AG Augsburg, Beschluss vom 07.08.2018 – SMU 10 VI 557/15

Mai 15, 2021

AG Augsburg, Beschluss vom 07.08.2018 – SMU 10 VI 557/15

Tenor

1. Der Antrag vom 19.06.2018 auf Einziehung des Erbscheins vom 26.02.2018 wird zurückgewiesen.

2. Der Erbscheinsantrag der Beteiligten … und … vom 19.06.2018 wird zurückgewiesen.

3. Eine Kostenentscheidung nach § 81 FamFG ist nicht veranlasst, sodass die Kostentragungspflicht sich nach der Kostenordnung bzw. dem GNotKG richtet.
Gründe

I.

Die Erblasserin, kinderlos verstorben am 12.05.2015 war griechische Staatsangehörige und hatte ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Die Erblasserin war in erster Ehe mit Herrn … verheiratet, der am 10.06.2015 verstorben ist. Der Beteiligte … ist Testamentsvollstrecker des verstorbenen … Vater und Mutter der Erblasserin sind jeweils vorverstorben. Bei den Beteiligten … und … handelt es sich um die Geschwister der Erblasserin.

Die Erblasserin und der Beteiligte … mit deutscher Staatsangehörigkeit hatten zum Zeitpunkt der Eheschließung ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, nicht in Griechenland.

Am 09.06.2016 (Bl. 55 ff. d.A.) haben die Beteiligten … und … die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie jeweils als Erben zu 1/4 und Herrn … als Erben zu 1/2 ausweist.

Der Beteiligte … hat am 20.12.2017 (Bl. 167 ff. d.A.) als Testamentsvollstrecker des Beteiligten … die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der den Beteiligten … als Erben zu 3/4 und die Beteiligten … und … als Erben zu je 1/8 ausweist.

Mit Schreiben vom 15.02.2018 nehmen die Beteiligten … und … ihren Erbscheinsantrag zurück (Bl. 178 d.A.).

Daraufhin hat das Amtsgericht Augsburg am 26.02.2018 einen Erbschein gemäß dem Antrag des Beteiligten … erteilt (Bl. 188 ff, d.A.).

Mit Schreiben vom 19.6.2018 (Bl. 199 ff. d.A.) haben die Beteiligten … und … die Einziehung des gegenständlichen Erbscheins beantragt. Zudem beantragten sie die Erteilung eines neuen Erbscheins, mit dem Inhalt ihres vormaligen Erbscheinantrags vom 09.06.2016. Dabei stützen sie sich auf ein Urteil des EuGH vom 01.03.2018, Az. C-558/16, wonach § 1371 Abs. 1 BGB nunmehr erbrechtlich zu qualifizieren ist. Da hier griechisches Erbrecht zu Anwendung komme, sei § 1371 Abs. 1 BGB daher letztlich nicht anzuwenden.

Der Beteiligte … wendet hiergegen unter anderem ein, dass das Urteil des EuGH allenfalls für künftige Entscheidungen gelten könne und ein Rückwirkungsverbot bestehe. Außerdem sei das Urteil des EuGH im Rahmen der Anwendbarkeit der EuErbVO ergangen. Da diese im gegenständlichen Fall nicht anwendbar ist, könne das Urteil auf den hiesigen Fall keine Anwendung finden.

II.

Zur Überzeugung des Gerichts stellt sich die erbrechtliche Lage so dar, dass die Beteiligten … und … unter Anwendung griechischen Erbrechts und deutschen Güterrechts Erben zu je 1/8 und der Beteiligte … Erbe zu 3/4 geworden sind. Eine Einziehung des erteilten Erbscheins war daher nicht veranlasst, so dass der Einziehungsantrag und abweichende Erbscheinsantrag der Beteiligten … und … zurückzuweisen war.

1. Es kommt griechisches Erbrecht zur Anwendung.

Die Erblasserin war griechische Staatsangehörige im Zeitpunkt ihres Todes. Damit ist nach dem deutschen internationale Erbrecht (Art. 25 I EGBGB), das hier mangels staatsvertraglicher Sonderregelungen zur Anwendung kommt, das Personalstatut maßgeblich. Die EuErbVO findet keine Anwendung, da die Erblasserin vor dem 17.08.2015 verstorben ist. Es wird also auf das griechische IPR verwiesen (Art. 4 I Satz 1 EGBGB). Griechenland nimmt die Verweisung an, weil es ebenfalls auf die Staatsangehörigkeit abstellt (Art. 28 griech. ZGB + Ferid u.a. Band III Griechenland RdNr. 16). Es gilt der Grundsatz der Nachlasseinheit.

2. Es kommt deutsches Güterrecht zur Anwendung.

Die Erblasserin und der Beteiligte … mit deutscher Staatsangehörigkeit hatten zum Zeitpunkt der Eheschließung ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Gemäß Art. 15, 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB folgt daraus die Anwendung deutschen Güterrechts.

3. § 1371 Abs. 1 BGB ist im gegenständlichen Fall gemäß höchstrichterlicher Rechtsprechung güterrechtlich zu qualifizieren (BGH, Beschluss v. 13.05.2015, Az. IV ZB 30/14).

Aus dem jüngsten Urteil des EuGH vom 01.03.2018, Az. C-558/16 ergibt sich für den hiesigen Fall keine andere Beurteilung. Zwar hat der EuGH in seiner Entscheidung § 1371 Abs. 1 BGB nicht als güterrechtliche Vorschrift angesehen. Allerdings hat der EuGH diese Entscheidung im Rahmen des Geltungsbereichs der EuErbVO getroffen. Die EuErbVO ist jedoch im gegenständlichen Fall nicht anwendbar (vgl. oben). Dementsprechend kann auch diese Rechtsprechung für den konkreten Fall keine Anwendung finden. Jedenfalls sieht sich das Gericht bis zum Stichtag, an dem die EuErbVO erstmals zur Anwendung zu kommen hatte, an die vorgenannte Rechtsprechung des BGH gebunden.

4. Gemäß Art. 1820 S. 1 griechisches ZGB erbt der Ehegatte neben Erben der zweiten Ordnung zu 1/2. Die Beteiligten … und … sind gem. Art. 1814 griechisches ZGB Erben zweiter Ordnung, die zu gleichen Teilen, d.h. je 1/4 erben. Die Anwendung von § 1371 Abs. 1 BGB führt zu einer Erhöhung des Erbteils des Beteiligten … um 1/4 auf 3/4, während sich der Erbteil der Beteiligten … und … jeweils auf 1/8 reduziert.

III.

Eine Kostenentscheidung ist grundsätzlich im Erbscheinseinziehungsverfahren wegen § 353 Absatz 1 Satz 1 FamFG veranlasst. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Absatz 1 Satz 2 FamFG.

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

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Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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