KG, Beschluss vom 05.09.2019 – 1 W 227/19

August 26, 2020

KG, Beschluss vom 05.09.2019 – 1 W 227/19

Hat sich der Veräußerer bei der Übertragung eines Wohnungseigentums auf einen Minderjährigen die Einräumung eines Nießbrauchs vorbehalten, ist zu dessen Eintragung die familiengerichtliche Genehmigung der Bewilligung erforderlich, wenn die Eintragung des Nießbrauchs (versehentlich) nicht zugleich mit der Eigentumsumschreibung auf den Minderjährigen beantragt und letztere bereits im Grundbuch vollzogen worden ist (entgegen OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 9. September 1980 – 20 W 168/80 – OLGZ 1981, 32)
Tenor

Die Beschwerde wird bei einem Wert von 5.000,00 EUR zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe

I.

Die Beteiligte zu 2 war als Eigentümerin in Abt. I des im Beschlusseingang bezeichneten Wohnungsgrundbuchs eingetragenen. Mit “Übertragungsvertrag” vom 6. Juli 2018 – UR-Nr. 8… /2… des Notars A… S… in B… – ließ sie das Wohnungseigentum an den damals fünfjährigen Beteiligten zu 1 auf und behielt sich ein Nießbrauchsrecht sowie das Recht, unter bestimmten Voraussetzungen die Rückübertragung verlangen zu können, vor. Sie bewilligte für sich und als vollmachtlose Vertreterin des Beteiligten zu 1 die Eintragung eines Nießbrauchs und eine Rückauflassungsvormerkung im Grundbuch. Die Beteiligten beauftragten den Urkundsnotar mit dem grundbuchlichen Vollzug der Urkunde, wobei er berechtigt wurde, Eintragungsanträge auch getrennt zu stellen. Die Eltern des Beteiligten zu 1 genehmigten die in seinem und ihrem von der Beteiligten zu 2 abgegebenen Erklärungen am 26. Juli 2018 – UR-Nr. 1… … /2… des Notars Dr. A… K… in M… .

Mit Schriftsatz vom 11. September 2018 beantragte Notar S… unter Vorlage seiner UR-Nr. 8… /2… “die Eintragung des Eigentumswechsels gem. § 6 des vorgenannten Vertrages.” Dem entsprach das Grundbuchamt mit Verfügung vom 11. Dezember 2018.

Mit Schriftsatz vom 24. Mai 2019 hat Notar S… “die Eintragung des Nießbrauchsrechts zugunsten [der Beteiligten zu 2] gem. § 4 der UR-Nr. 8… /2… ” beantragt. Das Grundbuchamt hat mit Verfügung vom 29. Mai 2019 unter Fristsetzung die Vorlage einer familiengerichtlichen Genehmigung aufgegeben und auf den Hinweis des Notars, es sei lediglich versehentlich bei der Eigentumsumschreibung die Eintragung des vorbehaltenen Nießbrauchs nicht beantragt worden, an der Zwischenverfügung festgehalten. Hiergegen richtet sich die Beschwerde vom 5. August 2019 mit der der Notar zugleich auch die Eintragung einer Rückauflassungsvormerkung zu Gunsten der Beteiligten zu 2 beantragt hat. Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 12. August 2019 der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig, § 71 Abs. 1 GBO. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist lediglich das in der angefochtenen Zwischenverfügung aufgeführte Eintragungshindernis, nicht hingegen der Eintragungsantrag als solcher (Demharter, GBO, 31. Aufl., § 77, Rdn. 12 und 15). Allerdings bezieht sich die angefochtene Zwischenverfügung auch nur auf die mit Schriftsatz vom 24. Mai 2019 beantragte Eintragung eines Nießbrauchs zu Gunsten der Beteiligten zu 2., was die Nachprüfung durch den Senat hierauf begrenzt. Die mit der Beschwerde erstmals beantragte Eintragung einer Rückauflassungsvormerkung ist deshalb nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens (Demharter, a.a.O., § 74, Rdn. 6).

2. Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das von dem Grundbuchamt aufgezeigte Eintragungshindernis besteht, so dass Anlass für den Erlass der angefochtenen Zwischenverfügung bestand, § 18 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GBO.

Die Eintragung eines Nießbrauchs erfolgt auf Antrag, § 13 Abs. 1 S. 1 GBO, wenn sie derjenige, dessen Recht von der Eintragung betroffen wird, in der Form des § 29 Abs. 1 S. 1 GBO bewilligt, § 19 GBO. Die Bewilligung kann auch durch einen Vertreter erfolgen. In diesem Fall ist dem Grundbuchamt auch dessen Vertretungsmacht nachzuweisen. Soweit die Wirksamkeit materiell-rechtlicher Erklärungen eines Vertreters von der Zustimmung eines Dritten abhängt, wird dadurch auch die Vertretungsmacht zur Abgabe der verfahrensrechtlichen Eintragungsbewilligung beschränkt. Dem Grundbuchamt ist dann auch die Zustimmung des Dritten nachzuweisen (Demharter, a.a.O., §§ 19, Rdn. 63). Das ist hier der Fall.

Zur Verfügung über ein Grundstück oder ein Recht an einem Grundstück ihres minderjährigen Kindes bedürfen die sorgeberechtigten Eltern der Genehmigung des Familiengerichts, §§ 1821 Abs. 1 Nr. 1, 1643 Abs. 1, 1629 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Belastung des Grundstücks des Kindes mit einem Nießbrauch ist eine solche Verfügung und danach genehmigungsbedürftig (Palandt/Götz, BGB, 78. Aufl., § 1821, Rdn. 8). Dem Grundstück gleichgestellt ist insoweit das Wohnungseigentum (Fuchs, in: beck-online. Großkommentar, BGB, 2019, § 1821, Rdn. 19).

Etwas anderes folgt nicht daraus, dass sich die Beteiligte zu 2 einen Nießbrauch an dem Wohnungseigentum in der UR-Nr. 8… /2… vorbehalten und im eigenen sowie im Namen des Beteiligten zu 1 die Eintragung im Wohnungsgrundbuch bewilligt hatte. Allerdings ist eine familiengerichtliche Genehmigung dann nicht erforderlich, wenn die Belastung des Grundstücks im Zusammenhang mit dessen Erwerb durch den Minderjährigen erfolgt. § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB schützt nur das dem Minderjährigen bereits gehörende Grundvermögen (BGH, FamRZ 1998, 24, 25; BGHZ 24, 372, 375). Wird das Grundstück mit der Eigentumsumschreibung mit einem dinglichen Recht belastet, erwirbt der Minderjähre nicht anders, als wenn er von vornherein belastetes Eigentum erhalten hätte (Krüger, ZNotP 2006, 202, 205).

Darum geht es vorliegend aber nicht; der zur Entscheidung stehende Sachverhalt stellt sich anders dar. Durch seine Eintragung in Abt. I des Wohnungsgrundbuchs hat der Beteiligte zu 1 unbelastetes Wohnungseigentum erhalten, denn in Abt. II und III sind keine Rechte gebucht. Mit der nunmehr beantragten Eintragung des Nießbrauchs soll das bestehende Wohnungseigentum des Beteiligten zu 1 erstmals belastet werden. Damit ist aber der Schutzbereich des § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB eröffnet. Es fehlt der unmittelbare Zusammenhang zwischen Erwerb des Eigentums und seiner Belastung.

Dabei ist es unerheblich, ob die gleichzeitige Beantragung von Eigentumsumschreibung und Eintragung des Nießbrauchs versehentlich unterblieben ist. Immerhin war der Notar von den Beteiligten ermächtigt worden, die Anträge auch getrennt voneinander zu stellen, § 8 der UR-Nr. 8… /2… . Ebenfalls kommt es nicht darauf an, ob der Beteiligte zu 1 aufgrund der mit der Beteiligten zu 2 getroffenen schuldrechtlichen Vereinbarungen zur Belastung des Wohnungseigentums mit dem Nießbrauch verpflichtet ist und die Belastung insoweit in Erfüllung einer solchen Pflicht erfolgen soll (Veit, in: Staudinger, BGB, 2014, § 1821, Rdn. 18; Kroll-Ludwigs, in: Münchener Kommentar, BGB, 7. Aufl., § 1821, Rdn. 23; Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis, 8. Aufl., Rdn. 634; von Crailsheim, in: Jürgens, Betreuungsrecht, 6. Aufl., § 1821, Rdn. 19; Böttcher, in: Meikel, GBO, 11. Aufl., Einleitung E, Rdn. 154; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rdn. 3611).

Der gegenteiligen Auffassung des OLG Frankfurt/Main (OLGZ 1981, 32) vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Zwar war der dortige Sachverhalt dem Grunde nach mit dem hiesigen vergleichbar. Auch dort hatte sich der Veräußerer die – nachträgliche – Belastung des Grundstücks (mit Grundpfandrechten) vorbehalten. Das ändert aber nichts daran, dass die dortigen Erwerber – wie hier – zunächst unbelastetes Eigentum erworben hatten. Das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft ist – wie stets – von dem dinglichen Verfügungsgeschäft zu trennen (vgl. BGH, NJW 2005, 2005, 415, 416). Dem entsprechen im Übrigen auch die von dem OLG Frankfurt/Main zitierten Entscheidungen Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 14. Juni 1967 (BayObLGZ 1967, 245) und vom 15. Februar 1979 (BayObLGZ 1979, 49). Dort sollte jeweils der Vollzug der Eigentumsumschreibung auf den Minderjährigen gleichzeitig (hierzu vgl. Krüger, a.a.O.) mit der Belastung des Grundstücks erfolgen.

3. Vorsorglich und ohne Bindungswirkung für das Grundbuchamt weist der Senat darauf hin, dass auch die Bewilligung einer (Rück-)Auflassungsvormerkung an dem Grundstück eines Minderjährigen durch den gesetzlichen Vertreter der familiengerichtlichen Genehmigung bedarf (Senat, Beschluss vom 9. August 2016 – 1 W 169/16 – Rpfleger 2017, 266, 267).

4. Im Hinblick auf die von dem Senat abweichende Auffassung des OLG Frankfurt/Main (a.a.O.) ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, § 78 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 GBO.

Die Festsetzung des Verfahrenswerts folgt aus §§ 61, 36 Abs. 3 GNotKG.

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

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Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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