OLG Hamm, Beschluss vom 06.07.2010 – I-15 W 330/10
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert beträgt 3.000 €.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.)
Mit notariellem Vertrag vom 16.03.2010 überließ die Beteiligte zu 1) ihrer Enkelin, der am 17.12.1998 geborenen minderjährigen Beteiligten zu 2), den in dem o.a. Wohnungsgrundbuch eingetragenen Miteigentumsanteil an einem Grundstück, verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 1 laut Aufteilungsplan. Die Wohnung gehört zu einer aus zwei Einheiten bestehenden Anlage. Die Beteiligte zu 1) behielt sich auf Lebensdauer den unentgeltlichen Nießbrauch an dem Wohnungseigentum vor. Die gewöhnliche Unterhaltung des Vertragsgegenstandes sollte der Nießbraucherin obliegen, zu außergewöhnlichen Aufwendungen sollte kein Beteiligter verpflichtet sein. Der Nießbraucher trägt ferner alle privaten und öffentlichen Lasten, die auf dem Grundstück ruhen, jedoch mit Ausnahme außergewöhnlicher öffentlicher Lasten.
Auf den Vollzugsantrag der Beteiligten hat das Amtsgericht – Grundbuchamt – am 31.03.2010 im Weg der Zwischenverfügung beanstandet, dass zum Vollzug eine Genehmigungserklärung des gesetzlichen Vertreters der Beteiligten zu 2) sowie eine Genehmigung des Familiengerichts (nebst Rechtskraftbescheinigung und Zugangsnachweis) erforderlich sei. Die Beteiligten haben der Zwischenverfügung durch ihren Verfahrensbevollmächtigten widersprochen. Das Grundbuchamt hat daraufhin am 15.04.2010 eine weitere Zwischenverfügung erlassen. In dieser hat es weiter den Standpunkt vertreten, dass der Erwerb für die Beteiligte zu 2) nicht lediglich rechtlich vorteilhaft sei. Die Eltern seien von der Vertretung ausgeschlossen, weshalb es der Bestellung eines Ergänzungspflegers bedürfe. Es verbleibe daher bei der ersten Zwischenverfügung, wobei zur Behebung des Eintragungshindernisses eine neue Frist gesetzt wurde. Gegen beide Zwischenverfügungen haben die Beteiligten durch Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 17.05.2010 Beschwerde erheben lassen, der das Grundbuchamt durch Beschluss vom 18.06.2010 nicht abgeholfen hat.
II.)
Die Beschwerde ist nach § 71 Abs. 1 GBO statthaft und auch sonst zulässig. Da das Verfahren durch einen nach dem 31.08.2009 gestellten Antrag bei dem Grundbuchamt eingeleitet worden ist, ist zuständiges Beschwerdegericht gemäß Art. 111 Abs. 1 S. 1 FGG-RG, § 72 GBO n.F. das Oberlandesgericht.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht geht der Senat von einer einheitlichen Beschwerde aus, die sachlich gegen die letzte Zwischenverfügung gerichtet ist, auch wenn sich das Rechtsmittel dem Wortlaut nach auch gegen die Zwischenverfügung vom 31.03.2010 richtet, die ihrerseits durch die nachfolgende Zwischenverfügung überholt ist. Maßgebend ist, dass es sich um ein einheitliches Rechtsschutzbegehren gegen die Beanstandung des Grundbuchamtes richtet, das seinerseits dieser Beanstandung durch die Zwischenverfügung vom 15.04.2010 eine abschließende Fassung gegeben hat.
In der Sache ist die Beschwerde unbegründet. Zu Recht hat das Grundbuchamt die beantragte Eintragung davon abhängig gemacht, dass das Erwerbsgeschäft durch einen Ergänzungspfleger und das Familiengericht genehmigt wird. Der Senat teilt die Auffassung des Grundbuchamtes, dass der Erwerb einer Eigentumswohnung nicht lediglich rechtlich vorteilhaft im Sinne des § 107 BGB ist. Ein auf den Erwerb einer Sache gerichtetes Rechtsgeschäft ist für einen Minderjährigen nicht lediglich rechtlich vorteilhaft im Sinn von § 107 BGB, wenn er in dessen Folge mit Verpflichtungen belastet wird, für die er nicht nur dinglich mit der erworbenen Sache, sondern auch persönlich mit seinem sonstigen Vermögen haftet. Bei der Anwendung von § 107 BGB außer Betracht bleiben nur typischerweise ungefährliche Rechtsnachteile, zu denen etwa die mit einem Grundstückserwerb verbundene Verpflichtung zur Tragung öffentlicher Lasten gezählt wird (BGHZ 161, 170, 177ff.). Im Hinblick auf den von § 107 BGB verfolgten Schutzzweck ist es auch unerheblich, ob die mit dem Erwerb verbundenen Pflichten von dem rechtsgeschäftlichen Willen der Parteien mit umfasst sind. Denn das Vermögen des Minderjährigen ist nicht weniger gefährdet, wenn der Eintritt eines Rechtsnachteils zwar von den Parteien des Rechtsgeschäfts nicht gewollt, vom Gesetz jedoch als dessen Folge angeordnet wird (BGHZ 161, 170, 178; 162, 137, 140).
Der Senat folgt den hinweisenden Ausführungen im Beschluss des OLG München (ZEV 2008, 246), dass die veränderte Außenhaftung der Wohnungseigentümer (§ 10 Abs.8 WEG n.F.) und die erweiterte Beschlusskompetenz der Miteigentümer (§§ 16 Abs.3 und 4, 21 Abs.7 WEG n.F.) unter Berücksichtigung der fehlenden Publizität der Beschlusslage einer Gemeinschaft (§ 10 Abs.4 WEG) bei abstrakter Betrachtung ein so erhebliches Haftungsrisiko des Erwerbers begründet, dass regelmäßig nicht von einem lediglich vorteilhaften Geschäft ausgegangen werden kann. Angesichts der veränderten Gesetzeslage kommt es insoweit nicht mehr darauf an, ob ein Verwaltervertrag besteht oder die Gemeinschaftsordnung die Haftung des Einzelnen gegenüber der Gesetzeslage verschärft. Soweit der Senat in seinem Beschluss vom 23.05.2000 (15 W 119/00 = NZM 2000, 1028 = RPfleger 2000, 449 = ZMR 2000, 695 = ZWE 2000, 478) wesentlich auf das Bestehen eines Verwaltervertrages abgestellt hat, wird hieran im Hinblick auf die veränderte Gesetzeslage nicht festgehalten.
Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf den §§ 131, 30 KostO.
Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 78 Abs.2 S.1 Nr.1 GBO zuzulassen, da die Sache nach Auffassung des Senats grundsätzliche Bedeutung hat. Die Entscheidung des OLG München, der der Senat sich vorliegend angeschlossen hat, geht bei der Übertragung von Wohnungseigentum auf einen Minderjährigen unter Berücksichtigung der Reform des WEG zu einer typisierenden Betrachtungsweise über. Hierzu gibt es weder eine einschlägige höchstrichterliche noch eine gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung. Eine höchstrichterliche Entscheidung der Frage, ob eine derartige Betrachtungsweise infolge der Reform des WEG geboten ist, könnte daher für eine unbestimmte Vielzahl von Verfahren Klarheit schaffen, wodurch das Verfahren der Grundbuchämter vereinheitlicht und damit auch für die Bevölkerung Rechtssicherheit geschaffen werden kann.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt. Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat, die mit der Zustellung dieser Entscheidung beginnt, bei dem Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe einzulegen. Der Beschwerdeführer muss sich bei der Einlegung der Rechtsbeschwerdeschrift durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.