Voraussetzungen für Löschung einer Auflassungsvormerkung bei Erbenbeteiligung

Juli 20, 2020

OLG Frankfurt, Beschluss vom 20. Oktober 2011 – 20 W 548/10
Grundbuchverfahren: Voraussetzungen für Löschung einer Auflassungsvormerkung bei Erbenbeteiligung; Nachweis der Erbfolge bei Pflichtteilsstrafklausel
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Gerichtskosten des Verfahrens der Beschwerde.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.000,00 € festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
Die als Eigentümer im Grundbuch des eingangs aufgeführten Grundbesitzes eingetragenen Antragsteller sind die Söhne der Eheleute A1 und A2. Die Eltern der Antragsteller sind beide verstorben, die Mutter am …2010. Sie hatten sich durch notariellen Ehe- und Erbvertrag vom …1956 (UR-Nr. …/1956 des Notars B1, O2) gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und bestimmt, dass nach dem Tod des Überlebenden der beiderseitige Nachlass an die Antragsteller und die aus ihrer Ehe noch hervorgehenden Kinder zu gleichen Teilen fallen sollte. Der Erbvertrag enthält weiter die Klausel, dass für den Fall, dass ein Kind mit den Bestimmungen dieses Erbvertrages nicht einverstanden ist, den Vertrag anficht oder aus dem Nachlass des Zuerstversterbenden seinen Pflichtteil verlangt, auch aus dem Nachlass des Zuletztversterbenden nur den Pflichtteil erhalten soll. Der Erbvertrag ist vom Amtsgericht Darmstadt –Nachlassgericht- laut Protokoll vom 18.02.2010 nach dem Tod der A2 erneut eröffnet worden.
Zu UR-Nr. …/2003 des Verfahrensbevollmächtigten vom …2003 schloss A2 mit ihren Söhnen, den Antragstellern, einen Übergabevertrag u. a. auch hinsichtlich des hier betroffenen Grundstücks. Unter § V der Urkunde hatten sich die Übernehmer verpflichtet, den übertragenen Grundbesitz unter bestimmten Voraussetzungen wieder zurück zu übereignen. Weiter heißt es in § V der Urkunde vom …2003:
“Das Recht, die Rückübereignung zu verlangen, erlischt mit dem Tod des Berechtigten. Es geht nicht auf die Erben über. Vererblich ist aber der Anspruch auf Rückübereignung, wenn der zur Rückforderung Berechtigte bereits zu Lebzeiten das Rückübertragungsverlangen gestellt hat.”
Zur Sicherung des aufschiebend bedingten Rückerwerbsanspruchs bewilligten und beantragten die Vertragsbeteiligten zu Lasten des betroffenen Grundbesitzes die Eintragung einer Rückauflassungsvormerkung zu Gunsten der Übergeberin.
Am 18.06.2004 ist aufgrund dieser Bewilligung in Abt. II lfd. Nr. … eine Auflassungsvormerkung für A2 eingetragen worden.
Durch notariellen Vertrag des hiesigen Verfahrensbevollmächtigten, UR-Nr. …/2010 vom …2010, haben die Antragsteller zu 1) und 2) das betroffene Grundstück verkauft, die Auflassung erklärt und die Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch beantragt. Unter VI Ziff. … der Urkunde haben die Vertragsbeteiligten der Löschung aller nicht übernommenen Rechte in Abt. II und III des Grundbuchs zugestimmt und deren Löschung bewilligt und beantragt. Gelöscht werden sollten die in Abt. II des Grundbuchs als lfde. Nr. … eingetragenen Rechte.
Unter dem 27.07.2010 hat der Verfahrensbevollmächtigte gemäß § 15 GBO unter anderem die Löschung der Auflassungsvormerkung in Abt. II lfd. Nr. … beantragt und eine Sterbeurkunde vorgelegt, wonach A2 am …2010 verstorben ist.
Durch die angefochtene Zwischenverfügung vom 02.08.2010 hat der Rechtspfleger beim Grundbuchamt zur Löschung der Auflassungsvormerkung die Vorlage eines Erbscheins verlangt auf Grund der in dem Übergabevertrag vom …2003 vorgesehenen Vererblichkeit des Rückübereignungsanspruchs, wenn dieser bereits zu Lebzeiten der Berechtigten geltend gemacht wurde.
In einem Schriftsatz vom 20.12.2010 hat der Verfahrensbevollmächtigte die Auffassung vertreten, die Auflassungsvormerkung sei ohne weitere Nachweise zu löschen, da der Rückübereignungsanspruch ausdrücklich nicht vererblich gestellt sei. Der unter V des Übergabevertrags enthaltene Hinweis auf die Vererblichkeit des Anspruchs im Fall der Geltendmachung zu Lebzeiten sei lediglich als Hinweis auf die Gesetzeslage zu verstehen und nicht als abweichende Vereinbarung. Falls das Grundbuchamt dieser Auffassung nicht folge und die Löschung nicht vornehme, werde Beschwerde eingelegt.
Mit Beschluss vom 22.12.2010 hat der Rechtspfleger des Grundbuchamts “der Erinnerung des Notars C1” aus den Gründen der angefochtenen Zwischenverfügung nicht abgeholfen.
Unter dem 07.04.2011 hat der Verfahrensbevollmächtigte beglaubigte Fotokopien des Erbvertrages der Eheleute A vom …1956 und des Eröffnungsprotokolls vom 18.02.2010 vorgelegt und um Vollzug seiner Anträge vom 27.07.2010 gebeten.
Mit Schreiben vom 03.05.2011 hat der Grundbuchrechtspfleger an der Zwischenverfügung festgehalten. In einem Schriftsatz vom 24.05.2011 hat der Verfahrensbevollmächtigte unter Hinweis auf Entscheidungen des Oberlandesgericht Hamm und des Oberlandesgericht Düsseldorf die Auffassung vertreten, dass die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung durch die Erben ausreichend sei und um diesbezügliche Mitteilung gebeten. In einem Schreiben vom 26.05.2011 hat der Rechtspfleger des Grundbuchamts mitgeteilt, dass eine eidesstattliche Versicherung zwar zugelassen sei, soweit es darum geht, dass aus der Ehe keine weiteren Kinder als die im Testament namentlich aufgeführten hervorgegangen sind. Dies gelte allerdings nicht in Anbetracht der Pflichtteilsklausel, da dem Grundbuchamt – anders als im Erbscheinsverfahren – eine Anhörung eventuell in Betracht kommender Erben verwehrt sei.
Unter Hinweis auf den Beschluss des Oberlandesgericht Hamm vom 16.02.2011 – 15 W 27/11- haben die Antragsteller dem Grundbuchamt die Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung angeboten, dass keines der Kinder nach dem Tod des erstverstorbenen Elternteils den Pflichtteil verlangt habe. Mit Schreiben vom 05.10.2011 hat der Grundbuchrechtspfleger mitgeteilt, dass er die Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm nicht teile, da zu Unrecht davon ausgegangen werde, dass der Erbteil des wegfallenden Erben dem anderen anfalle. Auch in diesem Fall sei eine dem Grundbuchamt verwehrte Anhörung geboten, da alle in Betracht kommenden Erben den Pflichtteil geltend gemacht haben könnten. Auch könne eine strafbewehrte eidesstattliche Versicherung nicht vor dem Grundbuchamt abgegeben werden.
Die Beschwerde, über die nach Art. 111 Satz 1 FGG-RG i. V. m. § 72 GBO n. F. nach der hier erfolgten Nichtabhilfe gemäß § 75 GBO das Oberlandesgericht zu entscheiden hat, ist zulässig (§ 73 GBO).
Insoweit ist klarzustellen, dass gegen Entscheidungen des Rechtspflegers nach der Abschaffung der Durchgriffserinnerung und Neufassung des § 11 RpflegerG durch das Gesetz vom 06.08.1998 (BGBl I, 2030) das Rechtsmittel gegeben ist, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist (§ 11 Abs. 1 RpflegerG). Das ist in Grundbuchsachen die Beschwerde gemäß § 71 Abs. 1 GBO (Demharter: GBO, 27. Aufl., § 71, Rdnr. 5; Hügel: GBO, § 71, Rdnr. 71; Bauer- von Oefele: GBO, 2. Aufl., § 71, Rdnr. 2; Arnold/Meyer-Stolte: RpflegerG, 7. Aufl., 2009, § 11, Rdnr. 86). Des Weiteren steht dem Notar kein Beschwerderecht in eigenem Namen zu, so dass die Antragsteller als Beschwerdeführer anzusehen sind (Demharter: GBO, 27. Aufl., § 15, Rdnr. 20).
Die Beschwerde ist aber nicht begründet, denn mit der beanstandeten Zwischenverfügung ist im Ergebnis zu Recht die Eigentumsumschreibung von der Vorlage eines Erbscheins nach der Erblasserin abhängig gemacht worden.
Bei der beantragten Löschung der Rückauflassungsvormerkung kommt eine Anwendung des § 23 GBO nicht in Betracht; hierauf stützt sich die Beschwerde auch nicht. Es handelt sich hier nicht um ein auf die Lebenszeit des Berechtigten beschränktes Recht im Sinne dieser Vorschrift. Eine Vormerkung kann zwar durch Rechtsgeschäft auf die Lebenszeit des Berechtigten beschränkt werden. Hier haben jedoch, wie sich aus der in der Eintragung in Bezug genommenen Bewilligung ergibt, die Antragsteller zu 1) und 2) und ihre Mutter, die Erblasserin, in dem Übergabevertrag vom …2003 unter V der Urkunde nicht die Vormerkung als solche, sondern lediglich den gesicherten Rückübertragungsanspruch inhaltlich auf die Lebenszeit der Berechtigten befristet. Dies wirkt sich zwar auch auf die akzessorische Vormerkung aus, führt aber nicht zur Anwendbarkeit des § 23 GBO (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht FGPrax 2010, 282= Rpfleger 2011, 23; OLG Köln FGPrax 2010, 14; BayObLG Rpfleger 1990, 61; Meikel/Böttcher, GBO, 10. Aufl., § 23 Rdnr. 19, 43; Bauer/von Oefele/Kohler, GBO, 2. Aufl., §§ 23, 24 Rdnr. 59).
Zur Löschung einer im Grundbuch eingetragenen Auflassungsvormerkung bedarf es mithin wie für deren Eintragung grundsätzlich der Bewilligung des Betroffenen nach § 19 GBO oder eines Unrichtigkeitsnachweises im Sinne des § 22 GBO. Betroffener in diesem Sinne ist zunächst die im Grundbuch als Berechtigte der Auflassungsvormerkung eingetragene A2, deren Löschungsbewilligung auf Grund ihres Versterbens nicht vorgelegt werden kann.
Die Voraussetzungen für die Löschung richten sich daher nach § 22 Abs. 1 Satz 1 GBO. Danach bedarf es zur Berichtigung des Grundbuchs keiner Bewilligung nach § 19 GBO, wenn die Unrichtigkeit nachgewiesen wird. An diesen Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen, weil er eine Grundbucheintragung ohne Bewilligung des Betroffenen ermöglicht und sichergestellt sein muss, dass am Verfahren nicht Beteiligte nicht geschädigt werden. Erforderlich ist der volle Nachweis. Ein gewisser Grad an Wahrscheinlichkeit genügt nicht. Der Antragsteller hat in der Form des § 29 GBO alle Möglichkeiten auszuräumen, die der Richtigkeit der begehrten (neuen) Eintragung entgegen stehen würden; lediglich ganz entfernte, bloß theoretische Möglichkeiten brauchen nicht ausgeräumt zu werden. Die Löschung einer Auflassungsvormerkung wegen Unrichtigkeitsnachweises ist nach diesem Maßstab nur möglich, wenn der Antragsteller in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise nachweist, dass das Bestehen oder Entstehen des zu sichernden Anspruchs ausgeschlossen ist (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht FGPrax 2010, 282, und Beschluss vom 10.11.2010, 2 W 144/10; vgl. auch Kammergericht, Beschluss vom 24.02.2011 – 1 W 472/10 -; OLG Köln FGPrax 2010, 14 je zitiert nach juris und m. w. N.; OLG Bremen MDR 2011, 288). Dem hat sich der Senat für eine ebenfalls die Möglichkeit des „Aufladens“ einer Vormerkung betreffende Sachverhaltsgestaltung bereits mehrfach angeschlossen (Beschlüsse vom 14.02.2011 – 20 W 440/10 -, vom 13.04.2011 – 20 W 146/11 – und vom 02.08.2011 – 20 W 298/2011 -).
Dieser Nachweis ist vorliegend nicht geführt. Dabei kann dahinstehen, ob in der Form des § 29 GBO nachgewiesen ist, dass der ursprünglich gesicherte Rückübertragungsanspruch der Erblasserin aus dem Vertrag vom …2003 nicht mehr existiert. In diesem Zusammenhang ist die jüngere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum „Aufladen“ einer Vormerkung mit anderen Ansprüchen zu berücksichtigen (BGHZ 143, 175=DNotZ 2007, 665; NJW 2008, 578 = DNotZ 2008, 514 = RPfleger 2008, 187; DNotZ 2008, 518 = Rpfleger 2008,187). Danach kann zum Einen eine erloschene Vormerkung zur Sicherung eines neuen, deckungsgleichen Anspruchs verwendet werden und zum Anderen eine Vormerkung auf Ansprüche mit anderen Voraussetzungen erstreckt werden. Erforderlich ist jeweils, dass Schuldner, Gläubiger und Anspruchsgegenstand der neuen oder zusätzlichen Ansprüche identisch sind. Dabei bedarf es nach den genannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs keiner Eintragung der Änderungen des Grundbuchs, so dass das „Aufladen“ der Vormerkung mit anderen oder weiteren Ansprüchen durch notarielle Vereinbarung von Schuldner und Gläubiger nicht aus dem Grundbuch und nicht einmal aus den Grundakten zwingend erkennbar sein muss.
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass selbst für den Fall, dass man das Erlöschen des ursprünglich gesicherten, auf die Lebenszeit der Erblasserin befristeten Anspruchs als nachgewiesen ansehen wollte, nicht ausgeschlossen werden kann, dass diese zu ihren Lebzeiten mit den Antragstellern zu 1) und 2) eine Vereinbarung getroffen hat, wonach die Vormerkung nunmehr einen anderweitigen vererblichen Rückübereignungsanspruch sichern soll. Der Senat schließt sich insoweit den Ausführungen der zitierten Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 09.07.2010 (vgl. FGPrax 2010, 282, Tz. 25, mit zust. Anm. von Lorbacher FGPrax 2010, 285) an, die zu einem weitgehend vergleichbaren Sachverhalt ergangen ist. Damit wären nämlich nicht nur der Schuldner – die Antragsteller zu 1) und 2) – und der Anspruchsgegenstand – Übertragung des Eigentums an dem betroffenen Grundbesitz – identisch geblieben, sondern auch der Gläubigerin, die Erblasserin. Auch ein Übergang auf deren Gesamtrechtsnachfolger nach § 1922 BGB bedeutet keinen Austausch des Gläubigers.
Wenn aber nicht auszuschließen ist, dass die Vormerkung einen anderen oder weiteren Anspruch sichert, dessen Fortbestehen seinerseits nicht ausgeschlossen werden kann, ist nach inzwischen weitgehend einheitlicher oberlandesgerichtlicher Rechtsprechung der erforderliche Nachweis der Grundbuchunrichtigkeit hinsichtlich der Vormerkung allein durch Vorlage der Sterbeurkunde der Berechtigten nicht erbracht (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht FGPrax 2010, 282, ; Kammergericht, Beschluss vom 24.02.201, – 1 W 472/10 -; je zitiert nach juris und m. w. N.; OLG Köln FGPrax 2010, 14; OLG Bremen MDR 2011, 288; Senat, Beschlüsse vom 14.02.2011 – 20 W 440/10 – und vom 13.04.2011 – 20 W 146/11 -).
Die Möglichkeit des „Aufladens“ der Vormerkung mit einem anderen oder weiteren (noch bestehenden) Anspruch ist nicht mit der erforderlichen Sicherheit nach §§ 22 Abs. 1 S. 1, 29 GBO ausgeschlossen worden. Dass die Vormerkung auf einen anderweitigen vererblichen Übereignungsanspruch erstreckt worden ist, ist zwar sicherlich nicht wahrscheinlich, aber auch nicht bloß eine rein theoretische Möglichkeit, die dem Nachweis nach § 29 GBO ausnahmsweise nicht entgegenstehen würde. Die Ausführungen in der Beschwerde ändern daran nichts, auch wenn zu konstatieren ist, dass die Antragsteller zu 1) und 2) die Löschung der Auflassungsvormerkung bewilligt haben. Die aufgezeigte Möglichkeit ist aber grundsätzlich nicht derart fernliegend, dass sie nach den Maßstäben des Grundbuchverfahrens auszuschließen ist. Eine freie Beweiswürdigung, wie sie dem Tatrichter in einem Rechtsstreit vor dem Prozessgericht ohne weiteres möglich wäre, ist indes im Grundbuchverfahren mit seinen besonderen Formstrengen grundsätzlich nicht zulässig (vgl. dazu Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, FGPrax 2010, 282).
Hinzukommt, dass nach der Regelung des Rücktritts unter V dieses Vertrages der Rückübereignungsanspruch ausdrücklich vererblich ist, wenn der zur Rückforderung Berechtigte bereits zu Lebzeiten das Rückübertragungsverlangen gestellt hat.
Die Löschung der Vormerkung aufgrund Unrichtigkeitsnachweises gemäß § 22 GBO durch die Vorlage der Sterbeurkunde wurde deshalb durch das Grundbuchamt zu Recht als nicht möglich angesehen, so dass es bei der Notwendigkeit der Bewilligung der Erben in der Form des § 29 GBO sowie des Erbnachweises verbleibt.
Zwar ist die Löschungsbewilligung unter VI Nr…. der zum Vollzug beantragten Urkunde vom …2010 durch die Antragsteller zu 1) und 2) erklärt worden. Der Nachweis, dass es sich bei ihnen um die alleinigen Erben der eingetragenen Berechtigten handelt, ist aber durch den Ehe- und Erbvertrag vom …1956 und das Eröffnungsprotokoll vom 18.02.2010 noch nicht geführt. Auch die bisher nur angekündigte eidesstattliche Versicherung der Antragsteller, dass sie nach dem Tod ihres Vaters nicht den Pflichtteil verlangt haben, wäre nicht ausreichend zum Nachweis ihrer Erbenstellung.
Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO ist der Nachweis der Erbfolge gegenüber dem Grundbuchamt grundsätzlich durch einen Erbschein zu führen. Beruht jedoch die Erbfolge auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, so genügt die Vorlage dieser Urkunde und der Eröffnungsniederschrift, wobei die Vorlegung ersetzt werden kann durch die Verweisung auf die die Urkunden enthaltenden Akten desselben Amtsgerichts (Demharter: GBO, 27. Aufl., § 35 Rdnr. 45 m.w.H. ). Bei Vorliegen einer in öffentlicher Urkunde errichteten Verfügung von Todes wegen kann das Grundbuchamt nur einen Erbschein verlangen, wenn sich bei der Prüfung des Erbrechts begründete (konkrete) Zweifel ergeben, die nur durch weitere Ermittlungen über den tatsächlichen Willen des Erblassers oder sonstige tatsächliche Verhältnisse geklärt werden können, denn zu solchen Ermittlungen ist das Grundbuchamt nicht befugt (BayObLG Rpfleger 2000, 266; OLG Köln Rpfleger 2000, 157; Senat, Beschl. v. 30.11.2004 -20 W 223/2004 -; Demharter: GBO, 27. Aufl., § 35, Rdnr. 39; Schöner/Stöber: Grundbuchrecht, 14. Aufl., Rdnr. 788; Schaub in Bauer/von Oefele: Grundbuchordnung, 2. Aufl., § 35, Rdnr. 126, 137; Meikel/Roth: Grundbuchrecht, 10. Aufl., § 35, Rdnr. 110).
Vorliegend haben sich die Antragsteller auf den Ehe- und Erbvertrag der Eheleute A vom …1956 samt Eröffnungsprotokoll vom 18.02.2010 zur Behebung der Zwischenverfügung vom 02.08.2010 gestützt. Zwar könnte durch eidesstattliche Versicherung der Nachweis erbracht werden, dass aus der Ehe der Erbvertragsparteien keine weiteren Kinder als die im Testament namentlich aufgeführten hervorgegangen sind. In Rechtsprechung und Literatur wird ganz überwiegend die Auffassung vertreten, dass bei Erbeinsetzung der Kinder eines Erblassers in einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, der Nachweis, dass keine oder keine weiteren als die bekannten Kinder aus der Ehe des Erblassers hervorgegangen sind, durch eine in der Form des § 29 GBO abgegebene eidesstattliche Versicherung der Ehefrau des Erblassers bzw. nach deren Tod eines Kindes, dass es das einzige Kind ist, geführt werden kann, sofern sich voraussichtlich auch das Nachlassgericht mit einer solchen eidesstattlichen Versicherung begnügen müsste (Senat Rpfleger 1980, 434; Oberlandesgericht Schleswig FGPrax 1999, 206 bei Schlusserbeneinsetzung der gemeinsamen Abkömmlinge; BayObLG Rpfleger 2000, 451; Oberlandesgericht Düsseldorf Rpfleger 2010, 321; Demharter, aaO., § 35, Rdnr. 40; Schaub in Bauer/von Oefele, aaO., § 35, Rdnr. 138; Hügel: Grundbuchordnung, 2. Aufl., § 35, Rdnr. 117; Schöner/Stöber: aaO., Rdnr. 790; a. A. Meikel/Roth: Grundbuchrecht, 10. Aufl., § 35, Rdnr. 120).
Aufgrund der in dem Erbvertrag weiter enthaltenen Anordnung, dass jedes Kind auch aus dem Nachlass des zuletzt Versterbenden nur seinen Pflichtteil erhalten soll, wenn es mit den Bestimmungen dieses Erbvertrages nicht einverstanden ist, den Vertrag anficht oder aus dem Nachlass des zuerst Versterbenden seinen Pflichtteil verlangt, steht die Erbeinsetzung der Antragsteller unter der (auflösenden) Bedingung, dass sie nach dem Tod ihres Vaters sich nicht gegen den Erbvertrag gewendet, ihn insbesondere nicht angefochten haben und keine Pflichtteilsansprüche gegen ihre Mutter geltend gemacht haben. Denn die getroffene Anordnung ist als “Strafklausel” dahin auszulegen, dass das sanktionierte Verhalten beim Tod des Erstversterbenden den Verlust des Erbrechts beim Tod des Überlebenden bewirkt. Der Abkömmling ist Schlusserbe nur unter der Bedingung, dass er das sanktionierte Verhalten unterlassen hat, wobei die Strafklausel in der Regel unter § 2075 BGB fällt (Palandt/Weidlich: BGB, 70. Aufl., § 2269 Rdnr. 13, § 2075 Rdnr. 6). Damit ist die Tatsache des Nichtverlangens des Pflichtteils nach dem Erstverstorbenen Wirksamkeitsvoraussetzung für die Erbeinsetzung und damit für die Grundbuchberichtigung. Auch diese Tatsache muss deshalb entsprechend dem im Grundbuchverfahren geltenden Grundsatz der Beweismittelbeschränkung durch eine öffentliche Urkunde, gemäß § 35 Abs.1 Satz 1 GBO (als lex specialis zu § 29 GBO) grundsätzlich durch einen Erbschein nachgewiesen werden. Zwar ist in Rechtsprechung und Lehre weitgehend anerkannt, dass zum Nachweis der Erbfolge im Fall des § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO auch andere öffentliche Urkunden, insbesondere Personenstandsurkunden, herangezogen werden können und müssen (vgl. Zitate in dem Beschluss des BayObLG vom 08.06.2000, DNotZ 2001, 385, 386). Wie der Senat bereits in seinen Beschlüssen vom 18.11.1993 – 20 W 158/93 – (Rpfleger 1994, 206) und 03.07.2001 (20 W 153/2001) für eine gleichgelagerte Fallgestaltung ausgeführt ist, besagt auch die Annahme zugunsten der Antragsteller, es könne eine in öffentlicher Urkunde abgegebene eidesstattliche Versicherung entsprechend § 2356 Abs. 2 BGB als Beweismittel im Grundbuchverfahren Verwendung finden, noch nichts darüber, ob das Grundbuchamt bzw. das an seine Stelle tretende Beschwerdegericht alsdann den Nachweis der Erbfolge als erbracht anzusehen habe (OLG Zweibrücken DNotZ 1986, 240, 242). Vielmehr greifen dann die allgemeinen Grundsätze ein, nach denen das Grundbuchamt die Vorlegung eines Erbscheins stets verlangen kann, sofern Zweifel hinsichtlich der Erbfolge verbleiben, die nur durch weitere Ermittlungen tatsächlicher Art geklärt werden können, dass aber andererseits bloß abstrakte Möglichkeiten, die das Erbrecht in Frage stellen können, das Verlangen nach Vorlage eines Erbscheins nicht zu rechtfertigen vermögen ( Demharter, aaO., § 35 Rdnr. 39).
Vorliegend würde der Senat auch gegenüber dem Notar abgegebene eidesstattlichen Versicherungen, wonach keiner der Antragsteller nach dem Tod ihres Vaters den Pflichtteil verlangt habe und keinem etwas der Richtigkeit ihrer Angaben Entgegenstehendes bekannt sei, aufgrund der unzweifelhaft bestehenden Interessenlage der Antragsteller und dem damit verbundenen verminderten Beweiswert nicht für ausreichend erachten zum Nachweis der Nichtgeltendmachung des Pflichtteils nach dem vorverstorbenen Vater der Antragsteller. Der Verlust der Schlusserbenstellung ist nach dem Ehe- und Erbvertrag vom …1956 nicht allein an das Pflichtteilverlangen geknüpft, sondern sollte auch bei einer Anfechtung oder dem bloßen Nichteinverständnis mit dem Vertrag eintreten. Bei diesen Bedingungen handelt es sich um komplexe Umstände, die auch mit einer rechtlichen Würdigung verbunden sind, und deshalb dem Beweis nur durch eine eidesstattliche Versicherung schwer zugänglich sind, insbesondere wenn es sich bei den Versichernden um nicht rechtlich versierte Laien handelt.
Es gibt es auch keinen Erfahrungssatz, dass der Pflichtteil in Fällen wie dem hier vorliegenden nicht verlangt würde (so schon der Senat in seinem zitierten Beschluss vom 18.11.1993 im Anschluss an Böhringer: BWNotZ 1988, 155, 157 und Preißinger: Rechtspfleger 1992, 427, 429; Oberlandesgericht Köln Rpfleger 2010, 263). Soweit die gegenteilige Ansicht damit begründet wird, dass ein unter auflösender Bedingung eingesetzter Schlusserbe sich regelmäßig nicht selbst schädigen wird durch das Verlangen des Pflichtteils nach dem Erstversterbenden (vgl. Kuntze/Ertl/Herrmann/Eickmann: Grundbuchrecht, 6. Aufl., § 35 Rdnr. 70 mit Fußnote 175) steht dem entgegen, dass die wirtschaftlichen und persönlichen Lebensumstände von Schlusserben zu vielgestaltig sind, um einen derartigen Erfahrungssatz zu rechtfertigen. Schon wirtschaftliche Zwänge können die Geltendmachung des Pflichtteils erzwingen, ebenso wie das persönliche Verhältnis zu dem Vollerben die Entscheidung des Schlusserben beeinflussen kann.
Schließlich führt das Argument, das der Entscheidung des Oberlandesgericht Hamm vom 08.02.2011 – 15 W 27/11 – (zitiert nach juris) zu Grund liegt, bei der vorliegenden Fallgestaltung könne auch das Nachlassgericht nur auf der Grundlage der eidesstattlichen Versicherungen der Antragsteller über die Erbscheinserteilung entscheiden, zu keiner anderen Beurteilung.
Zum einen kann dieses Argument zu keiner anderen Beweiswürdigung im Grundbuchverfahren führen. Zum anderen trifft dieses Argument nicht zu. Während das Grundbuchamt und an seiner Stelle der Beschwerdesenat wegen der im Grundbuchverfahren geltenden Beweismittelbeschränkung gehindert ist, tatsächliche Ermittlungen darüber anzustellen, ob die Antragsteller nach dem Tod ihres Vaters keine Pflichtteilsansprüche gestellt haben, gilt dies für das Nachlassverfahren nicht. Dort könnte das Nachlassgericht bei verbleibenden Zweifeln nach Würdigung der eidesstattlichen Versicherung der Antragsteller, sei es aufgrund eigener Ermittlungen von Amts wegen oder nach weiterem Tatsachenvortrag der Antragsteller mittels Glaubhaftmachung durch unbeteiligte Dritte zu einem anderen Beweisergebnis gelangen.
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass im Falle eines Verstoßes eines Antragstellers oder beider Antragsteller gegen die Verwirkungsklausel sich die Frage der hieraus sich ergebenden Rechtsfolgen stellt, also ob Ersatzerbschaft oder Anwachsung gilt (s. hierzu Wacke DNotZ 1990, 403). Dies könnte nicht unerhebliche Auswirkungen auf den Kreis der anzuhörenden Beteiligten haben. Derartige Amtsermittlungen können aber im Grundbuchverfahren nicht erfolgen.
Auch unter Berücksichtigung des Interesses der Antragsteller an der Kostengeringhaltung erscheint es deshalb sachgerecht, die Erbeinsetzung der Antragsteller bzw. die tatsächlichen Voraussetzungen für den Eintritt einer auflösenden Bedingung von dem dafür zuständigen Gericht und in der dafür anzuwendenden Verfahrensart klären zu lassen.
Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Gerichtskosten folgt aus § 131 Abs. 1, Nr. 1 KostO.
Über die Erstattung außergerichtlicher Kosten war mangels Beteiligter mit einem entgegengesetzten Verfahrensziel nicht zu entscheiden.
Die Festsetzung des Geschäftwertes des Beschwerdeverfahrens beruht auf §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 2 KostO. Danach waren die geschätzten Kosten für den Erbschein zugrunde zu legen, da für den Geschäftswert einer Beschwerde gegen eine Zwischenverfügung die für die Beseitigung des Hindernisses zu überwindende Schwierigkeit, hier also die Erbscheinsbeschaffung, maßgeblich ist (vgl. Demharter: GBO, 27. Aufl., § 77 Rnr. 37).
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 78 Abs. 2 Nr. 1 und 2 GBO zuzulassen, da die hier entscheidungserhebliche Fragen der Auswirkungen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum „Aufladen“ einer Vormerkung auf deren spätere Löschung wie auch der Nachweis der Erbfolge bei notariellem Ehegattentestament mit Pflichtteilsklausel grundsätzliche Bedeutung haben und der Bundesgerichtshof darüber – soweit hier ersichtlich – bisher noch nicht entschieden hat.

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