BGH, Urteil vom 04. Juli 1988 – II ZR 312/87 Vorzeitige Abfindung des ausgeschiedenen BGB-Gesellschafters

April 4, 2019

BGH, Urteil vom 04. Juli 1988 – II ZR 312/87
Vorzeitige Abfindung des ausgeschiedenen BGB-Gesellschafters

vorgehend OLG Frankfurt, 22. September 1987, 14 U 246/85
vorgehend LG Fulda, 19. September 1985, 2 O 49/85

Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 14. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 22. September 1987 im Kostenpunkt sowie insoweit aufgehoben; als die Klage in Höhe von mehr als 274.644,15 DM abgewiesen worden ist.
Im Umfange der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Architekt. Am 28. Mai 1970 vereinbarte er mit dem Beklagten privatschriftlich, daß auf dessen Grundstücken ein Wohnhaus errichtet und in Eigentumswohnungen aufgeteilt werden sollte; an dem aus der Veräußerung dieser Wohnungen erzielten Erlös war der Kläger zur Hälfte zu beteiligen. Der Gesamtwert der vom Beklagten einzubringenden Grundstücke (insgesamt 4.000 qm) wurde mit 240.000 DM angegeben; der Kläger wiederum sollte 50.000 DM in bar, Architektenleistungen im Werte von 120.000 DM und die Übernahme einer Zinsverpflichtung des Beklagten in Höhe von 70.000 DM, insgesamt ebenfalls 240.000 DM einbringen. Der Beklagte blieb vereinbarungsgemäß Eigentümer der Grundstücke und trat nach außen als Bauherr auf.
Der Kläger zahlte dem Beklagten 50.000 DM und auf die Zinsverpflichtung 23.957,30 DM (so der Kläger) oder 23.402,23 DM (so der Beklagte); ferner erstattete der Kläger dem Beklagten einen Anteil für Baugenehmigungskosten in Höhe von 2.328,55 DM. Der Kläger fertigte Pläne zunächst für ein zehngeschossiges, dann für ein achtgeschossiges Wohnhaus, die jeweils Grundlage von – allerdings erfolglosen – Bauvoranfragen des Beklagten bei der Gemeinde wurden.
Nachdem der Beklagte 1975 und 1976 Teile des Grundbesitzes veräußert hatte, kamen die Parteien überein, auf der Restfläche anstatt Wohnungseigentum acht Reihenhäuser zu bauen und zu verkaufen. Der Kläger fertigte wiederum Pläne.
Das schließlich genehmigte Bauvorhaben wurde nicht verwirklicht. Mit Schreiben vom 17. September 1980 wies der Beklagte darauf hin, daß der Gesellschaftsvertrag mangels notarieller Beurkundung nichtig sei, und erklärte sinngemäß, daran nicht mehr festhalten zu wollen.
Der Kläger sah hierin einen Vertragsbruch und klagte auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung und Erstattung seiner Einlagen in Höhe von insgesamt 400.000 DM. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch in Höhe von 125.355,85 DM weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Zurückverweisung.
1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts haben die Parteien am 28. Mai 1970 eine Innengesellschaft zu dem Zweck gegründet, zunächst auf dem vom Beklagten dem Werte nach eingebrachten Grundbesitz Wohnungseigentum zu schaffen und dieses dann zu veräußern. Dieses Gesellschaftsverhältnis sei am 17. September 1980 durch die Kündigung des Beklagten aufgelöst worden. Da der Beklagte zur Kündigung berechtigt gewesen sei und diese auch nicht zur Unzeit ausgesprochen habe, entfalle eine Verpflichtung des Beklagten zum Schadensersatz. Der Kläger habe allenfalls einen Anspruch auf Auszahlung seines Abfindungsguthabens. Dieser Anspruch werde aber erst fällig, wenn für den Stichtag der Kündigung eine Abfindungsbilanz aufgestellt worden sei. Die Revision wendet sich nicht dagegen, daß dem Kläger ein Schadensersatzanspruch versagt worden ist; sie greift vielmehr die Ansicht des Berufungsgerichts an, wonach der Kläger vor Aufstellung einer Abfindungsbilanz keinen fälligen Anspruch auf die Abfindung habe. Hiermit hat sie Erfolg.
2. Es kann schon zweifelhaft sein, ob der Ansicht des Berufungsgerichts gefolgt werden kann, wonach die Abfindung erst fällig wird, wenn die Abfindungsbilanz festgestellt ist. Näher einzugehen ist auf diese Frage nicht. Denn das Berufungsgericht hat verkannt, daß es von dem Grundsatz, wonach die Abfindung erst aufgrund einer Gesamtabrechnung zu zahlen ist, Ausnahmen gibt.
Eine abgeschlossene Auseinandersetzungsrechnung ist grundsätzlich Voraussetzung einer Auszahlung, weil der Gesellschafter im Vorgriff von der Gesellschaft nichts soll verlangen können, was er ihr später möglicherweise zu erstatten hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann der Ausgeschiedene aber dann ausnahmsweise einen Einzelposten isoliert geltend machen, wenn aufgrund besonderer Umstände feststeht, daß er einen auf diese Weise erlangten Betrag keinesfalls zurückzahlen muß (vgl. BGHZ 37, 299, 305; Sen.Urt. v. 4. Juli 1968 – II ZR 47/68, WM 1968, 1086; v. 14. Februar 1969 – II ZR 137/67, WM 1969, 591; v. 1. April 1974 – II ZR 95/72, WM 1974, 749, 751; v. 3. Mai 1976 – II ZR 92/75, WM 1976, 790; v. 20. Oktober 1977 – II ZR 92/76, WM 1978, 89, 90; v. 5. Februar 1979 – II ZR 210/76, WM 1979, 937, 938; v. 9. März 1981 – II ZR 70/80, WM 981, 487). Dabei braucht der isoliert geltend gemachte Betrag der Höhe nach keineswegs festzustehen; das Gericht hat, falls erforderlich, die angetretenen Beweise zu erheben (vgl. Sen.Urt. v. 9. März 1981, a.a.O.).
Nach dem Vortrag des Klägers, von dem mangels gegenteiliger Feststellungen auszugehen ist, könnte jenem auch schon vor einer endgültigen Gesamtabrechnung der geltend gemachte Betrag wenigstens teilweise zustehen. Der Kläger hat unstreitig eine Bareinlage in Höhe von 50.000 DM und eine Tilgungsleistung in Höhe von 23.402,23 DM erbracht. Ob er am 5. Juni 1973 weitere 555,07 DM gezahlt hat, muß die Beweisaufnahme ergeben. Dasselbe gilt für die Architektenleistungen, von denen der Kläger behauptet, daß dieser Beitrag, als er ihn erbrachte, insgesamt 105.000 DM wert gewesen sei. Derartige Leistungen, die als Sacheinlage zu erbringen sind, sind nach dem Wert, den sie zur Zeit der Einbringung hatten, grundsätzlich zu erstatten (vgl. Sen.Urt. v. 26. November 1979 – II ZR 87/79, WM 1980, 402, 403).
Gegenzurechnen sind andererseits die Verluste der Gesellschaft. Ein solcher besteht in Höhe der Architektenleistungen. Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand muß davon ausgegangen werden, daß sie nachträglich wertlos geworden sind, weil die geplanten Bauvorhaben später nicht durchgeführt worden sind und eine anderweitige Verwertung der Architektenleistungen nicht möglich ist. Da die Parteien für den Fehlbetrag in dem Verhältnis aufkommen müssen, nach welchem sie den Verlust zu tragen haben, kann der Kläger vom Beklagten verlangen, daß er ihm den Wert, den die Architektenleistungen im Zeitpunkt der Einbringung hatten, zur Hälfte ausgleicht.
Weiterer Aufwand ist der Gesellschaft in Form von Baugenehmigungsgebühren in Höhe von insgesamt 6.860 DM entstanden, von denen der Kläger die Hälfte, mithin 3.430 DM zu tragen hat. Unstreitig gezahlt hat er 2.328,55 DM, so daß bei der Ermittlung der Abfindung weitere 1.101,45 DM zu seinen Lasten gehen.
Schließlich hatte die Gesellschaft oder der Beklagte noch dadurch zusätzliche Aufwendungen, daß der Kläger Tilgungsleistungen, die er ab 1. Dezember 1970 in Höhe von 2.275 DM halbjährlich zu erbringen hatte, verspätet und teilweise überhaupt nicht erbrachte. Soweit dadurch zusätzliche Zinsbelastungen und sonstige Unkosten entstanden sind, ist der Kläger der Gesellschaft – sollte der Beklagte, was naheliegt, anstelle des Klägers gezahlt haben, diesem – ersatzpflichtig, falls er die Schäden verschuldet hat. Dieser zusätzliche Aufwand ginge insgesamt – und nicht nur zur Hälfte – zu Lasten des Klägers.
Anhaltspunkte für eine weitere Kürzung bestehen nicht; der vom Beklagten dem Werte nach eingebrachte Grundbesitz ist seit 1970 unstreitig im Wert gestiegen.
3. Der Kläger hat das Berufungsurteil nur in einem Umfange angefochten, der der Höhe der Bareinlage (50.000 DM), der Tilgungsleistungen (23.957,30 DM) und der Hälfte der Sacheinlagen (52.500 DM) unter Gegenrechnung des Anteils an den Baugenehmigungsgebühren (1.101,45 DM) entspricht, also in Höhe von insgesamt 125.355,85 DM.
Der Beklagte hat die durch den Zahlungsverzug des Klägers entstandenen zusätzlichen Zinsen bereits beziffert; sollte der Verzug zusätzliche Kosten verursacht haben, hat er anläßlich der erneuten Verhandlung Gelegenheit, seinen Vortrag zu ergänzen, so daß über die Ersatzverpflichtung des Klägers und über die Höhe der Abfindung abschließend entschieden werden kann, die dem Kläger mindestens zusteht.
Damit das Berufungsgericht die erforderlichen Feststellungen nachholen kann, wird die Sache zurückverwiesen.

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