FG Münster, Urteil vom 20.12.2016 – 8 K 1686/13 GrE

August 29, 2020

FG Münster, Urteil vom 20.12.2016 – 8 K 1686/13 GrE
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand

Streitig ist, ob ein Rechtsgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) vorliegt.

Anfang 2007 waren die Söhne des Klägers (B. und C. Q.) als Kommanditisten mit jeweils 45 % an der G. GmbH & Co. KG beteiligt. Weiterer Kommanditist war der Kläger mit einem Kommanditanteil von 10 %. Komplementärin war die H. GmbH, deren Alleingesellschafter der Kläger war und die am Gesellschaftsvermögen nicht beteiligt war. Die G. GmbH & Co. KG war ihrerseits mit einem Anteil von 25 % Kommanditistin der R. GmbH & Co. KG, die über Grundbesitz verfügte. Weiterer Kommanditist war der Kläger mit einer Kommanditbeteiligung von 75 %; diese hatte er im Jahr 2003 von ausscheidenden Kommanditisten erworben. Zuvor war er mit einem Anteil von 0,44 % beteiligt, den er auf die G. GmbH & Co. KG übertrug, die bereits 24,56 % der Anteile hielt. Komplementärinnen waren die S.-Gesellschaft mbH und die T.-GmbH, deren Alleingesellschafter der Kläger war und die am Gesellschaftsvermögen nicht beteiligt waren.

Der Kläger hatte seinen Söhnen die Kommanditanteile an der G. GmbH & Co. KG in Höhe von jeweils … DM (jeweils 45 %) im Jahr 1995 unter Nießbrauchsvorbehalt geschenkt. Dabei hatte er sich das Recht vorbehalten, die Schenkungen “jederzeit, ohne Angabe von Gründen zu widerrufen und die Rückübertragung des geschenkten Gegenstandes an sich zu verlangen”. Auf die notarielle Urkunde vom 21.12.1995 – UR-Nr. … des Notars D.. E. (Schenkung B. Q.) – und die privatschriftliche Vereinbarung vom 21.12.1995 (Schenkung C. Q.) wird im Übrigen Bezug genommen.

Am 09.02.2007 traf der Kläger mit seinen Söhnen wortgleiche schriftliche Vereinbarungen, die mit “Vertrag über die Übertragung einer Kommanditbeteiligung” überschrieben sind. Hierin heißt es jeweils, der Kläger mache hiermit von seinem Widerrufsrecht Gebrauch und widerrufe die Schenkung des Kommanditanteils von … DM. Der Sohn nehme den Widerruf zur Kenntnis. Der Kläger verlange nunmehr die Rückübertragung des Kommanditanteils. Weiter trat der jeweilige Sohn seinen Kommanditanteil von … DM an den dies annehmenden Kläger ab. Die Abtretungen standen “unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung des Kommanditanteilserwerbs an der R. GmbH & Co. KG durch U. oder ein anderes von V. kontrolliertes Unternehmen im Handelsregister der R. GmbH & Co. KG”. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verträge Bezug genommen.

Im Anschluss veräußerte der Kläger 94,9 % der Kommanditbeteiligung an der G. GmbH & Co. KG an die U. Zudem veräußerte die G. GmbH & Co. KG 19,9 % ihrer Kommanditanteile an der R. GmbH & Co. KG an die U. Auf die in der Grunderwerbsteuerakte befindlichen Vertragsunterlagen wird im Übrigen verwiesen. Der Erwerb der Kommanditanteile an der R. GmbH & Co. KG durch die U. wurde am 19.06.2007 in das Handelsregister eingetragen.

Im Jahr 2012 führte das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung F. im Hinblick auf die Grunderwerbsteuer eine Betriebsprüfung beim Kläger durch. Die Prüfer gelangten zu dem Schluss, dass durch den in der Vereinbarung vom 09.02.2007 ausgesprochenen Widerruf der Schenkung der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwirklicht worden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bericht vom 06.11.2012 verwiesen.

Der Beklagte folgte der Einschätzung der Prüferinnen und erließ am 28.01.2013 einen entsprechenden Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer.

Der Kläger legte Einspruch ein. Er machte geltend, die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG seien nicht erfüllt. Insbesondere fehle es an einem nach dieser Vorschrift erforderlichen Verpflichtungsgeschäft. Unabhängig hiervon sei der Feststellungsbescheid nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG aufzuheben.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 14.05.2013 als unbegründet zurück. Er führte aus, der Widerruf der Schenkung, den der Kläger in dem Vertrag vom 09.02.2007 erklärt habe, sei ein Rechtsgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. Für § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG sei nicht erforderlich, dass das Rechtsgeschäft ein Verpflichtungsgeschäft sei. Zwar sei der häufigste Anwendungsfall in der Praxis das Verpflichtungsgeschäft in Form eines Kaufvertrags. Jedoch könne der Tatbestand auch durch ein Gestaltungsgeschäft verwirklicht werden. Entgegen der Auffassung des Klägers sei der Rechtsprechung des BFH nicht zu entnehmen, dass unter einem “Rechtsgeschäft” im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG nur ein Verpflichtungsgeschäft zu verstehen sei. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Verhältnis zu § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG. Das in dieser Vorschrift erwähnte “schuldrechtliche” Geschäft sei begrifflich nicht gleichbedeutend mit Verpflichtungsgeschäft, sondern weiter gefasst. Darüber hinaus wären durch die Übertragung mindestens 95 % der Gesellschaftsanteile in einer Hand vereinigt worden. Dass die Abtretung der Anteile bedingt erfolgt sei, sei unbeachtlich. Dem Wortlaut des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG, insbesondere dem dort verwendeten Konjunktiv (“vereinigt werden würden”) sei zu entnehmen, dass es nicht darauf ankomme, ob die Anteilsübertragung tatsächlich erfolge. Der Erwerbstatbestand sei auch dann erfüllt, wenn dies nicht der Fall sei. Eine Aufhebung des Feststellungsbescheids nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG komme nicht in Betracht. Die ursprüngliche Schenkung sei nicht innerhalb der Zwei-Jahres-Frist rückgängig gemacht worden. Eine Rückgängigmachung des Widerrufs liege nicht vor, weil die Anteile an einen Dritten weiterveräußert worden seien.

Zur Begründung seiner Klage macht der Kläger geltend: § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfasse ausschließlich Verpflichtungsgeschäfte. Durch den Widerruf der Schenkung sei kein Verpflichtungsgeschäft zustande gekommen. Vielmehr habe er, der Kläger, ein Gestaltungsrecht ausgeübt. Dass § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ausschließlich Verpflichtungsgeschäfte erfasse, folge aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG (” … wenn kein schuldrechtliches Geschäft im Sinne der Nr. 1 vorausgegangen ist.”). “Schuldrechtliches Geschäft” sei gleichbedeutend mit Verpflichtungsgeschäft. Dies ergebe sich auch daraus, dass § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG im Verhältnis zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als Ergänzungstatbestand konzipiert sei. Es bestehe Einigkeit darüber, dass § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ausschließlich auf Verpflichtungsgeschäfte abstelle. Es widerspräche dem Charakter des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG als Ergänzungstatbestand, wenn er weiter ausgelegt würde, als der Grundtatbestand. Zudem habe der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 16.03.1966 (II 26/23) ausdrücklich ausgeführt, dass nur die Vereinigung oder der Übergang der Anteile oder ein Verpflichtungsgeschäft, das auf die Vereinigung oder den Übergang der Anteile ziele, die Steuerpflicht auslöse.

Darüber hinaus sei der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG auch deshalb nicht verwirklicht, weil der Widerruf mit einer bedingten Rückabtretung verknüpft worden sei. Die Rückübertragung der Anteile sei aufschiebend bedingt gewesen und zwar durch die Eintragung des Erwerbs der Anteile an der R. GmbH & Co. KG durch U. oder ein anderes von V. kontrolliertes Unternehmen im Handelsregister. Bereits bei Ausübung des Widerrufsrechts habe festgestanden, dass zu keinem Zeitpunkt 95 % der Anteile an der R. GmbH & Co. KG (unmittelbar oder mittelbar) in seiner, des Klägers, Hand vereinigt werden würden. Aus der Verwendung des Konjunktivs (“vereinigt werden würden”) lasse sich nicht schließen, dass es auf den Gesichtspunkt der tatsächlichen Anteilsvereinigung unter keinen Umständen ankomme. Vielmehr habe der Gesetzgeber durch die gewählte Formulierung deutlich gemacht, dass es auf den Abschluss des auf die Vereinigung der Anteile abzielenden Verpflichtungsgeschäfts und nicht auf die dingliche Durchführung ankomme. Dass auch eine Konstellation wie die vorliegende (bei der es nicht zu einer Anteilsvereinigung kommen könne) habe erfasst werden sollen, sei nicht zwingend.

Es widerspräche zudem dem gesetzgeberischen Sinn und Zweck des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG, wenn ein Vorgang erfasst werde, bei dem von vornherein feststehe, dass er tatsächlich nicht dazu führen werde, dass mindestens 95 % der Anteile in einer Hand vereinigt würden. Durch die Einführung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG im Jahr 1940 habe der Gesetzgeber die Besteuerung zeitlich vorverlegen wollen, jedoch keine “schärfere” Besteuerung bezweckt. Es gehe darum, die veränderte Zuordnung von Grundstücken zu erfassen. Insoweit könne auch der dem Urteil des BFH vom 13.09.1995 (II R 80/92, BStBl. II 1995, 903) zu Grunde liegende Rechtsgedanke herangezogen werden. Nach dieser Entscheidung falle ein Verpflichtungsgeschäft, das einen Anspruch auf den Übergang aller Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts auf eine Person begründe, nicht unter § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG, weil es zu dem für besteuerungswürdig gehaltenen Ergebnis (Vereinigung aller Anteile der Gesellschaft) infolge der mit dem Erwerb aller Anteile verbundenen Anwachsung nicht kommen könne. So verhalte es sich auch hier. Es habe von vornherein festgestanden, dass es nicht zu dem für besteuerungswürdig gehaltenen Ergebnis (Vereinigung von mindestens 95 % der Anteile in seiner, des Klägers, Hand) kommen werde.

Abgesehen hiervon erfordere § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG, dass der Anspruch auf Übertragung der Anteile unmittelbar aus dem Rechtsgeschäft erworben werde. Ein “Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung begründe”, liege daher nicht vor, wenn sich der Übertragungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung, also aus dem Gesetz, und nicht aus einem Verpflichtungsgeschäft ergebe. Dies sei bei dem Widerruf einer Schenkung der Fall (§§ 530, 531 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB -). Auch im Rahmen des § 1 Abs. 1 GrEStG werde allgemein angenommen, dass beim Widerruf einer Schenkung der bereicherungsrechtliche Anspruch auf Rückübertragung eines Grundstücks von § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG erfasst werde. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass der Kläger sich den Widerruf vertraglich vorbehalten habe. Hierin liege keine selbständige vertragliche Rückübertragungsverpflichtung. Andernfalls hätte bereits seit Abschluss der Schenkungsverträge ein Rechtsgeschäft bestanden, dass den Anspruch auf Übertragung der Anteile begründete.

Darüber hinaus sei der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG durch den Widerruf der Schenkungen auch aufgrund folgender Überlegungen nicht verwirklicht worden: Unter Berücksichtigung der Regelungen zur grunderwerbsteuerlichen Organschaft seien bereits im Jahr 2003 sämtliche Anteile an der R. GmbH & Co. KG in seiner, des Klägers, Hand unmittelbar und mittelbar vereinigt worden. Eine Anteilsvereinigung liege auch dann vor, wenn sich mindestens 95 % der Anteile in der Hand von herrschenden Unternehmen und abhängigen Personen vereinigten. Er, der Kläger, sei “herrschendes Unternehmen”. Mindestens während des Zeitraums vom 01.12.2001 bis 28.02.2007 sei er Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinne gewesen, was auch Gegenstand von Betriebsprüfungen gewesen und bestätigt worden sei. Seine, des Klägers, Söhne seien abhängige natürliche Personen im Sinne des § 1 Abs. 4 Nr. 2 a GrEStG gewesen. Nach den Schenkungsverträgen seien sie verpflichtet gewesen, im Hinblick auf die Anteile an der G. GmbH & Co. KG seinen Weisungen zu folgen. Neben dem Widerruf habe er sich ein lebenslanges Nießbrauchsrecht vorbehalten. Zudem habe er die Stimm- und Verwaltungsrechte selbst ausüben dürfen bzw. sei weisungsbefugt gewesen.

Unabhängig hiervon sei der Feststellungsbescheid nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG aufzuheben. Der Erwerbsvorgang sei jedenfalls rückgängig gemacht worden. Der Widerrufsvorgang sei modifiziert worden, indem er mit der bedingten Rückabtretung verknüpft worden sei. Dies sei als Novation zu bewerten. Es liege eine nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG zu behandelnde Aufhebung des alten und die Begründung eines neuen Rechtsverhältnisses vor. Das neue Rechtsverhältnis sei mit einer Bedingung verbunden worden.

Die Klägerin hat im Verlauf des Klageverfahrens dargelegt, dass die R. GmbH & Co. KG einige der erfassten Grundstücke vor dem 09.02.2007 verkauft hatte; der Beklagte hat daraufhin am 19.05.2016 einen Änderungsbescheid erlassen und diese Grundstücke von der Besteuerung ausgenommen. Hinsichtlich der Feststellungen zur Steuerpflicht dem Grunde nach haben sich keine Änderungen ergeben.

Der Kläger beantragt,

die Bescheide über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer vom 28.01.2013 und vom 19.05.2016 sowie die Einspruchsentscheidung vom 14.05.2013 aufzuheben,

hilfsweise, die Revision zuzulassen sowie

die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Er nimmt auf die Einspruchsentscheidung Bezug.

Der Senat hat die Sache am 20.12.2016 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Bescheide sind hinsichtlich der angefochtenen Feststellung rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO -). Dass der Kläger die Schenkung der Kommanditanteile gegenüber seinen Söhnen widerrufen und die Rückabtretung verlangt hat, erfüllt den Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. Die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG sind nicht erfüllt.

Gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG unterliegt, wenn zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück gehört, ein Rechtsgeschäft der Besteuerung, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers oder in der Hand von herrschenden und abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen oder in der Hand von abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen allein vereinigt werden würden. Unter einem Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf die Übertragung von Gesellschaftsanteilen begründet, ist entgegen der Auffassung des Klägers auch eine einseitige Willenserklärung zu verstehen, die den bisherigen Anteilsinhaber zur Übertragung verpflichtet. Zwar trifft es zu, dass eine – zweiseitige – schuldrechtliche Vereinbarung der von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfasste Regelfall ist. Dies kommt auch in § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG zum Ausdruck, wenn dort darauf abgestellt wird, dass kein “schuldrechtliches Geschäft im Sinne der Nr. 1” vorausgegangen sein darf. Zudem weist der Kläger zu Recht darauf hin, dass im Rahmen der Abgrenzung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG (Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks aus einem Rechtsgeschäft) zu § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG (Auflassung) ein gesetzlicher Anspruch auf Übereignung des Grundstücks aus ungerechtfertigter Bereicherung wegen Anfechtung oder Nichtigkeit des Kausalgeschäfts als solcher nicht von § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfasst wird, sondern erst die Auflassung die Grunderwerbsteuer auslöst (vgl. z.B. Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, 11. Aufl. 2016, § 1 Rn. 43; Pahlke, Grunderwerbsteuergesetz, 5. Aufl. 2014, § 1 Rn. 159). Allerdings ist hieraus für § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG nicht zu folgern, dass einseitige Erklärungen den Tatbestand nicht erfüllen könnten. Insbesondere sind § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG und § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG nicht “parallel” konstruiert. So ist für § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erforderlich, dass ein Rechtsgeschäft vorliegt, durch das sich ein Vertragsteil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen und durch das der andere Vertragsteil einen Anspruch auf Übereignung des Grundstücks erlangt. Diese Voraussetzung muss im Rahmen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG im Hinblick auf die Gesellschaftsanteile nicht erfüllt sein. So genügt es, wenn sich bei einem Auftragsverhältnis aus § 667 BGB ein Anspruch des Auftraggebers auf Herausgabe der Gesellschaftsanteile ergibt. Der Auftrag an sich begründet keinen Anspruch des Auftraggebers auf Abtretung der Gesellschaftsanteile; er ist vielmehr Rechtsfolge aus dem Auftragsverhältnis, was im Rahmen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ausreicht (z.B. BFH Urteil vom 07.07.1976 II R 151/67, BStBl. II 1977, 12). Festzuhalten ist dementsprechend, dass § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG – anders als § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG – kein auf eine Übertragung gerichtetes Verpflichtungsgeschäft voraussetzt. Vielmehr genügt es, wenn der Anspruch auf Herausgabe kraft Gesetzes entstanden, aber in einem obligatorischen Rechtsgeschäft “begründet” ist (vgl. Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, 11. Aufl. 2016, § 1 Rn. 159). Dies trifft auf die vorliegende einseitige Willenserklärung des Klägers zu. Der Widerruf der Schenkungen führte zwar zu einem – gesetzlichen – Anspruch auf Rückübertragung aus ungerechtfertigter Bereicherung. Das Recht, die Schenkungen zu widerrufen hatte der Kläger sich jedoch vertraglich vorbehalten. Der Anspruch des Klägers auf Rückübertragung der Kommanditanteile resultierte letztlich aus den Schenkungsverträgen vom 21.12.1995.

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass eine Vereinigung der Anteile in der Hand des Klägers in tatsächlicher Hinsicht ausgeschlossen war, weil die Abtretung der Anteile an der G. GmbH & Co. KG unter der aufschiebenden Bedingung einer Eintragung des Erwerbs von Anteilen an der R. GmbH & Co. KG durch ein fremdes Unternehmen in das Handelsregister stand. Die aufschiebende Bedingung betraf ausschließlich die Abtretung der Kommanditanteile, also die dingliche Umsetzung, und nicht den Anspruch auf und die Pflicht zur Abtretung der Anteile. Entgegen der Auffassung des Klägers waren der Widerruf der Schenkungen und die bedingten Rückabtretungen der Anteile nicht miteinander “verknüpft”, sondern – lediglich – in (jeweils) einer Urkunde zusammengefasst. Der Umstand, dass die Rückabtretungen von dem Eintritt einer Bedingung abhingen, hatte auf den Anspruch des Klägers auf Rückabtretung keinen Einfluss. Anders als der Kläger meint, erfordert § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG auch nicht, dass eine Anteilsvereinigung in tatsächlicher Hinsicht möglich sein muss. Vielmehr stellt § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG für die Rechtszuständigkeit an den Gesellschaftsgrundstücken auf den Anspruch auf Anteilsübertragung und nicht auf die tatsächliche Vereinigung der Gesellschaftsanteile in einer Hand ab. Daher ist § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG auch dann erfüllt, wenn es zu einer Anteilsvereinigung nicht kommt, weil der Anspruchsinhaber die Geschäftsanteile, bevor sie tatsächlich auf ihn übergehen, weiterveräußert (BFH Beschluss vom 15.12.2006 II B 26/06, BFH/NV 2007, 500). So verhält es sich im Prinzip auch hier. Der Kläger hat mit der U. – u.a. unter Hinweis auf den Schenkungswiderruf – eine Vereinbarung über den Verkauf von Anteilen an der G. GmbH & Co. KG und an der R. GmbH & Co. KG getroffen. Dieses Geschäft war nur möglich, weil der Kläger infolge des Widerrufs über die Anteile an der G. GmbH & Co. KG verfügen konnte. Dass es tatsächlich nicht zu einer Anteilsvereinigung in der Hand des Klägers gekommen ist und dies von vornherein so beabsichtigt war, ist unerheblich.

Der Anspruch des Klägers auf Übertragung der Anteile an der G. GmbH & Co. KG hätte auch dazu geführt, dass durch die Übertragung mindestens 95 % der Anteile an der grundbesitzenden R. GmbH & Co. KG unmittelbar oder mittelbar in seiner Hand vereinigt worden wären. Denn der Kläger war bereits zu 75 % als Kommanditist an der R. GmbH & Co. KG beteiligt. Zudem war er Alleingesellschafter der beiden Komplementärgesellschafterinnen (T.-GmbH und S.-Gesellschaft mit beschränkter Haftung; anders als z.B. die §§ 5 und 6 GrEStG stellt § 1 Abs. 3 GrEStG nicht auf die Beteiligung am Vermögen der Gesellschaft, sondern auf die gesamthänderische Mitberechtigung ab, die einer Quotelung nicht zugänglich ist, mit der Folge, dass eine Anteilsvereinigung nur vorliegt, wenn sich alle Anteile, auch die der am Vermögen nicht beteiligten Komplementärinnen, mittelbar in einer Hand vereinigen, z.B. Pahlke, Grunderwerbsteuergesetz, 5. Aufl. 2014, § 1 Rn. 322 f.). Darüber hinaus war der Kläger bereits vor Abschluss der Vereinbarungen vom 09.02.2007 (mit einem Anteil von 10 %) Kommanditist der weiteren Kommanditistin, der G.s GmbH & Co. KG, und Alleingesellschafter von deren Komplementär-GmbH (der H. GmbH). Durch den Widerruf der Schenkungen erlangte er einen Anspruch auf Übertragung auch der restlichen Kommanditanteile (von 90 %), so dass er bei Übertragung dieser Anteile, mittelbar und unmittelbar alle Anteile an der R. GmbH & Co. KG gehalten hätte.

Eine Anwendung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG scheidet entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht deshalb aus, weil die Anteile bereits seit dem Jahr 2003 in seiner Hand vereinigt gewesen wären und es daher bereits deshalb nicht zu einer Anteilsvereinigung hätte kommen können. Der Kläger macht insoweit geltend, er sei Unternehmer gewesen. Seine Söhne seien zudem als abhängige Personen im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 a GrEStG anzusehen gewesen. Sie seien nach den Schenkungsverträgen verpflichtet gewesen, seinen Weisungen zu folgen; er habe sich den lebenslangen Nießbrauch vorbehalten, der so ausgestaltet gewesen sei, dass er die Stimm- und Verwaltungsrechte habe ausüben dürfen bzw. seine Söhne seinen Weisungen unterlegen hätten. Zudem habe er die Schenkung jederzeit ohne Angaben von Gründen widerrufen können. Entgegen der Ansicht des Klägers waren seine Söhne keine abhängigen Personen im Sinne des § 1 Abs. 4 Nr. 2 a GrEStG. Nach dieser Vorschrift gelten als “abhängig” natürliche Personen, soweit sie einzeln oder zusammengeschlossen einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers in Bezug auf die Anteile zu folgen verpflichtet sind. Ob der Kläger Unternehmer war, ist nicht von Bedeutung. Denn jedenfalls waren seine Söhne keine abhängigen natürlichen Personen. Nach allgemeiner Auffassung läuft § 1 Abs. 4 Nr. 2 a GrEStG leer. Entweder ist die natürliche Person rechtlich verpflichtet, den Anteil “auf Weisung” an den Unternehmer herauszugeben; dann wird der Anteil bereits nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG dem Unternehmer zugrechnet (mittelbare Anteilsvereinigung). Oder eine solche Weisungsgebundenheit fehlt; dann liegen sowohl die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG als auch die des § 1 Abs. 4 Nr. 2 a GrEStG nicht vor (Meßbacher-Hönsch in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 18. Aufl. 2016, § 1 Rn. 1101; Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, 11. Aufl. 2016, § 1 Rn. 175; Pahlke, Grunderwerbsteuergesetz, 5. Aufl. 2014, § 1 Rn. 356). Die Söhne des Klägers waren, bevor der Kläger die Schenkungen widerrufen hat, nicht verpflichtet, die Gesellschaftsanteile an diesen herauszugeben. Dass der Kläger in der Lage war, diese Rechtspflicht jederzeit zu begründen, genügt nicht. Auch der Umstand, dass die Söhne hinsichtlich ihrer Stimmrechte weisungsgebunden waren und der Kläger sich den lebenslangen Nießbrauch an den Gesellschaftsanteilen vorbehalten hatte, führt nicht zu einer “Abhängigkeit” der Söhne. Wie ausgeführt, setzt § 1 Abs. 4 Nr. 2 a GrEStG einen Herausgabeanspruch des Unternehmers voraus. Ein solcher Herausgabeanspruch folgt weder aus dem Weisungsrecht hinsichtlich der Stimmrechte noch aus dem Nießbrauch.

Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 6 i.V.m. § 6 Abs. 2 GrEStG hat der Beklagte (was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist) wegen § 6 Abs. 4 GrEStG zutreffend mit 25 % angesetzt.

Eine Aufhebung des Feststellungsbescheids nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG kommt nicht in Betracht. Der Kläger macht insoweit geltend, dass der Widerrufsvorgang durch die Verknüpfung mit der bedingten Rückabtretung modifiziert worden sei. Diese Modifizierung sei als Novation zu bewerten, die zur Aufhebung des alten und Begründung eines neuen Rechtsverhältnisses geführt habe. Dieses neue Rechtsverhältnis sei mit dem Eintritt der Bedingung verbunden gewesenen, so dass eine Anteilsvereinigung von Anfang an nicht möglich gewesen sei. Abgesehen davon, dass § 16 Abs. 1 GrEStG auf Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3 GrEStG gemäß § 16 Abs. 5 GrEStG nur Anwendung findet, wenn der Erwerbsvorgang der Grunderwerbsteuerstelle angezeigt wurde, was hier nicht der Fall war, ist in der aufschiebend bedingten Rückabtretung der Kommanditanteile keine “Schuldumschaffung” zu sehen. Durch die Rückabtretung sollte der aus dem Widerruf der Schenkungen folgende Anspruch des Klägers erfüllt werden. Die aufschiebend bedingte Rückabtretung ist das – dingliche – Erfüllungsgeschäft (“… tritt daher seinen Kommanditanteil an den dies annehmenden Kläger ab.”). Ein neues Schuldverhältnis sollte hierdurch ersichtlich nicht begründet werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Schlagworte

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