OLG Hamm, Beschluss vom 27. Juni 1991 – 15 W 116/91 Formwirksamkeit eines privatschriftlichen Testaments: Lesbarkeit der handschriftlichen Niederschrift; Wirksamkeit einer Erbeinsetzung bei bloßer Unterzeichnung einer früheren anderweitigen schriftlichen Erklärung

Juni 16, 2019

OLG Hamm, Beschluss vom 27. Juni 1991 – 15 W 116/91
Formwirksamkeit eines privatschriftlichen Testaments: Lesbarkeit der handschriftlichen Niederschrift; Wirksamkeit einer Erbeinsetzung bei bloßer Unterzeichnung einer früheren anderweitigen schriftlichen Erklärung
1. Die Formwirksamkeit eines privatschriftlichen Testaments setzt voraus, daß die handschriftliche Niederschrift objektiv lesbar ist. Die Entzifferung einer schwer lesbaren Schrift darf nur anhand der Testamentsurkunde selbst, nicht jedoch unter Berücksichtigung von Umständen außerhalb des Testamentes vorgenommen werden.
2. Zu den Voraussetzungen der Formwirksamkeit eines Testamentes, bei dem sich der Erblasser auf die Niederschrift nur eines Namens beschränkt und allein durch den räumlichen und inhaltlichen Zusammenhang mit einer anderen schriftlichen Erklärung zum Ausdruck bringt, daß es sich um eine mit Testierwillen vorgenommene Erbeinsetzung handelt.
1. Die Wahrung der durch BGB § 2247 vorgeschriebene Form erfordert, daß der Erblasser in der von ihm niedergeschriebenen Erklärung seinen Testierwillen selbst zum Ausdruck bringt. Erst dann kann die Erklärung Grundlage einer Auslegung sein, die auch außerhalb der Testamentsurkunde liegende Umstände zu berücksichtigen hat. Ein Testament kann nicht in der Weise wirksam errichtet werden, daß der Erblasser sich darauf beschränkt, in den von dritter Hand geschriebenen Entwurf lediglich einen Namen einzusetzen und diesen zu unterschreiben (vergleiche BGH, 1958-01-28, V BLw 52/57, NJW 1958, 547; BGH, 1990-05-29, IVa ZR 26/80, Rpfleger 1980, 337; BayObLG München, 1973-02-13, BReg 1 Z 108/72, BayObLGZ 1973, 35 und BayObLG München, 1990-07-06, BReg 1 a Z 30/90, NJW-RR 1990, 1481).
2. Dies gilt in gleicher Weise, wenn sich durch die Bezugnahme auf das von fremder Hand geschriebene Schriftstück überhaupt erst der Testierwille des Erblassers ergibt.
3. Keine durchgreifende Bedenken gegen die Formwirksamkeit begegnet es allerdings, wenn sich die Bedeutung der Erklärung des Erblassers als letztwillige Verfügung und deren Inhalt durch ein formwirksam errichtetes (auch gemeinschaftliches) Testament ergibt.
vorgehend LG Essen, 20. Februar 1991, 7 T 741/90
vorgehend AG Essen, 19. Oktober 1990, 86 VI 1158/89

Tenor
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung auch über die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde an das Landgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 127.839,87 DM festgesetzt.
Gründe
Die verwitwete und kinderlose Erblasserin ist im Alter von fast 86 Jahren verstorben. Ihr Ehemann … war bereits am 11.11.1983 vorverstorben.
Nach dem Tode der Erblasserin eröffnete das Amtsgericht am 23.08. und 06.09.1989 zwei handschriftliche Schriftstücke in DIN A 5 Format, die folgenden Wortlaut haben:
1.)
“… d. 18.05.78



Unser letzter Wille.
Wir wollen nicht, das unser Nachlass an allem in der Familie verteilt wird. Wir wollen das es nur einer übernimmt, den wir selbst bestimmen.

…”
2.)
“… d.



Unser letzter Wille!
Wir wollen nicht das unser Nachlass in der ganzen Familie verteilt wird Wir wollen das es nur einer übernimmt Es ist der den wir bestimmen. Er kann darüber ganz verfügen


…”
Das undatierte Schriftstück weist in dem Zwischenraum zwischen dem Text und den Unterschriften in zwei diagonal verlaufenden Zeilen zu vier Worteinheiten verbundene Schriftzeichen sowie im oberen Bereich drei weitere unverbundene Schriftzeichen auf. Nach den Angaben des im Verfahren vernommenen Zeugen … ist der Text des Testamentes vom “18.05.1978 ohne den Zusatz” von der Erblasserin geschrieben.
Die Erblasserin lebte nach dem Tode ihres Ehemannes allein in einer gemieteten Wohnung in …. Sie war durch ein Beinleiden in den letzten Jahren zunehmend gehbehindert. Nach einer Augenoperation war sie außerdem stark sehbehindert und konnte schließlich nur noch mit Hilfe einer Lupe lesen. Sie selbst und ihr Haushalt verwahrlosten in den letzten Jahren zunehmend. Aufgrund ihrer egozentrischen Persönlichkeitsstruktur bestanden kaum noch Kontakte zu ihren Verwandten, nachdem sie von diesen verschiedentlich auf die schlechten Zustände in ihrem Haushalt hingewiesen worden war. Hilfeleistungen von dritter Seite lehnte sie grundsätzlich ab. Sie war in besonderem Maße darauf bedacht, das von ihr und ihrem Ehemann ersparte Geld zusammenzuhalten und nicht für von ihr als nutzlos erachtete Dinge auszugeben (beispielsweise für eine Kostenbeteiligung an der ihr von dem Vermieter angebotenen Einrichtung einer Gasheizung, die die vorhandenen Kohleöfen ersetzen sollte). Obwohl sich ihr Gesundheitszustand in der letzten Zeit vor ihrem Tode ständig verschlechterte, lehnte sie eine ärztliche Behandlung ab; den praktischen Arzt … in … suchte sie zuletzt am 21.01.1986 auf. Die von der Erblasserin hinterlassenen Bankguthaben belaufen sich auf einen Betrag von rund 130.000,– DM.
Der Beteiligte zu 1) hat am 05.09.1989 zu Protokoll des Rechtspflegers des Amtsgerichts die Erteilung eines Erbscheines beantragt, der ihn aufgrund testamentarischer Erbfolge als Alleinerben ausweisen soll. Zur Begründung hat er im wesentlichen vorgetragen:
Er sei der einzige gewesen, der sich in den letzten Jahren um die Erblasserin gekümmert habe. Die Erblasserin habe ihm gegenüber darüber geklagt, daß sich ihre Verwandten von ihr abgewandt hätten. Sie habe ihm bereits in früherer Zeit beide Testamente gezeigt und dazu erklärt: Das datierte Testament sei zuerst niedergeschrieben und, nachdem darin gestrichen worden sei, durch ein neues ersetzt worden. Sie, die Erblasserin, brauche jetzt nur noch den Namen des Berechtigten in das Testament einzutragen. Dabei sei allein ihre Entscheidung maßgebend und ausreichend, ohne daß es der Zuziehung eines Notars bedürfe.
Die Erblasserin habe einen eisernen Willen gehabt, ihr Geisteszustand sei noch bis 14 Tage vor ihrem Tod hervorragend gewesen. Im März 1989 habe die Erblasserin ihm, dem Beklagten zu 1), eröffnet, daß sie nunmehr seinen Namen in das Testament eingesetzt habe. Im Mai 1989 habe er dieses Testament erstmals gesehen, in dem die Erblasserin in den Zwischenraum zwischen Text und Unterschrift seinen Vor- und Zunamen eingetragen sowie mit ihrem Vor- und Zunamen erneut unterschrieben habe. Im Mai 1989 habe die Erblasserin in Gegenwart seines Kollegen … eine zusätzliche maschinenschriftlich vorbereitete Erklärung unterschrieben, in der sie die Bestimmungen über die Beerdigungsformalitäten, die Todesanzeige und die Verwendung ihrer Möbel und Kleidungsstücke getroffen habe.
Die Beteiligten zu 2) bis 11) sind die Abkömmlinge zweier vorverstorbener Geschwister der Erblasserin und kommen als gesetzliche Erben in Betracht. Sie sind, soweit sie eine Stellungnahme zum Verfahren abgegeben haben, dem Erbscheinsantrag entgegengetreten und haben im wesentlichen geltend gemacht: Das datierte und das undatierte gemeinschaftliche Testament der Eheleute enthielten selbst keine letztwillige Verfügung. Die hinzugefügten Schriftzeichen in dem undatierten Schriftstück stammten nicht von der Hand der Erblasserin. Diese sei jedenfalls zum Zeitpunkt der Einfügung des Zusatzes testierunfähig gewesen. Die Erblasserin sei in den letzten Jahren völlig verwahrlost und nicht in der Lage gewesen, ihren Haushalt zu führen. Sie habe – in extremen Altersstarrsinn befangen – vernunftgemäße Entscheidungen nicht mehr treffen können. So habe sie es abgelehnt, sich Essen bringen zu lassen, obwohl sie sich selbst nicht mehr habe versorgen können. Bei der Aufnahme zu einem Krankenhausaufenthalt habe sie – obwohl körperlich völlig ungepflegt – 60.000,– DM in bar mitgenommen.
Das Amtsgericht hat in den Sitzungen vom 01.02. und 18.05.1990 die Zeugen …, … und … vernommen sowie in schriftlichen Gutachten des Schriftsachverständigen … vom 23.04.1990 zu der Frage eingeholt, ob die Erblasserin den Zusatz in dem undatierten Testament eigenhändig geschrieben habe und welchen Inhalt er habe, und ein weiteres Gutachten des Oberarztes … der … vom 16.08.1990 zur Beurteilung der Testierfähigkeit der Erblasserin eingeholt. Durch Beschluß vom 19.10.1990 hat das Amtsgericht sodann angekündigt, den beantragten Erbschein zu erteilen, wenn nicht innerhalb von zwei Wochen Beschwerde eingelegt werde.
Gegen diesen Beschluß haben die Beteiligten zu 2) bis 5) mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 23.11.1990 Beschwerde eingelegt, der der Beteiligte zu 1) entgegengetreten ist. Das Landgericht hat durch Beschluß vom 20.02.1991 das Rechtsmittel zurückgewiesen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) bis 5), die bei dem Landgericht durch Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 25.03.1991 eingelegt ist.
Die weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29 FGG statthaft sowie formgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 2) bis 5) folgt bereits daraus, daß ihre erste Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist.
Das Rechtsmittel ist in der Sache begründet, weil die Entscheidung des Landgerichts auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 27 S. 1 FGG). Die weitere Beschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht, weil noch weitere tatsächliche Feststellungen zu treffen sind.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen Erstbeschwerde gegen den amtsgerichtlichen Vorbescheid vom 19.10.1990 ausgegangen. Die Ankündigung der Erteilung eines bestimmten Erbscheines durch sogenannten Vorbescheid wird in Rechtsprechung und Literatur bei zweifelhafter Sach- und Rechtslage für zulässig erachtet, weil die Rechtsscheinwirkung unrichtiger Erbscheine und ihre nachträgliche Einziehung vermieden werden sollen (BGHZ 20, 255 ff; BayObLG NJW 1981, 1280 = FamRZ 1981, 710; ständige Rechtsprechung des Senats). Diese Aufgabe kann der Vorbescheid nur erfüllen, wenn auch seine Anfechtung im Rechtsmittelweg zugelassen wird.
In sachlicher Hinsicht hat das Landgericht das Ergebnis der Ermittlungen mit eingehenden Ausführungen gewürdigt. Die Kammer hat positiv festgestellt, daß der Zusatz auf der undatierten gemeinschaftlichen Erklärung der Eheleute von der Erblasserin geschrieben und unterschrieben ist. Das Landgericht hat sich ferner nicht davon überzeugen können, daß die Erblasserin zu dem Zeitpunkt, in dem sie den Zusatz in das Schriftstück eingefügt hat, im Sinne des § 2229 Abs. 4 BGB testierunfähig gewesen sei.
Die Feststellung der der Entscheidung zugrundeliegenden Tatsachen ist ausschließlich Sache des Tatrichters, also des Nachlaßgerichtes und des an seine Stelle tretenden Gerichts der ersten Beschwerde. Die Tatsachenwürdigung ist im Verfahren der weiteren Beschwerde nur dahin nachprüfbar, ob der Tatrichter den maßgebenden Sachverhalt ausreichend erforscht (§ 12 FGG), bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (§ 25 FGG) und hierbei gegen gesetzliche Beweisregeln und Verfahrensvorschriften sowie gegen die Denkgesetze und feststehende Erfahrungssätze verstoßen hat (Keidel/Kuntze/Winkler, FG, 12 Aufl., § 27 Rdnr. 42). Einen solche Rechtsfehler läßt die Entscheidung des Landgerichts nicht erkennen.
Das Landgericht hat im Hinblick auf die Urheberschaft des Zusatzes in dem undatierten Testament das Gutachten des Schriftsachverständigen … vom 23.04.1990 sowie die Aussage des vom Amtsgericht vernommenen Zeugen … zusammenfassend gewürdigt. Die Kammer ist insbesondere der Aussage dieses Zeugen gefolgt, die Erblasserin habe in seiner Gegenwart im Mai 1989 dem Beteiligten zu 1) das Schriftstück mit der Erklärung gezeigt, sie habe dort seinen Namen eingetragen und unterschrieben. Das Landgericht hat sich mit den gegen die Glaubwürdigkeit dieses Zeugen vorgebrachten Bedenken befaßt. Diese tatsächliche Würdigung des Landgerichts, die alle wesentlichen Umstände berücksichtigt, ist möglich. Was die weitere Beschwerde hiergegen vorbringt, bedeutet lediglich den im Verfahren der Rechtsbeschwerde unzulässigen Versuch, ihre anderweitige tatsächliche Würdigung an die Stelle derjenigen des Landgerichts zu setzen.
Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht darüber hinaus festgestellt, daß nach dem Ergebnis der Ermittlungen keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit der Erblasserin festzustellen seien. Die Kammer hat das Gutachten des Sachverständigen … vom 16.08.1990 bedenkenfrei dahin gewürdigt, daß es schon an näheren Anknüpfungstatsachen fehle, die einer tragfähigen medizinisch-psychiatrischen Beurteilung der Testierfähigkeit zugrundegelegt werden könnten. Das Gutachten des Sachverständigen ist, wie die Kammer zutreffend ausführt, in diesem Sinne nicht unzulänglich. Der Sachverständige hat vielmehr lediglich im einzelnen ausgeführt, warum er eine fundierte Beurteilung nicht vornehmen könne. Zur Einholung eines Obergutachtens war das Landgericht schon deshalb nicht verpflichtet.
Daran anschließend hat das Landgericht ausgeführt, daß die materielle Feststellungslast für die eine Testierunfähigkeit der Erblasserin begründenden tatsächlichen Umstände von den gesetzlichen Erben zu tragen ist, die unter diesen Gesichtspunkt die Unwirksamkeit des Testaments geltend machen. Diese rechtliche Beurteilung ist entgegen der Auffassung der weiteren Beschwerde zutreffend und entspricht der völlig einhelligen Auffassung (BayObLG FamRZ 1988, 1099 sowie FamRZ 1989, 1346).
Die Entscheidung des Landgerichts ist jedoch unter einem anderen Gesichtspunkt rechtsfehlerhaft, weil es die für die Bejahung der Formwirksamkeit der Erklärung der Erblasserin als privatschriftliches Testament erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nicht getroffen hat (§ 12 FGG).
Nach § 2247 Abs. 1 BGB kann der Erblasser ein Testament durch eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichten.
Die Formwirksamkeit der Verfügung setzt danach voraus, daß der niedergeschriebene Text selbst lesbar ist. Ein bereits bei Errichtung vollkommen unlesbares Testament ist nichtig, da das in der Niederschrift Verkörperte nicht als Erklärung bezeichnet werden kann. Denn der Begriff der Erklärung setzt notwendigerweise voraus, daß ihr objektiver Inhalt von einem Dritten ermittelt werden kann (Dittmann/Reimann/Bengel, Testament und Erbvertrag, 2. Aufl., § 2247 Rdnr. 16; Staudinger-Firsching, BGB, 12. Aufl., § 2247 Rdnr. 38). Dabei schließen auch schwere Verzerrungen des Schriftbildes die Lesbarkeit nicht ohne weiteres aus. Erforderlich, aber auch genügend ist vielmehr lediglich, daß die Schrift der Erblasserin anhand der Testamentsurkunde selbst, ggf. unter Zuziehung eines Schriftsachverständigen, entziffert werden kann. Dabei ist es jedoch unzulässig, den Inhalt der niedergeschriebenen Erklärung durch Heranziehung außerhalb der Testamentsurkunde liegender Umstände zu ermitteln (KG JW 1937, 2831 f.; Staudinger-Firsching a. a. O.). Dieses Erfordernis bezieht sich nur auf die Niederschrift des Testamentstextes, nicht jedoch die Unterschrift, die lediglich geeignet sein muß, die Urheberschaft des Erblassers erkennen zu lassen. Bedenken ergeben sich insoweit im Hinblick auf die Lesbarkeit der Schriftzüge des von der Erblasserin eingefügten Zusatzes auf dem undatierten Schriftstück. Das Landgericht hat offenbar aufgrund des von ihm als erwiesen erachteten Sachverhaltes, die Erblasserin habe in Gegenwart des Zeugen … dem Beteiligten zu 1) erklärt, sie habe nunmehr in das von ihr gezeigte Schriftstück seinen Namen eingetragen, Zweifel an der inhaltlichen Bedeutung der von der Erblasserin vorgenommenen Schriftzüge als ausgeräumt betrachtet. Indessen kann – wie bereits ausgeführt – die Bedeutung einer objektiv nicht lesbaren Niederschrift nicht durch Umstände außerhalb des Testamentes bewiesen werden.
Aufgrund des vorhandenen Schriftbildes kann gegenwärtig nicht von einer objektiven Lesbarkeit der Schriftzüge des von der Erblasserin eingefügten Zusatzes ausgegangen werden. Von dem ersten Wort ist deutlich erkennbar nur das großgeschriebene “K”. Am Ende des Wortes befinden sich zwei Schriftbögen, die auf ein doppeltes “l” schließen lassen könnten. Die dazwischen befindlichen Schriftzüge können nicht als ein oder mehrere Buchstaben entziffert werden. Bei dem folgenden Wort ist ein großes “M” noch erkennbar. Die folgenden Schriftzüge bilden nach dem äußeren Anschein ein unerklärbares Knäuel über- und durcheinandergeschriebene Buchstaben. Es liegt nahe, diese außerordentlich stark verzerrte Schreibweise darauf zurückzuführen, daß die Erblasserin stark sehbehindert war. Wie zum Lesen wird sie auch zum Schreiben ihre Lupe habe benutzen müssen. Die erheblich bessere Lesbarkeit ihrer Unterschrift kann damit zusammenhängen, daß dieser Schriftzug eingeübt war. Der Sachverständige … hat zu diesem Schriftbild ausgeführt, die Entzifferung von Schriftzügen gehöre nicht zu seinem eigentlichen Fachgebiet. Das erste Wort könne “…” oder ähnlich lauten; das zweite Wort könne vielleicht “…” bedeuten. Diese sachverständige Stellungnahme reicht schon im Hinblick auf die von dem Gutachter hervorgehobene Einschränkung seiner Fachkunde für eine abschließende tatsächliche Feststellung nicht aus. Hinzu kommt, daß nicht ausgeschlossen werden kann, daß der Sachverständige bei seiner eingeschränkten Stellungnahme zu der möglichen Bedeutung der Schriftzüge durch das bisherige Verfahrensergebnis, insbesondere die Aussage des Zeugen …, beeinflußt worden ist. Andererseits kann nicht völlig ausgeschlossen werden, daß ein anderer Sachverständiger durch weitere Untersuchungen eine eingehendere Stellungnahme zur Frage der objektiven Lesbarkeit der infragestehenden Schriftzüge abgeben kann. Insbesondere kann der Senat nicht die Möglichkeit von der Hand weisen, daß ein Sachverständiger insbesondere bei dem zweiten Wort die Abfolge der über- und durcheinandergeschriebenen Schriftzüge noch feststellen und auf diese Weise ein ggf. entzifferbares Schriftbild sichtbar machen kann. Zur Nachholung dieser Ermittlungen muß das Verfahren an das Landgericht zurückverwiesen werden.
Die Formwirksamkeit des Testamentes begegnet noch in einem anderen Punkt Bedenken, den das Landgericht nicht erörtert hat. Nach § 2247 Abs. 1 l BGB ist eine eigenhändige Niederschrift des Erblassers erforderlich, die den gesamten Testamentswortlaut umfassen muß (BGH NJW 1958, 547 = FamRZ 1958, 102; Staudinger-Firsching, a. a. O., § 2247 Rdnr. 17; Soergel-Harder, BGB, 11. Aufl., § 2247 Rdnr. 21; MK-Burkhart, BGB, 2. Aufl., § 2247 Rdnr. 13; Dittmann/Reimann/Bengel, a. a. O., § 2247 Rdnr. 4, 10). Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt darin, daß die Erblasserin sich bei der Einfügung des Zusatzes auf die Niederschrift des Namens des Beteiligten zu 1) beschränkt hat. Diese Niederschrift läßt als solche nicht erkennen, daß es sich um eine mit Testierwillen vorgenommene Erbeinsetzung handeln soll. Der Testierwille ergibt sich vielmehr ausschließlich durch den räumlichen und inhaltlichen Zusammenhang mit der früheren undatierten gemeinschaftlichen Erklärung der Eheleute. In dieser Erklärung ist jedenfalls für eine Schlußerbfolge nach dem zuletzt versterbenden Ehegatten bewußt noch keine Verfügung getroffen worden; diese sollte vielmehr erst später erfolgen. Die Erblasserin hat ersichtlich diese frühere Erklärung als Entwurf für ihre abschließende Verfügung mitbenutzt und sich bewußt darauf beschränkt, diese Erklärung durch die Nennung des Namens des Beteiligten zu 1) lediglich noch zu ergänzen. Dies ergibt sich insbesondere auch aus der Darstellung des Beteiligten zu 1) selbst über die hierzu von der Erblasserin gegebenen Erklärungen.
Stammt der Text der früheren gemeinschaftlichen Erklärung von der Hand der Erblasserin, so bestehen gegen die Feststellung der eigenhändigen Niederschrift insgesamt keine Bedenken. Bezogen auf die Schlußerbeinsetzung handelt es sich dann nur um einen Entwurf, den die Erblasserin zu einem späteren Zeitpunkt vervollständigt und durch ihre erneute Unterschrift abgeschlossen hat. § 2247 Abs. 1 BGB erfordert nicht, daß alle Bestandteile der Urkunde zum gleichen Zeitpunkt hergestellt werden (Dittmann/Reimann/Bengel, a. a. O., § 2247 Rdnr. 48; Staudinger-Firsching, a. a. O., § 2247 Rdnr. 19). Bislang ist indessen nicht hinreichend festgestellt, daß die von der Erblasserin ergänzte undatierte gemeinschaftliche Erklärung der Eheleute von der Erblasserin geschrieben ist. Zwar hat der vom Amtsgericht vernommene Zeuge … bekundet, der Text des gemeinschaftlichen Testamentes vom 18.05.1978 “ohne den hier streitigen Zusatz” stamme von der Erblasserin. Diese Bekundung ist inhaltlich nicht widerspruchsfrei, weil die gemeinschaftliche Erklärung der Eheleute … mit dem von der Erblasserin eingefügten Zusatz undatiert ist. Andererseits ist das Schriftbild des Textes beider Erklärungen dem äußeren Anschein nach gleich. Die Beteiligten ihrerseits haben zu dieser Frage im Verfahren nicht Stellung genommen. Auch das Landgericht trifft in der Begründung seiner Entscheidung dazu keine positive Feststellung.
Ist der Text der undatierten gemeinschaftlichen Erklärung nicht von der Erblasserin geschrieben worden, kann die Testamentsform hinsichtlich des von ihr eingefügten Zusatzes nur dann als gewahrt angesehen werden, wenn es sich bei der gemeinsamen Erklärung der Eheleute … um ein gemeinschaftliches Testament im Sinne des § 2267 BGB handelt. Unter dieser tatsächlichen Voraussetzung hätte sich die Erblasserin der Bezugnahme auf den von dritter Hand geschriebenen Text bedient, um auf diese Weise zum Ausdruck zu bringen, daß es sich bei der von ihr vorgenommenen Namensnennung um eine letztwillige Erbeinsetzung handeln solle.
Die Wahrung der durch § 2247 Abs. 1 BGB vorgeschriebenen Form erfordert nämlich, daß der Erblasser in der von ihm niedergeschriebenen Erklärung seinen Testierwillen selbst zum Ausdruck bringt. Erst dann kann die Erklärung Grundlage einer Auslegung sein, die auch außerhalb der Testamentsurkunde liegende Umstände einzubeziehen hat. Ein Testament kann nicht in der Weise wirksam errichtet werden, daß der Erblasser sich darauf beschränkt, in den von dritter Hand geschriebenen Entwurf lediglich einen Namen einzusetzen und diesen zu unterschreiben. Dementsprechend ist einhellig anerkannt, daß ein Testament nicht in der Weise formwirksam errichtet werden kann, daß der Erblasser hinsichtlich des Inhaltes seiner letztwilligen Verfügung auf ein nicht von ihm eigenhändig geschriebenes Schriftstück verweist (BGH DNotZ 1980, 761, 762 f. = Rpfleger 1980, 337, 338; BayObLGZ 1973, 35, 38 sowie NJW RR 1990, 1481, 1482 jeweils m. w. N.). Dies gilt in gleicher Weise, wenn sich durch die Bezugnahme auf das von fremder Hand geschriebene Schriftstück überhaupt erst der Testierwille des Erblassers ergibt.
Keinen durchgreifenden Bedenken gegen die Formwirksamkeit begegnet es allerdings, wenn sich die Bedeutung der Erklärung des Erblassers als letztwillige Verfügung und deren Inhalt durch Bezugnahme auf ein formwirksam errichtetes Testament ergibt (BGH a. a. O.; ebenso bereits früher NJW 1966, 201, 202 betreffend den handschriftlichen Zusatz auf der Abschrift eines notariellen Testamentes). Eine solche, die Formwirksamkeit des Testamentes unberührt lassende Bezugnahme setzt aber hier voraus, daß es sich bei dem undatierten Schriftstück der Eheleute … nicht nur um eine zufällig der Testamentsform des § 2267 BGB genügende gemeinschaftliche Erklärung, sondern auch inhaltlich um ein gemeinschaftliches Testament handelt, das eine letztwillige Verfügung beinhaltet.
Die gemeinschaftliche Erklärung enthält hinsichtlich der Person, die letztlich das Vermögen der Eheleute allein übernehmen soll, keine Verfügung. Es kann auch nicht angenommen werden, daß es sich um ein auf den Ausschluß der beiderseitigen Verwandten von der gesetzlichen Erbfolge beschränktes Testament (§ 1938 BGB) handelt. Denn dieser Ausschluß sollte nach dem Willen der Eheleute ersichtlich nur im Zusammenhang mit der Einsetzung einer noch zu benennenden Person als Erben erfolgen, zumal der sonst ohne eine solche weitere Verfügung erfolgende Anfall des gesamten Nachlasses an den Fiskus offenbar nicht ihrem Willen entsprochen hat. Das undatierte Schriftstück kann jedoch gegebenenfalls dahin ausgelegt werden, daß die Ehegatten sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt und sich eine Schlußerbenbestimmung, sei es durch ein weiteres gemeinschaftliches Testament, sei es durch ein Einzeltestament des überlebenden Ehegatten, noch vorbehalten haben. Eine entsprechende Auslegung könnte daran anknüpfen, daß die Eheleute ihren Nachlaß als Einheit behandelt haben (“unser Nachlaß”) und ihre beiderseitigen Verwandten zweiter Ordnung, die sie jedenfalls insgesamt nicht bedenken wollten, nach dem Tode des Erstverstorbenen kaum mit ihren gesetzlichen Erbrecht (§ 1931 Abs. 1 BGB) berücksichtigt wissen wollten. Der Senat kann jedoch eine entsprechende Auslegung nicht selbst vornehmen, weil dieser Gesichtspunkt in den Vorinstanzen nicht erörtert worden ist und die Beteiligten noch Gelegenheit haben müssen, dazu Stellung zu nehmen.
Mit der erneuten Sachentscheidung ist dem Landgericht auch die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde zu übertragen, die gemäß § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG zu treffen ist.
Die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO. Dabei hat der Senat den Aktivnachlaß unter Abzug der Verbindlichkeiten nach den Angaben bewertet, die der Beteiligte zu 1) in seinem zu dem Testamentsakten gereichten Wertermittlungsbogen vom 20.10.1989 gemacht hat. Diese ergeben einen reinen Nachlaßwert von 127.839,87 DM. Zu einer entsprechenden Abänderung der niedrigeren Wertfestsetzung der angefochtenen Entscheidung sicht der Senat im Hinblick auf die Zurückverweisung der Sache keinen Anlaß. Für eine ergänzende Wertfestsetzung nach § 10 BRAGO, wie sie das Landgericht für seine Instanz vorgenommen hat, besteht mangels einer entsprechenden Antragstellung kein Anlaß.

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