OLG Köln, Beschluss vom 09.12.2020 – 2 Wx 293/20

Oktober 5, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 09.12.2020 – 2 Wx 293/20

Tenor
Die sofortige Beschwerde des Beteiligten vom 09.11.2020 gegen den Beschluss der Rechtspflegerin des Amtsgerichts – Nachlassgerichts – Aachen vom 22.10.2020, AZ, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beteiligte zu tragen.

Gründe
I.

Mit Schriftsatz vom 25.07.2018 hat Frau A die Anordnung einer Nachlasspflegschaft gem. § 1961 BGB beantragt, um einen Löschungsanspruch bezüglich im Grundbuch eingetragener Rechte des Erblassers geltend zu machen. Sie hat vorgetragen, dass die Erben unbekannt seien.

Durch Beschluss vom 30.07.2018 hat das Nachlassgericht Nachlasspflegschaft angeordnet und den Beteiligten als Nachlasspfleger mit den Wirkungskreisen der Sicherung und Verwaltung des Nachlasses, der Ermittlung der Erben und der Vertretung der unbekannten Erben im Löschungsverfahren des Amtsgerichts Aachen betreffend das Grundbuch von B, Blatt 3159, bestellt (Bl. 44 ff. d.A.).

Am 11.10.2018 hat der Beteiligte einen ersten Bericht in der Nachlasssache an das Nachlassgericht übersandt und u.a. mitgeteilt, dass die Löschungsbewilligung seiner Auffassung nach zu erteilen sei (Bl. 62 ff. d.A.). Zudem hat er in einem weiteren Schriftsatz vom 11.10.2018 beantragt, die gerichtliche Genehmigung zu erteilen. Nachdem er die Löschungsbewilligung in öffentlich beglaubigter Form am 23.01.2019 mit Zustimmung des bestellten Verfahrenspflegers erklärt hat, hat das Nachlassgericht durch Beschluss vom 07.02.2019 die Erklärungen des Beteiligten nachlassgerichtlich genehmigt (Bl. 92 ff. d.A.). Anschließend ist die Löschung der Rechte des Erblassers im Grundbuch erfolgt.

Am 02.07.2019 hat der Beteiligte ein Nachlassverzeichnis vorgelegt (Bl. 110 d.A.).

Am 30.03.2020 hat die Rechtspflegerin des Nachlassgerichts die Angelegenheit mit dem Beteiligten persönlich erörtert. Hierbei ist u.a. abgesprochen worden, dass der Restnachlass hinterlegt werden und die Rechnungslegung bis zum 19.04.2010 erfolgen soll.

Mit Schriftsatz vom 16.04.2020 hat der Beteiligte einen weiteren Bericht über seine Tätigkeit als Nachlasspfleger eingereicht (Bl. 124 ff. d.A.).

Am 23.04.2020 hat das Nachlassgericht den Beteiligten aufgefordert, eine Rechnungslegung mit den Originalbelegen einzureichen, die Vergütung anzumelden und anschließend den Restnachlass beim Amtsgericht zu hinterlegen (Bl. 127 d.A.). Am 02.07.2020 hat das Nachlassgericht an die Erledigung des Schreibens vom 23.04.2020 erinnert. Mit Schreiben vom 09.09.2020 hat das Nachlassgericht an die Verfügung vom 23.04.2020 erinnert, eine Frist bis zum 16.10.2020 gesetzt und die Festsetzung eines Zwangsgeldes von 1.000,00 € angedroht (Bl. 128 d.A.).

Durch Beschluss vom 22.10.2020 hat das Nachlassgericht ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 € gegen den Beteiligten festgesetzt (Bl. 130 f. d.A.).

Gegen diesen dem Beteiligten am 26.10.2020 zugestellten Beschluss hat dieser mit am 09.11.2020 beim Amtsgericht Aachen eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag sofortige Beschwerde eingelegt (Bl. 135 d.A.).

Durch Beschluss vom 25.11.2020 hat das Nachlassgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Köln zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 136 f. d.A.).

II.

Die sofortige Beschwerde gegen die Festsetzung des Zwangsgeldes, über die gem. §§ 35 Abs. 5 FamFG, 568 S. 1 ZPO ein Mitglied des Senats als Einzelrichter entscheidet, weil die angefochtene Entscheidung von einer Rechtspflegerin erlassen worden ist, ist gem. §§ 35 Abs. 5 FamFG, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.

In der Sache hat die sofortige Beschwerde indes keinen Erfolg. Das Nachlassgericht hat zu Recht ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 € gegen den Beteiligten festgesetzt.

Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Anordnung der Nachlasspflegschaft und Aufsichtsmaßnahmen gegenüber dem Nachlasspfleger ergibt sich hier gem. Art. 10 Abs. 1 Ziff. a) EuErbVO. Der Erblasser hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt seines Todes in Brasilien, d.h. nicht in einem Mitgliedsstaat der EuErbVO. Es befindet sich Vermögen des Erblassers in Deutschland und der Erblasser war deutscher Staatsangehöriger.

Die Festsetzung des Zwangsgeldes richtet sich nach deutschen Sachvorschriften. Zwar ist hier gem. Art. 21 Abs. 1 EuErbVO auf die Erbfolge grundsätzlich brasilianisches Recht anzuwenden, weil der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Brasilien hatte und eine Rück- oder Weiterverweisung gem. Art. 34 EuErbVO im Hinblick auf die Wohnsitzanknüpfung im brasilianischen Recht nicht in Betracht kommt. Maßnahmen der Nachlasssicherung wie die Anordnung einer Nachlasspflegschaft gem. §§ 1960, 1961 BGB sind indes als verfahrensrechtliche Befugnisse zu qualifizieren, die auch im Falle eines ausländischen Erbstatuts bestehen und durch ein deutsches Gericht als Teil der lex fori ausgeübt werden dürfen (MüKo-BGB/Dutta, 8. Aufl. 2020, EuErbVO, Art. 19 Rn. 3; Zimmermann, Rpfleger 2017, 2, 3). Dies gilt für die Festsetzung eines Zwangsgeldes wegen einer unterbliebenen Rechnungslegung im Rahmen einer auf Antrag angeordneten Nachlasspflegschaft im Sinne von § 1961 BGB gem. Art. 29 Abs. 1, Abs. 3 EuErbVO jedenfalls dann, wenn – wie hier – das auf die Erbfolge anzuwendende Recht das Recht eines Drittstaates ist (MüKo-BGB/Dutta, 8. Aufl. 2020, EuErbVO, Art. 29 Rn. 16; Dutta/Weber/Magnus, Internationales Erbrecht, 2016, EuErbVO, Art. 29 Rn. 6, 45).

Die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Zwangsgeldes gem. § 35 FamFG liegen vor. Die Pflicht zur Rechnungslegung gem. §§ 1915 Abs. 1 S. 1, 1840 BGB besteht gegenüber dem Gericht und kann von diesem grundsätzlich durch Zwangsgeld gem. §§ 35 Abs. 1 FamFG, 1915 Abs. 1 S. 1, 1837 Abs. 3 BGB durchgesetzt werden (Palandt/Götz, BGB, 79. Aufl. 2020, § 1840 Rn. 5). Das Nachlassgericht hat den Beteiligten mehrfach zur Rechnungslegung aufgefordert und ihm letztlich eine Frist zur Vorlage gesetzt. Für den Fall des Unterlassens hat das Nachlassgericht angedroht, ein Zwangsgeld festzusetzen (§ 35 Abs. 2 FamFG). Dabei hat es die Höhe des Zwangsgeldes mit 1.000,00 € auch angegeben (vgl. Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, 5. Aufl. 2020, Rn. 721). Der Beteiligte hat die Anordnung des Nachlassgerichts auch schuldhaft nicht befolgt. Nach §§ 1915 Abs. 1 S. 1, 1840 Abs. 2, Abs. 3 S. 1 BGB hat der Nachlasspfleger dem Nachlassgericht (§1962 BGB) jährlich über seine Vermögensverwaltung Rechnung zu legen. Nach §§ 1915 Abs. 1 S. 1, 1841 BGB soll die Rechnung eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben enthalten, über den Ab- und Zugang des Vermögens Auskunft geben und, soweit Belege erteilt zu werden pflegen, mit Belegen versehen sein. Hier ist eine Rechnungslegung in diesem Sinne über die Verwaltung des Nachlasses, die auch vom Aufgabenkreis des Nachlasspflegers mitumfasst ist, nicht erfolgt. Der Beteiligte hat zwar ein Vermögensverzeichnis vorgelegt und in seinen Berichten Angaben zur Verwaltung des Nachlasses gemacht. Es fehlt indes eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben sowie die Vorlage der entsprechenden Belege. Die Frist von einem Jahr nach Bestellung des Nachlasspflegers ist längst abgelaufen. Auch die Höhe des Zwangsgeldes ist nicht zu beanstanden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1 ZPO, 84 FamFG.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nicht vorliegen (§§ 70 Abs. 2 FamFG, 574 ZPO.

Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens: 1.000,00 €

IV.

Im Hinblick darauf, dass dem Senat ein weiteres Zwangsgeldverfahren bei dem Amtsgericht Aachen gegen den Nachlasspfleger wegen der Nichterfüllung seiner Pflichten bekannt ist, kann sich eine Prüfung des Nachlassgerichts anbieten, ob weitergehende Maßnahmen zu ergreifen sind.

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