OLG Hamburg, Beschluss vom 16.03.2021 – 2 W 17/20

Oktober 11, 2021

OLG Hamburg, Beschluss vom 16.03.2021 – 2 W 17/20

Tenor
1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg vom 25.9.2019 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Gründe
I.

Der am 7.12.2009 in Hamburg verstorbene Erblasser ist iranischer Staatsangehöriger jüdischen Glaubens. Er war mit der Antragsgegnerin verheiratet und Mitglied der jüdischen Gemeinde Hamburg. Aus der Ehe sind insgesamt vier Kinder hervorgegangen, drei Söhne und eine Tochter. Der Antragsteller ist einer der Söhne des Erblassers.

Der Erblasser lebte zunächst im Iran, von 1965 bis 1974 sodann in Israel, anschließend wieder im Iran und seit 1980 in Deutschland. Der Erblasser verließ den Iran nicht freiwillig. Zwischen den Beteiligten sind die genauen Gründe seiner Flucht aus dem Iran allerdings streitig.

Am 4.12.2007 verfasste der Erblasser ein handschriftliches Testament in dem es lautet (Bl. 4 d.A.):

„Unter gleichzeitigem Widerruf aller vorherigen Verfügungen von Todes wegen setze ich, R…-E… R…, hiermit meine Ehefrau „F… S… R…“, zur Alleinerbin ein.

Meinem Sohn „R… R…“ entziehe ich wegen der Vielzahl der von ihm begangenen Verfehlungen selbst seinen Pflichtteil. Meine übrigen Kinder bitte ich darum, ihren Pflichtteil gegenüber ihrer Mutter, meiner Alleinerbin, nicht geltend zu machen.“

Der Erblasser verfasste am 6.12.2007 ein wortgleiches Testament in maschinenschriftlicher Form, welches er unterschrieb (Bl. 6.d.A.).

Am 12.2.2010 beantragte die Antragsgegnerin beim Nachlassgericht, ihr einen Erbschein zu erteilen, der sie, beschränkt auf den inländischen Nachlass, unter Anwendung des iranischen Rechts als Alleinerbin ausweist. Das Nachlassgericht versuchte durch Einholung eines Sachverständigengutachtens die Erbfolge nach iranischem Recht zu klären. Die Gutachterin, Frau Priv. Doz. Dr. Y… vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Hamburg, teilte Ende 2010 mit, dass ihr der Landesrabbiner der jüdischen Gemeinde Hamburg, Herr B…, mitgeteilt habe, dass das nach dem iranischen Recht auf den Erbfall anwendbare jüdisch-religiöse Recht nur Geschenke unter Lebenden erlaube, ein Testament als Verfügung von Todes wegen aber nicht zulasse. Da ihr keine weiteren Unterlagen über das jüdische Recht zur Verfügung stünden und auch Herr B… über keine weiteren Unterlagen verfügen würde, sei der genaue Inhalt des jüdischen Rechts aus ihrer Sicht nicht ermittelbar. Anzuwenden sei daher das deutsche Recht als Ersatzrecht (Gutachterliche Stellungnahme vom 15.11.2010, Bl. 30 d.A.).

Daraufhin änderte die Antragsgegnerin ihren Erbscheinsantrag und beantragte, ihr einen Erbschein zu erteilen, der sie in Anwendung des deutschen Rechts nach testamentarischer Erbfolge als Alleinerbin ausweist (Bl. 44 d.A.).

Am 1.12.2010 erteilte das Nachlassgericht der Antragsgegnerin folgenden Erbschein:

„Der am 11. März 1929 in Kashan/Iran geborene, zuletzt in Hamburg wohnhaft gewesene iranische Staatsangehörige

R… E… R…

ist am 7. Dezember 2009 in Hamburg verstorben und beerbt worden nach testamentarischer Erbfolge unter Anwendung deutschen Rechts mangels ermittelbaren Heimatrecht von seiner Witwe F… S…, geboren am … August 1939, als Alleinerbin.“ (Bl. 45 d.A.)

Mit Schriftsatz vom 18.12.2012 beantragte der Antragsteller, diesen Erbschein einzuziehen. Der Erbschein sei unrichtig. Beide Testamente seien nach jüdischem Recht unwirksam. Es gelte der Schulchan Aruch, nach dem der Erblasser seine Ehefrau nicht wirksam als Alleinerbin habe einsetzen können. Erben seien vielmehr der Antragsteller als erstgeborener Sohn zu 1/2 und seine beiden Brüder zu jeweils 1/4. Unabhängig hiervon sei das Testament auch formungültig, weil es nach jüdischem Recht nur in Anwesenheit zweier koscherer Zeugen habe wirksam errichtet werden können.

Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegen getreten. Sie ist der Meinung, dass der Schulchan Aruch keine Anwendung finde. Der Schulchan Aruch gelte nicht für alle, sondern allenfalls für bestimmte Gruppen von Juden, denen der Erblasser nicht angehöre. Der Erblasser gehöre nämlich der Gruppe der sephardischen Juden an, für die hinsichtlich der Erbfolge der Wille des Erblassers entscheidend sei. Der Schulchan Aruch enthalte auch keine Regelung, die es verbiete, die Ehefrau testamentarisch als Alleinerbin einzusetzen. Auch müsse ein Testament nach dem Schulchan Aruch nicht in Anwesenheit zweier koscherer Zeugen errichtet werden. Es gebe auch keine sonstigen Regelungen des jüdischen Rechts, die der Einsetzung der Antragsgegnerin als Alleinerbin im Wege stehen würden. Jedenfalls lasse sich nicht mit ausreichender Sicherheit ermitteln, welchen Inhalt das jüdische Recht im vorliegenden Erbfall überhaupt habe. Zu bedenken sei nämlich auch, dass sich der Erblasser zeitweise in Israel aufgehalten habe, weshalb es nahe liege, dass das israelisch-jüdische Recht zur Anwendung gelange. Wegen dieser nicht aufklärbaren Unsicherheiten sei das deutsche Erbrecht als Ersatzrecht anzuwenden. Selbst wenn man aber mit dem Antragsteller davon ausgehen wollte, dass der Schulchan Aruch Anwendung finde und weiter davon ausgehen wollte, dass danach die testamentarische Einsetzung der Ehefrau als Alleinerbin unwirksam sei, würde dies gleichwohl nicht zur Unwirksamkeit der vorliegenden Testamente führen. Denn eine solche, die Testierfreiheit ausschließende und Frauen benachteiligende Regelung wäre mit dem ordre public Grundsatz des Art. 6 EGBGB nicht zu vereinbaren mit der Folge, dass das Testament auf Grundlage des dann ersatzweise anzuwendenden deutschen Rechts wirksam sei.

Zur Untermauerung ihrer jeweiligen Auffassungen zum Inhalt des jüdischen Rechts haben sich die Beteiligten auf die Stellungnahmen verschiedener jüdischer Institutionen berufen.

Der Antragsteller beruft sich auf einen Beschluss des Zentralen Rabbinatgerichts für Europa in Frankfurt a.M. (ASt 1), nach dem das Testament vom 6.12.2007 unwirksam sei. Nach dem Schulchan Aruch könne nicht abweichend von der gesetzlichen Erbfolge testiert werden. Diese sehe als gesetzliche Erben aber allein die Söhne des Erblassers vor. Zulässig seien allein Schenkungen an Nichterbberechtigte. Das Testament vom 6.12.2007 enthalte aber keine solche Schenkung, sondern eine unzulässige Erbeinsetzung. Ferner hat der Antragsteller eine Stellungnahme des Rabbinatskomitees Teheran vorgelegt, nach der sich das Komitee dem Beschluss des Zentralen Rabbinatgerichts für Europa anschließt (ASt 4, Bl. 366 d.A.).

Die Antragsgegnerin beruft sich demgegenüber auf eine Auskunft der kalifornischen Nessah Synagoge vom 8.10.2010 (Bl. 147 d.A.), nach der das Testament vom 4.12.2007 gültig sei, weil es den Regelungen des Schulchan Aruch entspreche. Am 17.05.2016 bestätigte die Nessah Synagoge ihre Auskunft aus 2010 nochmals (Anlage zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 21.7.2016, Bl. 399 d.A.). Auch der Leiter des rabbinischen Gerichts für Europa mit Sitz in London teilte der Antragsgegnerin mit, dass das Testament wirksam sei, da der Wille des Erblassers zu beachten sei (Anlage zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 30.1.2019, Bl. 668 f. d.A.). Letztlich beruft sich die Antragsgegnerin auf eine Stellungnahme von Herrn Prof. L…, Inhaber eines rechtswissenschaftlichen Lehrstuhls an der Universität von Jerusalem, nach der das Testament ebenfalls wirksam sei, weil dem Willen des Verstorbenen Vorrang vor dem rechtsfehlerhaften Wortlaut des Testaments einzuräumen sei (Anlage zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 30.1.2019, Bl. 672f. d.A.).

Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 25.9.2019, dem Antragsteller am 30.9.2019 zugestellt, den Antrag auf Einziehung des Erbscheins zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Einziehung nicht bereits daran scheitere, dass die für sie sprechenden Gründe bereits im Erteilungsverfahren hätten geltend gemacht werden müssen. Auch der Umstand, dass die Nessah Synagoge das Testament für wirksam erklärt habe, führe nicht für sich genommen bereits zu seiner Wirksamkeit. Es lasse sich nicht feststellen, dass der Nessah-Synagoge die Letztentscheidungskompetenz über die Wirksamkeit von Juden errichteter Testamente zufalle. Aufgrund des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens vom 17.2.1929 richte sich das anwendbare Recht vielmehr entsprechend der Staatsangehörigkeit des Erblassers nach dem iranischen Recht. Das Niederlassungsabkommen gehe nach Art. 3 Nr. 2 EGBGB dem deutschen Kollisionsrecht vor. Das iranische Erbrecht sei interpersonal gespalten. Iranische Staatsangehörige, die keine Schiiten seien, würden dem Erbrecht ihrer Religionsgemeinschaft unterworfen sein, sofern diese im Iran anerkannt sei. Da es sich bei dem Judentum um eine im Iran anerkannte Religionsgemeinschaft handele, finde das jüdische Erbrecht Anwendung. Es lasse sich aber mit Ausnahme der Regelungen der Tora kein universell, also für alle Mitglieder der jüdischen Religionsgemeinschaft gleichermaßen geltendes Recht ermitteln. Insbesondere lasse sich nicht feststellen, dass der Schulchan Aruch von allen Juden akzeptiert werde. Auch lasse sich nicht feststellen, dass der Schulchan Aruch zumindest im vorliegenden Erbfall zur Anwendung gelange. Weder lasse sich dem Testament eine entsprechende Rechtswahl entnehmen, noch stehe fest, dass der Erblasser mit der Rechtsordnung des Schulchan Aruch am engsten verbunden gewesen sei. Aus der Tora selbst ließen sich keine konkreten Regelungen über den zulässigen Inhalt eines Testaments ermitteln. Es bleibe daher offen, ob die Tora eine letztwillige Verfügung erlaube. Lasse sich das auf den vorliegenden Erbfall anwendbare ausländische Recht aber nicht sicher ermitteln, gelange das deutsche Recht als das Recht des Staates zur Anwendung, zu dem der Erblasser neben seinem Heimatrecht die engste Verbundenheit aufweise. Nach deutschem Recht erweise sich das handschriftliche Testament vom 4.12.2007 aber als wirksam und sei die Antragsgegnerin daher zutreffend im Erbschein als Alleinerbin auf Grundlage des deutschen Rechts ausgewiesen.

Mit beim Nachlassgericht am 30.10.2019 eingegangenem Schriftsatz hat der Antragsteller gegen den Beschluss Beschwerde erhoben, der das Nachlassgericht nicht abgeholfen hat und dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat. Der Antragsteller meint, das Nachlassgericht habe fehlerhaft die universelle Anwendbarkeit des Schulchan Aruch verneint. Der Schulchan Aruch sei quasi das Grundgesetz des Judentums und gelte für alle Juden gleich welcher Strömung. Dies entspreche insbesondere auch der Auffassung des Hamburger Landesrabbiners Herrn B…, der für alle Hamburger Gemeindemitglieder maßgeblichen Person für die Klärung religiöser Fragen. Die Anwendung des Schulchan Aruch führe zur Unwirksamkeit der Testamente, weil nach dem Schulchan Aruch eine Enterbung der gesetzlichen Erben nicht zulässig sei. Zudem ergebe sich aus dem Schulchan Aruch, dass das Testament wirksam nur in Anwesenheit zweier koscherer Zeugen habe errichtet werden können.

Die Antragsgegnerin tritt der Beschwerde entgegen. Der Schulchan Aruch gelte weder universell, noch sei er auf den vorliegenden Erbfall im speziellen anwendbar. Zudem werde der Schulchan Aruch durch jüngere Interpretationen dahingehend ausgelegt, dass er auch die Erbeinsetzung der Ehefrau zulasse.

Der Senat hat zunächst mit Beschluss vom 8.4.2020 (Bl. 777 d.A.) darauf hingewiesen, dass die Beschwerde schon deswegen unbegründet sein dürfte, weil es sich bei dem Erblasser um einen Flüchtling nach Maßgabe der Genfer Flüchtlingskonvention handele. Er gelte daher kollisionsrechtlich als deutscher Staatsangehöriger und deswegen gelange deutsches Erbrecht zu Anwendung.

Nachdem beide Beteiligte auf den Beschluss hin weiter streitig zur Flüchtlingseigenschaft des Erblassers vorgetragen haben, hat der Senat ergänzende Stellungnahmen des Landesrabbiners der jüdischen Gemeinde Hamburg, Herrn B…, zum Inhalt des Schulchan Aruch eingeholt. Wegen des Inhalts dieser Stellungnahmen wird auf die Schreiben vom 27.10.2020 (Bl. 856 d.A.) und vom 3.12.2020 (Bl. 860 d.A.) Bezug genommen. Hinsichtlich der deutschen Fassung des Schulchan Aruch hat Herr B… auf die im Internet über die Universitätsbibliothek Frankfurt veröffentlichte deutsche Fassung des Schulchan Aruch von Heinrich Georg Löwe, 1837 f., abrufbar unter https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/freimann/content/titleinfo/6891964 verwiesen.

Mit Verfügung vom 9.12.2020 (Bl. 861 d.A.) hat der Senat darauf hingewiesen, dass er nach wie vor beabsichtige, die Beschwerde zurückzuweisen, weil eine Anwendung des Schulchan Aruch und eine hieraus folgende Unwirksamkeit des Testaments zu einem ordre public Verstoß führe und das Testament daher unter Anwendung des deutschen Rechts als wirksam anzusehen sei.

Der Antragsteller ist diesem weiteren Hinweis entgegengetreten.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Der Erbschein ist nicht einzuziehen, weil nach dem iranisch-jüdischem Recht die Ehefrau nicht wirksam zur Alleinerbin hat eingesetzt werden können. Hierzu im Einzelnen wie folgt.

1.)

Da der Erblasser iranischer Staatsangehöriger ist, findet gem. Art. 8 Abs. 3 des Niederlassungsabkommens zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien vom 17.2.1929 das iranische Erbrecht auf den vorliegenden Erbfall Anwendung. Es kann offen bleiben, ob der Erblasser als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anzusehen ist. Dann würde zwar das deutsch-iranische Niederlassungsabkommen nicht zur Anwendung gelangen (ausführlich Schotten/Wittkowski, FamRZ 1995, 264, 266 oder auch Staudinger/Kropholler, Vorb zu Art. 25, 26 RGBGB Rn. 157 und Art. 25 Rn. 485; Franke in Burandt/Rojahn, Erbrecht, 2. Aufl., Art. 25 EGBGB Rn. 8). Vielmehr ergäbe sich das Kollisionsrecht dann aus Art. 25 EGBGB aF. Maßgeblich wäre dann das Personalstatut, welches sich für Flüchtlinge gem. Art. 12 GFK allerdings nicht nach der Staatsangehörigkeit, sondern nach ihrem Wohnsitz richtet, was vorliegend zur Anwendung des deutschen Rechts führen würde (vgl. hierzu Staudinger/Henrich, Art. 5 EGBGB Rn. 40).

Flüchtling i.S. der GFK ist jede Person, die aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will (Art. 1 GFK i.V.m. dem Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge v. 11.7.1969). Die Flüchtlingseigenschaft bedarf außerhalb des Asylverfahrens keines Bescheides oder gesonderter Feststellung, sondern ist vom jeweils erkennenden Gericht eigenständig zu prüfen (BGH Beschluss vom 20.12.2017 – XII ZB 333/17, FamRZ 2018, 457 Rn. 23). Der Antragsteller hat in diesem Zusammenhang zunächst vorgetragen: „Der Erblasser ist im Jahr 1980 allein deshalb in die Bundesrepublik gereist, um der Verfolgung durch die nach der Revolution im Iran Regierenden zu entgehen. Viele jüdische Bürger haben zu diesem Zeitpunkt den Iran gezwungenermaßen verlassen.“ (Schriftsatz vom 12.3.2013, S. 2, Bl. 84 d.A.). Auf Hinweis des Senats, dass angesichts dieses Vortrages der Erblasser als Flüchtling anzusehen ist, hat der Antragsteller vorgetragen, der Erblasser habe den Iran nicht aus politischen, religiösen oder sonst nach Maßgabe der Genfer Flüchtlingskonvention relevanten Gründen verlassen müssen, sondern deshalb, weil er im Iran erhebliche Geldbeträge veruntreut habe und sich deswegen zivil- und strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt sah. Zwar ist die Antragsgegnerin diesem Vortrag entgegengetreten, der Senat geht allerdings im weiteren zugunsten des Antragstellers davon aus, dass er nicht als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingekonvention gilt, so dass es bei der Anwendung des iranischen Rechts verbleibt.

Das iranische Recht verweist in Art. 1 Abs. 2 des Gesetzes über die Zulässigkeit der Berücksichtigung des Personalstatuts nichtschiitischer Iraner durch die Gerichte vom 10.5.1312 / 1.8.1933 hinsichtlich der Nichtschiiten auf die religiösen Normen der Religion und Konfession des Erblassers (Yassari in: Ferid/Firsching, Internationales Erbrecht, Iran, Stand 1.1.2006, 1. Teil B Rn. 1; Auskunft des Generalkonsulats der islamischen Republik Iran in Hamburg vom 6.1.2017 Ziff. 2, 3 Bl. 457 d.A.). Das Judentum ist auch eine solche im Iran anerkannte nichtschiitische Religionsgemeinschaft, wie das Generalkonsulat der islamischen Republik Iran in Hamburg mit Schreiben vom 6.1.2017 bestätigt hat (Ziff. 1 des Schreibens, ASt. 7 Bl. 457 d.A.).

Danach richtet sich das auf den Erbfall anzuwendende Recht nach dem jüdisch-religiösem Recht.

2.)

Die Rüge des Beschwerdeführers, auf Basis des demnach zur Anwendung gelangenden Schulchan Aruch habe die Antragsgegnerin nicht wirksam testamentarisch als Alleinerbin eingesetzt werden können, greift im Ergebnis nicht durch. Denn ein solches Verständnis des Schulchan Aruch verstößt gegen den ordre public Grundsatz und führt damit im Ergebnis zur Anwendung des deutschen Rechts. Hierzu im Einzelnen wie folgt:

a)

Zwar ist das Testament nicht schon deswegen nach Maßgabe des jüdischen Rechts als wirksam oder unwirksam anzusehen, weil es von einer bestimmten jüdischen Organisation als wirksam oder unwirksam anerkannt wurde. Da sich die Wirksamkeit des Testaments nach jüdischem Recht richtet, ist es Aufgabe des Senats, den Inhalt des jüdischen Rechts zu ermitteln und auf das vorliegende Testament anzuwenden. Die von den Beteiligten vorgelegten und sich im Ergebnis widersprechenden Stellungnahmen der verschiedenen jüdischen Organisationen können dabei vom Senat als Auslegungshilfen herangezogen werden. Die eigentliche Rechtsfindung obliegt aber dem Senat als hierfür nach der lex fori der deutschen Rechtsordnung zuständigem staatlichen Organ. Daher kommt es auch auf die sich widersprechenden Auffassungen der Beteiligten nicht an, welcher jüdischen Institution der Vorrang einzuräumen ist, weil dies allenfalls im innerreligiösen Raum, nicht aber auf der Ebene der staatlichen Rechtsprechung Bedeutung hat.

b)

Hinsichtlich des Inhalts des Schulchan Aruch legt der Senat seiner Entscheidung die von Herrn B… benannte Übersetzung des Schulchan Aruch zugrunde. Keiner der Beteiligten hat die Richtigkeit der Übersetzung in Zweifel gezogen. Der Schulchan Aruch enthält im 281. Abschnitt zum Testament folgende Regelung:

„§ 1) Man kann keinen als Erben einsetzen, der kein gesetzmäßiger Erbe ist, und dadurch sein Vermögen dem rechtmäßigen Erben entziehen, sei dies im Zustande der Gesundheit oder der Krankheit, mündlich oder schriftlich geschehen. – Wenn es daher heißt: A, mein Erstgeborener, soll seinen doppelten Antheil an meiner Erbschaft haben, oder A, mein Sohn, soll nicht erben … so hat dies keine Gültigkeit; man kann aber im krankhaften Zustande Einen unter seinen übrigen Erben zum Universal=Erben einsetzen, oder dem Einen mehr und dem Anderen weniger vermachen, dies kann mündlich oder schriftlich geschehen; heißt es aber mündlich: A, mein Sohn, soll allein erben, so hat es Gültigkeit; … . – Hat aber Jemand sein ganzes Vermögen seinem Sohn verschrieben, so hat er ihn nur als Vormund eingesetzt, (siehe Absch. 246) …

§ 2) Sagt Jemand: mein Sohn A soll die Hälfte des Vermögens und meine andern Söhne die andere Hälfe haben, so gilt es.

§ 3) Sagt Jemand: mein Sohn A soll Nichts erben, als nur so viel, benannt, oder es heißt: mein Sohn A soll erben seinen Theil und auch den seines Bruders B oder es heißt: C soll nicht erben, sondern B, so hat dies Alles keine Gültigkeit. – Wenn es aber heißt: A, mein Sohn, soll mich beerben, oder soll mein ganzes Vermögen erben, und mein Sohn B soll nicht erben, so gilt dies ! – Die Ursache soll sein, daß indem er gesagt hat: und u.s.w., hat gar keine Bedeutung mehr, ist also folglich nicht gegen die Buchstaben des Gesetzes – und ist keine Sünde ! –

§ 4 …

§ 5) Im gesunden Zustande kann man keinem seiner Erben etwas entziehen, auch nicht ihm mehr zutheilen als ihm gebührt, d.h. wenn man sich des Ausdrucks: Erben dabei bedient, wohl aber als Geschenk.

§ 6) Wenn ein Kranker mehrere Söhne hat, wovon einer ein Erstgeborener ist, und er hat einem der Nachgeborenen einen größern Theil vermacht, und hat sich des Ausdrucks: Erben dabei bedient, so gilt die ganze Verfügung Nichts, denn da solche hinsichtlich des Erstgeborenen nachtheilig und folglich ungültig ist, so gilt sie auch im Uebrigen nicht; einige Rabbiner wollen aber, dass sie im Uebrigen bleiben kann, nur daß die Nachgeborenen ein Jeder nach Verhältniß dem Erstgeborenen den Verlust ersetzen.

§ 7) Es ist schon erwähnt – § 5 – daß ein Jeder Vater im kranken Zustande einem seiner Kinder oder auch einem Fremden mündlich schenken kann, was und wieviel er will, und darf er sich des Ausdrucks: Erben nicht dabei bedienen; hat er sich aber des Ausdrucks: Schenken dabei bedient, wenn er auch den Ausdruck: Erben gebrauchte, so hat die Schenkung doch Gültigkeit – z.B. er sagte: Dies Feld soll meinem Sohne A geschenkt werden, und er soll solches erben, oder er soll es erben und es soll ihm geschenkt werden, und er soll es erben, oder er soll es erben und es soll ihm geschenkt werden – ebenso wenn drei Erben und drei Felder das sind, und er sagte: Dies Feld soll A erben, und dies soll dem B geschenkt werden und C soll das dritte Feld erben, so gilt seine Rede als eine Schenkung an alle drei Erben; er muß dies aber in einem fort gesagt und sich nicht dazwischen besonnen haben – hat er sich aber dazwischen besonnen, so muß sich der Ausdruck: Schenken auf alle drei Erben bezogen haben, er muß z.B. auch gesagt haben: A, B und C sollen erben, die Felder D, E und F, welche ich ihnen geschenkt habe, und sie sollten solche erben…“

Zur gesetzlichen Erbfolge führt der Schulchan Aruch aus:

276. Abschnitt „§ 1 Die Ordnung bei Erbschaften ist folgendermaßen: Stirbt Jemand, und hinterläßt Söhne und Töchter, so erben die Söhne, nicht aber die Töchter; sind keine Söhne mehr da, aber sie haben Kinder, gleichviel, Söhne oder Töchter, hinterlassen, so erben diese seine Enkel, die Söhne haben aber immer Vorrang; sind aber nur Töchter von ihnen, den Söhnen, da, so erben auch diese, und so immer fort. Sind keine Söhne, und auch keine Töchter von ihnen da, dann erst kommen des Verstorbenen Töchter an die Reihe;…

§ 4 Die Familie der Mutter wird keine Familie genannt, denn die Mutter erbt weder von ihrem Sohne noch von ihrer Tochter …. Jemand, der seinen Vater nicht anzugeben weiß, den können die Familie seiner Mutter nicht beerben, sondern dessen Vermögen ist Preis gegeben, …“

Nach diesen Regelungen des Schulchan Aruch ist es dem gesunden Erblasser verboten, die Erbfolge abweichend von der im Schulchan Aruch vorgegebenen gesetzlichen Erbfolge zu regeln. Zentral ist insoweit die Regelung im 281. Abschnitt § 5: „Im gesunden Zustande kann man keinem seiner Erben etwas entziehen, auch nicht ihm mehr zutheilen als ihm gebührt, d.h. wenn man sich des Ausdrucks: Erben dabei bedient, wohl aber als Geschenk.“

Als gesetzliche Erben kennt der Schulchan Aruch im Ausgangspunkt lediglich die männlichen Nachkommen des Erblassers. Nur ganz ausnahmsweise sind weibliche Verwandte erbberechtigt, nämlich dann, wenn sie ihr Erbrecht vermittelt über einen weggefallenen männlichen Erben ableiten oder der Erblasser nur Töchter hinterlässt. Ein gesetzliches Erbrecht der Ehefrau sieht der Schulchan Aruch nicht vor.

Lediglich im Krankheitsfalle erlaubt der Schulchan Aruch dem Erblasser eine gewisse Testierfreiheit. Er kann dann die Erbquoten zwischen den gesetzlichen Erben verschieben (281. Abschnitt § 1 „..man kann aber im krankhaften Zustande Einen unter seinen übrigen Erben zum Universal=Erben einsetzen, oder dem Einen mehr und dem Anderen weniger vermachen..“).

An Stelle der Errichtung eines Testaments erlaubt der Schulchan Aruch dem Erblasser Schenkungen zu Lebzeiten, an die die Erben später gebunden sind (281. Abschnitt § 7 Es ist schon erwähnt – § 5 – daß ein Jeder Vater im kranken Zustande einem seiner Kinder oder auch einem Fremden mündlich schenken kann, was und wieviel er will, und darf er sich des Ausdrucks: Erben nicht dabei bedienen; hat er sich aber des Ausdrucks: Schenken dabei bedient, wenn er auch den Ausdruck: Erben gebrauchte, so hat die Schenkung doch Gültigkeit.“)

Dieses aus dem Wortlaut des Schulchan Aruch abgeleitete Verständnis des jüdischen Erbrechts – keine Testierfreiheit mit Ausnahmen im Krankheitsfall, gesetzliche Erbfolge ganz überwiegend nur der männlichen Verwandten, nur Schenkungen zu Lebzeiten zulässig – deckt sich mit den Angaben der vom Senat ermittelten Sekundärliteratur. Es wird insofern auf Cohn, Wörterbuch des Jüdischen Rechts, 1927, Neudruck 1980, Erbrecht, dort Ziff. II. und IV. erwiesen (abrufbar unter www.juedisches-recht.org), sowie auf Assan/Margalith in: Ferid/Firsching, Internationales Erbrecht, Israel (Stand Herbst 1999) Abschnitt I. Rn. 92 ff. verwiesen. Auch der Landesrabbiner der jüdischen Gemeinde Hamburg Herr B… hat in seiner Auskunft vom 3.12.2020 (Bl. 860 d.A.) ausgeführt, dass nach jüdischem Recht zwar ein Testament zu Lebzeiten errichtet werden könne, man könne aber Erben, die grundsätzliche erben würden, nicht enterben. Diese Regelung des jüdischen Rechts könne man nur über Schenkungen zu Lebzeiten umgehen. Diese Auslegung des Schulchan Aruch deckt sich letztlich auch mit den von den Beteiligten eingereichten Stellungnahmen der jüdischen Institutionen. Die vom Antragsteller eingereichten Stellungnahmen führen ausdrücklich aus, dass der Erblasser keinen gesetzlichen Erben enterben durfte, sondern allenfalls Schenkungen vornehmen können. Aber auch die von der Antragsgegnerin eingereichten Stellungnahmen widersprechen diesem Verständnis des Schulchan Aruch nicht. Sie führen lediglich aus, dass das hieraus entstehende Spannungsverhältnis in Bezug auf den Willen des Erblassers dadurch aufzulösen sei, dass dem Willen des Erblassers Vorrang einzuräumen sei. Deutlich führt das Prof. L… in seiner Stellungnahme vom 23.1.2019 aus (Bl. 672 d.A.).

Weitergehende Ermittlungen des Senats zum Inhalt des Schulchan Aruch sind vor dem Hintergrund dieser auf den Wortlaut der ausländischen Normen, dem Inhalt der Sekundärliteratur als auch den Ausführungen des Hamburger Landesrabbiners als für das jüdische Recht rechtskundiger Person sowie den vorliegenden Stellungnahmen der jüdischen Institutionen nicht veranlasst. Insbesondere ist weder die Einholung eines ergänzenden Sachverständigengutachtens erforderlich noch sind die im Schriftsatz des Antragstellers vom 2.2.2021 weiter angeführten rechtskundigen Zeugen zum Inhalt des jüdischen Rechts zu vernehmen. Es liegt im Ermessen des erkennenden Gerichts, auf welche Weise die gebotene Ermittlung des ausländischen Rechts erfolgt (BGH NJW-RR 2002, NJW-RR 2002, 1359; NJW 2006, 762 Rn. 33). Die vorgenommenen Ermittlungen (Feststellung des Wortlauts des Schulchan Aruch in deutscher Übersetzung, Hinzuziehung von Sekundärliteratur, Einholung von Auskünften rechtskundiger Personen) hält der Senat in Ausübung seines Ermessens für ausreichend. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens scheidet schon deswegen aus, weil das Nachlassgericht im Erbscheinverfahren bereits erfolglos versucht hat, ein Sachverständigengutachten über das Max-Planck-Institut und zwar von der für das islamische Familien- und Erbrecht maßgeblichen Expertin, Frau Priv.-Doz. Dr. N… Y…, Leiterin der Forschungsgruppe “Das Recht Gottes im Wandel – Rechtsvergleichung im Familien- und Erbrecht islamischer Länder”. Auch Frau Dr. Y… hat sich letztlich mangels vorhandener Unterlagen an den Landesrabbiner der jüdischen Gemeinde Hamburg wenden müssen, den auch der Senat im Rahmen seiner Entscheidung zur weiteren Aufklärung hinzugezogen hat. Insofern ist für den Senat nicht ersichtlich, welchen weiteren Erkenntnisgewinn ein ergänzendes Gutachten mit sich bringen würde. Auch die übrigen vom Antragsteller benannten Personen waren nicht zu vernehmen. Dem Senat liegen schriftliche Stellungnahmen dieser Personen im Rahmen der von den Beteiligten eingereichten Stellungnahmen der jüdischen Organisationen bereits vor. Sie belegen, dass es unterschiedliche Auffassungen über die Wirksamkeit des maßgeblichen Testaments gibt. Ein weiterer Erkenntnisgewinn durch eine Vernehmung oder eine erneute schriftliche Befragung ist daher nicht zu erwarten.

c)

Die oben dargestellte und sich aus dem Schulchan Aruch ergebende Rechtslage verstößt gegen den Grundsatz des ordre public nach Art. 6 EGGBG. Ein Verstoß gegen den Ordre-public Grundsatz liegt vor, wenn die Anwendung des ausländischen Rechts zu einem Ergebnis führt, das mit einem wesentlichen Rechtsgrundsatz des deutschen Rechts nicht zu vereinbaren ist und deshalb in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zur deutschen Rechtsordnung steht. Es muss sich um eine offensichtliche Verletzung einer in der deutschen Rechtsordnung als wesentlich geltenden Rechtsnorm oder eines dort als grundlegend anerkannten Rechts handeln (BGHZ 123, 268, 270 = NJW 1993, 3269, 3270; BGHZ 118, 312, 330 = NJW 1992, 3096; BGHZ 104, 240, 243 = NJW 1988, 2173).

Hier liegt ein Verstoß gegen den ordre public Grundsatz vor, weil der Schulchan Aruch die Testierfreiheit praktisch ausschließt und dort, wo er sie ausnahmsweise anerkennt, nur in engen Grenzen und unter Verstoß gegen Grundsatz der Gleichbehandlung von Mann und Frau zulässt.

Es ist in Rechtsprechung und Literatur einhellig anerkannt, dass die Gewährleistung der Testierfreiheit einen wesentlichen Grundgedanken der deutschen Rechtsordnung enthält. Nach dem BVerfG genießt die Testierfreiheit als Bestandteil der Erbrechtsgarantie nach Art. 14 GG Grundrechtsschutz. Ihr Kernbereich umfasst die Befugnis des Erblassers, zu Lebzeiten einen von der gesetzlichen Erbfolge abweichenden Übergang seines Vermögens nach seinem Tode an einen oder mehrere Rechtsnachfolger anzuordnen, insbesondere einen gesetzlichen Erben von der Nachlaßbeteiligung auszuschließen und wertmäßig auf den gesetzlichen Pflichtteil zu beschränken (BVerfG vom 19. 1. 1999, NJW 199, 1853 unter C. II. 1; BVerfG vom 03.11.1981, NJW 1982, 565 unter II. 2.). Ein im ausländischen Recht vorgesehener Ausschluss der Testierfreiheit verstößt daher gegen den ordre public Grundsatz (Staudinger/Dörner, 2007, EGBGB Art. 25 Rn. 726; BeckOGK/Schmidt, Art. 35 ErbVO Rn. 23.1).

Auch die Gleichbehandlung von Mann und Frau ist ein tragender und unabdingbarer Grundsatz der deutschen Rechtsordnung, dessen Fehlen einen Verstoß gegen den ordre public Grundsatz nach sich zieht. Dies gilt auch und gerade im erbrechtlichen Bereich (z.B. OLG Düsseldorf, NJW-RR 2009, 732 (733 f.); OLG München, NJW-RR 2012, 1096; OLG Frankfurt, ZEV 2011, 135; Staudinger/Dörner, 2007, EGBGB Art. 25 Rn. 727).

Mit beiden Grundsätzen ist das Ergebnis der Anwendung des Schulchan Aruch auf den vorliegenden Fall nicht zu vereinbaren. Da der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung beider Testamente nicht erkrankt war, sind diese als Verfügungen von Todes wegen nach dem Schulchan Aruch unwirksam. Selbst wenn der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung der Testamente erkrankt gewesen wäre, hätte er seine Ehefrau dennoch nicht als Alleinerbin einsetzen können. Denn er hätte auch im Krankheitsfall seine Kinder als gesetzliche Erben nicht zugunsten seiner Ehefrau von der Erbfolge ausschließen können. Möglich gewesen wäre allenfalls eine Schenkung seines gesamten Vermögens an die Antragsgegnerin. Dies stellt sich aber nicht als adäquater Ausgleich für die nach dem Schulchan Aruch fehlende Testierfreiheit dar. Sowohl rechtlich als auch tatsächlich stellt die Übertragung des Vermögens schon zu Lebzeiten etwas gänzlich anderes dar als eine Verfügung von Todes wegen. Im Rahmen einer Schenkung begibt sich der Erblasser schon zu Lebzeiten seines Vermögens. Ihm bleibt allenfalls ein Nießbrauchsrecht, wenn er sich ein solches hat einräumen lassen. Dies beeinträchtigt die grundrechtlich geschützte Erbrechtsfreiheit als Teil der Eigentumsfreiheit des Erblassers aber ganz massiv. Die Regelungen des Schulchan Aruch stellen sich insoweit auch nicht als eine dem deutschen Pflichtteilsrecht ähnliche Regelung dar, sondern gehen über die mit dem Pflichtteilsrecht bezweckte Mindestbeteiligung der Verwandten am Nachlass weit hinaus. Das im Schulchan Aruch verankerte Testierverbot sichert den Verwandten nicht nur eine Mindestbeteiligung am Nachlass, sondern gewährt ihnen eine vom Willen des Erblassers unabhängige volle Teilhabe am gesamten Vermögen des Erblassers. Daher vermag auch die im Schulchan Aruch vorgesehene Möglichkeit, zumindest im Krankheitsfalle ein Testament zu errichten, den ordre public Verstoß nicht auszuschließen. Denn auch im Krankheitsfall ist es dem Erblasser gerade nicht erlaubt, eine beliebige Person als Erben einzusetzen, sondern er darf nur eine ohnehin schon als gesetzlichen Erben vorgesehene Person zum (Allein-)Erben berufen. Da gesetzlicher Erbe nach dem Schulchan Aruch bis auf wenige Ausnahmefälle nur männliche Verwandte sind, schränkt auch diese Regelung die Testierfreiheit des Erblassers erheblich ein und stellt zudem als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung von Mann und Frau dar. Dies gilt auch und gerade für den vorliegenden Fall. Da der Erblasser drei Söhne als Abkömmlinge hinterlassen hat, schließt deren gesetzliches Erbrecht das Erbrecht der Tochter aus. Die Antragsgegnerin ist als Ehefrau überdies in keiner Konstellation erbberechtigt. Das fehlende Erbrecht der Ehefrau wird letztlich auch nicht mit der sogn. „Ketuba“ hinreichend ausgeglichen. Die „Ketuba“ gewährt der Witwe einen Anspruch auf Sicherstellung ihres laufenden Lebensbedarfs gegenüber den Erben (vgl. Insoweit Schulchan Aruch Erstes Buch, „Alle Gesetze über die Ehe“, 93. Abschnitt: Über die Verpflichtung für die Pflege der Witwe sowie Assan/Margalith in: Ferid/Firsching, Internationales Erbrecht, Israel (Stand Herbst 1999) Abschnitt I. Rn. 94). Ein solcher schuldrechtlich zu verstehender Versorgungsanspruch, strukturell vergleichbar dem Unterhaltsanspruch des § 1933 S. 2 BGB, ist schon im Ansatz nicht geeignet, das fehlende Erbrecht der Ehefrau zu kompensieren. Der Versorgungsanspruch der Witwe gegenüber den Erben zwingt diese in ein dauerhaftes Abhängigkeitsverhältnis zu den Erben. Der Anspruch läuft zudem leer, wenn sich der Erbe seiner Leistungspflicht entzieht oder nicht leistungsfähig ist. Er scheitert zudem dann, wenn die Witwe aufgrund eigenen Einkommens oder Vermögens nicht bedürftig ist.

d)

Folge des aus der Anwendung des Schulchan Aruch folgenden ordre public Verstoßes ist, dass das ausländische Recht, soweit es mit den Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung nicht zu vereinbaren ist, keine Anwendung findet. Dies betrifft hier die aus der fehlenden Testierfähigkeit folgende nicht bestehende Möglichkeit des Erblassers, seine Ehefrau als Alleinerbin einzusetzen. Die hieraus entstehende rechtliche Lücke ist in erster Linie durch eine ergänzende Anwendung des im übrigen – mangels Verstoß gegen den ordre public Grundsatz – geltenden ausländischen Rechts zu füllen. Erst wenn auch eine modifizierte Anwendung des ausländischen Rechts zu keinem praktikablen Ergebnis führt, kommt die deutsche Rechtsordnung als lex fori zu Anwendung (BeckOGK/Schmidt, Art. 35 EuErbVO Rn. 18 f.). Hier scheidet eine modifizierte Anwendung des Schulchan Aruch aus, da der Schulchan Aruch keinerlei Regelungen zur letztwilligen Verfügung außerhalb des Krankheitsfalls enthält. Auch eine entsprechende Anwendung der Regelungen des Schulchan Aruch für das Testament im Krankheitsfall ist nicht möglich, weil auch diese Regelungen eine Einsetzung der Ehefrau als Alleinerbin nicht erlauben. Die Lücke lässt sich entgegen der Auffassung des Antragstellers auch nicht dadurch schließen, in dem der gesetzlichen Erbfolge nach dem Schulchan Aruch ein Erbteil der Ehefrau hinzugefügt wird. Dies mag im Falle der Anwendung des gesetzlichen Erbrechts die Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen beseitigen. Hierum geht es vorliegend aber nicht. Der Erblasser wollte seine Ehefrau gerade nicht neben seinen Kindern als Miterbin einsetzen, sondern wollte ihr in Ausübung seiner Testierfreiheit die alleinige Erbenstellung einräumen. Auch und gerade diese Entscheidungsfreiheit ist nach dem BVerfG aber Kernbestandteil des grundrechtlich geschützten Instituts der Erbrechtsgarantie. Scheidet damit die Anwendung des Schulchan Aruch auch in modifizierter Form aus, gelangt das deutsche Recht im Hinblick auf den zulässigen Inhalt letztwilliger Verfügungen zur Anwendung. Nach deutschem Recht ist es dem Erblasser ohne weiteres erlaubt, seine Ehefrau als Alleinerbin einzusetzen.

e)

Jedenfalls das Testament vom 4.12.2007 ist auch unter Berücksichtigung der Regelungen des Schulchan Aruch formwirksam errichtet worden. Aus dem Schulchan Aruch ergibt sich nicht, dass das Testament für seine Formgültigkeit vor zwei koscheren Zeugen zu errichten wäre. Art. 281 des Schulchan Aruch regelt zum Testament lediglich, dass dieses schriftlich oder mündlich verfasst werden kann (“ob er das auswendig gesagt oder geschrieben hat“). Den im Schulchan Aruch enthaltenen Vorschriften zum materiellen Erbrecht lassen sich hierüber hinausgehend keine Regelungen dahingehend entnehmen, dass ein Testament nur vor zwei koscheren Zeugen formgültig errichtet werden kann. Regelungen im Schulchan Aruch zur Anwesenheit zweier Zeugen lassen sich nur den Normen über das Gerichtsverfahren entnehmen. Dort findet sich im 28. Abschnitt des Schulchan Aruch die Regelung, dass die übereinstimmende Aussage zweier Zeugen den Beweis dafür erbringt, dass eine Tatsache vorliegt, die der Kläger behauptet (28. Abschnitt § 9 „Alsdann lässt man den zweiten Zeugen kommen, stimmt sein Zeugnis mit dem ersten überein, so verhandelt man über die Sache, und fällt das Urtheil“). Entsprechendes führt Cohn im Wörterbuch des Jüdischen Rechts, Erbrecht, Ziff. II. aus, ebenso wie Assan/Margalith in: Ferid/Firsching, Internationales Erbrecht, Israel (Stand Herbst 1999) Abschnitt I. Rn. 93. Auch Herr B… bestätigt in seiner Stellungnahme vom 3.12.2020, dass in den Gesetzen des Schulchan Aruch zum Thema Testament nicht ausgeführt wird, dass zwei Zeugen für die Wirksamkeit des Testaments erforderlich sind. Man benötige nur zwei Zeugen um zu bestätigen, dass das Testament vom Erblasser gem. den Voraussetzungen des Schulchan Aruch verfasst wurde. Auch insoweit bedarf es angesichts des Wortlauts des Schulchan Aruchs, dem Inhalt der Sekundärliteratur und den Ausführungen von Herrn B… keiner weiteren Ermittlungen des Senats zum Inhalt des Schulchan Aruch.

Bei den Regelungen des Schulchan Aruch zur Anwesenheit zweier Zeugen handelt es sich daher nicht um ein dem materiellen Recht zuzuordnendes Formerfordernis, sondern um eine verfahrensrechtliche Regelung des Beweisrechts. Das Verfahrensrecht bestimmt sich aber auch im Anwendungsbereich des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens allein nach der lex fori und damit nach deutschem Recht, also dem FamFG.

Den Formalanforderungen des Schulchan Aruch an ein Testament – mündlich oder schriftlich – genügt aber sowohl das handschriftliche Testament vom 4.12.2007 als auch das maschinenschriftliche und lediglich unterschriebene inhaltsgleiche Testament vom 6.12.2007. Selbst wenn man für die Form des Testaments das deutsche Recht anwenden wollte, weil der Schulchan Aruch nur die Errichtung eines Testaments im Krankheitsfalle regelt und sich daher seine Formvorschriften in nicht übertragbarer Weise nur auf diese spezielle Art von Testamenten bezieht, also allein dem § 2249 BGB vergleichbar sind, erweist sich jedenfalls das Testament vom 4.12.2007 auch nach Maßgabe des § 2247 BGB als wirksam.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht.

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Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

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