OLG München, Urteil vom 07.09.2011 – 7 U 2176/11

Mai 15, 2021

OLG München, Urteil vom 07.09.2011 – 7 U 2176/11

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Zwischenurteil des Landgerichts München I vom 21.04.2011, Az. 5 HK O 10692/10, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, falls nicht die Klägerin vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe

I.

Die Klägerin, ein traditionsreiches Pharmaunternehmen mit Sitz in München, begehrt von der Beklagten zu 2) als Alleinerbin ihres Aktionärs, Günther S., aufgrund einer zwischen ihr und dem Aktionär getroffenen Vereinbarung über die Einzahlung in die Kapitalrücklage Zahlung von 2 Mio. Euro. Vom Beklagten zu 1) als Testamentsvollstrecker über den gesamten Nachlass des Erblassers S. fordert die Klägerin die Duldung der Zwangsvollstreckung in die seiner Verwaltung unterliegenden Nachlassgegenstände wegen des Betrags in Höhe von 2 Mio. Euro.

Die Klägerin führte im Oktober 2008 und im März 2009 zwei Kapitalerhöhungen durch, die von der K. Beteiligungsgesellschaft mbH übernommen wurde, so dass diese nach Durchführung 75,02 % des Grundkapitals hielt. Am 27.03.2009 fanden in Lugano Gespräche statt, die die Thematik der Einzahlung in die Kapitalrücklage erneut zum Gegenstand hatten. Ausweislich des Protokolls (Anlage K 10), das vom Aufsichtsratsvorsitzenden der Klägerin und vom Erblasser unterschrieben wurde, sollte letzterer “2 Millionen Euro in die Kapitalrücklage der Gesellschaft, zum Zwecke der Rückführung von Darlehen der Fa. J.” erbringen.

Am 16.12.2009 verstarb der langjährige Vorstand und Alleinaktionär Günther S. Eine Zahlung der 2 Mio. Euro war bis dahin nicht erfolgt.

Die Klägerin macht zur Begründung der Klage im wesentlichen geltend, aufgrund der Vereinbarung vom 27.03.2010 stehe ihr ein Anspruch auf Zahlung des Betrags von 2 Mio. Euro in die Kapitalrücklage zu und habe der Testamentsvollstrecker die Zwangsvollstreckung in die seiner Verwaltung unterliegenden Nachlassgegenstände zu dulden. Das Landgericht München sei für den Rechtsstreit international zuständig.

Dem tritt die Beklagte entgegen und begehrt Klageabweisung, da sie die Klage wegen fehlender internationaler Zuständigkeit des Landgerichts München I bereits für unzulässig erachtet. Sie ist der Auffassung, dass sich eine Zuständigkeit des Landgerichts München I nicht aus Art. 16 Nr. 2 LugÜ, da es sich um keine Streitigkeit auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts handele, und auch nicht aus dem Gerichtsstand des Erfüllungsorts ergebe . Die Beklagte hält die Klage zudem wegen Fehlens eines wirksamen Vertrags für unbegründet.

Ergänzend wird auf die tatbestandlichen Feststellungen im landgerichtlichen Urteil verwiesen.

Das Landgericht hat durch Zwischenurteil gem. § 280 Abs. 2 ZPO über die internationale Zuständigkeit entschieden und dabei festgestellt, dass das Landgericht München I international für den vorliegenden Rechtsstreit zuständig ist. Es hat dabei maßgeblich Art. 5 Nr. 1 LugÜ herangezogen und darauf abgestellt, dass eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, in einem anderen Vertragsstaat – nämlich vor dem Gericht des Ortes, in dem die Vertragspflicht zu erfüllen wäre – verklagt werden kann, wenn Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden. Als Erfüllungsort für die vorliegend geltend gemachten Ansprüche hat das Erstgericht unter Anwendung deutschen Rechts gem. Art. 28 Abs. 1 S. 1 i.V.m. 28 Abs. 5 EGBGB München angesehen, § 269 BGB. Auch wenn es sich vorliegend nicht um eine gesellschaftsrechtliche Einlageverpflichtung handle, sondern um eine schuldrechtlich begründete Pflicht, sei aus der Natur des Schuldverhältnisses der Erfüllungsort am Sitz der Gesellschaft zu bejahen. Die Verpflichtung des Erblassers als Aktionär der Klägerin sei so eng mit dieser Aktionärsstellung und damit mit der Gesellschaft verbunden, dass es gerechtfertigt sei, den Erfüllungsort am Sitz der Gesellschaft anzunehmen.

Hiergegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung. Sie sehen § 269 BGB fehlerhaft angewandt, insbesondere weil keine hinreichenden Umstände vorliegen, die eine von der Grundregel des § 269 BGB, wonach Erfüllungsort am Wohnsitz des Schuldners ist, abweichende Beurteilung rechtfertigten. Hinzu komme, dass die Umstände vielmehr für den Erfüllungsort Lugano sprächen, so sei der streitgegenständliche Vertrag in Lugano abgeschlossen worden und habe der Erblasser dort auch einen Wohnsitz gehabt. Auch handle es sich vorliegend nicht um einen gesellschaftsrechtlichen Vertrag, sondern um eine Finanzierungszusage, die keinen engen gesellschaftsrechtlichen Bezug habe und auch von einem Dritten hätte eingegangen werden können. Auch aus diesem Grunde sei die Verweisung auf den Sitz der Gesellschaft als Erfüllungsort nicht zutreffend.

Die Beklagten beantragen:

das Zwischenurteil des Landgerichts München I vom 21.04.2011 (5 HK O 10692/10) aufzuheben und die Klage als unzulässig abzuweisen.

Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Sie ist der Auffassung, das landgerichtliche Urteil sei zutreffend. Insbesondere sei auch eine nur schuldrechtliche Verpflichtung zur Leistung in die Kapitalrücklage wie eine Einlageverpflichtung am Sitz der Gesellschaft zu erbringen. Es handle sich um eine stark gesellschaftsrechtlich geprägte Verpflichtung. Auch die konkreten Umstände des vorliegenden Einzelfalls gebieten es, als Erfüllungsort der Verpflichtung München anzunehmen. So seien wesentliche Vorgespräche über die Verpflichtung in München geführt worden. Letztendlich ergebe sich der Erfüllungsort München auch aus der Tatsache, dass der Erblasser seinen Wohnsitz in München gehabt habe.

Auf den Hinweis des Senats, dass die internationale Zuständigkeit hinsichtlich der beiden Beklagten möglicherweise unterschiedlich zu beurteilen sein könnte, hat die Klägerin bezüglich des Beklagten zu 1) ergänzend einen Hilfsantrag gestellt und beantragt, auch diesen zur Zahlung eines Betrags von 2 Mio. Euro als Gesamtschuldner mit der Beklagten zu 2) zu verurteilen.

Sie lässt ergänzend vortragen, die internationale Zuständigkeit ergebe sich auch bezüglich des Beklagten zu 1) als Testamentsvollstrecker aus Art. 5 Nr. 1 a LugÜ i.V.m. § 269 BGB. Es handle sich um vertragliche Ansprüche, für die sich aus der Natur des Schuldverhältnisses der Erfüllungsort München ergebe. Durch den Erbfall habe sich an der schuldrechtlichen Verpflichtung nichts geändert. Es sei nicht interessensgerecht, Nachlassansprüche gegen den Alleinerben an einem anderen Gerichtsstand verfolgen zu müssen als Ansprüche gegen den Testamentsvollstrecker. Die internationale Zuständigkeit ergebe sich, falls es sich nicht um eine vertragliche, sondern um eine erbrechtliche i.S.d. Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 LugÜ handeln sollte aus §§ 27, 28 ZPO, da sich Nachlassgegenstände noch teilweise in München befänden, und aus § 23 ZPO dem Gerichtsstand des Vermögens. Die internationale Zuständigkeit bestehe in jedem Fall für den gestellten Hilfsantrag, der auf Zahlung gerichtet ist und für den maßgeblich der Erfüllungsort sei.

Die Beklagten, die die Zurückweisung des Hilfsantrags begehren, lassen vortragen, dass im Hinblick auf den Beklagten zu 1) nicht an Art. 5 Nr. 1 LugÜ angeknüpft werden könne, vielmehr auf seine Stellung als Testamentsvollstrecker abzustellen sei . Dieser sei gem. Art. 2 Abs. 1 LugÜ an seinem Wohnsitz zu verklagen. Die Vorschriften der §§ 23, 28 ZPO würden durch die Regelungen des Luganer Übereinkommens verdrängt, Art. 3 LugÜ.

Der Senat hat mit den Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 07.09.2011 die Sach- und Rechtslage umfassend erörtert. Zur Ergänzung wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Protokolle der mündlichen Verhandlung erster und zweiter Instanz verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten erweist sich als nicht erfolgreich. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht in seiner gem. § 280 Abs. 2 ZPO zulässigen Zwischenentscheidung die internationale Zuständigkeit des Landgerichts München I für den vorliegenden Rechtsstreit bejaht.

I. Internationale Zuständigkeit bezüglich der Klage gegen die Beklagte zu 2):

Das Landgericht, das bei der Prüfung der internationalen Zuständigkeit nicht zwischen den beiden Beklagten differenziert hat, hat mit bezüglich der Beklagten zu 2) zutreffenden Erwägungen die internationale Zuständigkeit des Landgerichts München I bejaht, Art. 5 Nr. 1 LugÜ.

Von den Beklagten nicht angegriffen hat es das Luganer Übereinkommen aus dem Jahr 1988 für grundsätzlich anwendbar erachtet, da sowohl die Bundesrepublik Deutschland als auch die Schweiz Vertragsstaaten sind.

21Eine Anwendbarkeit scheidet in Bezug auf die Beklagte zu 2) als Alleinerbin des Erblassers auch nicht nach Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 LugÜ aus, da es sich nicht um eine Rechtsstreitigkeit auf dem Gebiet des Erbrechts handelt. Unter den Ausnahmetatbestand fallen alle Ansprüche des Erben auf und an den Nachlass. Nicht jedoch Klagen, mit denen Verbindlichkeiten des Erblassers bzw. des Nachlasses geltend gemacht werden, die keine erbrechtliche Anspruchsgrundlage haben (Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, Kommentar, 3. Auflage, Art. 1 Rdnr. 116 EuGVVO; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, Kommentar, 8. Auflage, Art. 1 Rdnr. 28; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, Kommentar, 3. Auflage, Art. 1 EuGVVO Rdnr. 18). Um solche vertraglichen Ansprüche, die ursprünglich gegen den Erblasser begründet waren und im Wege der Universalsukzession auf die Alleinerbin übergingen, handelt es sich vorliegend.

Grundsätzlich sind gem. Art. 2 Abs. 1 LugÜ zwar Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates haben, vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen, dies wäre für die Beklagte zu 2) die Schweiz. Wie das Landgericht aber zutreffend feststellte, greift vorliegend die Ausnahmevorschrift des Art. 5 Nr.1 LugÜ. Danach kann eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden, wenn Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden und der Ort, an dem die Verpflichtung zu erfüllen wäre, in diesem anderen Vertragsstaat liegt. Der Erfüllungsort ist dabei gem. Art. 27, 28 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 5 EGBGB nach deutschem Recht zu beurteilen, da der Sachverhalt die engste Verbindung zu deutschem Recht aufweist. Dies hat das Landgericht mit zutreffender Argumentation festgestellt. Maßgeblich ist dabei, dass die Klägerin als Aktiengesellschaft ihren Hauptsitz in München hat, Grundlage des Anspruchs die Verpflichtung des Erblassers als Aktionär der Klägerin zur Einzahlung eines Geldbetrags in deren Kapitalrücklage ist und die Klägerin auch mit den Parteien ihren Geschäftsverkehr stets nach deutschem Recht abwickelte.

23Zu Recht beurteilt sich die Frage des Erfüllungsorts für die schuldrechtliche Verpflichtung damit nach § 269 BGB. Mit zutreffenden Erwägungen, auf die verwiesen werden kann, hat das Erstgericht festgestellt, dass die Zahlungsverpflichtung aufgrund der besonderen Umstände und der Natur des Schuldverhältnisses – abweichend von der Grundregel des § 269 Abs. 1 BGB über den Erfüllungsort am Sitz des Schuldners – am Sitz der Klägerin zu erfüllen ist. Der Einwand der Beklagten, wonach keine hinreichenden Umstände für einen Erfüllungsort am Sitz der Klägerin sprechen, es sich insbesondere um keine gesellschaftsrechtliche Verpflichtung handele und es bei der Grundregel bleibe, überzeugt nicht. Es ist zwar zutreffend, dass es sich vorliegend um keine Einlageverpflichtung handelt, die körperschaftsrechtlicher Natur ist, sondern um eine schuldrechtliche Verpflichtung. Diese weist jedoch so enge Bezüge zur Stellung des Erblassers als Aktionär der Klägerin auf, insbesondere auch deshalb, weil die Zahlungsverpflichtung als Sanierungsbeitrag für die Aktiengesellschaft ohne Gegenleistung dienen sollte, dass es nicht zu beanstanden ist, wenn das Erstgericht auch im Hinblick auf die wirtschaftliche Nähe zur Regelung in § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB den Sitz der Gesellschaft als Erfüllungsort annahm.

II. Internationale Zuständigkeit bezüglich der Klage gegen den Beklagten zu 1):

Auch bezüglich des klägerischen Hauptantrags gegen den Beklagten zu 2) als Testamentsvollstrecker über den gesamten Nachlass des verstorbenen Günther S. auf Duldung der Zwangsvollstreckung in die seiner Verwaltung unterliegenden Nachlassgegenstände wegen eines Betrags von 2 Mio. Euro ergibt sich eine internationale Zuständigkeit des Landgerichts München I, Art. 25, 26 EGBGB, §§ 27, 28 ZPO.

261. Für die Beurteilung der Frage der internationalen Zuständigkeit der Klage gegen den Beklagten zu 2) findet gem. Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 LuGÜ das Luganer Übereinkommen keine Anwendung, da es sich um einen Rechtsstreit auf dem Gebiet des Erbrechts handelt. Die in Art. 1 genannten, ausdrücklich ausgeschlossenen Rechtsgebiete sind grundsätzlich autonom zu bestimmen (vgl. EuGH vom 22.2.1979 – 133/78). Dabei ist bei der Ermittlung der gerichtlichen Zuständigkeit auf den tragenden Anspruch abzustellen. Im vorliegenden Fall macht die Klägerin einen Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung nach § 2213 Abs. 3 BGB geltend, der seine besondere Grundlage im Erbrecht und insbesondere in der Stellung des Testamentsvollstreckers findet. Der Ausnahmekatalog des Art. 1 Abs. 2 LuGÜ ist eng auszulegen, da Ziel der Verordnung die Vereinheitlichung des Zuständigkeits- und Anerkennungsrechts auf möglichst allen Gebieten des Zivil- und Handelsrechts ist (Geimer/Schütze, a.a.O., Rdnr. 49). Allerdings hat man den Anwendungsbereich des Luganer Übereinkommens im Wesentlichen auf vermögensrechtliche Angelegenheiten beschränkt, weil die IPR-Systeme der einzelnen Mitgliedstaaten auf statusrechtlichem Gebiet ebenso wie auch auf dem Gebiet des Güterrechts und des Erb- und Testamentsrechts (vor allem hinsichtlich auch der unterschiedlichen Methoden der Nachlassabwicklung) stark voneinander abweichen. So soll auch für die erbrechtliche Materie eine eigene Verordnung erarbeitet werden, Brüssel IV (vgl. Geimer/Schütze, a.a.O. Rdnr. 66, 72), deren Regelungsgegenstand auch die Testamentsvollstreckung umfassen soll. Angesichts dessen und aufgrund der Tatsache, dass der gegen den Beklagten zu 1) gerichtete Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung seinen Rechtsgrund in den erbrechtlichen Regelungen zur Rechtsstellung des Testamentsvollstreckers hat, handelt es sich vorliegend um eine erbrechtliche Streitigkeit, für die der Anwendungsbereich des Luganer Übereinkommens nicht eröffnet ist. Die Beklagte kann auch nicht mit ihrer Auffassung durchdringen, es sei maßgeblich darauf abzustellen, dass es sich um einen vertraglichen Anspruch, handle. Dem ist entgegen zu halten, dass der vertragliche Anspruch aufgrund der behaupteten Vereinbarung auf Zahlung gerichtet ist, es sich jedoch bei dem Anspruch gegen den Beklagten zu 1) als Testamentsvollstrecker um einen originär sich aus der besonderen Stellung des Nachlassverwalters ergebenden, die verwalteten Nachlassgegenstände betreffenden Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung in den Nachlass (§ 748 ZPO) handelt. Damit resultiert der geltend gemachte Duldungsanspruch aus dem Nachlass und stützt sich unmittelbar auf erbrechtliche Regelungen.

2.Das Landgericht München I ist gem. Art. 25, 26 EGBGB i.V.m. §§ 27, 28 ZPO für den Rechtsstreit international zuständig.

28a) Nach Art. 25, 26 EGBGB wird das Erbstatut grundsätzlich nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers bestimmt. Unstreitig war der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes am 19.12.2009 in München deutscher Staatsangehöriger. Seit Inkrafttreten des FamFG zum 01.09.2009 gilt auch in Nachlasssachen uneingeschränkt der Grundsatz der Doppelfunktionalität, d.h. die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folgt aus deren örtlicher Zuständigkeit. Deutsche Gerichte sind danach international zuständig, wenn der Erblasser Deutscher war, dieser seinen Wohnsitz bzw. Aufenthalt zum Zeitpunkt des Erbfalls im Inland hatte oder Nachlassgegenstände im Inland belegen sind (vgl. Palandt, BGB, 70. Auflage, Art. 25 EGBGB, Rdnr. 18), §§ 27, 28 ZPO.

b) Eine internationale Zuständigkeit des Landgerichts München I ergibt sich aus den Zuständigkeitsregeln der §§ 27, 28 ZPO. Im vorliegenden Fall handelt es sich bei dem gegenüber dem Testamentsvollstrecker geltend gemachten Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung in Nachlassgegenstände um solche, die nicht von der Zuständigkeitsregelung des § 27 Abs. 1 ZPO umfasst sind, sondern um andere Nachlassverbindlichkeiten i.S.d. § 28 ZPO, da sie die Verwaltung des Nachlasses betreffen, § 2213 Abs. 3 BGB, (vgl. Zöller, ZPO, 28. Auflage, § 28 Rdnr. 2). Danach können solche Klagen ebenfalls im Gerichtsstand der Erbschaft (§ 27 ZPO) erhoben werden, solange sich der Nachlass noch ganz oder teilweise im Bezirk des Gerichts befindet. Der Gerichtsstand nach § 27 ZPO knüpft seinerseits an den allgemeinen Gerichtsstand des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes an. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Erblasser zum Zeitpunkt des Todes noch seinen Wohnsitz in München oder vielmehr in Lugano hatte (§ 13 ZPO, 7 Abs. 1 BGB). Dies kann vorliegend jedoch aufgrund der Regelung in § 27 Abs. 2 ZPO dahinstehen, da er, auch wenn er zum Zeitpunkt des Todesfalls keinen Wohnsitz mehr in München gehabt haben sollte, seinen letzten inländischen Wohnsitz unstreitig in München hatte und damit der Gerichtsstand der Erbschaft nach § 27 Abs. 2 ZPO München ist. Auch die weitere Voraussetzung des § 28 ZPO, nämlich dass sich der Nachlass noch (zumindest teilweise) im Bezirk des Gerichts befindet, liegt unstreitig vor. Nach dem nunmehr übereinstimmenden Vortrag der Parteien befinden sich Nachlassgegenstände, z.B. Bilder und sonstige Einrichtungsgegenstände, in München (vgl. Anlage K 33, K 34, K 35).

Damit ist die internationale örtliche Zuständigkeit des Landgerichts München I auch für die Klage gegen den Beklagten zu 1) gegeben. Auch insofern erweist sich die Berufung der Beklagten als nicht erfolgreich.

Auf den im Berufungsverfahren gestellten Hilfsantrag bzw. die Frage der internationalen Zuständigkeit für diesen Anspruch war daher nicht mehr einzugehen.

III. Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.

IV. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine Zulassungsgründe vorliegen (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Der Senat hat seine Entscheidung über die internationale Zuständigkeit des Landgerichts München I maßgeblich auf die Beurteilung und rechtliche Bewertung der den geltend gemachten Ansprüchen zu Grunde liegenden tatsächlichen Umstände gestützt. Eine Abweichung von höchstrichterlicher Rechtsprechung liegt nicht vor.

Schlagworte

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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