BFH, Beschluss vom 04.05.2011 – VII B 236/10

August 25, 2021

BFH, Beschluss vom 04.05.2011 – VII B 236/10

Tatbestand
I. Im Jahr 2002 meldeten die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) und ihr Ehemann (E) beim Handelsregister (HR) als Kauffrau und Kaufmann gemeinsam eine OHG zur Eintragung an. Zur Vertretung sollte jeder Gesellschafter allein befugt sein. In der Gewerbeanmeldung waren sowohl die Klägerin als auch E als Betriebsinhaber aufgeführt.

Nach von beiden Ehegatten vergeblich geführten Widerspruchsverfahren wurde das Gewerbe Ende 2005 abgemeldet. Über das Vermögen des E wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Die OHG wurde Mitte 2006 von Amts wegen im HR gelöscht.

Im Jahr 2008 nahm der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt –FA–) beide Eheleute gemäß § 191 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 128 des Handelsgesetzbuchs (HGB) für Umsatzsteuer 2003 bis 2005 zuzüglich Nebenleistungen in Haftung. Einspruch und Klage der Klägerin, die im Wesentlichen damit begründet waren, sie habe sich aufgrund der Ehe verpflichtet gesehen, an der Gründung der Gesellschaft mitzuwirken, jedoch für die OHG keinerlei Tätigkeit entwickelt, blieben ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) hielt den Haftungsbescheid dem Grunde nach für berechtigt, lediglich die darin erfassten Säumniszuschläge seien unzutreffend berechnet. Eine OHG, bestehend aus der Klägerin und ihrem Ehemann sei zur Entstehung gelangt und im Geschäftsverkehr aufgetreten, was zu Umsätzen und damit zu steuerlichen Verbindlichkeiten geführt habe, für die die Klägerin nach § 191 Abs. 1 AO i.V.m. § 128 HGB einzustehen habe. Danach hafte jeder Gesellschafter einer OHG verschuldensunabhängig für deren Verbindlichkeiten. Auf die Kenntnis der Klägerin von Art und Umfang der Geschäfte im Einzelnen komme es nicht an.

Gegen die Nichtzulassung der Revision hat die Klägerin Beschwerde eingelegt. Darin formuliert sie die Rechtsfrage, ob es für eine Haftung nach § 128 Satz 1 HGB i.V.m. § 191 Abs. 1 Satz 1 AO ausreiche, wenn ein Beteiligter nur an der Eintragung in das Handelsregister mitgewirkt, aber sonst keinerlei Unternehmeraktivitäten ausgeübt habe. Sie beruft sich auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9. Mai 2006 VII R 50/05 (BFHE 213, 194, BStBl II 2007, 600), in dem die Haftung trotz Vorliegens einer gemeinsamen Gewerbeanmeldung verneint worden sei.

Das FA tritt der Beschwerde entgegen.

Gründe
II. Die Beschwerde ist bei Zweifeln an der hinreichenden Darlegung eines Zulassungsgrundes jedenfalls unbegründet. Denn keiner der in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) abschließend genannten Zulassungsgründe liegt vor. Insbesondere ist die Rechtssache nicht von grundsätzlicher Bedeutung; die von der Klägerin formulierte Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass die Gesellschafter der OHG –auch einer zwischenzeitlich erloschenen OHG– für die von der Gesellschaft begründeten Verbindlichkeiten gemäß § 128 HGB unbeschränkt haften. Das gilt auch für die Verbindlichkeiten der OHG gegenüber dem FA, und zwar sowohl für Steuerschulden als auch für die Säumniszuschläge (vgl. schon BFH-Urteile vom 24. Februar 1987 VII R 4/84, BFHE 149, 125, BStBl II 1987, 363; vom 10. November 1994 V R 45/93, BFHE 176, 472, BStBl II 1995, 395; vom 28. Oktober 2008 VII R 32/07, BFH/NV 2009, 355).

Das FG hat die Gesellschafterstellung der Klägerin in der OHG bejaht. Mit der Eintragung ins HR ist die OHG mit Außenwirkung errichtet worden (§ 105 Abs. 2, § 123 Abs. 1 HGB). Nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) hat sich die Klägerin zusammen mit ihrem Ehemann als Gesellschafterin der OHG ins Handelsregister eintragen lassen (§ 106 Abs. 2 HGB). Die Klägerin ist auch bei der Gewerbeanmeldung und in den Einspruchsverfahren gegen die früher an sie gerichteten Haftungsbescheide als Gesellschafterin der OHG aufgetreten. Die darauf gründende rechtliche Würdigung des FG wäre schon deshalb auch in dem angestrebten Revisionsverfahren zugrunde zu legen.

Über die Rechtsstellung als Gesellschafterin hinaus ist die Mitwirkung an den Geschäften der OHG –im Sinne einer Mitunternehmerschaft– keine weitere Voraussetzung für die Haftung nach § 191 Abs. 1 AO i.V.m. § 128 HGB.

Aus den von der Klägerin zitierten Senatsurteilen in BFHE 213, 194, BStBl II 2007, 600 und BFH/NV 2009, 355 ergibt sich nichts anderes. Anders als im vorliegenden Rechtsstreit hatte das FG in jenen Streitfällen festgestellt, dass eine Gesellschaft zwischen der dortigen Klägerin und weiteren Gesellschaftern nicht bestanden hat. Der Senat hatte deshalb nur über die Haftung einer Scheingesellschafterin zu entscheiden. Nur diesen Fall betreffen die in der Beschwerde in Bezug genommenen Aussagen, dass allein die aktive Mitwirkung an der Gewerbeanmeldung bei im Übrigen bloß passivem Verhalten gegenüber dem FA nicht geeignet sei, einen Vertrauenstatbestand als Grundlage für eine haftungsrechtliche Inanspruchnahme zu schaffen.

Schlagworte

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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