OLG Hamm 15 W 51/19

Oktober 11, 2022

OLG Hamm 15 W 51/19, Beschluss vom 21.04.2022 – Lenkende Erbausschlagung – Anfechtungserklärung – beachtlicher Rechtsfolgenirrtum

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 200.000 € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe OLG Hamm 15 W 51/19

I.)

Der Erblasser ist ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung am 00.00.2018 verstorben.

Die Beteiligte zu 1) ist die Witwe des Erblassers, der Beteiligte zu 2) eines seiner Kinder.

Alle Abkömmlinge des Erblassers haben durch notariell beglaubigte Erklärungen gegenüber dem Nachlassgericht die Erbschaft ausgeschlagen, beim Nachlassgericht eingehend am 10.08. und 13.08.2018. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beiakte 158 VI 1970/18 AG Essen Bezug genommen.

Durch Urkunde ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 21.08.2018 hat die Beteiligte zu 1) zunächst einen Erbschein beantragt, durch den sie als Alleinerbin aufgrund gesetzlicher Erbfolge ausgewiesen werden sollte.

Mit Verfügung vom 11.09.2018 hat das Amtsgericht darauf hingewiesen, dass die Beteiligte zu 1) nur dann Alleinerbin sei, wenn weder Erben der ersten oder zweiten Ordnung und keine Großeltern zur Zeit des Erbfalls vorhanden gewesen seien.

Der Erbscheinsantrag müsse daher um Angaben zu Kindern der Abkömmlinge, den Eltern und evtl. Geschwistern und Großeltern ergänzt werden.

OLG Hamm 15 W 51/19

Am 05.10.2018 ging sodann beim Nachlassgericht die notariell beglaubigte Anfechtungserklärung des Beteiligten zu 2) ein, die im Wesentlichen folgenden Wortlaut hat:

“In der Nachlasssache … fechte ich, …, die Ausschlagungserklärung vom 08.08.2018, …, wegen Irrtums an.

Ich und meine Geschwister haben die Erbschaft ausgeschlagen, weil wir davon ausgingen, dass somit unsere Mutter, …, Alleinerbin ist und somit auch als Alleineigentümerin der Eigentumswohnung … eingetragen wird.

Nunmehr erhielt ich Kenntnis darüber, dass durch die Ausschlagungserklärung sämtlicher Kinder unseres Vaters dessen Halbgeschwister erben.

Diese Halbgeschwister sind weder meiner Mutter, meinen Geschwistern oder mir namentlich bekannt.

Auch mein Vater hatte zu seinen Halbgeschwistern keinen Kontakt.

Erst mit der Mitteilung des Nachlassgerichts Essen vom 11.09.2018 erfuhr ich durch meine Mutter am 02.10.2018, dass die Halbgeschwister meines Vaters durch meine Erbausschlagung erben.

…”

Durch weitere Urkunde ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 08.10.2018 hat die Beteiligte zu 1) ihren Erbscheinsantrag dahingehend abgeändert, dass nunmehr ein gemeinschaftlicher Erbschein für sie und den Beteiligten zu 2) als Miterben zu ½ beantragt wurde.

Das Amtsgericht hat diesen Antrag durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Senats ausgeführt, dass der Irrtum darüber, welcher Person das ausgeschlagene Erbe anfalle, ein unbeachtlicher Motivirrtum sei.

Gegen diesen Beschluss, dessen genaues Zustellungsdatum sich urkundlich nicht belegen lässt, haben die Beteiligten am 02.01.2019 Beschwerde erhoben.

Mit dieser machen sie geltend, dass es sich bei dem Irrtum über die Begünstigten einer Ausschlagungserklärung – entgegen der Auffassung des Amtsgerichts – um einen beachtlichen Rechtsfolgenirrtum handele.

Zudem sei dem Beteiligten zu 1) im Zeitpunkt der Ausschlagungserklärung die Existenz von Halbgeschwistern seines Vaters unbekannt gewesen.

Der Senat sich hat vor dem Hintergrund einer möglichen Zulassung der Rechtsbeschwerde im Falle einer Zurückweisung der Beschwerde bemüht, die Identität der Erben zweiter Ordnung festzustellen.

Hierbei stellte sich heraus, dass der Erblasser nicht nur Halbgeschwister, sondern auch eine Vollschwester hatte. Hierauf sind die Beteiligten durch Verfügung vom 26.11.2019 hingewiesen worden.

Hierauf hat der Beteiligte zu 2) durch notariell beglaubigte Erklärung vom 14.02.2020 seine Anfechtungserklärung dahingehend ergänzt, dass ihm auch nicht bekannt gewesen sei, dass sein Vater eine (Voll-)Schwester gehabt habe.

II.)

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Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht erhoben. Zwar lässt sich das genaue Zustellungsdatum urkundlich nicht feststellen.

Angesichts des Abvermerks des Amtsgerichts (03.12.2018) ist jedoch als sicher davon auszugehen, dass die Angabe der Beschwerde, der Beschluss sei am 04.12.2018 zugegangen, zutreffend ist.

In der Sache ist die Beschwerde jedoch unbegründet.

Der Erbscheinsantrag ist nur dann begründet, wenn der Beteiligte zu 2) neben der Beteiligten zu 1) zur Erbfolge gelangt ist.

Dies ist jedoch nicht der Fall, da er die Erbschaft wirksam ausgeschlagen hat.

Seine Ausschlagungserklärung vom 08.08.2018 genügt den Anforderungen der §§ 1954, 1955, 1945 BGB, da sie innerhalb von sechs Wochen nach dem Eintritt des Erbfalls (als dem frühest möglichen Zeitpunkt im Sinne von § 1944 BGB) in öffentlich beglaubigter Form beim Nachlassgericht eingegangen ist.

Die Wirkung der Ausschlagung, nämlich der rückwirkende Ausschluss des Beteiligten zu 2) von der Erbfolge (§ 1953 Abs.1 BGB), ist durch seine Anfechtungserklärung nicht beseitigt worden.

Die Anfechtung ist unwirksam, da sich anhand des Vorbringens des Beteiligten zu 2) ein rechtlich beachtlicher Anfechtungsgrund nicht feststellen lässt.

Die Beteiligten machen vorliegend geltend, der Beteiligte zu 2) habe sich in einem Erklärungsirrtum (§ 119 Abs.1 BGB) befunden, weil er sich über die Rechtsfolgen seiner Erklärung geirrt habe.

Er sei irrig davon ausgegangen, dass die Erbschaft infolge der Ausschlagung seitens der Abkömmlinge der Beteiligten zu 1) “anwachse”.

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Soweit der Beteiligte zu 2) zusätzlich geltend macht, ihm sei (auch) unbekannt gewesen, dass sein Vater (Halb-)Geschwister gehabt habe, also Erben 2. Ordnung vorhanden sind, ist dieser tatsächliche Irrtum für die Ausschlagungserklärung jedenfalls nicht kausal geworden, da er diese infolge seines Rechtsirrtums auch bei Kenntnis von der Existenz der (Halb-) Geschwister abgegeben hätte.

In der expost-Sicht ist es offensichtlich, dass sich der Beteiligte zu 2) bei seiner Ausschlagungserklärung in einem Rechtsirrtum befand.

Hierfür spricht der gesamte unter I.) dargestellte Ablauf. Indes stellt nicht jeder Rechtsfolgenirrtum einen relevanten Erklärungsirrtum im Sinne des § 119 Abs.1 BGB dar.

Ein derartiger Irrtum berechtigt vielmehr nur dann zur Anfechtung, wenn das vorgenommene Rechtsgeschäft wesentlich andere als die beabsichtigten Wirkungen erzeugt.

Dagegen ist der nicht erkannte Eintritt zusätzlicher oder mittelbarer Rechtswirkungen, die zu den gewollten und eingetretenen Rechtsfolgen hinzutreten, kein Irrtum über den Inhalt der Erklärung mehr, sondern ein unbeachtlicher Motivirrtum (BGH, Beschluss vom 05.07.2006, IV ZB 39/05 = BGHZ 168, 210 ff. = NJW 2006, 3353 ff.; Beschluss vom 29.06.2016, IV ZB 387/15 = NJW 2016, 2954).

In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird ein solcher, relevanter Irrtum diskutiert, wenn sich im Einzelfall feststellen lässt, dass der ausschlagende Erbe dem Irrtum unterlag, es handele sich bei der Ausschlagung um die gesetzliche Form einer von seinem Willen abhängigen Übertragung seines Erbteils (Senat, Beschl vom 31.05. 2011 – 15 W 176/11, FGPrax 2011, 236f; OLG Düsseldorf, Beschl. Vom 08.01.1997 – 3 Wx 575/96, FGPrax 1997, 258f).

Für eine solche Feststellung ist hier jedoch keine Grundlage ersichtlich.

Eine Erklärung, die sich – wie hier – auf den formelhafte Satz “Ich , …, schlage die Erbschaft hiermit aus allen in Betracht kommenden Gründen aus.” beschränkt, bietet aus sich heraus keinen Ansatzpunkt für eine Auslegung dahingehend, es solle sich um einen rechtsgeschäftlichen Übertragungsakt handeln (Senat a.a.O.). Sonstige tatsächliche Anhaltspunkte in dieser Richtung sind auch nicht ersichtlich.

Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen der Irrtum darüber, dass die Ausschlagung nicht zum Anfall der gesamten Erbschaft bei einer bestimmten Person (i.d.R. dem Ehepartner des Erblassers) führt, sondern vielmehr nach § 1953 Abs.2 BGB die Erben der zweiten Ordnung in die Erbfolge eintreten, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung mittlerweile hoch streitig.

Nach der (früher) ganz herrschenden Auffassung stellt ein solcher Irrtum in aller Regel lediglich einen unbeachtlichen Motivirrtum dar, weil der Ausschlagende nicht über die primäre Rechtsfolge (Verlust der Erbenstellung), sondern über eine weitere, von Gesetzes wegen eintretende Rechtsfolge, nämlich den Anfall bei einer bestimmten Person geirrt hat (Senat sowie OLG Düsseldorf, jew. a.a.O.; OLG Schleswig, Beschl. v. 11.05.2005 – 3 Wx 70/04, ZEV 2005, 526f; in der Begründung ebenfalls OLG München, Beschl.v. 04.08.2009 – 31 Wx 60/09, NJW 2010, 687 sowie KG, Beschl.v. 11.07.2019 – 19 W 50/19, ZEV 2020, 152f, dort jedoch jeweils mit Besonderheiten im Sachverhalt).

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Nach einer mittlerweile starken Gegenauffassung soll es sich insoweit jedoch regelmäßig um einen Irrtum betreffend die unmittelbaren Rechtsfolgen der Ausschlagungserklärung handeln (OLG Frankfurt, Beschl. v. 04.05.2017 – 20 W 197/16, ZEV 2017, 515; Beschl. v. 06.02.2021 – 21 W 167/20, FamRZ 20211751; OLG Düsseldorf, Beschl.v. 21.09.2017 – 3 Wx 173/17, ZEV 2018, 85; Beschl. v. 12.03.2019 – 3 Wx 166/17, ZEV 2019, 469).

Der Senat hält aus den nachfolgenden Überlegungen an seiner bisherigen Rechtsprechung fest:

Nach der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beurteilt sich die Abgrenzung zwischen relevanten Rechtsfolgenirrtum und unbeachtlichen Motivirrtum danach, ob sich der Rechtsirrtum auf unmittelbare Rechtsfolgen oder nur mittelbare bezieht.

Diese Grenzziehung bereitet, auch nach Auffassung des Senats, in der Praxis sowohl hinsichtlich der notwendigen Tatsachenfeststellung als auch hinsichtlich der Bewertung nicht unerhebliche Schwierigkeiten.

Die Lösung dieser Schwierigkeiten kann aber nicht darin liegen, den Kreis der unmittelbaren Rechtsfolgen einer Erklärung ohne objektiv nachprüfbare Kriterien auszuweiten.

Die Argumentation der Gegenauffassung in der Rechtsprechung überzeugt den Senat vor diesem Hintergrund nicht.

Soweit in der Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 12.03.2019 (a.a.O. S.87) anklingt, die Willensrichtung des Ausschlagenden habe Bedeutung dafür, was als unmittelbare und was als mittelbare Rechtsfolge angesehen werden könne, hält der Senat dies rechtlich für verfehlt.

Die Vorstellungen und die Willensrichtung des Ausschlagenden sind der tatsächliche Tatbestand, der rechtlich zu bewerten ist. Für den rechtlichen Maßstab, der insoweit Anwendung zu finden hat, sind sie bedeutungslos.

Jede andere Sichtweise würde nach Auffassung des Senats darauf hinauslaufen, das Anfechtungsrecht rechtlich jedenfalls ganz vorrangig an dem Vorstellungsbild des Erklärenden auszurichten.

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Dies wird aber der gesetzlichen Konzeption der §§ 119ff BGB und der §§ 1942ff BGB nicht gerecht. Diese bezwecken nach dem Verständnis des Senats einen Ausgleich zwischen der Privatautonomie des Erklärenden, in Fällen der §§ 1942ff BGB des vorläufigen Erben, und der Sicherheit des Rechtsverkehrs. Letztere mag in erbrechtlichen Fällen ein geringeres Gewicht haben als bei zweiseitigen Rechtsgeschäften.

Die verlässliche und überprüfbare Klärung der Erbfolge ist jedoch auch für den Rechtsverkehr, namentlich für die Gläubiger und Vertragspartner des Erblassers, keineswegs bedeutungslos, wie u.a. die Vorschrift des § 1953 Abs.3 BGB zeigt (im Erg. ebenso KG a.a.O. S.154).

Nach Auffassung des Senats lässt sich die Problematik auch nicht über den Inhalt des § 1953 BGB in dem Sinne lösen, es handele sich bei normativer Betrachtung um einen Irrtum über eine primäre Rechtsfolge, weil sich sein Irrtum auf den Inhalt der Vorschrift beziehe.

Richtig ist zunächst, dass die primäre Rechtsfolge der Ausschlagung nach § 1953 Abs.1 BGB der Wegfall des Ausschlagenden – bezogen auf den Zeitpunkt des Erbfalls – ist.

Ebenso eindeutig ist, dass dies weitere Rechtsfolgen hervorbringt, nämlich den Anfall der Erbschaft oder des Erbteils bei anderen Personen, weil das BGB einen erbenlose Nachlass nicht kennt.

§ 1953 Abs.2 BGB stellt insoweit nicht mehr als eine bereits durch § 1953 Abs.1 BGB vorgegebene Rechtsfolge klar (Motive Bd.5 S.513f).

Wem die Erbschaft/der Erbteil nunmehr anfällt, bestimmt sich nicht nach § 1953 Abs.2 BGB, sondern vielmehr allein nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge oder den Regeln der gewillkürten Erbfolge betreffend Ersatzerbfolge und Anwachsung (so auch KG a.a.O.).

Aus Sicht des Senats ist es daher verfehlt zu postulieren, der Ausschlagende irre in der hier fraglichen Situation über den Inhalt des § 1953 Abs.2 BGB und damit über eine unmittelbare Rechtsfolge der Ausschlagung.

Die Vorschrift besagt nicht mehr, als dass anstelle des Ausschlagenden eine andere Person an seine Stelle tritt. Hierüber irrt der Ausschlagende aber nicht.

Er irrt darüber, welche Person dies ist.

In diesem Zusammenhang hält es der Senat auch für verfehlt, jedenfalls im Regelfall danach zu differenzieren, ob der seine Ausschlagung Anfechtende geltend macht, er habe die Vorstellung gehabt, sein Erbe falle seiner Zielperson im Wege der Anwachsung an.

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Der Senat neigt dazu, auch diesen Vortrag bereits aus den vorgenannten rechtlichen Überlegungen heraus für irrelevant zu halten.

Selbst wenn man dies aber anders sehen wollte, wäre bereits die Annahme, ein vorläufiger Erbe, der eine sog. lenkende Ausschlagung vornehmen will, die insoweit geltenden gesetzlichen Regeln aber nicht überblickt, habe die feste Vorstellung, dass die Regeln der gewillkürten Erbfolge gelten, kaum tragfähig.

Denn auch in Fällen der gesetzlichen Erbfolge kann eine aus Laiensicht der Anwachsung vergleichbare Ersatznachfolge eintreten, wenn nämlich bei einer Erbengemeinschaft, die nur aus Erben der ersten Ordnung besteht, ein Miterbe zugunsten des oder der anderen ausschlägt.

Gleichwohl mag ein solcher Irrtum in besonders gelagerten Einzelfällen denkbar sein. Im Regelfall erscheint eine solche Annahme eher lebensfremd.

Wesentlich naheliegender erscheint dem Senat im Regelfall die tatsächliche Annahme, dass ein vorläufiger Erbe angesichts der gesetzlichen Erbfolge, nach der vorrangig die Abkömmlinge und der Ehegatte, dieser zudem – regelmäßig – mit dem überwiegenden Anteil am Nachlass teilhaben, das Erbrecht des Ehegatten als dem der Abkömmlinge gleichwertig einschätzt, er also über den Inhalt des § 1931 BGB irrt ( so auch KG a.a.O.).

Schließlich überzeugt nicht, wenn sich die Gegenauffassung auf die eingangs zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu Irrtumsfällen vor dem Hintergrund des § 2306 BGB beruft und insoweit das vom Bundesgerichtshof geprägte Bild der beiden Seiten einer Medaille bemüht.

Der BGH hat insbesondere in seinem Beschluss vom 05.07.2006 (a.a.O.) darauf abgestellt, dass die Annahme der Erbschaft zwingend den Verlust des Pflichtteilsrechts zur Folge habe.

Lasse sich feststellen, dass die Annahme der Erbschaft durch den Irrtum bedingt sei, nur hierdurch könne der Pflichtteilsanspruch erhalten bleiben, so liege ein Irrtum über eine Rechtsfolge vor, die das Gesetz zwingend und unmittelbar mit dem Inhalt der Erklärung verknüpfe.

Dieser argumentative Ansatz ist zur Überzeugung des Senats auf die vorliegende Fragestellung nicht übertragbar.

Zunächst verknüpft das Gesetz eine Ausschlagungserklärung in § 1953 BGB nur mit den Rechtsfolgen, dass der Ausschlagende als nicht vorhanden behandelt wird und sein Erbteil einer anderen Person anfällt, worüber der Ausschlagende hier aber nicht irrt (vgl. oben).

Bezugspunkt des hier relevanten Irrtums ist die Frage, welcher konkreten Person das Erbe/der Erbteil anfällt.

Dies beurteilt sich nach den allgemeinen Regeln über die Rechtsnachfolge bei Wegfall eines vormals vorhandenen Erben.

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Diese gelten jedoch allgemein, und knüpfen nicht zwingend an eine Ausschlagungserklärung an.

Wenn man einen Irrtum hierüber, mit der Begründung, dass es sich auch insoweit um die gesetzlichen Rechtsfolgen handele, gleichwohl als rechtlich unmittelbaren Irrtum ansehen wollte, wäre praktisch jeder Irrtum darüber, welche Rechtsfolgen im konkreten Fall eintreten, ein Inhaltsirrtum i.S.d. § 119 Abs.1 BGB.

In Anwendung dieser Überlegungen ergibt sich für den Senat das folgende Ergebnis:

Die allgemeine Begründung der Anfechtung, der Beteiligte zu 2) habe darüber geirrt, dass neben seiner Mutter noch Erben zweiter Ordnung zur Erbfolge gelangen können, ist aus Rechtsgründen unbeachtlich, da es sich um einen bloßen Motivirrtum handelt.

Soweit schriftsätzlich vorgetragen wurde, der Beteiligte zu 2) habe die Vorstellung gehabt, sein Erbteil werde seiner Mutter anwachsen bzw. er übertrage hiermit seinen Erbteil, ist dies zunächst – rechtlich – in sich widersprüchlich, insbesondere aber ohne jede tatsächliche Substanz.

Wenn man einen Irrtum zu den beiden Rechtsvorgängen überhaupt als möglichen Inhaltsirrtum ansehen kann (vgl. hierzu oben), so bedarf es zum Vorliegen eines solchen Irrtums konkreter Feststellungen im Einzelfall, die sich insbesondere über das Zustandekommen der Ausschlagungserklärung, die Kenntnisse des Ausschlagenden und eine erfolgte rechtliche Beratung verhalten müssen.

Für derartige Feststellungen bietet der Vortrag der – rechtlich vertretenen – Beteiligten keinerlei Ansatzpunkte, weshalb auch eine weitere amtswegige Sachaufklärung keine Grundlage hat.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf den §§ 61 Abs.1, 40 Abs.1 GNotKG.

Der Senat lässt die Rechtsbeschwerde zu, da dies zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist.

Mit der vorliegenden Entscheidung weicht der Senat jedenfalls von tragenden Teilen der Begründung der o.a. Entscheidungen der Oberlandesgerichte Frankfurt und Düsseldorf ab.

Rechtsbehelfsbelehrung:

OLG Hamm 15 W 51/19

Gegen diesen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft.

Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Bundesgerichtshof Karlsruhe, Herrenstr. 45a, 76133 Karlsruhe in deutscher Sprache einzulegen.

Die Rechtsbeschwerdeschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung (Datum des Beschlusses, Geschäftsnummer und Parteien) sowie die Erklärung enthalten, dass Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt wird.

Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Rechtsbeschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung zu begründen.

Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1. die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge),

2. in den Fällen, in denen die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist eine Darlegung, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert,

3. die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar

– die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;

– soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

Die Parteien müssen sich vor dem Bundesgerichtshof durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Rechtsbeschwerdeschrift und die Begründung der Rechtsbeschwerde von einem solchen unterzeichnet sein. Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der angefochtenen Entscheidung vorgelegt werden.

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Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:

Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich.

Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden.

Auf die Pflicht zur elektronischen Einreichung durch professionelle Einreicher/innen ab dem 01.01.2022 durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013, das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017 und das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 05.10.2021 wird hingewiesen.

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Schlagworte

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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