Zulässigkeit der Eintragung eines Nacherbenvermerks ohne Eintragung des Vorerben

März 7, 2020

Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10. Juli 2019 – 12 Wx 28/19
Grundbuchsache: Zulässigkeit der Eintragung eines Nacherbenvermerks ohne Eintragung des Vorerben; Voraussetzung für den Antrag des Nacherben auf Eintragung des Vorerben
Leitsatz
1. Die Eintragung eines Nacherbenvermerks in das Grundbuch ohne Eintragung des Vorerben ist unzulässig.
2. Der Nacherbe kann die Eintragung des Vorerben erst beantragen, wenn er einen Titel über einen Anspruch auf Grundbuchberichtigung durch Eintragung des Vorerben erlangt hat.

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Wittenberg – Grundbuchamt – vom 23. Mai 2019 wird zurückgewiesen.
Der Beteiligte zu 1) trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 60.000,00 €.
Gründe
I.
Als Eigentümer des im Erbbaugrundbuch von W. Blatt … verzeichneten Grundbesitzes sind He. H. und G. H. je zur Hälfte eingetragen.
He. H. hatte drei Kinder, ihre Tochter (Beteiligte zu 3), R. H. und Hm. H. . Die Beteiligte zu 3) und ihre Mutter He. H. haben im Rahmen des von Notar R. in W. am 1. März 2007 beurkundeten Erbvertrages u.a. in Ziffer II folgendes geregelt:

“Erbeinsetzung
Ich setze hiermit meine Kinder S. und R. zu gleichen Teilen zum nicht befreiten Vorerben ein.
Zum Nacherben bestimme ich meinen Sohn Hm. .
Die Nacherbfolge tritt ein mit dem Tode des Vorerben.
Stirbt der Nacherbe vor dem Eintritt des Nacherbfalls oder wird er aus einem sonstigen Grund nicht Nacherbe, so treten seine Abkömmlinge entsprechend den Regeln über die gesetzliche Erbfolge an seine Stelle.
Das Anwartschaftsrecht des Nacherben ist weder vererblich noch übertragbar.”
Hm. H. verstarb am 28. Januar 2016, nach ihm starb auch seine Mutter He. H. am 18. November 2016.
Der Beteiligte zu 1), Sohn des Hm. H., hat mit Schreiben vom 5. Februar 2019 die Eintragung eines Nacherbenvermerks in das o.g. Erbbaugrundbuch beantragt. Mit Zwischenverfügung vom 2. April 2019 hat das Grundbuchamt den Beteiligten zu 1) darauf hingewiesen, dass der Eintragung ein Hindernis entgegenstehe, zu dessen formgerechter Behebung eine Frist von sechs Wochen gesetzt werde. Da Hm. H. vor der Großmutter des Beteiligten zu 1) verstorben sei, sei die Anordnung der Nacherbfolge hinfällig. Weitere Nacherben seien für diese Konstellation nicht bestellt. Die Ersatzerbeinsetzung im Erbvertrag betreffe den Fall, dass der Nacherbe vor dem Eintritt des Nacherbfalls, aber nach dem Eintritt des Erbfalls stirbt. Ein eventuell vererbliches Anwartschaftsrecht sei ebenfalls nicht entstanden. Hiergegen hat der Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz vom 11. April 2019 Beschwerde eingelegt mit der Begründung, dass er durch den Erbvertrag als Nacherbe eingesetzt sei und daher Anspruch auf Eintragung des Nacherbenvermerks habe. Bereits die Auslegung des Wortlauts des Erbvertrages ergebe, dass nach dem Willen der Erblasserin in jedem Fall auch bei Vorversterben des Nacherben vor dem Erbfall dessen Abkömmlinge an dessen Stelle als Nacherben treten. Die Auslegung des Grundbuchamts treffe nicht zu. Jene Formulierung stelle eine Ersatznacherbeneinsetzung zu Gunsten der Abkömmlinge gemäß §§ 2096, 2069 BGB dar, sei kein Fall einer Regelung der Nichtvererblichkeit des Nacherbrechts nach § 2108 Abs. 2 BGB.
Anstatt über die Nichtabhilfe zu entscheiden und das Verfahren dem Beschwerdegericht vorzulegen, hat das Grundbuchamt durch Beschluss vom 23. Mai 2019 den Antrag auf Eintragung eines Nacherbenvermerks unter Wiederholung der Begründung aus dem Beschluss vom 2. April 2019 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz vom 4. Juni 2019 abermals Beschwerde eingelegt unter Wiederholung seiner Begründung aus der Beschwerdeschrift vom 11. April 2019. Das Grundbuchamt hat der Beschwerde durch Beschluss vom 6. Juni 2019 nicht abgeholfen und das Verfahren dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist nach § 71 Abs. 1 GBO statthaft und auch im Übrigen zulässig, in der Sache aber unbegründet.
Nur im Ergebnis zu Recht hat das Grundbuchamt von der begehrten Eintragung eines Nacherbenvermerks abgesehen. Eine Eintragung des Nacherbenrechts ohne Eintragung des Vorerben ist nämlich unzulässig (z. B. Böhringer, in: Meikel, GBO, 11. Aufl., Rdn. 88 zu § 51 GBO; Demharter, GBO 31. Aufl., Rdn. 19 zu § 51 GBO; Munzig, in Keller/Munzig, Grundbuchrecht, 8. Aufl., Rdn. 20 zu § 51 GBO; Imre, in: Kroiß/Horn/Solomon, Nachfolgerecht, 2. Aufl., Rdn. 16 zu § 51 GBO; Egerland, in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, 3. Aufl., Rdn. 7 zu § 51 GBO; Böttcher, in: Lemke, Immobilienrecht, 2. Aufl., Rdn. 11 zu § 51 GBO). Nur die Eintragung des Vorerben hat notwendig die Eintragung eines Nacherbenvermerks zur Folge, gleichgültig, ob der Vorerbe auf eigenen Antrag oder auf Antrag eines Dritten (z. B. Nachlasspfleger, Testamentsvollstrecker oder Nachlassgläubiger) oder auf Grund des Ersuchens einer Behörde oder von Amts wegen eingetragen worden ist. Der Nacherbe hat dabei keinen unmittelbaren Grundbuchberichtigungsanspruch im Sinne von § 894 BGB auf Eintragung des Vorerben. Er kann daher die Eintragung des Vorerben erst beantragen und damit die Eintragung des Nacherbenvermerks nur erreichen, wenn er einen Titel über seinen Anspruch im Sinne von § 895 BGB auf Grundbuchberichtigung durch Eintragung des Vorerben erlangt hat (z. B. Böhringer, a.a.O., Rdn. 84 f. zu § 51 GBO; Egerland, a.a.O., Rdn. 7 zu § 51 GBO; Böttcher, a.a.O., Rdn. 11 zu § 51 GBO).
Im vorliegenden Fall ist die Eintragung eines Nacherbenvermerks vorerst ausgeschlossen, denn die Vorerben, die Beteiligten zu 2) und 3), sind bislang noch nicht in das Grundbuch eingetragen worden. Ebenso wenig hat der Beteiligte zu 1) einen gerichtlichen Titel eingereicht, der auf die Berichtigung des Grundbuchs durch Eintragung der Beteiligten zu 2) und 3) gerichtet ist.
Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass der Beteiligte zu 1) auf der Grundlage des Erbvertrags vom 1. März 2007 durchaus zum Ersatznacherben bestimmt worden sein dürfte. Eine Einschränkung dergestalt, dass für den Fall, dass der Nacherbe bereits vor dem Erblasser stirbt, kein Ersatznacherbe eingesetzt sei, lässt sich dem Erbvertrag nicht entnehmen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 80, 84 FamFG. Den Beschwerdewert bestimmt der Senat gemäß §§ 79 Abs. 1, 61 Abs. 1, 36 Abs. 1 GNotKG nach dem angegebenen Wert des gegenständlichen Grundstücks.
Grimm Bode Dr. Fichtner

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