BGH, Urteil vom 08. Mai 2000 – II ZR 302/98

September 16, 2020

BGH, Urteil vom 08. Mai 2000 – II ZR 302/98

Auskunftsanspruch eines aus einer BGB-Gesellschaft ausgeschiedenen Gesellschafters zur Berechnung eines Abfindungsanspruchs

Zu den Voraussetzungen eines Auskunftsanspruchs, den ein aus einer BGB-Gesellschaft ausgeschiedener Gesellschafter zur Berechnung eines vertraglichen Abfindungsanspruchs gegenüber einem seiner früheren Mitgesellschafter geltend macht, nachdem dieser ebenfalls aus der Gesellschaft ausgeschieden ist.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 23. September 1998 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers anläßlich seines Ausscheidens aus einer als Gesellschaft bürgerlichen Rechts zum 1. August 1990 gegründeten Rechtsanwalts-, Steuerberater- und Wirtschaftsprüfersozietät.

Der Kläger schied zum 28. Februar 1991 aus der Sozietät aus. Seine Klage hat er gegen die seinerzeit verbliebenen vier Gesellschafter gerichtet. Er hat sie gesamtschuldnerisch im Wege der Stufenklage auf Überlassung von Abschriften der steuerlichen Jahresabschlüsse der Sozietät für 1991, 1992, 1993, 1994 und 1995, bestehend aus den testierten Gewinnermittlungen gemäß § 4 Abs. 3 EStG, sowie Zahlung der ihm zustehenden Quote von einem Sechzehntel der sich aus den Abschlüssen jeweils ergebenden Gewinne in Anspruch genommen. Außerdem hat er für verschiedene Aufwendungen Ersatz in Höhe von insgesamt 58.476,01 DM gefordert. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Im Berufungsverfahren hat sich der Kläger mit den früheren Beklagten zu 1-3 verglichen. Das Berufungsgericht hat den verbliebenen Beklagten, den früheren Beklagten zu 4, – er hatte der Sozietät bis November 1993 angehört – verurteilt, dem Kläger die verlangten Abschriften der Jahresabschlüsse zu übergeben, und den Rechtsstreit im übrigen an das Landgericht zurückverwiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Beklagten.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet und führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dem Kläger stehe ein vertraglicher Abfindungsanspruch nach § 12 Abs. 8 des Partnerschaftsvertrages zu. Gegen die Wirksamkeit dieser Bestimmung bestünden ebensowenig Bedenken wie gegen ihre Anwendbarkeit im Falle des Klägers. Da der Kläger den Abfindungsanspruch nicht ohne Kenntnis der testierten Gewinne beziffern könne, sei die Stufenklage zulässig. Das Auskunftsverlangen sei begründet, weil die Sozietät nach § 12 Abs. 8 S. 2 des Partnerschaftsvertrages zur Rechnungslegung verpflichtet sei und der Beklagte für den vor seinem Ausscheiden entstandenen Abfindungsanspruch des Klägers hafte. In entsprechender Anwendung von § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO sei die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen. Letzteres gelte auch für den bezifferten Klageanspruch, weil dem Kläger bislang keine Gelegenheit zur eventuellen Ergänzung seines diesbezüglichen Vorbringens gegeben worden sei.

Das hält revisionsrechtlicher Prüfung im Ergebnis nicht stand. Die Feststellungen des Berufungsgerichts reichen zur Verurteilung des Beklagten nicht aus. Die Zurückverweisung des Verfahrens an das Landgericht hinsichtlich des bezifferten Klageantrags ist rechtsfehlerhaft.

II. Der absolute Revisionsgrund des § 551 Nr. 1 ZPO liegt entgegen der Ansicht der Revision nicht vor. Das Berufungsgericht durfte in der Besetzung mit einer Richterin am Oberlandesgericht und zwei abgeordneten Richtern entscheiden. Die Beschränkung des § 29 S. 1 DRiG, wonach an einer Entscheidung nicht mehr als ein abgeordneter Richter mitwirken darf, fand gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 RpflAnpG in der Fassung des 2. ÄnderungsG vom 20. Dezember 1996 in den neuen Bundesländern bis zum 31. Dezember 1999 keine Anwendung.

III. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Verurteilung des Beklagten, dem Kläger Abschriften der Jahresabschlüsse der Sozietät für die Zeit von 1991 bis 1995 auszuhändigen.

1. Zwar ist der Ausgangspunkt der Überlegungen des Berufungsgerichts, dem Kläger könne ein Abfindungsanspruch nach § 12 Abs. 8 des Partnerschaftsvertrages zustehen, nicht zu beanstanden. Die Beurteilung der Wirksamkeit und der Anwendbarkeit dieser Vertragsbestimmung auf den Kläger durch das Berufungsgericht läßt keinen Rechtsfehler erkennen.

a) Für die Auffassung der Revision, die Regelung gelte nur für die in den Absätzen 1-4 des § 12 genannten Ausscheidensfälle, sie könne auf den hier gegebenen Fall eines Ausscheidens auf Grund konkludent geschlossenen Aufhebungsvertrages nicht angewendet werden, fehlt es an überzeugenden Gründen; allein die systematische Stellung der Vorschrift genügt insoweit nicht. Da der Abfindungsanspruch nach dem Wortlaut der Bestimmung lediglich ein Ausscheiden voraussetzt, das nicht aus einem von dem Ausscheidenden zu vertretenden wichtigen Grund erfolgt ist – ein solcher liegt auch nach Ansicht der Revision nicht vor -, ist die vom Berufungsgericht vorgenommene, zur Anwendbarkeit führende Auslegung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

b) Gegen einen Abfindungsanspruch des Klägers nach § 12 Abs. 8 des Vertrages spricht, anders als die Revision annimmt, auch nicht, daß die Mitgliedschaft in der Sozietät gemäß § 12 Abs. 1 bis zum 31. Dezember 1992 – abgesehen von der Möglichkeit einer Kündigung aus wichtigem Grund – unkündbar war. Denn wegen der Regelung unter § 12 Abs. 10, wonach die Vertragspartner sich verpflichteten, bis zum 31. Juli 1992 eine andere angemessene Ausgleichsregelung unter Berücksichtigung eines etwaigen Praxiswerts zu treffen, ist anzunehmen, daß § 12 Abs. 8 jedenfalls für bis dahin eintretende Ausscheidensfälle gedacht war. Da sich die Vertragsschließenden danach auch ersichtlich dessen bewußt waren, daß ein Praxiswert erst nach einer gewissen Zeit der Zusammenarbeit vorhanden sein würde, steht der Annahme eines Abfindungsanspruchs des Klägers auch nicht entgegen, daß bei seinem Ausscheiden ein Praxiswert, der üblicherweise Anlaß für die Abfindungszahlung an einen ausscheidenden Gesellschafter ist, noch nicht gebildet gewesen sein dürfte.

2. Es ist nicht ersichtlich, daß der Kläger auf eine Abfindung ausdrücklich oder stillschweigend verzichtet hätte. Die Revision zeigt nicht auf, weshalb dem vom Berufungsgericht festgestellten Verhalten des Klägers eine solche zusätzliche Bedeutung zugemessen werden müßte.

3. Mit Recht geht das Berufungsgericht davon aus, daß der Kläger der fünf Jahresabschlüsse bedarf, um seinen Abfindungsanspruch beziffern zu können, der sich nach § 12 Abs. 8 auf ein Viertel der ihm bei seinem Ausscheiden zustehenden Gewinnquote auf die Dauer von fünf Jahren beläuft. Entgegen der Revision besteht keine Veranlassung zu der Annahme, die dem Kläger in erster Instanz zuteil gewordenen Informationen reichten hierzu bereits aus. Der Kläger hat die erhaltenen Auskünfte stets als unzureichend bezeichnet, ohne daß ihm diese Behauptung widerlegt worden wäre. Er hat die Informationen zwar zur Berechnung eines Zahlungsanspruchs verwendet, aber dabei auf einen Praxiswert abgestellt, den er aus den ihm zugänglichen Unterlagen ermittelt hatte. Ein ausreichender Anhalt dafür, daß ihm die für den Anspruch nach § 12 Abs. 8 maßgeblichen Gewinne der Sozietät bekannt seien, fehlt. 4. Für den sonach vom Berufungsgericht zutreffend angenommenen Auskunftsanspruch des Klägers ist der Beklagte als bei Ausscheiden des Klägers in der Sozietät verbliebener Gesellschafter passiv legitimiert. Seine entsprechende Verurteilung durch das Berufungsgericht kann aber deshalb keinen Bestand haben, weil ungeklärt ist, ob bzw. wieweit er dem Kläger Abschriften der fraglichen Jahresabschlüsse verschaffen kann.

Es mag davon auszugehen sein, daß der Beklagte über die Abschlüsse für 1991 und 1992 verfügt, weil er bis November 1993 Mitglied der Sozietät war und an sich anzunehmen ist, daß er die Abschlüsse für die Zeit bis zu seinem Ausscheiden erhalten hat. Feststellungen des Berufungsgerichts insoweit liegen jedoch nicht vor. Für die Abschlüsse der Jahre 1993 bis 1995 ist völlig offen, ob der Beklagte über sie verfügt. Der Vortrag des Klägers enthält hierzu keine näheren Angaben. Der Beklagte hat zwar seinerseits nach seinem Ausscheiden aus der Sozietät eine Abfindung erhalten. Feststellungen über ihre Höhe und die Art, wie sie berechnet wurde, fehlen aber. Allein die Tatsache, daß eine Abfindung gezahlt wurde, rechtfertigt weder die Annahme, diese müsse nach § 12 Abs. 8 des Partnerschaftsvertrages auf Grund der jährlichen Gewinne der Gesellschaft berechnet worden sein, noch den weiteren Schluß, daß der Beklagte daher Kenntnis von den für die Abfindung des Klägers maßgebenden Gewinnen der Sozietät in der Zeit von 1993 bis 1995 haben müsse. Dies gilt um so mehr, als es nach dem unstreitigen Sachvortrag beider Parteien zwischen dem Beklagten und den übrigen Gesellschaftern nach dem Ausscheiden des Beklagten aus der Sozietät zu gerichtlich ausgetragenen Streitigkeiten über die Herausgabe von Buchhaltungsunterlagen durch den Beklagten kam. Derartige Unstimmigkeiten führen nach der Lebenserfahrung eher zu pauschaler Abgeltung offener Ansprüche als zu ihrer genauen Abrechnung nach den eigentlich vereinbarten Kriterien.

Unter diesen Umständen kann auch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß der Beklagte gegenüber den anderen Gesellschaftern seinerseits einen Auskunftsanspruch hat, mit dessen Hilfe er sich die für die Auskunft an den Kläger notwendigen Informationen über die Gewinne der Gesellschaft verschaffen könnte. Über das Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten und den außer ihm bei Ausscheiden des Klägers vorhandenen Gesellschaftern enthält das Berufungsurteil keinerlei Feststellungen. Der Beklagte hat sich darauf berufen, daß seine Versuche zur Kontaktaufnahme von den anderen Gesellschaftern stets abgeblockt worden seien.

IV. Das Berufungsgericht durfte das Verfahren über den bezifferten Zahlungsanspruch des Klägers, wie die Revision zu Recht rügt, nicht an das Landgericht zurückverweisen, ohne seinerseits eine Entscheidung über den Grund der geltend gemachten Forderungen getroffen zu haben. Nach zutreffender allgemeiner Ansicht ist § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO dahin auszulegen, daß das Berufungsgericht bei Abweisung einer nach Grund und Betrag streitigen Forderung durch die Vorinstanz die Verhandlung über den Grund vollständig erledigen muß und eine Zurückverweisung nur wegen des Betrages vornehmen darf (vgl. BGHZ 71, 226, 231 f.; BGH, NJW 1991,1893; Zöller/Gummer, ZPO 21. Aufl. § 538 Rdn. 17).

V. Die erforderliche Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, hinsichtlich des Auskunftsbegehrens des Klägers fehlende Feststellungen nachzuholen und in bezug auf den bezifferten Klageantrag zumindest über den Grund der erhobenen Ansprüche zu entscheiden.

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

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