Eltern im Jahre 1958 wurde sie trotz der schon im Jahre 1953 erfolgten Adoption eheliches Kind ihrer Eltern (§ 1719 BGB in der bis zum 31.12.1976 geltenden Fassung; vgl. Erman/Holzhauer BGB 9. Aufl. § 1719 Rn. 5; Engler StAZ 1976, 159). Das ist sie bis zum Erbfall auch geblieben. Zwar bestimmt die durch das Adoptionsgesetz vom 2.7.1976 (BGBl I 1749) – in Kraft getreten am 1.1.1977 – geänderte Vorschrift des § 1755 Abs. 1 Satz 1 BGB, daß mit der Annahme als Kind das Verwandtschaftsverhältnis des Kindes zu den bisherigen Verwandten erlischt. Die Vorschrift des § 1755 BGB ist hier aber gar nicht anwendbar. Die Adoption der Beteiligten zu 5) durch die Eheleute … ist bereits im Jahre 1953, also lange vor Inkrafttreten des AdoptG vom 2.7.1976 bestätigt worden. Da die Beteiligte zu 5) am 1.1.1977 bereits volljährig war, sind auf das Annahmeverhältnis grundsätzlich die Vorschriften des neuen Adoptionsrechts über die Annahme Volljähriger anzuwenden (Art. 12 § 1 Abs. 1 AdoptG; vgl. BayObLG FamRZ 1994, 853/854; Staudinger/Frank BGB 12. Aufl. Vorbem. zu §§ 1741 ff. Rn. 48, 49; Soergel/Stein aaO Rn. 20, Erman/Schlüter aaO Rn. 14, je zu § 1924; Palandt/Diederichsen BGB 53. Aufl. Einf. vor § 1741 Rn. 11; Engler FamRZ 1976, 584/593; Dittmann Rpfleger 1978, 277/284). Die Rechte und Pflichten aus dem Verwandtschaftsverhältnis der Beteiligten zu 5) zu dem Erblasser, ihrem leiblichen Vater, sind daher durch die Annahme als Kind nicht berührt worden (§§ 1770 Abs. 2 BGB n.F., 1764 BGB a.F.). Das gesetzliche Erbrecht zwischen der Beteiligten zu 5) und ihrem leiblichen Vater ist bestehengeblieben (Engler FamRZ 1976, 584/593; Dittmann aaO; Kemp DNotZ 1976, 646/647).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG. Den Geschäftswert für das Verfahren über die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 2) bis 4) hat der Senat nach den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO festgesetzt. Dieser Wert entspricht – ausgehend von dem sich aus den Akten ergebenden Wert des Reinnachlasses von 400.000 DM – jeweils den Beträgen, um die sich der Wert der Erbanteile der Beteiligten zu 2) bis 4) dadurch vermindert, daß die Beteiligte zu 5) Miterbin zu 1/8 Anteil des Nachlasses ist. Die Wertfestsetzung für die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) ergibt sich aus den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 Satz 1 KostO.

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